Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung

 

Orientierungssatz

1. Zur Rechtswirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung eines Bühnenengagementsvertrages.

2. Vergleiche aber BAG Urteil vom 18.04.1986, 7 AZR 114/85.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 620 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 17.01.1985; Aktenzeichen 8 Sa 1009/84)

ArbG Köln (Entscheidung vom 28.08.1984; Aktenzeichen 15 Ca 4215/84)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit 1. September 1968 als Tanzgruppenmitglied - Vortänzer - an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt, die vom Beklagten betrieben wird. Der letzte schriftliche Arbeitsvertrag wurde am 16. Dezember 1980 für die Spielzeit 1980/1981 abgeschlossen. Da eine Nichtverlängerungsmitteilung nicht erfolgte, verlängerte er sich zu denselben Bedingungen für die Spielzeit 1981/1982. In den ersten Monaten der Spielzeit 1980/1981 wurde dem Kläger eine Abschrift des Normalvertrags Tanz vom 9. Juni 1980 ausgehändigt. Mit Schreiben vom 30. Juni 1981 bestellte die Intendanz der Bayerischen Staatsoper den Kläger unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 (TVM) zu einem Gespräch mit Prof. S, der damals als ständiger Vertreter des Intendanten mit der Durchführung der Anhörungsgespräche beauftragt war. In diesem Gespräch, das am 8. Juli 1981 stattfand, erklärte Prof. S dem Kläger, das Arbeitsverhältnis solle nicht über den 31. August 1982 hinaus verlängert werden; hierfür seien ausschließlich künstlerische Gründe maßgebend. Der Kläger habe nunmehr ein Alter erreicht, das nur noch eine punktuelle Beschäftigung zulasse, und könne daher nicht mehr in dem für einen Gruppentänzer der Bayerischen Staatsoper erforderlichen Umfang eingesetzt werden. Hierzu erklärte der Kläger, der Ballettdirektor G habe ihm angeboten, als Assistent des Ballettdirektors für die Spielzeit 1981/82 an der Staatsoper tätig zu sein. Prof. S wies den Kläger darauf hin, daß Herr G nicht berechtigt gewesen sei, Vertragsangebote zu machen und verbindliche Zusagen für die Bayerische Staatsoper zu geben. Mit Schreiben vom 23. Juli 1981 teilte der Beklagte dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis werde nicht über den 31. August 1982 hinaus verlängert.

Der Kläger hat Klage zum Bühnenschiedsgericht München erhoben mit dem Antrag,

festzustellen, daß die Nichtverlängerungsmit-

teilung des Beklagten, vertreten durch die In-

tendanz der Bayerischen Staatsoper, vom 23. Juli

1981 rechtsunwirksam sei.

Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgebracht, die wiederholte Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unzulässig. Alleiniger Grund für die Nichtverlängerung seines Arbeitsverhältnisses sei es gewesen, seine spätere "Unkündbarkeit" gemäß § 24 Abs. 3 Normalvertrag Tanz zu verhindern. Außerdem habe ihm der Ballettdirektor G eine feste Zusage gegeben, ihn als Lehrer der Elevenklasse und als seinen persönlichen Assistenten weiterzubeschäftigen. Ferner sei es fehlerhaft gewesen, in dem Einladungsschreiben vom 30. Juni 1981 auf § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht statt auf § 24 Abs. 4 Normalvertrag Tanz (NVT) hinzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat bestritten, daß der Ballettdirektor G dem Kläger eine verbindliche Zusage gegeben habe und daß das Arbeitsverhältnis des Klägers allein deshalb nicht verlängert werden sollte, um die spätere "Unkündbarkeit" des Klägers zu vermeiden. Grund für die Nichtverlängerung sei vielmehr gewesen, daß der Kläger künstlerisch den Anforderungen als Gruppentänzer bzw. Vortänzer nicht mehr genügt habe, weil er altersmäßig und figürlich aus dem Rahmen gefallen sei.

