Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach § 15 Abs. 1 BBiG vor Beginn der Ausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Berufsausbildungsvertrag kann entsprechend § 15 Abs 1 BBiG bereits vor Beginn der Berufsausbildung von beiden Vertragsparteien ordentlich entfristet gekündigt werden, wenn die Parteien keine abweichende Regelung vereinbart haben und sich der Ausschluß der Kündigung vor Beginn der Ausbildung für den Ausbilder auch nicht aus den konkreten Umständen (z. B. der Abrede oder dem ersichtlichen gemeinsamen Interesse, die Ausbildung jedenfalls für einen bestimmten Teil der Probezeit tatsächlich durchzuführen) ergibt.

 

Normenkette

BBiG §§ 3, 13, 15, 18; BGB § 138

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 04.11.1986; Aktenzeichen 3 Sa 74/86)

ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.1986; Aktenzeichen 5 Ca 283/85)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der am 3. November 1962 geborene Kläger schloß am 30. Mai 1985 mit der Beklagten einen Berufsausbildungsvertrag entsprechend den §§ 3, 4 BBiG zwecks Ausbildung zum Bankkaufmann. Das Berufsausbildungsverhältnis sollte am 1. Februar 1986 beginnen. Für die Zeit vom 26. September 1985 bis 31. Januar 1986 stellte die Beklagte den Kläger als Aushilfskraft ein.

Alsbald nach Beginn des Aushilfsarbeitsverhältnisses erfuhr die Beklagte von einem ihrer Mitarbeiter, der Kläger habe nach seinen eigenen Angaben eine Spielbank besucht und dort einen größeren Geldbetrag verloren. Die Leiterin der Ausbildungsabteilung der Beklagten befragte den Kläger hierauf mehrfach über diesen Vorgang, wobei der Kläger sich angeblich in Widersprüche verwickelte. Ein weiteres Gespräch eines Vorstandsmitglieds der Beklagten mit dem Kläger erbrachte ebenfalls kein Ergebnis. Die Beklagte hielt den Kläger deswegen nicht geeignet für die Ausbildung zum Bankkaufmann und kündigte nach Anhörung ihres Betriebsrats mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 das ab 1. Februar 1986 vereinbarte Ausbildungsverhältnis gemäß § 7 des Berufsausbildungsvertrages, wobei beide Parteien davon ausgehen, daß die Beklagte nicht aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen wollte. Ebenso kündigte die Beklagte den Aushilfsvertrag.

Mit Schreiben vom 29. November 1985 wandte sich der Kläger gemäß § 9 des Ausbildungsvertrages nach § 111 Abs. 2 ArbGG an die Industrie- und Handelskammer zu Berlin, die es mit Schreiben vom 6. Dezember 1985 ablehnte, den bei ihr gebildeten Schlichtungsausschuß mit der Angelegenheit zu befassen. Zur Begründung gab sie an, der Ausbildungsvertrag sei vor Beginn der Ausbildung gekündigt worden, so daß ein Ausbildungsverhältnis nicht bestanden habe. Der Ausschuß könne jedoch nur Streitigkeiten aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis verhandeln.

