Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Zuwendung – Wechsel von Voll- zu Teilzeitarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Zuwendungs-TV, wonach die jährliche Zuwendung 100 v.H. der Urlaubsvergütung beträgt, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

Zur Hinweis- und Aufklärungspflicht des Arbeitgebers über den Umfang der Verdienstminderung beim Übergang des Arbeitnehmers von Voll- zu Teilzeitarbeit.

 

Normenkette

BeschFG §§ 2, 6; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (Zuwendungs-TV) § 1; Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (Zuwendungs-TV) § 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 28.11.1997; Aktenzeichen 3 Sa 25/97)

ArbG Hamburg (Urteil vom 27.11.1996; Aktenzeichen 7 Ca 284/96)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. November 1997 – 3 Sa 25/97 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer tariflichen Zuwendung für das Jahr 1995.

Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung u.a. der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (im folgenden: Zuwendungs-TV) Anwendung.

Mit Änderungsvertrag vom 25. Juli 1995 vereinbarten die Parteien eine Verringerung der Arbeitszeit des Klägers für die Zeit vom 1. August bis 30. November 1995 auf wöchentlich 19 Stunden.

Die Beklagte zahlte dem Kläger für das Jahr 1995 eine Zuwendung gemäß dem Zuwendungs-TV in Höhe von 3.292,74 DM brutto. Sie hatte dabei entsprechend § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Zuwendungs-TV diejenige Vergütung zugrunde gelegt, die dem Kläger im Monat September 1995 zugestanden hätte, wenn er während dieses ganzen Monats Erholungsurlaub gehabt hätte.

§ 2 Abs. 1 Zuwendungs-TV lautet:

„§ 2 Höhe der Zuwendung

(1) Die Zuwendung beträgt – unbeschadet des Absatzes 2 – 100 v.H. der Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT, die dem Angestellten zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte. Dabei sind bei der Anwendung des § 47 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT bei der Fünftagewoche 22 Urlaubstage, bei der Sechstagewoche 26 Urlaubstage und bei anderer Verteilung der Arbeitszeit die entsprechende Zahl von Urlaubstagen zugrunde zu legen.

Für den Angestellten, dessen Arbeitsverhältnis später als am 1. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Monats September der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses.

Für den Angestellten, der unter § 1 Abs. 2 oder 3 fällt und der im Monat September nicht im Arbeitsverhältnis gestanden hat, tritt an die Stelle des Monats September der letzte volle Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis vor dem Monat September bestanden hat.

Für den Angestellten, der unter die SR 2d BAT fällt, ist die Urlaubsvergütung maßgebend, die ihm bei Verwendung im Inland zugestanden hätte.”

Zwar räumt der Kläger ein, daß die von der Beklagten vorgenommene Berechnung seiner Zuwendung dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen entspricht, jedoch hält er diese Berechnungsweise für unzulässig. Er ist der Ansicht, ihm stehe eine tarifliche Zuwendung entsprechend folgender Berechnung zu:

Im Jahre 1995 auf Grund der Vollzeittätigkeit erzielte Vergütung zuzüglich der im Jahre 1995 auf Grund der Teilzeittätigkeit erzielten Vergütung geteilt durch Zwölf.

Danach hätte ihm die Beklagte eine um mindestens 2.250,00 DM brutto höhere Zuwendung zahlen müssen.