Das Bühnenschiedsgericht hat durch Schiedsspruch vom 25. Oktober 1982 die Klage abgewiesen. Gegen diesen Schiedsspruch hat der Kläger Berufung zum Bühnenoberschiedsgericht eingelegt und im wesentlichen vorgetragen, seine Entlassung sei vom Verwaltungsdirektor der Bayerischen Staatsoper, Herrn Sch, vom Ballettdirektor G mit der Begründung verlangt worden, der Kläger sei schon 14 Jahre bei der Oper und es müsse etwas geschehen, sonst bleibe das Theater auf ihm sitzen. Die ihm von Prof. S genannten Gründe seien daher lediglich vorgeschoben; eine ordnungsgemäße Anhörung sei mithin nicht erfolgt. Auch sei er bei dem Anhörungsgespräch vom 8. Juli 1981 überrumpelt worden. Er sei in dieses Gespräch gegangen in der sicheren Gewißheit, es gehe nicht um eine Nichtverlängerungsmitteilung. Denn der Ballettdirektor G habe ihm in Kenntnis des Einladungsschreibens erklärt, es gehe nicht um die Nichtverlängerung, sondern nur um eine Art Änderungskündigung. Hätte er den Zweck des Gesprächs gekannt, so hätte er den Obmann des Balletts und den Ballettdirektor mitgenommen; es wäre dann nicht zu einer Nichtverlängerungsmitteilung gekommen.

Das Bühnenoberschiedsgericht hat durch Schiedsspruch vom 5. Dezember 1983 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Gegen diesen Schiedsspruch hat der Kläger Aufhebungsklage erhoben und beantragt,

1. den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts

Hamburg vom 5. Dezember 1983, Az.: O.Sch. 27/82,

und des Bühnenschiedsgerichts München vom

25. Oktober 1982, Register-Nr. 2/82, aufzuheben;

2. festzustellen, daß die Nichtverlängerungsmit-

teilung des Beklagten vom 23. Juli 1981 rechts-

unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den

31. August 1982 weiterbesteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 28. August 1984 die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 26. Juni 1985 (- 7 AZN 164/85 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge aus der Aufhebungsklage weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Aufhebungsklage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts beruht nicht auf der Verletzung einer Rechtsnorm (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG).

I. Das Bühnenoberschiedsgericht hat die Schiedsklage zu Recht abgewiesen, denn die Nichtverlängerungsmitteilung des Beklagten vom 23. Juli 1981 war rechtswirksam.

1. Das Bühnenoberschiedsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Vorschrift des § 24 Abs. 4 NVT, nach der der Arbeitgeber das Tanzgruppenmitglied vor Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung zu hören hat, erfordert, daß im Anhörungstermin selbst eine auf die Person des betroffenen Bühnenmitglieds bezogene, konkrete und nachvollziehbare Begründung gegeben werden muß.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits in seinem Urteil vom 11. März 1982 (- 2 AZR 233/81 - BAG 39, 1 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) zur gleichbedeutenden Vorschrift des § 2 Abs. 5 TVM ausgeführt, der Arbeitgeber habe, bevor er eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspreche, das Bühnenmitglied nicht nur zu hören, sondern diesem auch die hierfür maßgeblichen Gründe mitzuteilen. Dafür spreche der allgemeine und juristische Sprachgebrauch, der unter "zu hören" nicht nur ein stummes, reaktionsloses Abwarten des Anhörenden verstehe. Der Anzuhörende müsse notwendigerweise zuvor Kenntnis vom Sachverhalt haben, d.h. Kenntnis der Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung, bevor er dazu sachlich Stellung nehmen und seine Gegenargumente vorbringen könne. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien einen Begriff verwendet, der in der Rechtsterminologie einen festen Inhalt habe. Obwohl in § 66 BetrVG 1952 nur vorgesehen gewesen sei, den Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören, habe doch unstreitig dazugehört, dem Betriebsrat auch die Gründe für diese Maßnahme mitzuteilen. Soweit nunmehr in § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 ausdrücklich bestimmt sei, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen habe, stelle dies somit lediglich eine Klarstellung dessen dar, was ohnehin schon längst geltendes Recht gewesen sei. Diesem dem Sinn und Zweck der Tarifvorschrift entsprechenden Auslegungsergebnis, wonach die Anhörung "insbesondere soziale Härten vermeiden helfen und den Intendanten ggf. zum nochmaligen Überdenken seiner Entscheidung veranlassen" solle, stünden weder die Protokollnotiz zum TVM noch die gemeinsamen Niederschriften der Tarifvertragsparteien über die Verhandlungen zur Neufassung des Mitteilungspflichtabkommens entgegen. Ebenso wie sich der Arbeitgeber im Bereich des § 102 BetrVG 1972 nicht auf eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnung der Kündigungsgründe beschränken dürfe, könne sich der Arbeitgeber auch im Rahmen des § 2 Abs. 5 TVM nicht mit dem bloßen Hinweis begnügen, daß die Nichtverlängerung aus künstlerischen oder ähnlichen, die Qualität und die Leistung des Bühnenmitglieds betreffenden Gründen geboten sei. Vielmehr bedürfe es einer auf die Person des betroffenen Mitglieds bezogenen konkreten und nachvollziehbaren Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung. Etwas anderes könne allenfalls für die in § 2 Abs. 7 TVM ausdrücklich geregelte Nichtverlängerung aus Anlaß des Intendantenwechsels gelten; allerdings bedürfe es dann eines eindeutigen und abschließenden Hinweises auf diesen Tatbestand.

