Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Kündigungserklärung

 

Normenkette

BGB §§ 127, 133, 139; KSchG §§ 1-2, 4, 6, 23

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 10.02.2000; Aktenzeichen 16 Sa 1482/99)

ArbG Dortmund (Teilurteil vom 22.06.1999; Aktenzeichen 7 Ca 5207/98)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. Februar 2000 – 16 Sa 1482/99 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten, die Batterien an Großhändler vertreibt, seit 2. Januar 1997 als Vertriebsleiter gegen ein monatliches Festgehalt in Höhe von 12.300,00 DM brutto beschäftigt.

Mit Schreiben vom 30. September 1998, dem Kläger am selben Tag während seines Urlaubs an den Urlaubsort per Telefax übermittelt, teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

„MODIFIZIERUNG DES GEHALTS

Sehr geehrter Herr D.,

wir nehmen Bezug auf Ihre Gespräche mit Herrn W. von Ende Juni und letzter Woche, in denen Herr W. das Thema einer erfolgsbezogenen Vergütung angesprochen hat. Diese ist für uns für die weitere Zusammenarbeit eine unabdingbare Voraussetzung.

Die derzeit unbefriedigende Umsatzsituation in Deutschland erlaubt die Vergütung auf Basis eines Festgehalts nicht weiter. Grundsätzlich waren wir uns hierüber auch einig, eine derartige Regelung schon deutlich früher einzuführen.

Aufgrund der arbeitsrechtlichen Situation sehen wir uns daher gezwungen, den bestehenden Anstellungsvertrag vom 30. Dezember 1996 mit Frist zum 31. Dezember 1998, ersatzweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, zu kündigen.

Wir werden Ihnen unmittelbar nach dem Urlaub und nach Ausarbeitung des Zielumsatzes und des Budgets für 1999 einen modifizierten Anstellungsvertrag vorlegen. Ziel muß es sein, ausgehend von dem jetzigen Gehalt ein Festgehalt in Höhe von DM 8.000,00 zu vereinbaren mit einer erfolgsbezogenen Komponente von DM 4.300,00 bei Erreichung des noch zu bestimmenden Zielumsatzes. Die Monatsziele sollen am Ende des Folgemonats abgerechnet werden, wobei das Jahr kumulativ fortgeführt werden soll, so daß sich schlechte Monate selbstverständlich mit guten Monaten über das Jahr saldieren.

Die Hintergründe hierzu und die Notwendigkeit wurden ausführlich in Gesprächen zwischen Ihnen und Herrn W. einerseits und Herrn P. andererseits erörtert. Das Arbeitsrecht läßt uns keine andere Wahl, als zu kündigen und gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag insgesamt anzubieten. Hierzu ist es erforderlich, die Planzahlen 1999 kurzfristig zu erarbeiten und zu verabschieden.

Wir sind auch weiterhin an einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert, sehen aber arbeitsrechtlich keine andere als die gewählte Alternative.

Wir bedauern allerdings, daß Sie die Gelegenheit nicht aufgegriffen haben und uns – wie schon im Juni besprochen – einen Vorschlag für eine derartige Anpassung Ihrerseits – wie in dem Gespräch bei Herrn W. zu Hause gefordert – unterbreitet haben. Insofern verstehen Sie bitte, daß wir mit Wirkung vom 01.01.1999 eine Regelung schaffen müssen. …”

Mit Schreiben vom 20. Oktober 1998 antwortete der Kläger, daß er die Änderungskündigung vom 30. September 1998 unter dem Vorbehalt annehme, daß diese nicht sozial ungerechtfertigt sei, und wies darauf hin, daß er das Arbeitsgericht Dortmund gemäß beiliegendem Schriftsatz eingeschaltet habe. Ob dieses Schreiben der Beklagten noch am 20. Oktober oder zu einem späteren Zeitpunkt zuging, ist zwischen den Parteien streitig. Mit seiner am 20. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst beantragt festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Änderungskündigung vom 30. September 1998 sozial ungerechtfertigt ist. Mit Schreiben vom 5. November 1998 widersprach die Beklagte dem Schreiben des Klägers vom 20. Oktober 1998 mit der Begründung, bei der Kündigungserklärung habe es sich nicht um eine Änderungskündigung gehandelt, da sie kein Angebot auf Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages unterbreitet habe. Dem Kläger wurden zugleich Vertragsverhandlungen in Aussicht gestellt, welche in der Folge auch geführt wurden, aber nicht zum Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages führten. Am 27. November 1998 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger, daß das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1998 enden werde. Mit Schreiben vom 30. November 1998 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