Der Kläger macht mit der am 13. Dezember 1985 eingereichten Klage die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung geltend. Er hat vorgetragen, er sehe in dem Besuch einer Spielbank für die Beklagte keinen hinreichender Grund, den Berufsausbildungsvertrag zu kündigen. Er sei im Internat aufgewachsen und habe sich mit seinen Mitschülern Gedanken darüber gemacht, wie man ein sicheres Glücksspielsystem entwickeln könne. Er habe dann später mit seinem Bruder eine Spielbank besucht und dort nach seinem System verloren. In dem Gespräch mit einem Bankkollegen habe er arglos hiervon erzählt und zum Ausdruck gebracht, er halte die Vorstellung, mit einem sicheren System gewinnen zu können, für naiv. Die Beklagte hätte auch aus Rechtsgründen das Ausbildungsverhältnis nicht vor seinem Beginn wirksam kündigen können.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß der Berufsausbildungsvertrag der Parteien vom 30. Mai 1985 durch die Kündigung vom 18. Oktober 1985 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe während des Aushilfsvertrages, der auf seinen ausdrücklichen Wunsch zustande gekommen sei, erklärt, er kenne sich in der Glückspielsszene aus, er sei Besucher einer Spielbank und habe dort bereits erhebliche Geldbeträge verloren. Aufgrund der dann mit ihm geführten Gespräche habe sie den Eindruck gewonnen, der Kläger sei zum Bankkaufmann nicht geeignet, er habe sich in Widersprüche verwickelt und den Eindruck der Unseriösität erweckt. Sie habe das Berufsausbildungsverhältnis bereits vor dessen Beginn gekündigt, damit der Kläger sich rechtzeitig habe anders orientieren können.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, die Beklagte habe außerordentlich gekündigt, diese Kündigung sei jedoch unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 4. November 1986 (veröffentlicht in BB 1987, 616) zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, es liege eine ordentliche, jedoch unwirksame Kündigung vor. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klagabweisung weiter, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klage war unter Aufhebung des Berufungsurteils und unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig. § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG stehe als Prozeßhindernis nicht entgegen. Der Kläger habe den zuständigen Schlichtungsausschuß angerufen, es gehe nicht zu seinen Lasten, daß dieser keine Entscheidung getroffen habe.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten sei gemäß § 18 in Verb. mit § 15 BBiG, § 134 BGB unwirksam, da sie nicht während der Probezeit erfolgt sei. Die eindeutige abschließende gesetzliche Regelung sei Billigkeitserwägungen nicht zugänglich, auch nicht dahingehend, daß die Kündigung das Berufsausbildungsverhältnis sofort nach dessen Beginn beendet habe. Die Berufsausbildung sei nur aufgrund eines befristeten Vertrages durchzuführen, ein befristeter Vertrag sei mangels anderweitiger Regelung nur außerordentlich kündbar. Eine anderweitige Regelung liege nicht vor und würde zudem dem Berufsbildungsgesetz widersprechen. Eine Kündigung während der Probezeit setze voraus, daß die Ausbildung tatsächlich bereits begonnen habe. Beide Vertragsparteien müßten sich darauf verlassen können, daß das Berufsausbildungsverhältnis auch tatsächlich beginne.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in der materiellrechtlichen Begründung nicht stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend angenommen, § 111 Abs. 2 ArbGG stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Der Kläger hat vor Einreichung der Klageschrift (vgl. BAGE 27, 279 = AP Nr. 2 zu § 111 ArbGG 1953 und Urteil vom 25. November 1976 – 2 AZR 751/75 – AP Nr. 4 zu § 15 BBiG), den bei der IHK Berlin gebildeten Ausschuß zur Beilegung von Streitigkeiten von Berufsausbildungsverhältnissen angerufen. Unabhängig davon, ob die von der IHK vertretene Rechtsauffassung zutreffend ist, ist dessen Ablehnung, das vom Kläger beantragte Verfahren durchzuführen, ebenso zu behandeln, wie das Fehlen eines entsprechenden Ausschusses, d. h., der Kläger konnte sofort Klage beim Arbeitsgericht erheben (vgl. für den Fall, daß kein Ausschuß gebildet ist: Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 111 Rz 3 und für die vorliegende Fallgestaltung: LAG Nürnberg Urteil vom 25. November 1975, EzB BBiG, § 15 Abs. 2 Nr. 1 Nr. 38). Im übrigen wäre der Mangel einer fehlenden Prozeßvoraussetzung vorliegend auch entsprechend § 295 ZPO als geheilt anzusehen, weil beide Parteien in beiden Vorinstanzen rügelos zur Hauptsache verhandelt haben (Grunsky, aaO; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 82 I 3a; anderer Auffassung: Rolfing/Rewolle/ Bader, ArbGG, Stand: Juni 1987, § 111 Anm. 6).

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis bereits vor dessen Beginn entsprechend § 15 Abs. 1 BBiG entfristet ordentlich kündigen, ohne daß hierfür ein Grund hätte vorliegen müssen.

a) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Voraussetzungen der Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses seien in § 15 BBiG abschließend geregelt, und danach sei eine Kündigung vor dessen Beginn von der gesetzlichen Regelung nicht umfaßt und damit ausgeschlossen (ebenso Herkert, BBiG, Stand: Mai 1987, § 15 Rz 10b) kann dem nicht gefolgt werden. § 15 BBiG befaßt sich mit der Kündigung während der Probezeit und derjenigen nach Ablauf der Probezeit. Nach Wortlaut und Systematik kann daraus nicht eindeutig gefolgert werden, das Berufungsausbildungsverhältnis könne überhaupt nur während der Probezeit ohne Einhaltung einer Frist ordentlich gekündigt werden.

