Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung. Abschluß eines Aufhebungsvertrages

 

Normenkette

BetrVG §§ 112a, 112, 75; BGB §§ 146, 150

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.05.1995; Aktenzeichen 19 Sa 8/95)

ArbG Mannheim (Urteil vom 29.03.1994; Aktenzeichen 4 Ca 255/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. Mai 1995 – 19 Sa 8/95 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung.

Der Kläger war vom 1. September 1968 bis zum 31. März 1993 bei der Beklagten, zuletzt in deren Werk E./O., als Maschinenbetriebsschlosser beschäftigt. Seit dem 1. April 1993 steht er in einem neuen Arbeitsverhältnis mit der Stadt D.

Weil die Beklagte in den Werken E., W. und R. insgesamt 280 Entlassungen und sonstige Betriebsänderungen plante, beschloß die gebildete Einigungsstelle am 1. März 1993 einen Sozialplan. Dieser lautet – soweit vorliegend von Interesse:

㤠1

Geltungsbereich

Die Bestimmungen dieses Sozialplanes gelten

fachlich:

für alle Betriebe der Firma,

persönlich:

für alle weiblichen und männlichen Beschäftigten (im folgenden „Mitarbeiter” genannt), die sich während der Dauer dieses Sozialplanes in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden und

  • denen wegen der Maßnahmen zur Strukturänderung gekündigt wird,
  • die wegen dieser Maßnahmen innerhalb des Unternehmens versetzt werden,
  • die wegen der Maßnahmen zur Strukturänderung gekündigt werden und vor Ablauf der Kündigungsfrist im gegenseitigen Einvernehmen ausscheiden,
  • mit denen wegen der Maßnahme zur Strukturänderung Aufhebungsverträge geschlossen werden

…”

Der Kläger suchte am 11. März 1993 das Betriebsratsmitglied W. auf und teilte diesem seine Bereitschaft mit, gegen Zahlung einer Abfindung mittels eines Aufhebungsvertrages aus dem Arbeitsverhältnis zum 31. März 1993 auszuscheiden. Zuvor hatte die Stadt D. dem Kläger ein Stellenangebot unterbreitet.

Auf Grund dieser Erklärung des Klägers setzte sich das Betriebsratsmitglied W. telefonisch mit dem für das Werk E. zuständigen Geschäftsbereichsleiter „Formteile/PFFE” J. in Verbindung und schilderte diesem den Wunsch des Klägers. Nachdem abgeklärt worden war, daß dem Kläger bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages nach dem Sozialplan vom 1. März 1993 ein Abfindungsbetrag in Höhe von etwa 50.000,00 DM zustünde, erklärte der Geschäftsbereichsleiter J. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger auf der Grundlage des Sozialplanes sei grundsätzlich möglich.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Geschäftsbereichsleiter, der auch Vorgesetzter des für den Kläger zuständigen Werksleiters E. war, bei diesem mit dem Betriebsmitglied W. geführten Telefongespräch darauf hingewiesen hat, daß die Entscheidung über den Abschluß eines Aufhebungsvertrages letztlich von dem damals im Urlaub befindlichen Werksleiter E. getroffen werden müsse.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, er selbst sei nicht davon ausgegangen, daß bereits am 11. März 1993 ein Aufhebungsvertrag mit der Beklagten zustande gekommen sei.

Etwa eine Woche nach diesem Gespräch wurde dem Kläger ein von der Personalabteilung der Beklagten gefertigter Aufhebungsvertrag vorgelegt, der eine Abfindungssumme in Höhe von 50.000,00 DM vorsah. Der Kläger unterzeichnete diese Vertragsurkunde jedoch nicht, weil die Höhe der Abfindung nach dem Sozialplan unstreitig 54.165,00 DM hätte betragen müssen.

Daraufhin fertigte die Personalabteilung der Beklagten eine zweite Vertragsurkunde mit dem Datum 11. März 1993, die einen Abfindungsbetrag in Höhe von 54.165,00 DM vorsah. Dieses Schriftstück war nur vom Personalsachbearbeiter B., nicht jedoch vom Werksleiter E. unterschrieben, obwohl zwei Zeichnungsberechtigte den Vertrag hätten unterzeichnen müssen.

Der zwischenzeitlich aus dem Urlaub zurückgekehrte Werksleiter E. weigerte sich am 25. März 1993, diese Aufhebungsvereinbarung zu unterzeichnen. Dennoch unterschrieb der Kläger am 29. März 1993 dieses Schriftstück.