„Beendigung des Anstellungsverhältnisses zum 31. Dezember 1998

Sehr geehrter Herr D.,

wir bedauern es sehr, daß wir Ihnen kein neues Vertragsangebot im Nachgang zu unserer Kündigung vom 30. September 1998 mit Wirkung zum 31. Dezember 1998 haben unterbreiten können.

Der guten Ordnung halber möchten wir noch auf folgendes hinweisen:

  1. Bitte teilen Sie uns mit, wie mit der Lebensversicherung zu verfahren ist, die ja im Wege des Gehaltsverzichts von uns bezahlt wird. Wir haben zunächst die Zahlung veranlaßt und im Novembergehalt verrechnet.
  2. Der Vertrag für das Ihnen zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug läuft zum 21. Dezember 1998 aus. Wir bitten Sie, das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt an einer Ihnen genehmen Hertz Niederlassung zurückzugeben. Wir weisen darauf hin, daß ein Anspruch auf die Verfügungstellung des Fahrzeugs, nachdem wir Sie mit dem heutigen Tage freigestellt haben, nicht besteht. Wir stellen Ihnen jedoch das Fahrzeug ohne Anerkennung eines Rechtsgrunds weiterhin bis zum 21. Dezember 1998 zur Verfügung.
  3. Anläßlich des noch kurzfristig mit Herrn W. zu vereinbarenden Gesprächs bitten wir Sie, das Handy zurückzugeben. Telefonkosten die sowohl auf der B.-Telefonnummer, (02.) 2., sowie auf dem Handy nach dem 30. November 1998 entstehen, gehen zu Ihren Lasten, sofern es sich nicht noch um abgesprochene Gespräche handelt, die Sie zwecks Übergabe der Geschäfte, wie gesagt in Abstimmung mit Herrn P. oder Herrn W., führen.
  4. Desweiteren bitten wir Sie, durch Unterschrift auf der Kopie dieses Schreibens zu bestätigen, daß sich keinerlei Geschäftsunterlagen mehr in Ihren Privaträumen befinden. Anderenfalls fordern wir Sie hiermit auf, uns diese sonst anläßlich des Gesprächs mit Herrn W. vollständig zu überreichen.
  5. Ihr Musterkonto haben wir als Anlage beigefügt. Bitte teilen Sie uns, wie Sie die Weitergabe an Kunden vermerkt haben. Können wir dies erst in Gesprächsnotizen bzw. Besuchsberichten entnehmen?

Herr W. wird sich spätestens am Dienstag, 1. Dezember 1998, bezüglich eines Gesprächstermins mit Ihnen in Verbindung setzen. …”

Das Schreiben schließt mit einer vom Kläger unter dem 1. Dezember 1998 unterzeichneten Erklärung, wonach er mit dem Inhalt dieses Schreibens einverstanden sei.