Soweit § 2 Zuwendungs-TV eine andere Berechnungsweise für die Höhe der Zuwendung vorsehe, verstoße dies gegen das Verbot der Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und stelle des weiteren eine überraschende Klausel dar. Außerdem hätte ihn die Beklagte bei Abschluß des Änderungsvertrages über die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit darauf hinweisen müssen, in welchem Umfange sich dadurch auf Grund der Bestimmungen des Zuwendungs-TV seine tarifliche Zuwendung für das Jahr 1995 verringere. Er habe nämlich zusammen mit seinem Antrag vom 26. Mai 1995 auf Teilzeitarbeit eine Berechnung der ihm zustehenden tariflichen Zuwendung eingereicht, bei der er auf die durchschnittliche Jahresarbeitszeit abgestellt habe. Hätte die Beklagte darauf hingewiesen, daß diese von ihm vorgenommene Berechnung unzutreffend sei, hätte er den Monat September 1995 von seinem Antrag auf Arbeitszeitverkürzung ausgenommen. Wegen dieses unterlassenen Hinweises sei die Beklagte ihm gegenüber schadensersatzpflichtig, wenn sich die tarifliche Regelung als zulässig erweisen sollte.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.250,00 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hält die im Zuwendungs-TV geregelte Berechnungsweise für die Höhe der tariflichen Zuwendung für zulässig. Einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unterlassener Belehrung über die Auswirkungen der Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit hält sie deshalb nicht für gegeben, weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, das vom Kläger seinem Antrag auf Teilzeitarbeit beigefügte Rechenwerk zu überprüfen. Auch fehle es an einem hinreichend substantiierten Sachvortrag des Klägers über den Inhalt eines angeblich von der Personalabteilung der Beklagten mit ihm geführten Beratungsgespräches.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, die Beklagte habe die Höhe der dem Kläger für das Jahr 1995 zustehenden Zuwendung zutreffend nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Zuwendungs-TV errechnet. Diese Tarifnorm verstoße weder gegen § 2 Abs. 1 BeschFG noch gegen Art. 3 GG. Ein mittelbarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen Teilzeitarbeit könne vorliegend allein deshalb nicht festgestellt werden, weil die Teilzeitbeschäftigten bei der Berechnung der Höhe der Zuwendung gegenüber den Vollzeitbeschäftigten nicht in einem größeren Umfange nachteilig betroffen seien. Bei der Prüfung einer größeren negativen Betroffenheit als Voraussetzung für eine mittelbare Diskriminierung könne nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, daß das Abstellen auf die Urlaubsvergütung für September bei im Laufe des Jahres unterschiedlicher Arbeitszeit auch zu einer gemessen an der jahresdurchschnittlichen Arbeitszeit höheren Zuwendung führen könne. Daß statistisch gesehen die Fälle einer gegenüber der jahresdurchschnittlichen Arbeitszeit niedrigeren Zuwendung überwiegen, habe der Kläger nicht behauptet. Der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien für die Berechnung der Höhe der Zuwendung den Bezugsmonat September gewählt hätten, stelle keine willkürliche Regelung dar, sondern erscheine aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität sachgerecht, so daß diese Regelung auch die durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen wahre.

Der Kläger könne sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit von überraschenden Vertragsklauseln berufen, da diese nur auf die Inhaltskontrolle von Formulararbeitsverträgen, nicht aber von Tarifverträgen anwendbar sei.

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines unterlassenen Hinweises der Personalabteilung der Beklagten auf die Reduzierung des Zuwendungsanspruches auf Grund der Verringerung der vertraglich geschuldeten Wochenarbeitszeit scheitere daran, daß die Personalabteilung nicht verpflichtet gewesen sei, von sich aus einen diesbezüglichen Hinweis zu geben. Sie habe davon ausgehen können, daß der Kläger sich über die Auswirkungen der von ihm gewünschten Herabsetzung der Arbeitszeit unterrichtet habe. Eine gesteigerte Belehrungspflicht habe sich auch nicht daraus ergeben, daß der Kläger seinem Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit eine Aufstellung über die vergütungsmäßigen Auswirkungen der Arbeitszeitverkürzung beigefügt habe, bei welcher er eine unzutreffende Berechnung seines Zuwendungsanspruches vorgenommen habe. Die Beklagte sei nämlich nicht gehalten gewesen, das Rechenwerk des Klägers auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Daß der Fehler des Klägers tatsächlich bemerkt worden sei, habe er nicht vorgetragen.

Letztlich habe der Kläger auch nicht konkret und unter Beweisantritt vorgetragen, daß er einen zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vor seinem Antrag auf Arbeitszeitverkürzung um Auskunft über die Höhe seiner Zuwendung gebeten und eine unzutreffende Antwort erhalten habe.

II. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und teilweise in der Begründung zu folgen.

1. Der Kläger hat für das Jahr 1995 Anspruch auf eine tarifliche Zuwendung, deren Höhe sich gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 Zuwendungs-TV nach der Urlaubsvergütung (§ 47 Abs. 2 BAT) errechnet, die ihm zugestanden hätte, wenn er während des ganzen Monats September 1995 Erholungsurlaub gehabt hätte. Diesen Betrag in der unstreitigen Höhe von 3.292,74 DM brutto hat die Beklagte dem Kläger ausbezahlt.