Am 31. März 1993 übergab dann der Kläger ein auf den 11. März 1993 rückdatiertes Kündigungsschreiben zum 31. März 1993 an die Beklagte.

Der Kläger ist der Ansicht, er könne die Sozialplanabfindung beanspruchen, weil er auf Grund eines Aufhebungsvertrages im Zusammenhang mit den von der Beklagten vorgenommenen Strukturänderungen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Der Geschäftsbereichsleiter J. habe am 11. März 1993 ohne jede Einschränkung seinem Ausscheiden auf der Grundlage des Sozialplanes zugestimmt, so daß es auf die Weigerung des Werksleiters E., die Vertragsurkunde vom 11. März 1993 zu unterzeichnen, nicht ankomme. Im übrigen sei durch die Ausfertigung des ersten Vertragsentwurfes mit einem Abfindungsbetrag von 50.000,00 DM ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, auf Grund dessen er Schadensersatz in Höhe der Abfindungssumme beanspruchen könne. Schließlich müsse auch Berücksichtigung finden, daß sein Arbeitsplatz im Zeitpunkt seiner Kündigung gefährdet gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 54.165,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Auffassung, es sei weder ein mündlicher noch ein schriftlicher Aufhebungsvertrag zustande gekommen. Der Geschäftsbereichsleiter habe am 11. März 1993 den Vertragsschluß von der konkreten Arbeitsplatzsituation und insbesondere den Kosten abhängig gemacht. Die endgültige Entscheidung habe er wegen der größeren Sachnähe dem Werksleiter überlassen wollen. Dieser habe den Abschluß eines Aufhebungsvertrages aber deshalb verweigert, weil der Kläger von den Personalreduzierungsmaßnahmen nicht betroffen worden wäre. Dies habe er dem Kläger auch mitgeteilt. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht geschaffen worden, da der Geschäftsbereichsleiter dem Kläger nichts versprochen habe. Auch sei der Kläger nicht auf ihre Veranlassung ausgeschieden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei kein Aufhebungsvertrag zustande gekommen. Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht darauf stützen, daß er auf Grund einer von der Beklagten veranlaßten Eigenkündigung ausgeschieden sei. Zwar habe er zunächst davon ausgehen können, die Beklagte plane den Abbau von Arbeitsplätzen auch in dem Bereich, in dem er tätig sei. Er habe jedoch das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt gekündigt, als ihm bereits mitgeteilt worden sei, daß ein Aufhebungsvertrag mit ihm nicht geschlossen werde. Alleine der Wille der Beklagten, den Kläger nicht auf der Basis des Sozialplanes ausscheiden zu lassen, führe dazu, die Eigenkündigung des Klägers nicht als von der Beklagten veranlaßt anzusehen.

Schließlich sei die Beklagte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Sorgfalts-/Fürsorgepflichtverletzung zur Zahlung der Abfindung verpflichtet. Dem Kläger sei nämlich kein Schaden entstanden, da er die Kündigung erst ausgesprochen habe, nachdem die Beklagte den Abschluß eines Aufhebungsvertrages ausdrücklich abgelehnt und er vor der Wahl gestanden habe, sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortzusetzen oder ein neues Arbeitsverhältnis mit der Stadt D. einzugehen.

Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.

II. Ein Anspruch des Klägers auf die geforderte Sozialplanabfindung ergibt sich allerdings nicht auf Grund eines zwischen den Parteien wegen der von der Beklagten durchgeführten Strukturänderungen abgeschlossenen Aufhebungsvertrages.

Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß ein solcher Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen ist.

I. In dem zwischen dem Betriebsratsmitglied W. und dem Geschäftsbereichsleiter J. am 11. März 1993 im Auftrage des Klägers geführten Telefongespräch kam es nicht zum Abschluß eines Vertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten.

Insoweit fehlt es bereits an einem schlüssigen Sachvortrag des Klägers für die Annahme eines Vertragsabschlusses. Wie das Landesarbeitsgericht in von der Revision nicht beanstandeter Weise festgestellt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei selbst nicht davon ausgegangen, daß bereits am 11. März 1993 ein Aufhebungsvertrag zustande gekommen sei.