Mit am 10. Dezember 1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 4. Dezember 1998 hat der Kläger hilfsweise die Feststellung beantragt, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 unwirksam ist; zuletzt hat der Kläger diesen Antrag – neben im Laufe des Rechtsstreits erhobenen Zahlungs- und Abrechnungsanträgen – als Hauptantrag verfolgt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigungserklärung vom 30. September 1998 sei schon deshalb unwirksam, weil die Übermittlung per Telefax nicht dem Schriftformerfordernis nach § 2.7 des Anstellungsvertrages entspreche. Das Schreiben vom 30. September 1998 sei als Änderungskündigung zu werten. Die Beklagte habe in diesem Schreiben davon gesprochen, daß das Arbeitsverhältnis geändert werden solle, dazu aber keine konkreten Angaben gemacht. Als Beendigungskündigung sei die Erklärung der Beklagten unwirksam, weil sie nicht die notwendige Rechtsklarheit geschaffen habe. Jedenfalls finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, da die Beklagte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige. Im übrigen genieße er auch deshalb Kündigungsschutz, weil ab dem 1. Januar 1999 die Grenzzahl wieder auf fünf Arbeitnehmer reduziert worden sei. Schließlich habe er sich mit seiner Erklärung auf dem Schreiben vom 30. November 1998 nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 einverstanden erklärt. Diese habe sich ersichtlich nur auf die Einzelheiten der Abwicklung des Beschäftigungsverhältnisses bezogen. Zumindest gelte, wie vertraglich für den Fall der Prokuraerteilung vorgesehen, eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende. Da die Beklagte ihn entgegen § 9.10 des Anstellungsvertrages nicht zum Prokuristen ernannt habe, müsse sie sich so behandeln lassen, als wäre ihm Prokura erteilt worden.

Der Kläger hat zuletzt, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine Kündigung der Beklagten vom 30. September 1998 mit Ablauf des 31. Dezember 1998 beendet worden ist.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, das Schreiben vom 30. September 1998 enthalte keine Änderungskündigung, sondern eine unbedingte Beendigungskündigung. Seine Übermittlung per Telefax entspreche der vertraglichen Schriftformklausel. Eine rechtsverbindliche Zusage auf Vorlage eines modifizierten Anstellungsvertrags habe sie darin nicht unterbreitet. Dieser sei lediglich unverbindlich in Aussicht gestellt worden, damit weder hinreichend bestimmt noch hinreichend bestimmbar iSd. § 145 BGB. Es sei ihr auch nicht verwehrt, sich darauf zu berufen, die Kündigung vom 30. September 1998 habe die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt. Der Kläger müsse sich zudem daran festhalten lassen, daß er sich durch die Unterzeichnung des Schreibens vom 30. November 1998 vorbehaltlos mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 einverstanden erklärt habe. Im übrigen genieße der Kläger keinen allgemeinen Kündigungsschutz, da sie, die Beklagte, nur neun Arbeitnehmer in ihrem Betrieb beschäftige. Für den Fall, daß das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei, habe der Kläger jedenfalls die Frist des § 4 Satz 1 KSchG nicht eingehalten, da er das Schreiben vom 30. September 1998 als Beendigungskündigung erst mit Schriftsatz vom 4. Dezember 1998 angegriffen habe. Schließlich stehe dem Kläger eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal nicht zu, da es nicht zur Erteilung einer Prokura gekommen sei und diese, falls sie erteilt worden wäre, gemäß § 52 Abs. 1 HGB jederzeit hätte widerrufen werden können.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage durch Teilurteil stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer durch Beschluß des Senats zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis sei durch das Telefaxschreiben der Beklagten vom 30. September 1998, das eine dem vertraglich vereinbarten Schriftformerfordernis genügende Änderungskündigung darstelle, nicht beendet worden. Im Zusammenhang mit der Kündigung zum 31. Dezember 1998 habe die Beklagte ein jedenfalls bestimmbares Angebot iSv. § 145 BGB zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen abgegeben, das der Kläger mit seinem Schreiben vom 20. Oktober 1998 rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen habe. Es reiche aus, daß der Kläger die Annahme unter Vorbehalt in der innerhalb der Annahmefrist bei Gericht eingegangenen Klageschrift erklärt habe. Dies gelte auch dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz im Hinblick auf die notwendige Beschäftigtenzahl keine Anwendung finden sollte. Soweit das Schreiben der Beklagten vom 30. September 1998 nicht als Änderungskündigung angesehen werden könne, sei eine von der Beklagten beabsichtigte Beendigungskündigung gleichwohl wegen fehlender Rechtsklarheit unwirksam. Es handele sich in diesem Fall um eine perplexe Willenserklärung. Auch habe sich der Kläger mit Unterzeichnung des Schreibens vom 30. November 1998 keineswegs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklärt.

