Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung einer Versorgungsanwartschaft

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 1; BeschFG § 1 Abs. 1 S. 3; AktG § 291

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 12.11.1990; Aktenzeichen 6 Sa 671/89)

ArbG Köln (Urteil vom 26.04.1989; Aktenzeichen 10 Ca 8260/88)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. November 1990 – 6 Sa 671/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger fordert vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein, Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV), Insolvenzschutz für eine Versorgungsanwartschaft.

Der Kläger ist am 27. November 1942 geboren. Er war ab 1. Oktober 1967 Arbeitnehmer der R -Werke F & H in B. Nach einer Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1971 war er vom 1. Juli 1971 bis 30. Juni 1973 für die R Singapore (Pte.) Ltd. (R -Singapore) tätig. Die R -Werke F & H sicherten ihm zu:

„Nach Ablauf des Vertrages bzw. Beendigung der Tätigkeit in Singapore lt. § 10 wird R Herrn W eine angemessene Tätigkeit anbieten.”

Nach Ablauf dieses befristeten Vertrags ließ sich der Kläger seinen Urlaubsanspruch auszahlen. Er verhandelte mit R Singapore über eine weitere Beschäftigung. Vereinbart wurde ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag für die Zeit vom 26. Oktober 1973 bis 25. Oktober 1975 (Arbeitgeber war jetzt die R Optical (Pte) Ltd.. Noch vor Fristablauf wurde ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag bis zum 30. Juni 1977 vereinbart. In beiden Fällen kam es zu einer Zusatzvereinbarung mit den R -Werken; diese sicherten dem Kläger wiederum nach Beendigung des Vertrags eine angemessene Tätigkeit zu. Schließlich wurde der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und R Singapore im Mai 1977 bis zum 31. Januar 1978 verlängert. Danach schied der Kläger aus den Diensten von R Singapore aus und wurde auch nicht mehr für die R -Werke F & H in B tätig.

Die R -Werke in B gewährten ihren Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung nach den zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Versorgungsrichtlinien. Mit Schreiben vom 23. Februar 1978 bestätigten die R -Werke B dem Kläger,

„… daß nach Ihrem Ausscheiden aus den R – Werken aufgrund Ihrer Betriebszugehörigkeit vom 27.1.1968 bis zum 31.1.1978 Ihr Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach unseren Richtlinien nicht verlorengeht.”

Diesem Schreiben waren Anfragen und Stellungnahmen im Frühjahr 1977 vorausgegangen. Zunächst hatten die R -Werke B – dem Kläger am 24. März 1977 bestätigt:

„Die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit der betrieblichen Altersversorgung aus dem R -Versorgungswerk sind bei Herrn W am 27.11. 1977 erfüllt. (Paragr. 1 Gesetz zur Verbesserung der betriebl. Altersversorgung – Erreichung des 35. Lebensjahres und mind. 10 Jahre Betriebszugehörigkeit).”

Am 30. März 1977 schränkten die R -Werke ein:

„Wir können die Zeit vom 1.7.1973 bis 26.10.1973 nicht als R -Zugehörigkeit rechnen, sondern wir können nur die Zeit der Betriebszugehörigkeit vom 1.10.1967 bis 30.6.1973 anrechnen und Ihnen, da Sie ab 27.10.1973 erneut für R tätig wurden, ein neues fiktives Einstelldatum bekanntgeben. Dieses neue fiktive Einstelldatum, von dem von nun an Ihre R -Betriebszugehörigkeit – auch für die Betriebszugehörigkeit bezüglich der Altersversorgung – gerechnet wird, ist der 27.1.1968.

Sie haben daher wohl am 27.11.1977 die Voraussetzung von 35 Lebensjahren nach dem neuen Gesetz erfüllt, aber erst am 27.1.1978 die Voraussetzung von 10 Jahren Betriebszugehörigkeit.”

Die R -Werke F & H hatten für die Altersversorgung des Klägers auch während und für die Tätigkeit in Singapore Rückstellungen gebildet und Beiträge an den Pensions-Sicherungs-Verein gezahlt. Über das Vermögen der R -Werke wurde am 6. November 1981 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger verlangt nun vom beklagten PSV die Sicherung seiner Anwartschaft. Dieser lehnte eine Eintrittspflicht ab mit der Begründung, § 7 BetrAVG beziehe sich nur auf betriebliche Versorgungszusagen, die aus Anlaß eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zugesagt worden sind, welches dem deutschen Recht unterliegt.

Der Kläger hat behauptet, er sei im Interesse der R – Werke B in Singapore tätig geworden. Zwar habe es sich ab 1975 bei dem Unternehmen in Singapore nicht um eine klassische Tochtergesellschaft gehandelt. Es habe jedoch ein Unternehmensbindungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 AktG bestanden. Die R – Werke in B hätten das geschäftsführende Personal der R Singapore eingestellt, sie hätten die Unternehmenspolitik geplant und alle wichtigen Entscheidungen getroffen. Auch Arbeits- und Verlängerungsverträge seien von B genehmigt worden. Die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom 1. Juli 1973 bis 26. Oktober 1973 sei rechtlich ohne Bedeutung.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalles eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der Versorgungsrichtlinien des R -Pensionswerkes zu gewähren.

Der beklagte PSV hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, nach dem 1. Juli 1971 habe es keine arbeitsvertraglichen Beziehungen mehr zwischen dem Kläger und den R -Werken F & H in B gegeben. Zwischen diesem Unternehmen und der R Singapore habe auch kein Konzernverhältnis bestanden. Bei R Singapore habe es sich um ein Schwesterunternehmen gehandelt, das in ihrem wirtschaftlichen Schicksal unabhängig von den R -Werken B gewesen sei. Gewinn und Verlust der Gesellschaft in Singapore habe das Ergebnis der deutschen Gesellschaft nicht berührt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten PSV hat das Berufungsgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision will der Kläger erreichen, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger besaß bei Eintritt des Sicherungsfalls keine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft.

1. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrAVG erhalten Personen, die bei Eröffnung des Konkursverfahrens eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, bei Eintritt des Versorgungsfalls einen Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung, wenn ihre Anwartschaft auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitgebers beruht. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG behält ein Arbeitnehmer seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, sofern er in diesem Zeitpunkt mindestens das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage für ihn mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für den Arbeitnehmer mindestens drei Jahre bestanden hat.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn nur die Tätigkeit des Klägers für die R -Werke in B berücksichtigt wird. Sie könnten nur erfüllt sein, wenn die Tätigkeit des Klägers für die Gesellschaft in Singapore als anwartschaftsbegründende Zeit mitgerechnet würde. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit der Begründung abgelehnt, der Arbeitnehmer sei nicht mehr im Interesse und auf Veranlassung für ein Tochterunternehmen seines Arbeitgebers tätig geworden, das zur Mehrung des Konzernergebnisses beigetragen habe. Bei den R -Werken F & H – habe es sich nicht um eine Konzernobergesellschaft gehandelt; die R Singapore sei kein Tochterunternehmen gewesen. Der wirtschaftliche Ertrag, zu dem der Kläger mit seiner Arbeit und Betriebstreue beigetragen habe, sei einem Dritten zugeflossen. Die R -Werke B könnten deshalb kein Arbeitgeber im Sinne von § 1 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 BetrAVG sein.

Der Senat hat bisher nur entschieden, daß eine Konzernobergesellschaft nicht dadurch ihre Eigenschaft als Arbeitgeber im Sinne des BetrAVG verliert, daß sie dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu einem Tochterunternehmen den Fortbestand der betrieblichen Altersversorgung zusagt (BAG Urteil vom 25. Oktober 1988 – 3 AZR 64/87 – AP Nr. 46 zu § 7 BetrAVG). Ob diese Grundsätze über die Aufrechterhaltung der Arbeitgebereigenschaft im Konzernverhältnis auch auf Fälle der vorliegenden Art übertragen werden können, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

2. Die Klage scheitert nämlich daran, daß auch bei einheitlicher Betrachtung der Arbeitsverhältnisse des Klägers die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nicht erfüllt sind. Das letzte Arbeitsverhältnis im R -Verbund – die Arbeitgebereigenschaft unterstellt – bestand nur in der Zeit vom 26. Oktober 1973 bis zum 31. Januar 1978. Auch im ersten vorausgegangenen Arbeitsverhältnis waren die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG nicht erfüllt. Die Unverfallbarkeit scheiterte schon daran, daß der Kläger bei seinem ersten Ausscheiden das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

a) Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG können Dienstzeiten in unterbrochenen Arbeitsverhältnissen nicht zusammengerechnet werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BAGE 34, 123, 126 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Wartezeit, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 9. März 1982 – 3 AZR 389/79 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Wartezeit, zu 2 b der Gründe; Urteil vom 29. September 1987 – 3 AZR 99/86 – AP Nr. 17 zu § 1 BetrAVG, zu 1 der Gründe; Urteil vom 26. September 1989 – 3 AZR 815/87 – AP Nr. 53 zu § 7 BetrAVG, zu 1 c der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 72).

Daß das erste Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1973 endete und ein weiteres Arbeitsverhältnis am 26. Oktober 1973 begründet wurde, ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt. Für die Begründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses waren, wie der Kläger selbst vorträgt, Verhandlungen erforderlich. Der Urlaubsanspruch aus dem ersten Arbeitsverhältnis wurde in der Weise erfüllt, daß der Urlaub abgegolten wurde. Schließlich haben die Parteien selbst die Zeit vom 1. Juli bis 25. Oktober 1973 nicht auf das Arbeitsverhältnis anrechnen wollen. Die Unterbrechungszeit wurde aufgrund der Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet. Zwar sind die Parteien von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen. Der Beginn der Betriebszugehörigkeit dieses einheitlichen Arbeitsverhältnisses wurde jedoch um die Zeit hinausgeschoben, um die dieses Arbeitsverhältnis unterbrochen war, mithin um drei Monate und 25 Tage. So kam es zu dem fiktiven Eintrittsdatum des Klägers.

b) Die Vereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber über die Zusammenrechnung der Dienstzeiten in beiden Arbeitsverhältnissen kann den gesetzlichen Insolvenzschutz nicht auslösen. Solche Vereinbarungen führen dazu, daß eine Versorgungsanwartschaft kraft Vertrags unverfallbar wird. Das BetrAVG schließt im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer günstigere Abreden über die Behandlung der Anwartschaft beim Ausscheiden des Arbeitnehmers (Unverfallbarkeit) nicht aus (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG). Diese Abreden haben aber keine Auswirkungen auf den gesetzlichen Insolvenzschutz. Nur die kraft Gesetzes unverfallbaren Versorgungsanwartschaften werden gegen Insolvenz gesichert. Das belegen Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl. BAG Urteil vom 26. September 1989 – 3 AZR 815/87 – AP Nr. 53 zu § 7 BetrAVG, zu 2 a der Gründe).

c) Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Zusammenrechnung der sechsmonatigen Wartezeit für den Kündigungsschutz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KSchG) bei einem inneren sachlichen Zusammenhang mehrerer Arbeitsverhältnisse können hier nicht herangezogen werden. Die Fristen des § 1 Abs. 1 KSchG und des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG dienen unterschiedlichen Zwecken. Dasselbe gilt für den in § 1 Abs. 1 Satz 3 BeschFG genannten Zeitraum. Diese Bestimmung ist nicht einmal bei der Ermittlung der Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit).

d) Auch die vom Kläger vorgetragenen Umstände zu Grund und Dauer der Unterbrechungszeit können keine andere Beurteilung rechtfertigen. Der Senat kann unterstellen, daß der Kläger schon vor und während der Unterbrechungszeit über den Abschluß eines weiteren Arbeitsvertrags verhandelte. Auch die Dauer der Unterbrechungszeit mag mit der Höhe des Urlaubsanspruchs aus dem ersten Arbeitsverhältnis zusammenhängen. Das alles ändert nichts an der rechtlichen Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses und der Unterbrechung beider Arbeitsverhältnisse für einen Zeitraum von drei Monaten und 25 Tagen. Auch darauf, ob der Kläger mit einer anderen Vertragsgestaltung die Unterbrechung hätte vermeiden können, kann es nicht ankommen.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Dr. Wittek, Kremhelmer, Dr. Schmidt, Eckhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 951883

BB 1992, 862

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