Davon geht überwiegend auch das Schrifttum nicht aus, soweit darin die vorliegend streiterhebliche Frage behandelt wird. Nach Weigand (KR, 2. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz 41), sollen in der Zeit zwischen dem Abschluß des Berufsausbildungsvertrages und dem Antritt der Berufsausbildung beide Vertragspartner aus wichtigem Grund (so ausschließlich Herkert, aaO) und der Auszubildende nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BBiG wegen Aufgabe oder Wechsels der Berufsausbildung mit einer mit dem Zugang der Kündigung beginnenden Frist von vier Wochen kündigen können. Eine Begründung für diese Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit wird nicht gegeben. Sie ergibt sich auch nicht aus dem angezogenen Urteil des BAG vom 22. August 1964 (BAGE 16, 204 = AP Nr. 1 zu § 620 BGB). Dieses Urteil befaßt sich vielmehr allgemein mit der Zulässigkeit der Kündigung vor Dienstantritt und hält es für gleichgültig, ob es sich um eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung handelt. Auch Rischar (Berufsausbildung in Recht und Praxis, München 1981, Seite 28) geht davon aus, der Auszubildende könne den Berufsausbildungsvertrag kündigen, bevor er die Ausbildung beginne. Die dafür gegebene Begründung, der Auszubildende könne während der Probezeit jederzeit entfristet kündigen und es sei deswegen von ihm nicht zu verlangen, die Probezeit zunächst zu beginnen, um sie am selben Tag wieder zu beenden, rechtfertigt keine Differenzierung zwischen der Kündigung durch den Auszubildenden und den Ausbilder. Sie bezeichnet vielmehr den für beide Parteien bedeutsamen Zweck des § 15 Abs. 1 BBiG, der die Auslegung nahelegt, daß beide Parteien vor Ablauf der Probezeit den Berufsausbildungsvertrag jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen können, und zwar auch vor Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses.

b) Im einzelnen gelten folgende Erwägungen:

aa) Das Berufungsgericht ist schon im Ansatz fehlerhaft davon ausgegangen, das Berufsausbildungsverhältnis sei ein befristetes Arbeitsverhältnis, das nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne. Das Berufsausbildungsverhältnis beginnt vielmehr nach § 13 BBiG mit der Probezeit und endet mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Es liegt zwar nach § 13 BBiG ein einheitliches Berufsausbildungsverhältnis vor, das aber kündigungsrechtlich unterschiedlich ausgestaltet ist. Es kann nach § 15 Abs. 1 BBiG während der Probezeit jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, nach der Probezeit durch beide Parteien aus wichtigem Grund und ferner durch den Auszubildenden nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 BBiG. Bei der Kündigung während der Probezeit handelt es sich um eine ordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, die grundsätzlich keines besonderen Kündigungsgrundes bedarf (so zutreffend BAG Urteil vom 8. März 1977 – 4 AZR 700/75 – DB 1977, 1322).

bb) Das BBiG regelt den Fall der Kündigung vor Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses nicht ausdrücklich. Da nach § 3 Abs. 2 BBiG die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden sind, soweit sich aus Wesen und Zweck des Ausbildungsvertrages und aus dem BBiG selbst zwingend nichts anderes ergibt, ist die Frage nach der Kündigung vor Vertragsbeginn nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu beantworten, wobei zu beachten ist, ob sich aus Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages und/oder des BBiG eine zwingende Sonderregelung ergibt.

cc) Seit der Entscheidung des Ersten Senats vom 22. August 1964 (BAGE 16, 204) besteht in der Rechtsprechung und im Schrifttum Einigkeit darüber, daß die ordentliche Kündigung eines Arbeitsvertrages, dessen Verwirklichung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen ist, schon vor dem Dienstantritt erklärt werden kann (vgl. BAGE 31, 121 = AP Nr. 3 zu § 620 BGB, m. w. N.). Wie der Senat bereits durch Urteil vom 9. Mai 1985 (2 AZR 372/84 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB) entschieden hat, liegt eine im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließende Lücke vor, wenn die Parteien für den Fall einer vor Vertragsbeginn ausgesprochenen ordentlichen Kündigung keine Vereinbarung über den Beginn der Kündigungsfrist getroffen haben. Für die Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens und die hierfür maßgebende Würdigung der beiderseitigen Interessen ist grundsätzlich auf die konkreten Umstände des Falles abzustellen.

dd) Die Parteien haben vorliegend hinsichtlich der Kündigung für den Zeitraum vor Beginn des Berufsausbildungsvertrages keine Regelung getroffen, der § 18 BBiG entgegen stunde, da das Gesetz diese Rechtsfrage nicht regelt.