II. Dem folgt der Senat nicht. Ob die Kündigung vom 30. September 1998 das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.

1. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 30. September 1998 keine Änderungskündigung erklärt, sondern ausschließlich eine Beendigungskündigung. Mit dieser war kein Änderungsangebot iSd. § 145 BGB verbunden, vielmehr hat die Beklagte nur angekündigt, ein solches zu einem späteren Zeitpunkt unterbreiten zu wollen.

a) Nach der Legaldefinition in § 2 Satz 1 KSchG liegt eine Änderungskündigung vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und im Zusammenhang mit der Kündigung dessen Fortsetzung zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Die Änderungskündigung ist daher ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muß als zweites Element ein bestimmtes bzw. bestimmbares, somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen(Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 2 Rn. 8; KR-Rost 5. Aufl. § 2 KSchG Rn. 12 ff.). Der erforderliche Zusammenhang zwischen Kündigung und Änderungsangebot besteht nur dann, wenn das Änderungsangebot spätestens mit dem Zugang der Kündigungserklärung abgegeben wird. Ein nach diesem Zeitpunkt unterbreitetes Änderungsangebot ist nicht zu berücksichtigen(Hueck/v. Hoyningen-Huene aaO Rn. 11; KR-Rost aaO Rn. 20 ff.; HK-KSchG/Weller/Hauck 4. Aufl. § 2 Rn. 21; aA Löwisch KSchG 8. Aufl. § 2 Rn. 11 f.). Ansonsten würden in die Bewertung der Kündigung Umstände einbezogen, die im Zugangszeitpunkt noch gar nicht vorlagen. Dies wäre mit dem Grundsatz, daß die Wirksamkeit einer Kündigung nur nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Kündigungszugangs zu beurteilen ist(zB BAG 27. Februar 1997 – 2 AZR 160/96 – BAGE 85, 194, 200; KR-Etzel 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 259; Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 156; APS/Preis Grundlagen D Rn. 11; jeweils mwN), nicht vereinbar. Eine unbedingte Kündigungserklärung ohne gleichzeitiges oder vorausgegangenes Änderungsangebot, auf das in der Kündigung Bezug genommen wird, ist daher nicht als Änderungskündigung, sondern als Beendigungskündigung zu werten(ErfK/Ascheid § 2 KSchG Rn. 11; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 769; idS auch KR-Rost 5. Aufl. § 2 KSchG Rn. 24).

Ob eine Änderungskündigung oder eine Beendigungskündigung gewollt und erklärt wurde, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Fehlt es an einem hinreichend bestimmten, annahmefähigen Änderungsangebot, ergibt sich jedoch andererseits aus der Erklärung des Arbeitgebers und den Umständen, daß es ihm in erster Linie um die Änderung der Arbeitsbedingungen ging und er keine von einem Änderungsangebot unabhängige Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollte, so ist die von ihm erklärte (Beendigungs-)Kündigung unwirksam (§ 139 BGB).

b) Bei dem Schreiben vom 30. September 1998 handelt es sich um eine nichttypische Willenserklärung, deren Auslegung vorrangig den Tatsachengerichten obliegt. Das Revisionsgericht kann die Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt sind, ob dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und ob das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet worden ist oder ob eine gebotene Auslegung völlig unterlassen worden ist(BAG 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 36, zu II 2 b der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 73 Rn. 16).

c) Dieser eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfung hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht stand, die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 30. September 1998 dem Kläger nicht nur den Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages bzw. entsprechende Vertragsverhandlungen in Aussicht gestellt, sondern neben einer auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1998 gerichteten Kündigungserklärung ein Angebot iSd. § 145 BGB unterbreitet, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

aa) Das Schreiben vom 30. September 1998 enthält zunächst, wovon auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, die Erklärung der Beklagten, den bestehenden Anstellungsvertrag zum 31. Dezember 1998, ersatzweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt aber das zweite für die Annahme einer Änderungskündigung erforderliche Element des Änderungsangebots. Der Kläger konnte die weiteren Erklärungen der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände nicht als bindendes Fortsetzungsangebot iSd. § 145 BGB verstehen.