An dieser Auffassung hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen nicht veröffentlichten Urteilen vom 23. Januar 1986 - 2 AZR 111/85 und 2 AZR 243/85 - ausdrücklich festgehalten.

2. Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung des Zweiten Senats abzuweichen.

a) Zwar ist richtig, daß die Gerichte für Arbeitssachen nicht etwas durchsetzen dürfen, was eine der Tarifvertragsparteien bei Verhandlungen nicht hat erreichen können. Die Entstehungsgeschichte des TVM, aus dem § 24 Abs. 4 NVT unverändert übernommen wurde, zeigt jedoch mit der erforderlichen Deutlichkeit nur, daß sich die Arbeitgeberseite dagegen wehrte, für die Nichtverlängerungsmitteilung sei eine materielle, gerichtlich nachprüfbare Begründung nötig. Die Arbeitgeberseite wollte einen Begründungszwang verhindern, weil sie befürchtete, die Nennung von Gründen könne eine gerichtliche Prüfung auslösen, ob die genannten Gründe tatsächlich vorlägen bzw. eine Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigten. Nicht hinreichend deutlich wird jedoch, daß sich die Arbeitgeberseite auch dagegen gewehrt hat, dem Arbeitnehmer sei bei der Anhörung die subjektive, für die Arbeitgeberentscheidung ursächlich gewordene Motivation des Arbeitgebers mitzuteilen. Allein die Mitteilung dieser subjektiven, für die Arbeitgeberentscheidung ausschlaggebend gewesenen Erwägungen aber hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 11. März 1982 (aaO) gefordert. Eine gerichtliche Nachprüfung, ob die vom Arbeitgeber angenommenen und mitgeteilten Gründe tatsächlich vorliegen und die Nichtverlängerung rechtfertigen, wird damit schon deshalb nicht ermöglicht, weil ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis allein aufgrund der vereinbarten Befristung endet und es daher irgendwelcher Gründe für seine Nichtverlängerung nicht bedarf.

b) Dem Beklagten mag zuzugeben sein, daß die vom Zweiten Senat zu § 102 Abs. 1 BetrVG gezogene Parallele nicht überzeugt. Denn bei der Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Nichtverlängerungsmitteilung geht es weder darum, einem Dritten einen Sachverhalt darzulegen, noch ihm Gründe mitzuteilen, die eine beabsichtigte Entscheidung rechtfertigen sollen, sondern um die Einleitung eines Gesprächs, das auch dem Arbeitnehmer die Darlegung der aus seiner Sicht für eine Vertragsverlängerung sprechenden Gründe ermöglichen soll. Indessen erfordert gerade dieser Zweck des Anhörungsgesprächs, daß der Arbeitgeber jedenfalls auf entsprechende Fragen des Arbeitnehmers bereit ist, die für seine Entscheidung ausschlaggebenden Erwägungen so konkret und für den Arbeitnehmer nachvollziehbar zu nennen, daß der Arbeitnehmer bei der Darlegung seines Standpunktes auf sie eingehen kann. Jedenfalls im Ergebnis schließt sich deshalb der erkennende Senat der dargestellten Rechtsprechung des Zweiten Senats an.

