Entscheidungsstichwort (Thema)

MTV Chemische Industrie. Verfall von Urlaub

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 366 Abs. 2 BGB kann nicht angewendet werden, wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheidet.

 

Normenkette

BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3; BGB § 362 Abs. 1, § 366 Abs. 2; Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992 i.d.F. vom 16. März 2009 § 12 Abschn. I Ziff. 11

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 25.03.2014; Aktenzeichen 7 Sa 423/13)

ArbG Würzburg (Urteil vom 16.05.2013; Aktenzeichen 5 Ca 295/13)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 25. März 2014 – 7 Sa 423/13 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 16. Mai 2013 – 5 Ca 295/13 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien wenden auf ihr Arbeitsverhältnis den Manteltarifvertrag für die chemische Industrie vom 24. Juni 1992 idF vom 16. März 2009 (MTV) an. Dort heißt es auszugsweise:

㤠12

Urlaub

I.

Urlaubsanspruch

1.

Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.

2.

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

11.

Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren.

Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.”

Die Regelung in § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV war bereits in dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 unter § 12 Abschn. I Ziff. 10 wortgleich enthalten.

In einer gemeinsamen Erläuterung der Tarifvertragsparteien vom 23. März 1984 zu diesem Manteltarifvertrag heißt es dazu:

„§ 12 I Ziffer 10 Satz 1 des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 wird von den Manteltarifvertragsparteien wie folgt authentisch interpretiert:

Nach übereinstimmender Auffassung der Tarifvertragsparteien regelt § 12 I Ziffer 10 Satz 1 MTV keine generelle Übertragbarkeit des Urlaubs. Vielmehr ist der Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen bzw. zu gewähren. Ausnahmsweise ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur aus dringenden betrieblichen Gründen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen möglich.”

Der Kläger war ab Mitte Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 ununterbrochen arbeitsunfähig krank. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 27 Urlaubstage genommen. Er beantragte am 25. Oktober 2011 gegenüber der Beklagten, ihm in der Zeit vom 21. bis zum 30. November 2011 seine acht Resturlaubstage aus dem Jahr 2010 zu gewähren. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die aus dem Jahr 2010 stammenden Urlaubsansprüche seien nicht am 31. März 2011 verfallen. Seine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit habe den Verfall gehindert. Insoweit sei von einem Gleichlauf von gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen auszugehen. § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV enthalte hinsichtlich der Übertragbarkeit und des Verfalls des Urlaubs keine vom BUrlG abweichende Regelung.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm Resturlaub aus dem Jahr 2010 iHv. acht Tagen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der MTV habe ein eigenständiges, vom BUrlG abweichendes Fristenregime. Deshalb sei der tarifliche Urlaub des Klägers trotz seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit spätestens am 31. März 2011 verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Urteilstenor geändert. Es hat festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf acht Tage bezahlte Freistellung hat. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass ihm aus dem Jahr 2010 weitere acht Ersatzurlaubstage zustehen.

I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, dass ihm gegen die Beklagte noch aus dem Jahr 2010 resultierende Urlaubsansprüche zustehen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Feststellungsklage ist nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig (grundlegend BAG 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 13 bis 15, BAGE 137, 328).

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatzurlaub von acht Tagen gemäß § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Seine Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2010 waren verfallen, bevor Verzug hätte eintreten können.

1. Zu Beginn seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Mitte Oktober 2010 standen dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gegenüber der Beklagten noch acht Urlaubstage zu.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Urlaubsansprüche am 31. März 2011 verfallen.

a) Der aus dem Jahr 2010 stammende Urlaub hätte – soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft – unbeschadet des Umstands, dass der Übertragungszeitraum grundsätzlich am 31. März 2011 endete (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG), fortbestanden. Aufgrund der Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ist § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums krank und deshalb arbeitsunfähig ist (grundlegend BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 23 ff., BAGE 142, 371). Da die Arbeitsunfähigkeit des Klägers von Mitte Oktober 2010 bis zum 31. Mai 2011 und somit über den 31. März 2011 fortdauerte, wäre der gesetzliche Urlaub aus dem Jahr 2010 in das Jahr 2011 übertragen worden.

b) Diese Grundsätze gelten nicht für den hier streitgegenständlichen tariflichen Mehrurlaub. Dieser ging trotz der Arbeitsunfähigkeit des Klägers gemäß § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV am 31. März 2011 unter. Die Parteien wenden den MTV auf ihr Arbeitsverhältnis an.