Eine sachgerechte Auslegung dieser Erklärung des Klägers ergibt, daß er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß er am 11. März 1993 keine verbindliche, auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben hat oder aber, daß er selbst zwar eine solche Erklärung abgegeben hat, der Geschäftsbereichsleiter seinerseits aber diese auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages gerichtete Erklärung nicht nach §§ 146 ff. BGB angenommen hat. In beiden Fällen fehlt es an einem schlüssigen Vorbringen des Klägers für den Abschluß eines Aufhebungsvertrages am 11. März 1993. Anhaltspunkte dafür, daß es trotz dieses Vorbringens des Klägers auf Grund der objektiv gegebenen Umstände und Erklärungen des Geschäftsbereichsleiters J. und des im Namen des Klägers verhandelnden Betriebsratsmitgliedes W. dennoch am 11. März 1993 zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages gekommen ist, sind aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich.

Nachdem die Beklagte das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages bestreitet und sich der Kläger als Anspruchsvoraussetzung für seine geltend gemachte Sozialplanabfindung einerseits auf den Abschluß eines solchen Vertrages vom 11. März 1993 beruft, andererseits aber vorträgt, daß er an diesem Tage selbst nicht vom Zustandekommen eines solchen ausgegangen ist, geht dieser widersprüchliche Sachvortrag zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägers.

2. Ein Aufhebungsvertrag wurde zwischen den Parteien auch in der Zeit nach dem 11. März 1993 nicht geschlossen.

Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht dahinstehen lassen, ob die Vorlage des ersten Vertragstextes, der eine Abfindungssumme von 50.000,00 DM zugunsten des Klägers vorsah, ein bindendes Angebot der Beklagten zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit dem Kläger zum 31. März 1993 darstellt. Ein solches Angebot hätte der Kläger nämlich nicht angenommen. Nach § 150 Abs. 2 BGB liegt eine wirksame Angebotsannahme nur dann vor, wenn sie nicht unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgt.

Der Kläger war mit der Abfindungssumme, die in dem von der Personalabteilung der Beklagten erstellten Vertragstext enthalten war (50.000,00 DM), nicht einverstanden. Er verlangte vielmehr eine nach dem Sozialplan errechnete Abfindung in Höhe von 54.165,00 DM. Damit hätte er das etwaige Vertragsangebot der Beklagten nicht vorbehaltlos, sondern unter einer Erweiterung angenommen mit der Folge, daß diese „Annahme” nach § 150 Abs. 2 BGB eine Ablehnung des Angebotes der Beklagten, verbunden mit einem neuen Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 31. März 1993 gegen Zahlung einer Abfindung von 54.165,00 DM darstellen würde.

Dieses neue Angebot des Klägers hat die Beklagte aber nicht angenommen, weil deren insoweit zuständiger, mittlerweile aus dem Urlaub zurückgekehrter Werksleiter E. den Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit dem Kläger am 25. März 1993 endgültig abgelehnt hat.

3. Demnach ist der Kläger nicht auf Grund eines Aufhebungsvertrages im Sinne des § 1 des Sozialplanes vom 1. März 1993 bei der Beklagten ausgeschieden, sondern infolge seiner zum 31. März 1993 ausgesprochenen Eigenkündigung.

Für Arbeitnehmer, die auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, sieht der Sozialplan aber keine Ansprüche vor.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Senats sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplanes grundsätzlich frei in der Entscheidung, welche wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Nach § 75 BetrVG haben sie bei ihrer Regelung die betroffenen Arbeitnehmer jedoch nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln, d.h. sie müssen insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Dieser verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für sie keine sachlichen und billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist.

Die Prüfung einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen hat sich am Zweck der Sozialplanleistungen zu orientieren, mit denen wirtschaftliche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgeglichen oder gemildert, nicht aber erbrachte Leistungen für den Betrieb oder eine Betriebszugehörigkeit nachträglich vergütet werden sollen.

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat der Senat es stets als mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar angesehen, wenn die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung zwischen Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen, die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet haben, unterschieden haben.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings dann, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlaßt worden ist. § 75 i.V.m. § 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG gebietet in einem solchen Falle den Betriebspartnern, gekündigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer, die auf Grund einer Eigenkündigung oder eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden sind, gleich zu behandeln. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt aber nur dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden. Ob das geschehen ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Steile zu suchen, genügt nicht, um eine Veranlassung in diesem Sinne anzunehmen (BAG Urteil vom 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – AP Nr. 96 zu § 112 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

b) Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt, daß die Beklagte dem Kläger die geplante Betriebsänderung in Umrissen dargelegt und ihn darauf hingewiesen hat, daß in dem Bereich, in dem er tätig war, ein möglicherweise auch ihn betreffender Personalabbau zu erwarten sei. Damit ist nach den vom Senat in seiner Entscheidung vom 20. April 1994 (– 10 AZR 323/93 – AP Nr. 77 zu § 112 BetrVG 1972) aufgestellten Grundsätzen die vom Kläger zum 31. März 1993 ausgesprochene Eigenkündigung als von der Beklagten veranlaßt anzusehen, so daß ein Ausschluß des Klägers von Sozialplanansprüchen grundsätzlich unzulässig wäre.

c) Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, alleine der Wille der Beklagten, den Kläger nicht auf der Basis des Sozialplanes ausscheiden zu lassen, reiche aus, um die Annahme auszuschließen, es liege eine vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigung vor.