3. Der sich auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ergebenden Begründungspflicht ist der Beklagte nachgekommen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, Prof. S habe dem Kläger gesagt, die Nichtverlängerung beruhe auf künstlerischen Gründen. Der Kläger sei älter geworden und deshalb nur noch punktuell und damit nicht mehr im erforderlichen Umfang einsetzbar.

An diese tatsächlichen Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts sind die Gerichte für Arbeitssachen und damit auch der erkennende Senat in entsprechender Anwendung des § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, weil sie in den Tatsacheninstanzen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO angegriffen worden sind.

a) Gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung des Schiedsspruchs geklagt werden, wenn dieser auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Wegen der Übereinstimmung dieser Vorschrift mit § 73 Abs. 1 ArbGG (vgl. auch § 549 Abs. 1 ZPO) handelt es sich beim Aufhebungsverfahren des § 110 ArbGG nach allgemeiner Ansicht um ein revisionsähnliches Verfahren. Der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts kann nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Dabei sind materielle Rechtsfehler von Amts wegen zu berücksichtigen, während es bei Verfahrensmängeln einer dem Revisionsrecht entsprechenden Verfahrensrüge bedarf (vgl. z.B. BAG 15, 87, 95 ff. = AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG 1953, zu II 1 der Gründe; BAG 22, 356 = AP Nr. 1 zu § 110 ArbGG 1953; BAG 39, 1, 6 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag, zu I der Gründe; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 110 Rz 3 ff.; Riepenhausen, Das Arbeitsrecht der Bühne, Ergänzungsband 1965, S. 181).

b) Die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, sind jedenfalls in den Tatsacheninstanzen des Aufhebungsverfahrens (Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht) in der durch § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO gebotenen Form vorzutragen; dabei sind vor dem Landesarbeitsgericht die Zulassungsbeschränkungen des § 67 Abs. 2 ArbGG zu beachten. Im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht können nur noch Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts gerügt werden.

Darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO zu fordern, daß Verfahrensmängel des Bühnenoberschiedsgerichts schon in der Aufhebungsklageschrift zu rügen seien (vgl. z.B. BAG 22, 356 = AP Nr. 1 zu § 110 ArbGG 1953), hält der Senat für bedenklich. Im Vergleich zu dem durch die Revisions- und Revisionsbegründungsfrist zur Verfügung stehenden Zeitraum ist die zweiwöchige Notfrist des § 110 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zur Erhebung der Aufhebungsklage unverhältnismäßig kurz; auch kann von dem Arbeitnehmer, der die Aufhebungsklage ohne Vertretungszwang selbst erheben darf, die Beachtung der Förmlichkeiten des Revisionsrechts wohl kaum gefordert werden. Eine abschließende Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, weil im vorliegenden Rechtsstreit weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht durchgreifende Rügen gegen das Verfahren des Bühnenoberschiedsgerichts erhoben worden sind.

c) Die Beweiswürdigung des Tatsachenrichters kann im Revisions- und damit auch im Aufhebungsverfahren des § 110 ArbGG nur daraufhin überprüft werden, ob sie rechtlich möglich ist und ob der Tatsachenrichter Voraussetzungen und Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung gewahrt hat (vgl. z.B. BAG 5, 221, 224 = AP Nr. 6 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung). Es bedarf daher einer formellen Verfahrensrüge unter genauer Darlegung, aufgrund welcher Tatsachen sich ergibt, daß der Richter gegen § 286 ZPO verstoßen habe oder ihm bei der Beweiswürdigung ein sonstiger Verfahrensfehler unterlaufen sei. An einer solchen Darlegung fehlt es im Entscheidungsfall; von einer näheren Begründung sieht der Senat gemäß § 565 a ZPO ab.

4. Auf der Grundlage der den Senat mithin bindenden tatsächlichen Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts ist die Würdigung des Bühnenoberschiedsgerichts rechtsfehlerfrei, die Anhörung des Klägers habe den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen entsprochen. Bei der Prüfung, ob die Begründung für die Nichtverlängerung diesen Anforderungen gerecht geworden ist, steht dem Bühnenoberschiedsgericht als Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu (BAG 39, 1, 15 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag, zu IV 2 der Gründe). Daß das Bühnenoberschiedsgericht diesen Beurteilungsspielraum überschritten habe, ist weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich.