2. Diese tarifliche Regelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht; insbesondere führt sie vorliegend zu keinem Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, § 2 Abs. 1 BeschFG.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben auch die Tarifvertragsparteien das Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 1 BeschFG zu beachten; § 6 Abs. 1 BeschFG gestattet ihnen keine Abweichung von dem in § 2 Abs. 1 BeschFG konkretisierten Gebot der Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten (vgl. BAGE 62, 334 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985). Damit wäre eine gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstoßende tarifliche Bestimmung nach § 134 BGB nichtig.

b) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß eine unmittelbare Diskriminierung von Teilzeitarbeitnehmern durch § 2 Abs. 1 Zuwendungs-TV bereits deshalb nicht vorliegt, weil die Berechnungsvorschrift für die Höhe der Zuwendung keine unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitarbeitnehmern vorsieht, sondern abstrakt – für alle Angestellten – auf die fiktive Urlaubsvergütung für den Monat September des laufenden Kalenderjahres abstellt.

c) Diese Berechnungsweise führt aber auch zu keiner mittelbaren Diskriminierung derjenigen Angestellten, die vor dem Monat September im laufenden Kalenderjahr in Vollzeit und anschließend nur noch in Teilzeit gearbeitet haben, was zur Folge hat, daß sich ihre Zuwendung für das laufende Kalenderjahr gemäß § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Zuwendungs-TV i.V.m. § 47 Abs. 2 BAT nur aus der entsprechend ihrer Tätigkeit verringerten fiktiven Urlaubsvergütung für den September errechnet.

aa) Zu einer mittelbaren Diskriminierung der Teilzeit- gegenüber den Vollzeitarbeitnehmern könnte diese tarifliche Regelung dann führen, wenn die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV eine mit der Arbeitsleistung des Angestellten in einem Synallagma stehende zusätzliche Vergütung für jeden geleisteten Abrechnungszeitraum wäre, die erst am tariflich vorgesehenen Auszahlungstermin fällig würde.

Ein solches Synallagma liegt dann vor, wenn eine Zuwendung einen Vergütungsbestandteil darstellt, der in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 Abs. 1 BGB) eingebunden ist und mit dem kein weiterer Zweck verfolgt wird, als die Entlohnung erbrachter Arbeitsleistung. Solche „arbeitsleistungsbezogenen” Sonderzahlungen werden als Vergütungsbestandteile in den jeweiligen Abrechnungszeiträumen verdient, jedoch aufgespart und dann am vereinbarten Fälligkeitstag ausbezahlt. In einem solchen Falle entstehen die Ansprüche auf die Sonderzahlung „pro rata temporis”, werden allerdings erst am vereinbarten Auszahlungstermin fällig (st. Rechtsprechung des Senats; vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Kirchendienst, m.w.N.).

Stünde die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV in einem solchen unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung, würde es eine Diskriminierung des vom 1. August bis 30. November 1995 teilzeitbeschäftigten Klägers darstellen, wenn ihm die Zuwendung nur auf Grund der entsprechend seiner Teilzeitarbeit verringerten fiktiven Urlaubsvergütung für September 1995 errechnet würde und die Monate, in denen er voll gearbeitet und damit „pro rata temporis” Anspruch auf eine anteilige Zuwendung erworben hätte, nicht entsprechend berücksichtigt würden.

bb) Nach der Rechtsprechung des Senats (BAG Urteil vom 17. April 1996, aaO) handelt es sich bei der Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV aber nicht um eine in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehende Sonderzahlung.

Dies folgt zunächst daraus, daß Arbeitnehmer, die vor dem 1. Dezember eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, grundsätzlich keinen Anspruch auf eine anteilige Zuwendung haben, sondern nur dann, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Zuwendungs-TV vorliegt. Sollte mit der Zuwendung aber eine zusätzliche Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung gewährt werden, die aufgespart und erst am Auszahlungstag ausbezahlt werden soll, läge also eine „arbeitsleistungsbezogene” Sonderzahlung vor, so müßten alle Arbeitnehmer, die den Stichtag 1. Dezember, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Zuwendungs-TV, wegen ihres vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb nicht erreichen, ihre anteilig „verdiente” Zuwendung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt bekommen und nicht nur diejenigen Angestellten, die auf Grund eines der durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Zuwendungs-TV privilegierten Tatbestände aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.

Auch die tarifliche Regelung, daß Arbeitnehmer, die wegen der Ableistung von Grundwehrdienst und Zivildienst, wegen der Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG oder wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubes im Kalenderjahr ganz oder teilweise keine Bezüge erhalten haben, die Zuwendung dennoch ungekürzt erhalten, § 2 Abs. 2 Satz 2 Zuwendungs-TV, zeigt, daß die Zuwendung nicht als zusätzliche Arbeitsvergütung für die in den einzelnen Abrechnungszeiträumen geleistete Arbeit zu betrachten ist. Die in dieser Tarifbestimmung genannten Arbeitnehmer erhalten nämlich eine ungekürzte Zuwendung, deren Höhe nicht vom Umfang der im Bezugszeitraum erbrachten Arbeitsleistung abhängig ist.

