Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Sozialarbeiters nach dem BAT-KF. Unbilligkeit/Unwirksamkeit kirchlicher Arbeitsbedingungen, Prüfungsmaßstab. Grobe Unbilligkeit iSv. § 319 Abs. 1 BGB, Voraussetzungen, Beweislast. Eingruppierung Privatwirtschaft. Sonstiges

 

Orientierungssatz

  • Es konnte dahinstehen, ob für die Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsbedingungen die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe anzuwenden sind oder ob diese nach den im Vergleich dazu strengeren Maßstäben der Billigkeitskontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB erfolgt. Denn die im Streitfall zu prüfenden Regelungen halten der Inhaltskontrolle nach dem letztgenannten Prüfungsmaßstab stand.
  • Offenbar unbillig iSv. § 319 Abs. 1 BGB ist die Leistungsbestimmung eines Dritten, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt.
  • Die Beweislast für die offenbare Unbilligkeit trägt die Partei, die sie behauptet.
  • Erforderlich ist dafür zunächst ein substantiierter und schlüssiger Tatsachenvortrag, aus dem sich die offenbare Unbilligkeit ergibt.
  • Die unterschiedliche Regelung der Eingruppierung von Sozialarbeitern im AVGP. BAT-KF 2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe Fallgr. 11 bis 13 und 16 im Vergleich zu der Eingruppierungsregelung für Sozialarbeiter in AVGP. BAT-KF 2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst ist – nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall – nicht offenbar unbillig iSv. § 319 Abs. 1 BGB und verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
 

Normenkette

Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) § 22; Allgemeiner Vergütungsgruppenplan zum BAT-KF (AVGP. BAT-KF) 2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst Fallgr. 1 bis 5 sowie Anmerkung 3; Allgemeiner Vergütungsgruppenplan zum BAT-KF (AVGP. BAT-KF) 2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe Fallgr. 11 bis 13, 16; BGB § 319; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 22.01.2002; Aktenzeichen 7 Sa 1556/01)

ArbG Bielefeld (Urteil vom 30.05.2001; Aktenzeichen 4 Ca 3724/00)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten – noch – über einen Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT-KF ab 1. Januar 1999.

Der am 13. Oktober 1951 geborene Kläger ist Diplom-Sozialpädagoge (grad). Er trat am 1. Juli 1992 in die Dienste der v.… – E… – in B.… Gemäß § 1 Abs. 4 des Dienstvertrages der damaligen Arbeitsvertragsparteien vom 11. Juni 1992 gelten die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) für das Arbeitsverhältnis. Nach § 3 Abs. 1 des Dienstvertrages “ist” der Kläger “in die Vergütungsgruppe IVb BAT-KF eingruppiert”. Mit Wirkung vom 1. Januar 1997 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über.

Der Kläger wird als Sozialpädagoge im S… eingesetzt. Bei diesem handelt es sich um eine Einrichtung der Gefährdetenhilfe mit 100 Plätzen in acht Wohnhäusern und zwei ausgelagerten Häusern. Im S… sind Nichtseßhafte iSd. § 4 VO zu § 72 BSHG mit dem Ziel der Wiedereingliederung stationär untergebracht. Das fachliche Betreuungspersonal besteht aus Sozialarbeitern/Sozialpädagogen, einem Psychologen und einem regelmäßig und bei Bedarf zu konsultierenden Neurologen. Die dem Kläger übertragenen Aufgaben schließen neben der persönlichen Beratung und Betreuung die Erstellung sowie die Durchführung eines Hilfeplans ein. Die “klientenbezogenen Aufgaben” sind in der Stellenbeschreibung “Sozialarbeiter/in in der stationären Hilfe S…” der Beklagten vom 19. März 2001 wie folgt beschrieben:

VIII. Aufgabenbereiche

a) Klientenbezogene Aufgaben

Der Stelleninhaber/die Stelleninhaberin

 – 

ermittelt den individuellen Hilfebedarf

 – 

erstellt anspruchsbegründende Berichte, Verlängerungs- und Abschlußberichte

 – 

erstellt mit dem Klienten Hilfepläne, schreibt diese fort und überwacht ihre Einhaltung und Umsetzung

 – 

vernetzt klientenzentriert die Angebote im Hilfefeld

 – 

bearbeitet und unterstützt die Aufnahmen, Umzüge und Entlassungen der Klienten

 – 

wirkt mit bei der Gestaltung von Festen, Gruppen- und Freizeitmaßnahmen

 – 

führt Gruppengespräche

 – 

überwacht die Einhaltung des Aufnahmevertrages und der Hausordnung

Die Beratung und Unterstützung der Klienten bezieht sich auf die Bereiche:

 – 

Wohnen, lebenspraktische Fähigkeiten

 – 

Einkommen, Finanzielle Situation, Schulden

 – 

Arbeit, Beruf, Ausbildung (in Kooperation mit der Arbeitsberatung der G… GmbH)

 – 

Gesundheit

 – 

Suchtverhalten

 – 

Soziale Beziehungen

 – 

Freizeit, Tagesstrukturierung, Lebensarbeitszeitgestaltung

 – 

Delinquenz

Hinzu kommen organisatorische, administrative und entwicklungsbezogene Aufgaben des Klägers. Unter IX der Stellenbeschreibung ist zur “Kommunikationsstruktur” folgendes ausgeführt:

Der Stelleninhaber/die Stelleninhaberin

 – 

nimmt an den Dienst- und Teambesprechungen teil

 – 

nimmt nach Absprache an Fallgesprächen, internen und externen Arbeitsgruppen und Gremien teil

 – 

kooperiert mit für den Hilfeprozeß relevanten Dienststellen und Einrichtungen

 – 

arbeitet im Kleinteam nach Arbeitsschwerpunkt/ Leistungstyp

Die verbindliche Zusammenarbeit mit der trägerinternen medizinisch-ärztlichen Versorgung, der psychologischen Beratung sowie der Arbeitsberatung ist obligatorisch.

Im Jahre 1995 leitete der Kläger das kirchliche Schlichtungsverfahren mit dem Ziel ein, einen Bewährungsaufstieg in die VergGr. IVa BAT-KF zu erreichen. Er vertrat die Auffassung, mit schwierigen Tätigkeiten eines Sozialpädagogen iSd. Anmerkung 3 der Fallgr. 3 des Allgemeinen Vergütungsgruppenplans zum BAT-KF (AVGP. BAT-KF) 2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagoge im Sozialdienst betraut zu sein. Die damalige Arbeitgeberin verwies zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunkts auf den AVGP. BAT-KF 2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe; dort ist ein vergleichbarer Bewährungsaufstieg nicht vorgesehen. Der Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit entsprechender Tätigkeit ist nach AVGP. BAT-KF in der VergGr. Vb und nach zweijähriger Bewährung darin in der VergGr. IVb BAT-KF eingruppiert. Nach weiterer sechsjähriger Tätigkeit erhält er nach AVGP. BAT-KF Anmerkung Nr. 11 eine 5 %ige Vergütungsgruppenzulage aus der Grundvergütung der VergGr. IVb BAT-KF. Zur Beilegung der Differenzen der Parteien empfahl die Schlichtungskammer beim Diakonischen Werk Münster, dem Kläger eine unwiderrufliche persönliche Zulage in Höhe der Differenz zwischen den VergGr. IVa und IVb BAT-KF zu gewähren. Die damalige Arbeitgeberin akzeptierte diesen Vorschlag nicht.