Dem Landesarbeitsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß die prinzipielle Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortsetzen zu wollen, im Schreiben vom 30. September 1998 zum Ausdruck kommt, zB aus der Überschrift des Schreibens, aus der Formulierung, eine erfolgsabhängige Vergütung sei unabdingbare Voraussetzung für eine weitere Zusammenarbeit oder aus der Schlußformel, in der die Beklagte äußert, weiterhin an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert zu sein. Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, die Beklagte habe bereits ein Angebot iSd. § 145 BGB abgegeben. Auch soweit die Beklagte ausgeführt hat, das Arbeitsrecht lasse ihr keine andere Wahl, als zu kündigen und gleichzeitig einen neuen Arbeitsvertrag insgesamt anzubieten, läßt sich bei objektiver Betrachtung ein entsprechender Erklärungswert nicht feststellen. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt insoweit nicht, daß die Beklagte bei Zugang der Kündigung gerade keinen neuen Arbeitsvertrag vorgelegt, vielmehr erst für einen späteren Zeitpunkt angekündigt hat. Die Beklagte hat nämlich klargestellt, daß es hierzu noch erforderlich sei, die Planzahlen 1999 kurzfristig zu erarbeiten und zu verabschieden.

Unstreitig konnte die Erarbeitung der Planzahlen sinnvoll nur vom Kläger selbst geleistet werden. Ihm war auch bekannt, daß er eine entsprechende Ausarbeitung vorlegen sollte, um die Beklagte in die Lage zu versetzten, ausgehend von diesen Zahlen ein Vertragsangebot zu unterbreiten. Bis zum 30. September 1998 hatte der Kläger jedoch eine solche Ausarbeitung der Planzahlen nicht geliefert und ein weiteres Zuwarten der Beklagten hätte die Möglichkeit einer Änderungskündigung zum Jahresende vereitelt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände, die das Landesarbeitsgericht für die Auslegung der Erklärung der Beklagten nicht hätte außer Acht lassen dürfen, kommt im fünften Absatz des Schreibens der Beklagten vom 30. September 1998 nicht etwa der Wille der Beklagten zur Erklärung einer Änderungskündigung zum Ausdruck, vielmehr macht die Beklagte für den Kläger erkennbar deutlich, daß sie das arbeitsrechtlich an sich gebotene Mittel der Änderungskündigung derzeit nicht einsetzen könne, weil es noch an der Erarbeitung der Planzahlen für 1999 durch den Kläger fehle. Dementsprechend hat die Beklagte angekündigt, dem Kläger einen modifizierten Arbeitsvertrag unmittelbar nach dessen Urlaub und nach Ausarbeitung des Zielumsatzes und des Budgets 1999 vorzulegen. Die Ausarbeitung des Zielumsatzes und des Budgets 1999 sollten die Voraussetzung für ein anschließend erst abzugebendes Angebot darstellen. Soweit das Landesarbeitsgericht aus diesen Erklärungen gleichwohl einen bindenden Vertragswillen der Beklagten geschlossen hat, läßt es außer acht, daß die Beklagte die Vereinbarung eines Festgehalts in Höhe von 8.000,00 DM und einer erfolgsorientierten Vergütung von 4.300,00 DM lediglich als Ziel bezeichnet hat, das von der Erreichung des noch zu bestimmenden Zielumsatzes abhänge. Das Landesarbeitsgericht sieht selbst hierin zu Recht nur einen Orientierungsrahmen. Handelt es sich aber nur um einen Orientierungsrahmen, ist es widersprüchlich, ein Angebot iSd. § 145 BGB anzunehmen. Im Zeitpunkt des Kündigungszugangs, der für die Beurteilung, ob die Beklagte ein bindendes Fortsetzungsangebot abgegeben hat, maßgeblich ist, stand noch nicht fest, ob die von der Beklagten formulierte Vorstellung, wie eine zu treffende Gehaltsvereinbarung aussehen könnte, auch tatsächlich verwirklicht werden konnte.