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts streiten die Parteien nicht über den gesetzlichen Mindest-, sondern über tariflichen Mehrurlaub.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe mit der Gewährung des Urlaubs vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers den tariflichen Urlaubsanspruch analog § 366 Abs. 2 BGB erfüllt, da eine Leistungsbestimmung nicht erfolgt sei. Dies widerspricht der Rechtsprechung des Senats. Mit der Urlaubsgewährung im Jahr 2010 brachte die Beklagte den gesetzlichen und teilweise den tariflichen Urlaubsanspruch gemäß § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen.

bb) Wenn eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung hinsichtlich des Umfangs des Urlaubsanspruchs nicht zwischen gesetzlichen und arbeits- oder tarifvertraglichen Urlaubsansprüchen unterscheidet und den Arbeitnehmern einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anspruch auf Erholungsurlaub einräumt, kommt entgegen der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts ein Rückgriff auf die Auslegungsregel in § 366 Abs. 2 BGB ebenso wenig in Betracht wie eine analoge Anwendung dieser Vorschrift. Es handelt sich um einen einheitlichen Anspruch auf Erholungsurlaub, der auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen (Anspruchsgrundlagenhäufung) beruht, und nicht um selbstständige Urlaubsansprüche (BAG 7. August 2012 – 9 AZR 760/10 – Rn. 12, BAGE 143, 1).

cc) Der tarifliche Urlaubsanspruch des Klägers ist nach diesen Grundsätzen gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG kein eigenständiger Anspruch, soweit sich beide Ansprüche decken.

(1) Der MTV differenziert schon seinem Wortlaut nach bei der Festlegung der Höhe des Urlaubsanspruchs nicht zwischen dem gesetzlichen Mindest- und dem tariflichen Mehrurlaub. Der tarifliche Urlaub soll erkennbar nicht zusätzlich zum gesetzlichen Erholungsurlaub gewährt werden, sondern schließt diesen mit ein.

(2) Auch die sonstigen tariflichen Urlaubsregelungen des MTV enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass die im MTV angeordnete Urlaubsdauer sich erst aus der Addition zweier eigenständiger Urlaubsansprüche ergibt, nämlich dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch einerseits und einem diesen aufstockenden, gesonderten tariflichen Urlaubsanspruch andererseits.

(3) Der Annahme, dass es keiner Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers bedarf und dieser mit der Freistellung des Arbeitnehmers von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung sowohl den gesetzlichen als auch den übergesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub ganz oder teilweise erfüllt, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag nicht hinreichend deutlich zwischen gesetzlichem und übergesetzlichem Urlaub unterschieden wird, steht nicht entgegen, dass ein arbeits- oder tarifvertraglicher Mehrurlaub bezüglich seiner Entstehungsvoraussetzungen, seiner Übertragung, seiner Kürzung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, seines Verfalls oder seiner Abgeltung eigenen Regeln unterliegen kann. Diese Fragen sind jeweils getrennt zu betrachten (vgl. BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 618/10 – Rn. 24, BAGE 141, 374).

(4) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frage, ob § 366 Abs. 2 BGB auf Urlaubsansprüche anzuwenden ist, werde vom Senat nicht einheitlich beantwortet, geht sein Hinweis auf die Entscheidungen vom 16. Juli 2013 (– 9 AZR 914/11 –) und 15. Oktober 2013 (– 9 AZR 302/12 –) fehl. In diesen Entscheidungen ging es nicht um die Erfüllung von gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüchen, sondern um eine (etwaige) Tilgungsbestimmung des Arbeitgebers iSv. § 366 Abs. 1 BGB bei der Zahlung von Urlaubsabgeltung.

d) Dem Untergang des tariflichen Mehrurlaubs am 31. März 2011 steht die bis zum 31. Mai 2011 andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht entgegen.

aa) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl. EuGH 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 34 ff. mwN; BAG 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 21, BAGE 137, 328). Diese Befugnis schließt die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs ein (BAG 7. August 2012 – 9 AZR 760/10 – Rn. 18, BAGE 143, 1). Die Tarifvertragsparteien des MTV haben von dieser Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht.

bb) Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen, von dem des gesetzlichen Mindesturlaubs abweichenden Fristenregime zu unterstellen, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub auszugehen. Ein Gleichlauf ist nicht gewollt, wenn die Tarifvertragsparteien entweder bei der Befristung und Übertragung bzw. beim Verfall des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tariflichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige, vom BUrlG abweichende Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben (BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 575/10 – Rn. 12).

cc) Die Tarifvertragsparteien des MTV haben den tariflichen Mehrurlaub einem eigenständigen, vom BUrlG abweichenden Fristenregime unterstellt.