II. Ein Mangel des durchgeführten Anhörungsverfahrens läge deshalb nur vor, wenn der Ansicht des Klägers zu folgen wäre, daß die Mitteilung der Gründe nicht - wie nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - erst im Anhörungstermin, sondern schon v o r h e r - insbesondere im Einladungsschreiben zum Anhörungstermin oder innerhalb einer bestimmten Frist vor dem Anhörungstermin - zu erfolgen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Der Kläger hat zwar eine Reihe von Gesichtspunkten angeführt, aus denen es zweckmäßig sein könnte, den Arbeitnehmer bereits einige Zeit vor dem Anhörungsgespräch über die Gründe der beabsichtigten Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten. Insbesondere für die Ausübung seines in § 24 Abs. 4 Unterabs. 1 NVT vorgesehenen Wahlrechts, die Anhörung auch des Tanzgruppensprechers oder eines Gewerkschaftsvertreters zu verlangen, kann die Kenntnis wichtig sein, ob die Nichtverlängerung etwa auf künstlerische oder auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wird.

Eine derartige Verpflichtung des Arbeitgebers läßt sich jedoch aus § 24 Abs. 4 NVT bzw. § 2 Abs. 5 TVM nicht herleiten. Beide Vorschriften sehen lediglich vor, daß der Arbeitgeber das Tanzgruppenmitglied zu "hören" hat. Ein formalisiertes Verfahren ist dafür nicht vorgeschrieben; insbesondere bedarf es keiner formellen Einladung zum Anhörungsgespräch. Mit der Auslegung, der Arbeitgeber habe dem Tanzgruppenmitglied bei der Anhörung seine Motive für die beabsichtigte Nichtverlängerung zu nennen, ist die Rechtsprechung bereits bis an die äußerste Grenze der Auslegungsmöglichkeiten des Wortes "hören" gegangen. Für eine noch weitergehende Auslegung in dem Sinne, die Erwägungen des Arbeitgebers seien sogar noch eine bestimmte Zeit vor der Durchführung des Anhörungsgesprächs bekanntzugeben, enthält der Tarifvertrag keinerlei Anhaltspunkte.

Für eine weitergehende Auslegung fehlt es auch an einem praktischen Bedürfnis. Erwägt das Bühnenmitglied, die Anhörung des Tanzgruppensprechers oder eines Gewerkschaftsvertreters zu verlangen und erscheint ihm für die insoweit zu treffende Wahl bereits die Kenntnis der Gründe wichtig, so mag es schon vor dem Anhörungstermin nach den Gründen der Nichtverlängerung fragen. Es liegt dann im eigenen Interesse des Arbeitgebers, diesem Verlangen so rechtzeitig Rechnung zu tragen, daß die Anhörung auch des Sprechers bzw. des Vertreters noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 24 Abs. 4 Unterabs. 2 NVT erfolgen kann. Aus ähnlichen Erwägungen kann auch der Arbeitgeber, der die Gründe erst im Anhörungstermin nennen will, gehalten sein, das Anhörungsgespräch so frühzeitig durchzuführen, daß er auch im Falle eines - unverzüglich nach Mitteilung der Gründe zu stellenden - Verlangens des Bühnenmitglieds, den Sprecher bzw. Vertreter zu hören, dessen Anhörung noch fristgerecht durchführen kann. Im vorliegenden Fall hat der Kläger eine solche Anhörung aber gar nicht verlangt.

III. Entgegen den Ausführungen der Revision ist der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil schon die Befristung des Arbeitsverhältnisses überhaupt rechtsunwirksam gewesen wäre. Denn die Befristung der Arbeitsverhältnisse von Tanzgruppenmitgliedern ist zulässig.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 21. Mai 1981 (- 2 AZR 1117/78 - BAG 35, 309 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) die Befristung der Arbeitsverhältnisse der unter den Tarifvertrag "Normalvertrag Solo" fallenden künstlerischen Bühnenmitglieder für zulässig erklärt, weil sie einem jahrzehntelangen Bühnenbrauch entspreche, der nach wie vor durch sachliche Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) gerechtfertigt sei. Diese Würdigung trifft entgegen den Ausführungen der Revision auch für den Bereich des NVT zu.