Mit seiner Anfang 2002 erhobenen Klage erstrebt der Kläger, der neben der Vergütung nach der VergGr. IVb BAT-KF die Vergütungsgruppenzulage sowie eine Stellen- und eine Schichtzulage erhält, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn “gemäß VergGr. IVa BAT-KF” zu vergüten, und zwar in den Vorinstanzen ab 1. Januar 1998, in der Revisionsinstanz nur noch ab 1. Januar 1999.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei so zu behandeln, als habe er die vierjährige Bewährungszeit in Tätigkeiten der VergGr. IVb Fallgr. 3 AVGP. BAT-KF 2.30 erfüllt. Die Differenzierung zwischen der Tätigkeit des Sozialpädagogen in der stationären und der ambulanten Gefährdetenhilfe sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. Gleichheitssatz. Auch den Sozialpädagogen der ambulanten Gefährdetenhilfe sei es möglich, sich kollegial auszutauschen sowie die Beratung durch begleitende Dienste abzurufen. Der Kontakt zu psychologischen Beratungsstellen sowie die Kooperation mit Neurologen sei im allgemeinen Sozialdienst ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, daß das Klientel der Gefährdetenhilfe durchgängig suchtmittel-, teilweise mehrfachabhängig sei. Allein aus diesem Grunde vermittele die Arbeit im stationären Bereich keinerlei Erleichterung im Vergleich zu der ambulanten Gefährdetenhilfe. Ihm seien damit schwierige Tätigkeiten eines Sozialpädagogen iSd. VergGr. IVb Fallgr. 3 des AVGP. BAT-KF 2.30 übertragen, in denen er sich vier Jahre bewährt habe. Die Differenzierung zwischen dem allgemeinen Sozialdienst und der Tätigkeit im stationären Bereich sei zumindest grob unbillig. Der BAT-KF sei nicht einem Tarifvertrag gleichzustellen. Er unterliege vielmehr der Kontrolle nach §§ 317, 319 BGB. Die arbeitsrechtliche Kommission als Dritter iSd. § 317 BGB habe die Vergütung eines Sozialarbeiters in Heimen der Gefährdetenhilfe und derjenigen im allgemeinen Sozialdienst zu Unrecht unterschiedlich geregelt. Es sei deshalb unverbindlich, daß der BAT-KF der AVGP. BAT-KF 2.42 den Bewährungsaufstieg in die VergGr. IVa BAT-KF nicht vorsehe. Weil die übrigen Vergütungsregelungen bei vergleichbaren Tätigkeiten generell den Bewährungsaufstieg einräumten, sei dessen Übernahme in AVGP. BAT-KF 2.42 sachgerecht.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1998 gem. VergGr. IVa BAT-KF zu vergüten ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Vergütungsgruppenpläne des BAT-KF unterlägen nur einer begrenzten Inhaltskontrolle. Wegen der paritätischen Besetzung der arbeitsrechtlichen Kommission und des verankerten Mehrheitsvotums sei § 317 BGB als Prüfungsmaßstab nicht anwendbar. Die Satzung der arbeitsrechtlichen Kommission beschreibe ein kollektiv geordnetes Beteiligungsverfahren zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs nach dem Prinzip der Vertragsgerechtigkeit. Auf Grund der Weisungsungebundenheit der Mitglieder der arbeitsrechtlichen Kommission sei ein Verhandlungsgleichgewicht entstanden, das der Verhandlung über den Abschluß eines Tarifvertrages gleichzusetzen sei. Im übrigen seien die Unterschiede in den Vergütungsregelungen für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen zwischen dem AVGP. BAT-KF 2.30 einerseits und im AVGP. BAT-KF 2.42 andererseits sachgerecht. Im Gegensatz zum stationären Bereich werde in den ambulanten Einrichtungen nicht im Gruppenverband gearbeitet. Es fehle der Austausch mit Kollegen sowie die Unterstützung durch begleitende Fachdienste. Hierauf könne der Kläger bei seinem Einsatz in der stationären Hilfe für Wohnungslose jederzeit zurückgreifen. Zudem sei das Spannungsfeld des Sozialpädagogen im Sozialdienst umfassender, schwieriger und mit einem höheren Grad an Alleinverantwortung ausgestattet. Schon deshalb seien beide Aufgabenbereiche nicht gleich zu bewerten. Die Differenzierung in der Vergütung sei auch sachgerecht, auf gar keinen Fall grob unbillig. Weil die letztgenannte Voraussetzung nahezu willkürliches Handeln fordere, welches sie nicht erkenne, sehe sie keine Veranlassung, dem Kläger einen Bewährungsaufstieg in die VergGr. IVa BAT-KF einzuräumen. Ihrer Meinung nach werde seine Tätigkeit angemessen vergütet. Seine Gesamtvergütung bestehend aus Grundgehalt, Vergütungsgruppen-, Stellen- und Schichtzulage bleibe nur geringfügig unterhalb derjenigen eines Sozialpädagogen im Sozialdienst mit der Vergütung nach VergGr. IVa BAT-KF.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag für die Zeit ab 1. Januar 1999 weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Mit Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.

  • Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT-KF ab 1. Januar 1999.

    1. Der Kläger ist weder nach einem Tätigkeitsmerkmal des AVGP. BAT-KF 2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst noch nach AVGP. BAT-KF 2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe in der VergGr. IVa BAT-KF eingruppiert.

    a) Der BAT-KF findet auf Grund der Vereinbarung in § 1 Abs. 4 des Dienstvertrages zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 11. Juni 1992 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

    b) Die Tätigkeit des Klägers entspricht jedoch nicht den Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IVa AVGP. BAT-KF (vgl. § 22 Abs. 2 BAT-KF). Denn für die Eingruppierung des Klägers sind – worin die Parteien übereinstimmen – die Tätigkeitsmerkmale des AVGP. BAT-KF 2.42 maßgebend, die die Eingruppierung der Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe regeln. Diese besonderen Tätigkeitsmerkmale gehen gem. Vorbemerkung Nr. 2 zum AVGP. BAT-KF den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen des AVGP. BAT-KF 2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst vor. Der AVGP. BAT-KF 2.42 enthält kein Tätigkeitsmerkmal in VergGr. IVa, dessen Anforderungen der Kläger erfüllt. Auch dies ist die übereinstimmende Auffassung beider Parteien.

    2. Die Regelung der Vergütung für Sozialarbeiter im AVGP. BAT-KF 2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe ist wirksam. Sie ist nicht offenbar unbillig iSv. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch daraus folgt daher nicht der Klageanspruch. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

    a) Der AVGP. BAT-KF enthält, soweit dies für die vom Kläger erstrebte Ersetzungsbestimmung nach § 319 BGB von Bedeutung ist, folgende Bestimmungen:

    2.30 Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst(1)

    Fallgruppe

    Tätigkeitsmerkmal

    Verg.-Gr.

    1.

    Sozialarbeiter/Sozialpädagogen im Sozialdienst

    V b

    2.

    Mitarbeiter der Fallgruppe 1 nach zweijähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Verg.Gr. Vb(2)

    IV b

    3.

    Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit entsprechenden schwierigen Tätigkeiten(3)

    IV b

    4.

    Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit abgeschlossener Zusatzausbildung in einer der Zusatzausbildung entsprechenden Tätigkeit(4)

    IV b

    5.

    Mitarbeiter der Fallgruppen 3 und 4 nach vierjähriger Bewährung in einer dieser Fallgruppen

    IV a

    Die Anmerkungen 1, 2 und 4 sind für den Rechtsstreit nicht von Bedeutung. Anmerkung 3 lautet:

    3 Schwierige Tätigkeiten sind z. B. die

    • die Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
    • Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
    • begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
    • begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
    • Koordinierung von Arbeiten mehrerer Arbeiter mindestens der Verg.Gr. Vb.

    2.42 Mitarbeiter in Heimen der Gefährdetenhilfe(1),(2)

    Fallgruppe

    Tätigkeitsmerkmal

    Verg.-Gr.

    11.

    Sozialarbeiter/Sozialpädagogen in entsprechender Tätigkeit(3), (9)

    V b

    12.

    Mitarbeiter der Fallgruppe 11 nach zweijähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Verg.Gr. Vb(11)

    IV b

    13.

    Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit abgeschlossener zusätzlicher Spezialausbildung in einer der Spezialausbildung entsprechenden Tätigkeit(3),(9),(10)

    IV b

    16.

    Mitarbeiter der Fallgruppen 13 bis 15 nach vierjähriger Bewährung in einer dieser Fallgruppen

    IV a

    Hier von Bedeutung ist lediglich die Anmerkung Ziff. 2, die lautet:

    2 Heime der Gefährdetenhilfe sind Heime für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes.

    b) Der Kläger rügt, die Regelung des AVGP. BAT-KF 2.42 sei insoweit offenbar unbillig iSv. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB, als darin im Unterschied zu AVGP. BAT-KF 2.30 kein Bewährungsaufstieg in VergGr. IVa BAT-KF für Sozialarbeiter mit schwierigen Tätigkeiten vorgesehen sei. Die begleitende Fürsorge für Heimbewohner sei eine schwierige Tätigkeit eines Sozialarbeiters, wie aus AVGP. BAT-KF 2.30 Anmerkung 3 Buchst. c folge.

    Dieser Auffassung ist das Landesarbeitsgericht mit Recht nicht gefolgt.

    c) Die Regelung der Vergütung der Sozialarbeiter in AVGP. BAT-KF 2.42 – soweit hier von Interesse – ist nicht offenbar unbillig iSv. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB.

    aa) Der Kläger rügt nicht, der BAT-KF leide insoweit an einem formellen Mangel.

    bb) Er beanstandet lediglich den Inhalt der AVGP. BAT-KF 2.42. Diese Beanstandung ist unbegründet. Dabei kann offenbleiben, ob für die Inhaltskontrolle des BAT-KF, bei dem es sich nicht um einen Tarifvertrag im allgemeinen arbeitsrechtlichen und insbesondere iSd. TVG handelt (Senat 26. Oktober 1994 – 4 AZR 844/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Kirchen Nr. 3 mwN), sondern um kirchliche Arbeitsbedingungen, die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe anzuwenden sind, wie die Beklagte meint, oder ob der BAT-KF als eine von einem Dritten, der arbeitsrechtlichen Kommission, getroffene Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle nach § 319 BGB unterliegt, wie das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit dem Kläger angenommen hat (vgl. BAG 15. November 2001 – 6 AZR 88/01 – ZTR 2002, 537). Auch dem letzteren strengeren Prüfungsmaßstab hält die hier interessierende Regelung des AGVP. BAT-KF 2.42 stand.

    (1) Mangels anderweitiger Bestimmung ist nach § 317 Abs. 1 BGB davon auszugehen, daß die arbeitsrechtliche Kommission ihre Leistungsbestimmung, also die Regelung der Vergütung der Angestellten im AVGP. BAT-KF, nach billigem Ermessen zu treffen hat. Die nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung der arbeitsrechtlichen Kommission ist den Parteien gegenüber nur dann unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist (§ 319 Abs. 1 Satz 1 BGB). Offenbar unbillig iSd. genannten Norm ist die Leistungsbestimmung eines Dritten, wenn sie in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt (BAG 15. November 2001 – 6 AZR 88/01 – ZTR 2002, 537, 540; BGH 26. April 1991 – V ZR 61/90 – NJW 1991, 2761). Die Beweislast für die offenbare Unbilligkeit trägt die Partei, die sie behauptet (allgemeine Meinung BAG 15. November 2001 – 6 AZR 88/01 – aaO mwN). Erforderlich ist dafür zunächst ein substantiierter und schlüssiger Tatsachenvortrag, aus dem sich die offenbare Unbilligkeit ergibt (BGH 21. September 1983 – VII ZR 233/82 – NJW 1984, 43; Palandt/Heinrichs BGB 61. Aufl. § 319 Rn. 7 mwN).