Für die Beurteilung, ob eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlaßt ist, kann es nur auf den Zeitpunkt des Ausspruches dieser Kündigung ankommen, d.h. es ist entscheidend, ob beim Kündigungsausspruch der Arbeitnehmer auf Grund der Erklärungen des Arbeitgebers davon ausgehen mußte, er werde möglicherweise durch die ihm in Umrissen dargelegte Betriebsänderung und den damit auch in seinem Tätigkeitsbereich zu erwartenden Personalabbau betroffen (vgl. BAG Urteil vom 20. April 1994, a.a.O.).

Ist dies der Fall und hat der Arbeitgeber vor Ausspruch der Eigenkündigung des Arbeitnehmers den Abschluß eines von diesem wegen des geplanten Personalabbaues gewünschten Aufhebungsvertrages abgelehnt, ohne die Ablehnung damit zu begründen, daß die dem Arbeitnehmer dargelegte Betriebsänderung und der mit dieser verbundene Personalabbau ihn nicht betreffen wird, so ist die daraufhin vom Arbeitnehmer ausgesprochene Eigenkündigung vom Arbeitgeber veranlaßt.

d) Das Vorliegen einer von der Beklagten veranlaßten Eigenkündigung wäre demnach nur dann zu verneinen, wenn diese dem Kläger am 31. März 1993, als er sein auf den 11. März 1993 rückdatiertes Kündigungsschreiben zum 31. März 1993 übergab, bereits mitgeteilt gehabt hätte, daß sein Arbeitsplatz nicht von den geplanten Strukturänderungsmaßnahmen betroffen werde.

Dies hat die Beklagte im Rechtsstreit behauptet. Sie hat vorgetragen, ihr Werksleiter E. habe dem Kläger am 25. März 1993 – also vor Übergabe der Eigenkündigung des Klägers an die Beklagte – mitgeteilt, daß er in die Personalreduzierungsmaßnahmen nicht mit einbezogen worden sei, weil er gegebenenfalls im Werk R. weiterbeschäftigt werden könne. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, daß der Werksleiter den Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit dem Kläger abgelehnt habe.

Wenn diese vom Kläger bestrittene Mitteilung erfolgt wäre, so wäre seine Eigenkündigung zum 31. März 1993 nicht von der Beklagten veranlaßt gewesen, da er zum Zeitpunkt seines Kündigungsausspruches keinen Grund mehr zu der Annahme hatte, er werde wegen eines beabsichtigten Personalabbaues seinen Arbeitsplatz verlieren (vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1992 – 10 AZR 405/91 – AP Nr. 64 zu § 112 BetrVG 1972).

Somit ist es für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung, ob der Werksleiter E. dem Kläger vor dessen Eigenkündigung mitgeteilt hat, daß er in die Personalreduzierungsmaßnahmen nicht mit einbezogen werde. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht aber keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, so daß der Senat den Rechtsstreit nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht abschließend entscheiden konnte.

Das Landesarbeitsgericht wird den Sachverhalt daher in dem oben dargelegten Umfange aufzuklären haben.

4. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sein geltend gemachter Anspruch sei deshalb als Schadensersatzanspruch begründet, weil die Beklagte bei ihm unter Verletzung ihrer Fürsorgepflicht das Vertrauen geweckt habe, es werde zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages kommen.

Wäre nämlich die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet, Schadensersatz wegen des Nichtzustandekommens eines Aufhebungsvertrages zu leisten, so hätte sie dem Kläger lediglich den sogenannten Vertrauensschaden zu ersetzen, d.h. der Kläger müßte so gestellt werden, wie er gestanden hätte, wenn er nicht auf das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages vertraut hätte (BGH, NJW-RR 1990, 230). Der Kläger hat aber nicht dargelegt, welche Handlungen er im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages vorgenommen oder unterlassen hat und daß er ohne dieses Vornehmen oder Unterlassen einen Anspruch auf die Sozialplanabfindung erworben hätte, so daß ihm die Sozialplanabfindung als Schadensersatz zugesprochen werden müßte.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Walther, Staedtler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093131

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