Daß Arbeitnehmer, die vor dem 31. März des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheiden, keinen Anspruch auf die Zuwendung haben und ggf. eine erhaltene Zuwendung zurückzahlen müssen, § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV, wenn nicht einer der Ausnahmefälle des § 1 Abs. 4 Zuwendungs-TV vorliegt, zwingt ebenfalls zu der Annahme, daß die Zuwendung nicht eine reine, monatlich erdiente zusätzliche Vergütung darstellt, sondern auch dazu dient, den Angestellten zur Betriebstreue anzuhalten. Dabei zeigt die Regelung des § 1 Abs. 5 i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV, die bestimmt, daß der Wechsel eines Angestellten zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes eine Rückzahlungspflicht nicht begründet, daß der Zuwendungs-TV den Begriff der Betriebstreue gleichsam auf den öffentlichen Dienst als Ganzes bezieht (BAG Urteil vom 6. November 1996 – 10 AZR 287/96 – AP Nr. 17 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV, m.w.N.).

Daß die Zuwendung nicht allein eine Gegenleistung für geleistete Dienste ist, sondern daß sie auch eine Belohnung für erwiesene Betriebstreue darstellt, folgt auch daraus, daß Angestellte, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Oktober eines Kalenderjahres begründet worden ist und die im laufenden Kalenderjahr nicht insgesamt sechs Monate bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben oder stehen, für dieses Kalenderjahr keinen Anspruch auf eine Zuwendung erwerben, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Zuwendungs-TV (vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996, aaO).

Damit ist die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogen (BAG Urteil vom 11. Januar 1995 – 10 AZR 32/94 – AP Nr. 10 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV) und nicht alleine auf den von dem einzelnen Angestellten im Bezugszeitraum erzielten Gesamtverdienst bezogen. Eine Diskriminierung wegen der Teilzeit liegt nicht vor.

3. Die tarifliche Regelung über die Berechnung der Zuwendungshöhe verstößt auch nicht gegen den aus Art. 3 GG abgeleiteten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, den auch die Tarifvertragsparteien zu beachten haben (st. Rechtsprechung des BAG; für alle: BAG Urteil vom 17. Mai 1988 – 3 AZR 400/86 – AP Nr. 27 zu § 5 BetrAVG).

Art. 3 GG verbietet, daß Tarifvertragsparteien wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln (BVerfGE 4, 144). Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet damit die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern.

a) Zweck der Regelung des § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Zuwendungs-TV, demzufolge sich die Höhe der Zuwendung nach dem fiktiven Urlaubsverdienst für den Monat September des laufenden Kalenderjahres bemißt, ist es, die schnelle und praktikable Berechnung der Zuwendung und deren termingerechte Auszahlung zu ermöglichen. Der Schnelligkeit und Praktikabilität dient insbesondere die Wahl nur eines einzigen Monats als Bezugszeitraum. An sich wäre es angesichts des Fälligkeitszeitpunktes (spätestens 1. Dezember, § 4 Abs. 1 Zuwendungs-TV) auch möglich gewesen, einen wesentlich längeren Bezugszeitraum zu wählen und daraus einen durchschnittlichen Monatsverdienst des Angestellten zu ermitteln. Dies hätte – allerdings auf Kosten der Praktikabilität – den Vorzug einer gerechteren Berechnung der Zuwendung.

Mit der Wahl eines sehr kurzen Bezugszeitraumes haben die Tarifvertragsparteien bewußt mehr oder minder große Abweichungen von dem durchschnittlichen Jahres- und Monatsverdienst in Kauf genommen. Das kann sich insbesondere auch bei Änderungen der Eingruppierung auswirken. Die daraus folgenden Unebenheiten sind den Tarifvertragsparteien offenbar als tragbar erschienen, weil sie sich nicht regelmäßig und je nach dem Zeitpunkt der Änderungen sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Angestellten auswirken können.

b) Da aber – wie oben dargelegt – Sinn und Zweck der Zuwendung nicht ausschließlich eine zusätzliche Vergütung für geleistete Dienste, sondern auch eine Honorierung erbrachter und erwarteter Betriebstreue ist, stand es den Tarifvertragsparteien frei, solche Abweichungen der vom einzelnen Angestellten im Jahresdurchschnitt erzielten Monatsvergütung vom Septembergehalt unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt sowohl für den Fall, daß der Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres höher- oder herabgruppiert worden ist als auch für den Fall, daß sein Arbeitsverhältnis von einem Voll- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt umgewandelt worden ist.