Wie dem Landesarbeitsgericht zuzugeben ist, kann allerdings allein aus der Tatsache der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit während der Probezeit nicht vorbehaltslos geschlossen werden, auch der noch nicht aktualisierte Berufsausbildungsvertrag könne selbstverständlich entfristet ordentlich gekündigt werden, weil diese Möglichkeit ohne das Erfordernis eines Kündigungsgrundes während der Probezeit bestehe. Beim Fehlen einer vertraglichen Abrede der Parteien ist dieses Rechtsfrage vielmehr nach dem Sinngehalt der gesetzlichen Regelung und den mutmaßlichen Parteiwillen zu beantworten.

ee) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie in der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Ausdruck gekommen sind (BT-Drucks. V/4260 zu § 15 Abs. 1 BBiG), sollen die Vertragsparteien sich während der Probezeit gegenseitig dahingehend prüfen können, ob die geplanten Ausbildungsziele sich für den Partner verwirklichen lassen und ob der Auszubildende sich für den zu erkundenden Beruf eignet (BAGE 36, 94 = AP Nr. 1 zu § 13 BBiG; KR-Weigand, aaO, §§ 14, 15 BBiG Rz 42). Der Gesetzgeber hat dieses angestrebte Ziel jedoch nicht dergestalt verwirklicht, daß der Kündigung in der Probezeit ein bestimmter Zeitraum vorgeschaltet ist, in dem diese gegenseitige Prüfung aufgrund einer bestimmten, wenn auch nur kurzfristigen festen Bindung erfolgen muß. Nach § 15 Abs. 1 BBiG kann das Ausbildungsverhältnis vielmehr bereits am 1. Tage unmittelbar nach seinem Beginn ohne Einhaltung irgendeiner Frist durch Kündigung ordentlich beendet werden, wobei hierfür ein Grund nicht erforderlich ist. Beabsichtigt daher der zukünftige Ausbilder, das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit zu beenden, so ist nach der Regelung des Gesetzes weder für ihn noch für den nach dem Vertrag später Auszubildenden ein beachtlicher Grund ersichtlich, mit der Kündigung abzuwarten, bis das Berufsausbildungsverhältnis tatsächlich begonnen hat (so auch Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 174 VII 1 Fußn. 89; Natzel, DB 1970, 1383, 1387 für die Kündigung durch den Auszubildenden). Es liegt vielmehr geradezu im Interesse des Vertragspartners, die Beendigungsabsicht möglichst frühzeitig zu erfahren, damit weitere Bemühungen um einen Ausbildungsvertrag nicht unterbleiben.

ff) Unzulässig ist die ordentliche Kündigung vor Antritt der Berufsausbildung allerdings nicht nur dann, wenn sie von den Parteien ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, sondern auch dann, wenn sich aus ihren Abreden oder den für die Auslegung verwertbaren Umständen ergibt, daß die Parteien auch während der Probezeit – abweichend von § 15 Abs. 1 BBiG – eine bestimmte befristete feste Bindung angestrebt und deswegen beiderseits auch auf eine vorübergehend Realisierung der Berufsausbildung Wert gelegt haben. Eine derartige Bindung darf sich allerdings nach § 18 BBiG nicht zum Nachteil des Auszubildenden auswirken und kann deswegen nur zum Ausschluß der Kündigungsbefugnis des Ausbilders vor Antritt der Ausbildung führen. Für einen solchen mutmaßlichen Willen der Parteien fehlt es vorliegend an konkreten Anhaltspunkten.

3. Die Beklagte hat demgemäß den Berufsausbildungsvertrag mit dem Kläger durch Schreiben vom 18. Oktober 1985 wirksam gekündigt, ohne daß sie dazu eines Kündigungsgrundes bedurft hätte.

a) Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger wegen der von der Beklagten erhobenen Bedenken zur Ausbildung zum Bankkaufmann ungeeignet war oder ob er sich bei den durchgeführten Besprechungen als unseriös erwiesen hat. Diese Motivation der Beklagten für die Kündigung schließt jedenfalls den auch bei der Kündigung eines Berufsausbildungsvertrages vor Antritt der Ausbildung möglichen Makel einer sittenwidrigen Kündigung (§ 138 BGB) ebenso wie den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. dazu LAG Hamm, Urteil vom 22. August 1985, EzB BBiG, § 15 Abs. 1 Nr. 15) aus. Die Beklagte hat ihr Kündigungsrecht weder aus verwerflichen Motiven noch willkürlich ausgeübt.

b) Die damit zulässige Kündigung vor Vertragsbeginn führte sofort mit ihrem Zugang beim Kläger zur Beendigung des Vertragsverhältnisses; dieses endete nicht erst mit Beginn oder im Laufe des 1. Februar 1986 (vgl. BAGE 16, 204 und 31, 121 = AP Nr. 1 und 3 zu § 620 BGB; BAG Urteil vom 9. Mai 1985, aaO).

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Ascheid, Wisskirchen, Baerbaum

 

Fundstellen

Haufe-Index 872411

BAGE, 179

JR 1988, 440

RdA 1988, 187

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