    (2) Von offenbarer Unbilligkeit der Vergütungsregelung des AVGP. BAT-KF 2.42 Fallgr. 11 bis 13 und 16 ist hier nicht auszugehen.

    Mit den Ausführungen des Klägers zur tariflichen Bewertung von Mischtätigkeiten, die dazu führe, daß – so der Kläger sinngemäß – der Sozialarbeiter mit einer solchen, wenn die stationäre Arbeit “zu mehr als 50 %” ausgeübt werde, nach AVGP. BAT-KF 2.42 eingruppiert sei, während er unter AVGP. BAT-KF 2.30 falle, wenn sie “zu weniger als 50 %” ausgeübt werde, ist die offenbare Unbilligkeit der Vergütungsregelung des AVGP. BAT-KF 2.42 nicht begründet. Die dargestellte Eingruppierung ist in der Systematik (§ 22 BAT-KF) angelegt und betrifft alle Mischtätigkeiten von Angestellten nach dem BAT-KF, enthält also keine Benachteiligung von Sozialarbeitern in Heimen der Gefährdetenhilfe.

    Auch mit dem Hinweis des Klägers in der Revision, die Betreuung von Heimbewohnern durch den – ambulanten – Sozialdienst sei vom BAT-KF als “schwierige Tätigkeit” eines Sozialarbeiters anerkannt (AVGP. BAT-KF 2.30 Fallgr. 3 Anmerkung 3), ist kein Umstand aufgezeigt, der die offenbare Unbilligkeit der im Vergleich dazu niedrigeren Vergütung von Sozialarbeitern nach dem AVGP. BAT-KF 2.42 belegt. Denn es fehlt an substantiiertem Sachvorbringen des Klägers, aus dem folgt, daß die Vergütung der Sozialarbeiter im AVGP. BAT-KF 2.42 in grober Weise gegen Treu und Glauben verstößt und sich dies bei unbefangener sachkundiger Prüfung sofort aufdrängt.

    Die Beklagte hat die höhere Bezahlung der Sozialarbeiter im Sozialdienst nach AVGP. BAT-KF 2.30 ua. damit begründet, diese seien bei ihrer Tätigkeit grundsätzlich auf sich allein gestellt. Sie wüßten im Prinzip nie, wer mit welchem Anliegen und welcher Problemkonstellation täglich auf sie zukomme. Durch die Unaufschiebbarkeit der Hilfeleistung müßten die Sozialarbeiter im ambulanten Sozialdienst oft unter erheblichem Zeitdruck Entscheidungen treffen und Maßnahmen veranlassen. Im Unterschied dazu sei der Sozialarbeiter in einem Heim der Gefährdetenhilfe in ein Team von Kollegen eingebettet, mit denen er sich austauschen könne, und werde durch die begleitenden Fachdienste unterstützt. Das Unterstützungssetting beziehe sich grundsätzlich auf den überschaubaren, baulichen Bereich einer Wohneinrichtung oder weniger dezentraler Wohnungen. Es bestehe grundsätzlich eine gewisse Aufschiebbarkeit zahlreicher Hilfeleistungen, weil sich die Gesamthilfe häufig über mehrere Jahre erstrecke. Außerdem sei durch ein Bezugspersonensystem (Zuständigkeit einzelner Sozialarbeiter für eine größere Gruppe von Hilfeempfängern bei gleichzeitigem Schichtdienst) konkrete einzelfallbezogene Hilfe im Regelfall zeitlich wesentlich besser planbar. In diesem Arbeitsumfeld seien Entscheidungen ohne den immensen Druck zu treffen, die existentielle Lebensgrundlage im Einzelfall sichern zu müssen. Diese sei mit der Aufnahme in eine Heimeinrichtung per se gewährleistet.

    Diesem Vorbringen der Beklagten ist der Kläger nicht substantiiert unter Beweisantritt entgegengetreten. Am konkretesten ist noch seine Einlassung, auch die Sozialarbeiter des – ambulanten – Sozialdienstes hätten die Möglichkeit, kollegialen Rat einzuholen, Beratung durch begleitende Dienste abzurufen oder mit psychologischen Beratungsstellen sowie Neurologen zu kooperieren. Dabei verkennt der Kläger, daß der im – ambulanten – Sozialdienst tätige Sozialarbeiter auch bei Ausschöpfung dieser Möglichkeiten in weit größerem Maße auf sich gestellt ist als der in einem Heim der Gefährdetenhilfe eingesetzte Sozialarbeiter. Dieser ist in die Arbeit des fachlichen Betreuungsteams der Einrichtung, das – jedenfalls bei der Beklagten – aus Mitarbeitern verschiedener Berufe besteht, eingebunden. Aufgabe des Teams ist es, den Sozialarbeiter bei seiner Tätigkeit zu unterstützen und mit ihm Erkenntnisse und Entscheidungen zu erarbeiten, für die, wenn das Team Entscheidungsträger ist, dieses auch die Verantwortung trägt. Diese organisatorische Einbindung des Sozialarbeiters in das fachliche Betreuungsteam im S… ist in der für den Kläger maßgebenden Stellenbeschreibung – dort unter Ziff. IX – sehr deutlich dargestellt. Danach nimmt der Sozialarbeiter an den Dienst- und Teambesprechungen, nach Absprache an Fallgesprächen, internen und externen Arbeitsgruppen und Gremien teil. Er arbeitet im Kleinteam nach Arbeitsschwerpunkt/Leistungstyp. Die verbindliche Zusammenarbeit mit der trägerinternen medizinisch-ärztlichen Versorgung, der psychologischen Beratung sowie der Arbeitsberatung ist für ihn obligatorisch.

    Angesichts dieser Unterschiede in Aufgaben und Tätigkeiten der Arbeit von Sozialarbeitern im “ambulanten Sozialdienst” einerseits und in Heimen der Gefährdetenhilfe andererseits drängt sich bei unbefangener sachkundiger Betrachtung nicht sofort auf, die höhere Bezahlung der Sozialarbeiter im – ambulanten – Sozialdienst verstoße in grober Weise gegen Treu und Glauben iSv. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies hat auch das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen.

    Soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten hat, soziale Arbeit mit Heimbewohnern sei “besonders schwierige Sozialarbeit”, die Arbeit mit dem Klientel der Gefährdetenhilfe, welches durchgängig suchtmittelabhängig sei, sei keineswegs dadurch erleichtert, daß sie in Heimen stattfinde, fehlt es bereits an einem einer Beweisaufnahme zugänglichen Tatsachenvortrag. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht dem Antrag des Klägers, zu diesem Vorbringen ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht gefolgt.

    Schließlich fehlt auch Tatsachenvortrag des Klägers, aus dem die Richtigkeit seiner Wertung nachvollzogen werden kann, die Tätigkeit eines Sozialarbeiters in einem Heim der Gefährdetenhilfe müsse wegen ihrer Intensität ebenso bewertet werden wie die durch besondere Vielgestaltigkeit gekennzeichnete eines Sozialarbeiters im ambulanten Sozialdienst. Dabei blendet der Kläger zudem wieder die Unterschiede zwischen der Arbeit eines Sozialarbeiters in einem Team und eines solchen, der auf sich allein gestellt ist, aus.

    3. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, daß die Regelung des AVGP. BAT-KF 2.42 nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat. Angesichts der dargestellten Unterschiede zwischen der Tätigkeit der Sozialarbeiter im – ambulanten – Sozialdienst einerseits und in Heimen der Gefährdetenhilfe andererseits erscheint deren unterschiedliche Vergütung, wie der AVGP. BAT-KF sie vorsieht, vertretbar.

  • Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Schliemann, Friedrich, Wolter, Jürgens, Gotsche

 

Fundstellen

Haufe-Index 947035

NZA 2003, 1296

ZTR 2003, 510

PersR 2004, 201

NJOZ 2003, 3193

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