Im allgemeinen sind solche einmaligen Abweichungen kein Anlaß, ein von den Tarifvertragsparteien aus praktischen Gesichtspunkten gewähltes Berechnungsverfahren zugunsten einer gerechter erscheinenden Methode der Berechnung als willkürlich anzusehen (so zum Zuwendungs-TV: BAG Urteil vom 31. Oktober 1975 – 5 AZR 482/74 – AP Nr. 87 zu § 611 BGB Gratifikation).

Weil mit der Zuwendung nicht ausschließlich eine am Jahresarbeitsverdienst orientierte zusätzliche Vergütung bezweckt ist, sondern auch eine vergangenheits- und zukunftsbezogene Belohnung für Betriebstreue, ist es keine willkürliche Regelung, wenn allen Angestellten eine anhand ihres fiktiven Urlaubsverdienstes für den Monat September errechnete Zuwendung gewährt wird. Insoweit werden alle Angestellten gleichbehandelt, wenn nicht einer der – vorliegend nicht einschlägigen – Ausnahmefälle des § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 oder Unterabs. 3 Zuwendungs-TV vorliegt, in denen der Angestellte im September des laufenden Kalenderjahres in keinem Arbeitsverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber gestanden hat.

c) Ob diese tarifliche Regelung in jedem Einzelfalle die gerechteste und zweckmäßigste Regelung darstellt (BAG Urteil vom 6. November 1996 – 5 AZR 334/95 – BAGE 84, 282 = AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband) und zu ausgewogenen und sinnvollen Ergebnissen führt, ist von den Gerichten für Arbeitssachen nicht zu überprüfen (BAG Urteile vom 6. November 1996 – 10 AZR 214/96 – n.v.; vom 12. November 1997 – 10 AZR 772/96 – AP Nr. 15 zu § 33 BAT; vom 18. November 1998 – 10 AZR 649/97 – n.v.), da sich die Überprüfungskompetenz darauf beschränkt, ob ein Tarifvertrag gegen höherrangiges Recht und hier insbesondere gegen § 2 Abs. 1 BeschFG und den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Es ist Sache der Tarifvertragsparteien, darüber zu entscheiden, wie sie die Höhe einer Zuwendung bestimmen, die nicht in einem Synallagma zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers steht (im Ergebnis ebenso: Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Mai 1999, TV Zuwendung § 2 Rz 14 ff.; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand März 1999,Teil VI – Zuwendung Erl. 20; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, TV-Zuw. BAT, Stand 1. Mai 1999, Ang. § 2 Erl. 2).

d) Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts. Dieser hat in seinen Urteilen vom 27. September 1983 (– 3 AZR 297/81 – AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG) und vom 3. November 1998 (– 3 AZR 432/97 – zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, daß dann, wenn eine Versorgungsordnung die Höhe der Betriebsrente von den letzten Bezügen des Versorgungsberechtigten abhängig macht, auch der Fall geregelt sein muß, daß ein Arbeitnehmer in den Jahren vor dem Ruhestand zwischen Voll- und Teilzeitarbeit gewechselt hat. Sei dies unterblieben, so könne im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Durchschnittsberechnung der ruhegeldfähigen Bezüge in den Jahren vor dem Ruhestand in Betracht kommen.

Eine Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall scheidet schon deshalb aus, weil der Zweck der betrieblichen Altersversorgung die Sicherung des Lebensstandards des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers ist, den sich dieser während seines Arbeitsverhältnisses erarbeitet hat (BAG Urteil vom 27. September 1983, aaO), und weil betriebliche Versorgungsleistungen, die Entgeltcharakter haben, sich an dem im Arbeitsleben Verdienten ausrichten (BAG Urteil vom 3. November 1998, aaO). Im Gegensatz dazu dient die Zuwendung nach dem Zuwendungs-TV anderen Zwecken.

4. Der Kläger kann sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu überraschenden Vertragsklauseln berufen, da sich diese nicht auf Tarifverträge, sondern lediglich auf Klauseln in Formulararbeitsverträgen oder allgemeinen Arbeitsbedingungen bezieht (BAG Urteil vom 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – BAGE 81, 317 = AP Nr. 1 zu § 3 AGB-Gesetz).

Im übrigen unterliegen Tarifverträge auch keiner Billigkeitskontrolle entsprechend §§ 315, 317 BGB, sondern lediglich einer Überprüfung, ob sie gegen höherrangiges Recht, also gegen die Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (st. Rechtsprechung; vgl. BAG Urteil vom 10. März 1992 – 3 AZR 153/91 – AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn ein Tarifvertrag – wie vorliegend – von den Parteien nur einzelvertraglich in Bezug genommen worden ist (BAG Urteil vom 6. November 1996, aaO).

5. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht auch davon aus, daß dem Kläger kein Anspruch auf die geforderte höhere tarifliche Zuwendung als Schadensersatz wegen unterbliebener Aufklärung durch die Beklagte über die Verringerung seines Zuwendungsanspruches auf Grund der vereinbarten Teilzeitarbeit zusteht.

a) Dem Arbeitgeber können nach Treu und Glauben besondere Auskunfts- und Aufklärungspflichten als arbeitsvertragliche Nebenpflichten obliegen. Inhalt und Umfang dieser Aufklärungs- und Informationspflichten sind unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und Möglichkeiten nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Aufklärung durch den Arbeitgeber darf jedoch nicht überspannt werden, da jeder Vertragspartner für die Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen grundsätzlich selbst zu sorgen hat. Eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers besteht deshalb nur bei einem besonderen, dem Arbeitgeber erkennbaren Aufklärungsbedarf des Arbeitnehmers. Dieser kann insbesondere dann vorliegen, wenn der aufklärungsbedürftige Umstand in der Sphäre des Arbeitgebers liegt. Der Arbeitgeber braucht jedoch ohne das Vorliegen besonderer Umstände nicht von einem besonderen Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ausgehen (vgl. BAG Urteil vom 3. Juli 1990 – 3 AZR 382/89 – AP Nr. 24 zu § 1 BetrAVG). Zudem darf die Aufklärungs- und Informationsverpflichtung keine übermäßige Belastung für den Arbeitgeber begründen. Kann sich der Arbeitnehmer die Informationen auf zumutbare Weise anderweitig verschaffen, besteht keine Unterrichtungspflicht (BAG Urteil vom 13. Juni 1996 – 8 AZR 415/94 – ArbuR 1996, 404).

b) Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, ist vom Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden, daß er Mitarbeiter der Beklagten um eine konkrete Auskunft über die Höhe der ihm für das Jahr 1995 zustehenden Zuwendung gebeten habe. Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen, so daß sie für den Senat bindend sind.

c) Da der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, sich anhand des Zuwendungs-TV und der darin enthaltenen, dem Wortlaut nach eindeutigen Regelung des § 2 Abs. 1 Unterabs. 1 über die Höhe der ihm für das Jahr 1995 zustehenden Zuwendung zu informieren, bestand insoweit keine allgemeine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Personalabteilung der Beklagten über die Verringerung der Zuwendung für den Kläger auf Grund der vereinbarten Teilzeitarbeit. Wenn der Kläger der Meinung war, diese Bestimmung des Zuwendungs-TV sei rechtswidrig und er habe Anspruch auf eine höhere Zuwendung, hätte es ihm oblegen, bei der Beklagten um Auskunft darüber zu bitten, ob sie die Zuwendung für 1995 gemäß dem Wortlaut der tariflichen Regelung gewähren oder ob sie jene entsprechend der vom Kläger für richtig gehaltenen Berechnungsweise auszahlen werde.

d) Weiter hat das Landesarbeitsgericht zu Recht eine Hinweispflicht auch nicht auf Grund des Umstandes bejaht, daß der Kläger seinem Antrag vom 26. Mai 1995 auf Teilzeitarbeit eine Aufstellung über die von ihm unzutreffend errechneten vergütungsmäßigen Auswirkungen der Teilzeitarbeit beigefügt hatte. Ohne eine entsprechende Bitte des Klägers um Überprüfung dieser von ihm eingereichten Berechnungen bestand keine Verpflichtung für die im Namen der Beklagten handelnden Mitarbeiter der Personalabteilung, von sich aus eine solche Überprüfung vorzunehmen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Hauck, Böck, Reinecke, N. Schuster, Peters

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.08.1999 durch Backes, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436293

BAGE, 218

DB 2000, 96

ARST 2000, 91

EWiR 2000, 261

FA 1999, 408

NZA 2000, 148

ZIP 2000, 156

ZTR 2000, 81

AP, 0

AuA 2000, 550

PersR 2000, 41

AUR 2000, 36

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