Da nach den Erklärungen der Beklagten somit spätere Umstände, nämlich der noch auszuarbeitende Zielumsatz und das Budget 1999 für den Inhalt des Angebots von Bedeutung sein sollten, kann ein bereits im Kündigungszeitpunkt vorliegendes bestimmbares Angebot iSd. § 145 BGB entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schließlich auch nicht mit der Begründung angenommen werden, die fehlenden Angaben zur erfolgsbezogenen Vergütung ließen sich durch einen Rückgriff auf die gesetzlichen Dispositivnormen von § 612 Abs. 2 BGB, § 65, §87 b Abs. 1 HGB bzw. unter Anwendung des § 315 BGB ermitteln. Die Erklärungen der Beklagten konnten aus Sicht eines sorgfältigen Empfängers nach allem nur so verstanden werden, daß die Beklagte zwar gezwungen sei, das Arbeitsverhältnis nunmehr zu kündigen, ein verbindliches Angebot aber erst unterbreiten wollte, wenn die Grundlagen für die Höhe und die Berechnung der erfolgsabhängigen Vergütung feststehen, also erst nach Ausarbeitung des Zielumsatzes und des Budgets 1999.

2. Ob die mit dem Schreiben vom 30. September 1998 danach allein erklärte Beendigungskündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat, kann der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, weshalb der Rechtsstreit zurückzuverweisen war (§ 565 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat zwar ausgeführt, es spreche vieles dafür, daß das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, eine entsprechende Prüfung hat es aber – aus seiner Sicht konsequent – unterlassen. Diese ist daher nunmehr nachzuholen.

a) Eine Zurückverweisung ist nicht entbehrlich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).

aa) Die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht damit begründet werden, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag jedenfalls neun Arbeitnehmer beschäftigt. Die mit dem Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 mit Wirkung ab 1. Januar 1999 erfolgten inhaltlichen Änderungen des § 23 Abs. 1 KSchG, mit denen insbesondere der Schwellenwert wieder auf fünf Arbeitnehmer gesenkt wurde, erfassen vor dem 1. Januar 1999 zugegangene Kündigungen nicht. Ob eine Willenserklärung rechtsgestaltend wirkt, kann nur nach der bei ihrem Zugang (§ 130 BGB) geltenden Rechtslage beurteilt werden(vgl. BAG 21. Januar 1999 – 2 AZR 624/98 – AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 3 = EzA KScHG § 1 Soziale Auswahl Nr. 39, zu II 1 der Gründe; 10. Februar 1999 – 2 AZR 716/98 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 38 mwN). Auf die am 30. September 1998 zugegangene Kündigung ist daher § 23 Abs. 1 KSchG in der vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung anzuwenden. Der betriebliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist deshalb nur dann eröffnet, wenn die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, zutreffend ist.

bb) Die Kündigung ist auch nicht formunwirksam (§§ 127, 126, 125 BGB). Das konstitutive Schriftformerfordernis gemäß § 2.7 des Arbeitsvertrages wurde durch die Übermittlung des Schreibens vom 30. September 1998 per Telefax gewahrt. § 127 Satz 2 BGB ist wegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Erleichterung des Rechtsverkehrs weit auszulegen. Es ist deshalb allgemein anerkannt, daß eine schriftliche Erklärung formgerecht auch mittels Fernschreibens oder per Telefax abgegeben werden kann(BAG 20. August 1998 – 2 AZR 603/97 – AP BGB § 127 Nr. 5 = EzA BGB § 127 Nr. 1 zu II 1 c der Gründe; BGH 22. April 1996 – II ZR 65/96 – NJW-RR 1996, 866 [Telefax]; MünchKomm/Einsele BGB 4. Aufl. § 127 Rn. 8; Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 127 Rn. 2).

cc) Die Kündigung ist ferner nicht, wie das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer Hilfserwägung ausgeführt hat, wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Rechtsklarheit unwirksam. Der Kläger konnte das Schreiben vom 30. September 1998 aus der Sicht eines sorgfältigen Empfängers nicht als Änderungskündigung, sondern nur als Beendigungskündigung verstehen (vgl. oben II.1.c).

dd) Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 162 BGB daran gehindert, sich auf die Beendigungswirkung der Kündigung zu berufen, weil sie dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt – nach Ausarbeitung des Zielumsatzes für das Jahr 1999 – kein Änderungsangebot unterbreitet hat. Ob dem Kläger im Schreiben vom 30. September 1998 ein Änderungsangebot in der Weise in Aussicht gestellt wurde, daß die Beklagte nach Ausarbeitung des Zielumsatzes und des Budgets 1999 verpflichtet gewesen wäre, ein solches Angebot tatsächlich abzugeben, bedarf keiner abschließenden Beurteilung. Selbst wenn hiervon auszugehen wäre, bliebe die Wirkung der Kündigung unberührt. Der Kläger hätte allenfalls einen Anspruch darauf, daß die Beklagte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den geänderten Bedingungen anbietet, die sich auf der Grundlage des später ausgearbeiteten Zielumsatzes und des Budgets 1999 ermitteln lassen. Die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung hat der Kläger vorliegend jedoch nicht beantragt.

b) Der Senat kann auch nicht zu Lasten des Klägers in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

aa) Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Erklärung des Klägers vom 1. Dezember 1998, er sei mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 30. November 1998 einverstanden, nicht zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages geführt hat. Das Schreiben enthält kein Angebot der Beklagten, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31. Dezember 1998 zu beenden, sondern von der Beklagten vorgeschlagene Abwicklungsmodalitäten, zB bezüglich der Rückgabe des Firmenfahrzeugs und geschäftlicher Unterlagen. Die Erklärung des Klägers kann daher auch nicht als Klagerücknahmeversprechen verstanden werden. Ein Verzicht auf den Kündigungsschutz muß aus Gründen der Rechtsklarheit in der vertraglichen Erklärung unmißverständlich zum Ausdruck kommen(BAG 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77 – BAGE 32, 6, 11; 20. Juni 1985 – 2 AZR 427/84 – AP BetrVG 1972 Nr. 33 = EzA KSchG § 4 Ausgleichsquittung Nr. 1, zu B I 2 der Gründe; KR-Friedrich 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 306 ff. mwN). Die Erklärung vom 1. Dezember 1998 genügt diesen Anforderungen nicht.

bb) Die Kündigung gilt, die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes insoweit unterstellt, nicht als nach § 7, §4 Satz 1 KSchG von Anfang an wirksam, wie die Revision zu Unrecht geltend macht. Zwar hat der Kläger die Kündigung erst mit seinem am 10. Dezember 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. Dezember 1998 als Beendigungskündigung mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen. Da er aber mit seinem am 20. Oktober 1998 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage rechtzeitig eine Änderungsschutzklage gemäß § 4 Satz 2 KSchG erhoben hat, ist § 6 KSchG analog anzuwenden(BAG 23. März 1983 – 7 AZR 157/81 – BAGE 42, 142; KR-Friedrich 5. Aufl. § 6 KSchG Rn. 29b mwN; HaKo-Gallner § 6 Rn. 22). Unabhängig davon, ob der Kläger die Annahme unter Vorbehalt rechtzeitig oder verspätet erklärt hat, mußte es der Beklagten auf Grund der Änderungsschutzklage bewußt sein, daß der Kläger die Kündigung nicht gegen sich gelten lassen wollte. Schutzwürdige Interessen der Beklagten stehen einer analogen Anwendung des § 6 KSchG in der vorliegenden Konstellation daher nicht entgegen.

 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Fischermeier, Nipperdey, Thelen

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 17.05.2001 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

NWB 2001, 3475

ARST 2002, 20

FA 2002, 30

NZA 2002, 54

SAE 2002, 114

ZAP 2001, 1453

AuA 2002, 234

EzA

NJOZ 2002, 105

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