(1) Nach dem Wortlaut des § 12 Abschn. I Ziff. 11 MTV ist der Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Jahres zu gewähren (Satz 1) und erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist (Satz 2). Damit wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, der Arbeitnehmer könne seinen Urlaub ohne besondere Gründe und ohne die Notwendigkeit der Übertragung vom 1. Januar eines Kalenderjahres bis zum 31. März des Folgejahres geltend machen. Dies ist eine wesentliche Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BUrlG. Nach dessen Regime geht der nicht genommene Urlaub grundsätzlich am 31. Dezember des Urlaubsjahres unter und wird nur bei Vorliegen der gesetzlichen Übertragungsgründe bis zum 31. März des Folgejahres übertragen. Damit unterscheidet sich die tarifliche Regelung von der des BUrlG insoweit, als der Urlaubsanspruch ohne Übertragungsvoraussetzungen und ohne Übertragungsnotwendigkeit zumindest bis zum 31. März des Folgejahres besteht (so schon zum gleichlautenden § 12 Abschn. I Ziff. 10 MTV vom 22. Februar 1973 idF vom 1. Juli 1975 BAG 13. Mai 1982 – 6 AZR 12/80 – zu B I 4 b der Gründe) und genommen werden kann. Insofern unterscheidet sich die tarifliche Regelung des MTV von einer anderen tariflichen Regelung, bei der der Senat einen Gleichlauf angenommen hat. Dort hat der Tarifvertrag nicht auf eine Übertragung, sondern ausschließlich auf das Vorliegen von Übertragungsgründen verzichtet (BAG 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 29 ff., BAGE 137, 328).

(2) Diese Auslegung widerspricht der gemeinsamen Erläuterung der Tarifvertragsparteien vom 23. März 1984 zu § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979. Diese haben die Tarifregelung entgegen dem Wortlaut „authentisch interpretiert”. Es solle keine generelle Übertragbarkeit des Urlaubs geregelt sein. Der Urlaub sei vielmehr im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen. Eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr sei nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen möglich. Diese Interpretation der Tarifvertragsparteien entspricht § 7 Abs. 3 Satz 1 bis 3 BUrlG und würde zu einem Gleichlauf zwischen gesetzlichem und tariflichem Urlaub führen. Für die Tarifauslegung kann diese gemeinsame Erläuterung jedoch nicht herangezogen werden.

(a) Gemeinsame Erläuterungen können für die Auslegung eines Tarifvertrags Bedeutung gewinnen. Auch wenn ihnen selbst nicht der Charakter einer Tarifnorm zukommt, kann ihr Inhalt zur Ergänzung und Bestätigung einer Tarifauslegung herangezogen werden (BAG 19. Juni 1974 – 4 AZR 436/73BAGE 26, 198). Ein hieraus ersichtlicher Wille der Tarifvertragsparteien muss jedoch stets im Tarifwerk selbst einen objektiven Niederschlag gefunden haben. Der Inhalt gemeinsamer Erläuterungen darf nicht im Widerspruch zum Wortlaut und Sinn des Tarifvertrags stehen (BAG 5. Dezember 2001 – 10 AZR 242/01 – zu II 1 e der Gründe).

(b) So ist es hier. Der Inhalt der gemeinsamen Erläuterung steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979 sowie zu dem des § 12 Abschn. I Ziff. 11 Satz 1 MTV. Danach ist der Urlaub bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Die Notwendigkeit der Übertragung des Urlaubs in das folgende Kalenderjahr hat im Wortlaut keinen Niederschlag gefunden. Dies gilt erst recht für das Erfordernis betrieblicher oder in der Person des Arbeitnehmers liegender Übertragungsgründe. Zudem haben die Tarifvertragsparteien davon Abstand genommen, ihre gemeinsame Erläuterung in den nachfolgenden Manteltarifverträgen umzusetzen. Dies könnte so auszulegen sein, dass sie hiervon wieder Abstand genommen haben.

(c) Im Übrigen haben die Tarifvertragsparteien lediglich § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 1 MTV vom 24. März 1979 interpretiert, nicht aber dessen Satz 2. Danach erlischt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden ist. Der Wortlaut von § 12 Abschn. I Ziff. 10 Satz 2 MTV vom 24. März 1979 spricht sogar dafür, dass der Urlaub nicht bis zum 31. März des Folgejahres genommen sein muss, sondern auch dann nicht erlischt, wenn er bis zum 31. März des Folgejahres, wenn auch für einen nachfolgenden Zeitraum, geltend gemacht wird (offengelassen für den gleichlautenden MTV vom 22. Februar 1973 idF vom 1. Juli 1975 in BAG 13. Mai 1982 – 6 AZR 12/80 – zu B I 4 b der Gründe). Damit reicht es aus, dass der Urlaub bis zu diesem Zeitpunkt verlangt wird. Demgegenüber muss er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

e) Der Kläger machte seine streitgegenständlichen Resturlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2010 erst im Oktober 2011 geltend. Zu diesem Zeitpunkt waren sie gemäß § 12 Abschn. I Ziff. 11 Satz 2 MTV bereits verfallen. Ersatzurlaubsansprüche aus Verzug konnten nicht entstehen.

B. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Brühler, Klose, Krasshöfer, Der ehrenamtliche Richter Mehnert ist infolge des Endes seiner Amtszeit mit Ablauf des 30. November 2015 an der Unterschriftsleistung verhindert. Brühler, H. Anthonisen

 

Fundstellen

Haufe-Index 9154084

EzA-SD 2016, 13

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