1. Die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Tanzgruppenmitglieder entspricht ebenfalls jahrzehntelangem Bühnenbrauch; die Tarifvertragsparteien des NVT gehen von ihr übereinstimmend aus. Gemäß § 2 Abs. 1 NVT ist mit dem Tanzgruppenmitglied ein Arbeitsvertrag nach dem Muster der Anlage 1 abzuschließen; dieses Arbeitsvertragsmuster sieht die Befristung für eine oder mehrere Spielzeiten vor. Dies zeigt, daß auch die Tarifvertragsparteien den befristeten Arbeitsvertrag bei Tanzgruppenmitgliedern als die Regel ansehen.

2. Entgegen den Rechtsausführungen der Revision kommt den sachlichen Gründen, aus denen der Zweite Senat in seinem angeführten Urteil die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse bei Solisten herleitet, bei Tanzgruppenmitgliedern das gleiche Gewicht zu. Das individuelle körperliche Erscheinungsbild und die tänzerische Ausdruckskraft jedes einzelnen Mitglieds sind für den Gesamteindruck, den die Tanzgruppe bietet, von entscheidender Bedeutung, weil meistens jedes Mitglied auf der Bühne sichtbar ist und häufig sogar in ständigem Wechsel in den Vordergrund tritt. Insbesondere besteht das vom Zweiten Senat betonte Interesse auch der Arbeitnehmer an der Erhaltung der Freizügigkeit des Engagementswechsels gerade auch bei Tanzgruppenmitgliedern. Der diesbezügliche Einwand der Revision, dem Freizügigkeitsinteresse des Bühnenkünstlers sei durch eine Kündigungsmöglichkeit ausreichend Rechnung zu tragen, verengt den Blick in unzulässiger Weise auf den einzelnen, möglicherweise an einem Engagementswechsel nicht interessierten Arbeitnehmer. Die durch die Befristung ermöglichte leichtere Auswechslung des ganzen Ensembles oder einzelner Ensemblemitglieder liegt vor allem deshalb auch im Interesse der Gesamtheit der Bühnenkünstler, weil ihre Chancen zum beruflichen und künstlerischen Fortkommen entscheidend davon abhängen, daß jeweils an anderen Bühnen durch das Auslaufen der Arbeitsverträge in häufigem Wechsel Stellen frei werden.

IV. Die Nichtverlängerungsmitteilung vom 23. Juli 1981 ist auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam.

1. Zu Recht hat es das Bühnenoberschiedsgericht als unschädlich angesehen, daß im Einladungsschreiben vom 30. Juni 1981 statt auf die einschlägige Vorschrift des § 24 Abs. 4 NVT auf § 2 Abs. 5 TVM hingewiesen worden war. Beide Vorschriften sind inhaltsgleich; eine Irreführung des Klägers konnte daher nicht eintreten. Auch verlangt keine der Tarifvorschriften, daß bei der Einladung bestimmte Hinweise zu geben seien.

2. Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags des Klägers, die Nichtverlängerungsmitteilung sei allein deshalb ausgesprochen worden, weil er bereits 14 Jahre für die Bayerische Staatsoper als Gruppentänzer tätig gewesen sei und der Beklagte daher die "Unkündbarkeit" des Arbeitsverhältnisses habe vermeiden wollen, hat das Bühnenoberschiedsgericht den Kläger zu Recht als beweisfällig angesehen.

Auch insoweit sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden. Schon deshalb kann dahinstehen, ob es eine unzulässige Rechtsausübung seitens des Beklagten gewesen wäre, wenn sich der Beklagte tatsächlich ausschließlich aus derartigen Erwägungen zur Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses entschlossen haben sollte. Nach den Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts hatte der Beklagte zumindest auch andere, insbesondere die dargestellten künstlerischen Gründe. Diese Gründe brauchen nur nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers vorzuliegen; einer objektiven sachlichen Rechtfertigung bedarf die Nichtverlängerungsmitteilung nicht.

Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan

Stappert Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441280

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge