Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Beihilfeansprüchen. Rechtsfragen zur Überleitung des Anspruches auf den Sozialhilfeträger. Fragen der Ausschlußfrist des Beihilfeanspruches

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird in Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen auf das Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen Bezug genommen, so gelten für die Verjährung des Beihilfeanspruches die für Beamte geltenden Regelungen.
  • Beihilfeansprüche verjähren nicht innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB.
 

Normenkette

BGB § 196 Abs. 1 Nr. 8, §§ 197-198, 201, 195; BVO NW § 13 Abs. 3; BSHG § 90 Abs. 1, § 28

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 27.11.1991; Aktenzeichen 4 Sa 1034/91)

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 07.08.1991; Aktenzeichen 5 Ca 552/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. November 1991 – 4 Sa 1034/91 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte zu 2) hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte aus gem. § 90 BSHG übergeleitetem Recht noch einen Anspruch auf Beihilfe hat, insbesondere darüber, ob dieser Anspruch rechtzeitig geltend gemacht worden und auch nicht verjährt ist.

Der Kläger ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Die Beklagte zu 2) hat am 1. Januar 1987 die Trägerschaft für das L… krankenhaus N… von der früheren Beklagten zu 1), der Ordensgenossenschaft des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern nach der Regel des heiligen Augustinus, Kloster I… übernommen. Der Kläger hat beide Beklagte für Beihilfeansprüche in rechnerisch unstreitiger Höhe von 99.617,13 DM für die Zeit vom 15. August 1984 bis 31. Dezember 1986 aufgrund ihm für die minderjährige K… B… entstandener Pflegekosten in Anspruch genommen.

Am L…krankenhaus ist Frau M… B… als Angestellte seit dem 13. November 1978 beschäftigt. Frau M… B… ist die Mutter der minderjährigen Sozialhilfeempfängerin K… B…, die seit dem 15. August 1984 auf Dauer in der Rheinischen Landesklinik …, deren Träger ebenfalls der Kläger ist, untergebracht ist und für die der Kläger seither Eingliederungsbeihilfe i. S. der §§ 39 ff. BSHG zahlt. Frau M… B… hat gegenüber ihrem Arbeitgeber, dem L… krankenhaus, nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers einen Beihilfeanspruch nach dem Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen in entsprechender Anwendung gemäß der Anlage 11 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritas-Verbandes (AVR). Dieser Beihilfeanspruch erstreckt sich auch auf ihre minderjährige Tochter K….

Mit Schreiben vom 18. März 1987 an die Beklagte zu 2) leitete der Kläger den Beihilfeanspruch der Frau M… B… in Bezug auf die Pflegekosten ihrer Tochter gem. § 90 BSHG auf sich über und übersandte ihr eine Pflegekostenaufstellung der Rheinischen Landesklinik vom 1. Juli 1986 für den Zeitraum vom 15. August bis 5. November 1984 sowie eine weitere Pflegekostenaufstellung vom 2. Juli 1986 für den Zeitraum 5. November 1984 bis 31. Dezember 1985 mit der Bitte um Gewährung von Beihilfe, wobei er im Anschreiben nur auf den letztgenannten Zeitraum Bezug nahm. Mit Schreiben vom 11. Mai 1987 beanspruchte der Kläger dann weitere Beihilfekosten für das Jahr 1986 unter Beifügung einer entsprechenden Pflegekostenaufstellung. Anfang des Jahres 1988 bat die Beklagte zu 2) um Übersendung eines ärztlichen Gutachtens vom 17. Mai 1985 mit der Begründung, dies werde für die weitere Bearbeitung der Angelegenheit benötigt. Dies geschah am 11. Januar 1988. Mit Schreiben vom 17. Februar 1988 erinnerte der Kläger die Beklagte zu 2) an die Bearbeitung und stellte gleichzeitig einen weiteren Beihilfeantrag für die im Jahre 1987 entstandenen Aufwendungen. Am 10. März 1988 teilte die Beklagte zu 2) mit, die Bearbeitung der Beihilfeangelegenheit verzögere sich noch etwas, weil sie selbst noch ein amtsärztliches Gutachten angefordert habe. Mit Schreiben vom 1. Juli 1988 teilte sie dem Kläger dann schließlich mit, daß eine Beihilfe zunächst abgelehnt werde. Eine Beihilfe könne erst dann gewährt werden, wenn die zuständige Krankenkasse ermessensfehlerfrei eine Leistungspflicht abgelehnt habe. Der Kläger bat daraufhin die zuständige Krankenkasse mit Schreiben vom 12. Juli 1988 um Ausstellung und Übersendung einer entsprechenden Bescheinigung. Unter dem 27. Juli 1988 bestätigte die zuständige Krankenkasse, daß sie die Kosten nicht übernehme, weil die Minderjährige sich seit dem 15. August 1984 nicht mehr in Krankenhausbehandlung befinde. Diese Bescheinigung wurde der Beklagten zu 2) am 3. August 1988 übersandt. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1988 wurde diese erneut an die Erledigung der Angelegenheit erinnert, wobei gleichzeitig ein weiterer Beihilfeantrag für die im ersten Halbjahr 1988 entstandenen Aufwendungen gestellt wurde. Am 18. November 1988 folgte dann eine weitere Erinnerung seitens des Klägers. In einem am 15. Dezember 1988 mit der Beklagten zu 2) geführten Telefonat teilte diese mit, man warte noch auf ein ärztliches Gutachten der Rheinischen Landesklinik, nach dessen Vorlage werde über die Angelegenheit entschieden. Mit Schreiben vom 29. November 1989 teilte die Beklagte zu 2) schließlich mit, daß bereits mit Wirkung zum 1. Januar 1987 ein Wechsel in der Trägerschaft des Krankenhauses stattgefunden habe. Der Kläger wurde gebeten, die Beihilfeansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 1987 gegenüber der früheren Beklagten zu 1) geltend zu machen. Unter dem 24. Januar 1990 bat der Kläger die Beklagte zu 2) um Weiterleitung der Unterlagen an die Ordensgenossenschaft hinsichtlich des Zeitraumes vor dem 1. Januar 1987.

Mit Schreiben vom 5. April 1990 stellte der Kläger für das zweite Halbjahr 1988 sowie für das gesamte Jahr 1989 einen weiteren Beihilfeantrag bei der Beklagten zu 2).

Im Juli 1990 zahlte die Beklagte zu 2) die vom Kläger beantragte Beihilfe für den Zeitraum vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 1989.

Mit Schreiben vom 22. August 1990 wandte sich der Kläger an die Ordensgenossenschaft und machte dieser gegenüber die Beihilfeansprüche für die Zeit vom 15. August 1984 bis zum 31. Dezember 1986 geltend, nachdem die Beklagte zu 2) der Bitte des Klägers um Weiterleitung der bis dahin geführten Korrespondenz nicht nachgekommen war.

Mit Schreiben vom 7. September 1990 lehnte die Ordensgenossenschaft die geltend gemachten Ansprüche ab, weil für die im Zeitraum vom 15. August 1984 bis 18. März 1985 entstandenen Aufwendungen die zweijährige Ausschlußfrist des § 13 Abs. 3 der Beihilfeordnung NW eingreife. Diese Vorschrift stelle vorrangig auf den Entstehungszeitraum der Aufwendungen und nur hilfsweise auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung ab. Da der Antrag auf Beihilfe erst am 18. März 1987 gestellt worden sei, greife somit die zweijährige Ausschlußfrist des § 13 Abs. 3 BVO NW ein. Die Beihilfeansprüche für den Zeitraum 19. März 1985 bis 31. Dezember 1986 seien darüber hinaus gem. § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjährt.

In seiner am 24. Juni 1991 sowohl gegen die Ordensgenossenschaft wie die Beklagte zu 2) erhobenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht nach § 13 Abs. 3 BVO NW verfristet, da die Ausschlußfrist erst ab dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung laufe. Der Antrag auf Beihilfe sei aber innerhalb von zwei Jahren nach Rechnungsstellung vom 1. Juli bzw. 2. Juli 1986, nämlich mit Schreiben vom 18. März 1987 gestellt worden. Eine Verjährung des Beihilfeanspruches komme nicht in Betracht, da § 13 Abs. 3 BVO NW eine Spezialregelung für das Beihilferecht darstelle, so daß ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB nicht möglich sei. Darüber hinaus finde diese Regelung auf Beihilfeansprüche keine Anwendung. Denn hierbei handele es sich nicht um Arbeitsentgelt im weiteren Sinne. Selbst wenn man aber von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausgehe, könne sich die Beklagte zu 2) jedenfalls nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Zum einen enthalte ihr Schreiben vom 1. Juli 1988 ein Anerkenntnis, welches die Verjährung unterbreche. Zum anderen sei die Einrede der Verjährung rechtsmißbräuchlich nach § 242 BGB, da die Beklagte zu 2) die Bearbeitung der Angelegenheit immer wieder hinausgezögert habe und dem Kläger auch erst am 29. November 1989 den Wechsel in der Trägerschaft des Krankenhauses mitgeteilt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen als Gesamtschuldner, an ihn 99. 617, 43 DM nebst 7, 13 % Zinsen seit 27. Juni 1991 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Ordensgenossenschaft hat sich im wesentlichen auf ihre Ausführungen im vorprozessualen Schriftverkehr berufen. Sie hat hierbei die Auffassung vertreten, die Ausschlußfrist des § 13 Abs. 3 BVO NW schließe die Verjährungseinrede nicht aus. Der rechtzeitige Beihilfeantrag innerhalb der Ausschlußfrist bewirke lediglich, daß der Anspruch über die Frist hinaus bestehen bleibt, dann sei er jedoch so zu behandeln wie jeder andere Rechtsanspruch auch. Er unterfalle der Verjährungsregel des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB, da die Beihilfe als Arbeitsentgelt im weiteren Sinne zu verstehen sei und im Zusammenhang mit dem Austauschverhältnis im Rahmen des Dienstverhältnisses stehe.

Die Beklagte zu 2) hat darüber hinaus geltend gemacht, die Erhebung der Verjährungseinrede sei nicht rechtsmißbräuchlich. Weder der alte noch der neue Träger des Krankenhauses habe den Kläger durch eigenes Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten. Eine Unterbrechung der Verjährung durch Anerkenntnis komme gleichfalls nicht in Betracht, da im Schreiben vom 1. Juli 1988 ein Beihilfeanspruch gerade abgelehnt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte zu 2) antragsgemäß verurteilt und die Berufung hinsichtlich der Ordensgenossenschaft zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet. Der Kläger hat den geltend gemachten Beihilfeanspruch innerhalb der Antragsfrist geltend gemacht. Bei Klageerhebung war der Anspruch auch nicht verjährt, da Beihilfeansprüche nicht mit Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjähren.

I. Der Kläger ist aufgrund der Überleitungsanzeige vom 18. März 1987 für den von ihm geltend gemachten Beihilfeanspruch aktiv legitimiert. Die Überleitungsanzeige nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist ein Verwaltungsakt, der mit unmittelbarer Rechtswirkung zum Anspruchsübergang von dem Beihilfeberechtigten auf den Träger der Sozialhilfe führt, es sei denn, der Verwaltungsakt wäre nichtig (BAG Urteil vom 30. Januar 1985 – 7 AZR 464/82 – AP Nr. 1 zu Nr. 5 Beihilfevorschriften, zu I der Gründe; BVerwG Urteil vom 16. Dezember 1976 – VI C 24.71 – DÖD 1977, 55). Nichtigkeitsgründe sind aber weder von der Beklagten geltend gemacht worden, noch sonst erkennbar.

II.1. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien hatte die Arbeitnehmerin M… B… jedenfalls vor Übergang der Trägerschaft des L… krankenhauses auf die Beklagte zu 2) einen Beihilfeanspruch für die Pflegekosten ihrer Tochter nach der Anlage 11 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas. Diese hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

  • In Dienststellen und Einrichtungen, die in einer Diözese ihren Sitz haben, in der eine Beihilfeordnung (Beihilfevorschriften) rechtsverbindlich durch eine entsprechende Veröffentlichung im Amtsblatt erlassen wurde, regelt sich der Anspruch des Mitarbeiters auf Beihilfe nach dieser Ordnung, sofern Ziffer 4 nichts anderes bestimmt.
  • Soweit in einer Diözese keine Beihilfeordnung im Sinne der Ziffer 2 erlassen wurde, regelt sich bis zum Inkrafttreten einer solchen der Anspruch des Mitarbeiters auf Beihilfe nach den Beihilfevorschriften, die jeweils für die Angestellten des Bundeslandes Anwendung finden, in dem die Dienststelle oder Einrichtung ihren Sitz hat, sofern nicht Ziffer 4 anzuwenden ist.

Das L… krankenhaus war in dem streitgegenständlichen Zeitraum August 1984 bis 31. Dezember 1986 eine Einrichtung, die ihren Sitz in der Diözese Köln hatte. Für diese bestand jedoch eine eigene Beihilfeordnung, die im Amtsblatt des Erzbistums Köln vom 25. Januar 1972 Stück 3 S. 27 ff., 63 veröffentlicht war (Anlage 10 zur Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für die (Erz-) Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn). § 1 Abs. 1 dieser Anlage 10 hat den folgenden Wortlaut:

§ 1

  • Hauptamtliche Arbeitnehmer im Sinne der KAVO erhalten Beihilfe in entsprechender Anwendung der Bestimmungen der Beihilfeverordnung für Beamte im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1965 in der Fassung vom 5. Juli 1971 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen, S. 216).

Aus alledem folgt, daß der Kläger einen Anspruch der Arbeitnehmerin B… auf Beihilfe in entsprechender Anwendung der Bestimmungen für Beamte im Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1965 in der Fassung vom 5. Juli 1971 (GVBl NRW S. 216) auf sich übergeleitet hat.

2. Die für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen gültige Beihilfeverordnung hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

§ 1

Beihilfeberechtigte Personen

  • In Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie in Fällen eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs und einer nicht rechtswidrigen Sterilisation werden Beihilfen gewährt an

    • Beamte und Richter mit Ausnahme der Ehrenbeamten,
    • Witwen, Witwer sowie Kinder (§ 23 BeamtVG) der unter Nr. 1 und 2 bezeichneten Personen,

§ 3

Begriff der beihilfefähigen Aufwendungen

  • Die Aufwendungen gelten als entstanden in dem Zeitpunkt, in dem die sie verursachenden Umstände eingetreten sind, z. B. der Zeitpunkt der Behandlung durch den Arzt, des Einkaufs von Arzneien, der Lieferung eines Hilfsmittels.

§ 5

  • Bei dauernder Unterbringung körperlich oder geistig Kranker in Krankenanstalten, Pflegeanstalten oder Heil- und Pflegeanstalten sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung bis zum niedrigsten Satz der für die Unterbringung in Betracht kommenden öffentlichen oder freien gemeinnützigen Anstalten am Orte der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung insoweit beihilfefähig, als sie monatlich folgende Beträge übersteigen:

    a)

    bei Beihilfeberechtigten

    mit einem Familienangehörigen

     200,-- DM,

    bei Beihilfeberechtigten

    mit zwei oder drei Familienangehörigen

     175,-- DM,

    bei Beihilfeberechtigten

    mit mehr als drei Familienangehörigen

     150,-- DM,

    wobei diese Sätze für jede Person gelten, wenn mehr als eine Person dauernd untergebracht ist,

Familienangehörige im Sinne des Satzes 1 sind nur der Ehegatte sowie die Kinder, die nach § 2 zu berücksichtigen oder nur deshalb nicht zu berücksichtigen sind, weil sie selbst beihilfeberechtigt sind.

§ 13

Verfahren

  • Die Beihilfen werden auf Antrag gewährt …
  • Die Anträge sind der zuständigen Festsetzungsstelle vorzulegen …
  • Eine Beihilfe wird nur gewährt, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Entstehen der Aufwendungen (§ 3 Abs. 5 Satz 2), spätestens jedoch zwei Jahre nach der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt wird; …

Hieraus folgt, daß die Arbeitnehmerin B… einen Beihilfeanspruch für ihre Tochter hinsichtlich der durch deren ständige Unterbringung entstandenen Pflegekosten gegen ihren damaligen Arbeitgeber, die Ordensgenossenschaft, hatte soweit diese monatlich 175,-- DM überstiegen. Die Beihilfe wurde auf Antrag gewährt, wenn diese innerhalb von zwei Jahren nach Entstehen der Aufwendungen, spätestens zwei Jahre nach der ersten Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Für die Erfüllung dieses Anspruches haftet die Beklagte gem. § 613a BGB, nachdem sie – wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt – unstreitig das Krankenhaus übernommen hat.

3.a) Für den Beginn der Antragsfrist ist gemäß dem Runderlaß des Finanzministers NRW vom 3. März 1986 -B 3100-1.1-IV B 4 – unter II nach dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 12. Juni 1985 -D III 5-213 100-1/1h – (GMBl. S. 390) zu verfahren. Diese Regelung hat – soweit hier von Interesse – den folgenden Wortlaut:

  • Bei Versäumnis der Antragsfrist ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sofern die Voraussetzungen des § 32 VwVfG vorliegen.
  • Soweit ein Sozialhilfeträger Leistungen erbringt, für die Beihilfen zu gewähren sind, ist für den Beginn der Antragsfrist

    • bei überleitbaren Ansprüchen (§ 90 BSHG) das Datum der Rechnungsausstellung Dritter (z. B. einer Krankenanstalt)
    • bei nicht überleitbaren Ansprüchen, für die der Sozialhilfeträger den Beihilfeberechtigten zulässigerweise in Anspruch nimmt, das Datum der Leistungsaufforderung des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Beihilfeberechtigten maßgebend.

Das bedeutet aber, daß die Antragsfrist für die nach § 90 BSHG übergeleiteten Ansprüche erst mit dem Datum der Rechnungsausstellung Dritter (z. B. einer Krankenanstalt) zu laufen beginnt.

b) Nachdem die Rechnungen für die Zeiträume 15. August 1984 bis 31. Dezember 1985 am 1./2. Juli 1986 von der Rheinischen Landesklinik ausgestellt worden sind, lief die Antragsfrist für diese Aufwendungen am 30. Juni/1. Juli 1988 ab. Ihre Geltendmachung mit Schreiben vom 18. März 1987 war danach rechtzeitig. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für die Aufwendungen in der Zeit vom 15. August bis 5. November 1984. Es trifft zwar zu, daß in dem Text des Schreibens des Klägers vom 18. März 1987 nur auf eine anliegende Pflegekostenaufstellung für die Zeit vom 5. November 1984 bis 31. Dezember 1985 verwiesen wird. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die mit einer zulässigen Prozeßrüge nicht angegriffen worden sind, hat diesem Schreiben aber auch die Pflegekostenaufstellung vom 1. Juli 1986 für die Zeit vom 15. August bis 5. November 1984 beigelegen. Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat die Beklagte zu 2) nicht gestellt. Damit ist der Senat an diese Feststellung gebunden (§ 561 ZPO). Danach hat der Kläger, der mit dem gleichen Schreiben den gesamten Beihilfeanspruch der Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2) auf sich überführt hat, aber auch diesen Teilanspruch wirksam geltend gemacht. Für die Aufwendungen in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1986 ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Datum der Rechnungsausstellung. Der Kläger hat sie jedoch unstreitig mit Schreiben vom 11. Mai 1987 übersandt und damit geltend gemacht. Selbst wenn man davon ausgeht, sie seien im Laufe des Jahres 1986 fortlaufend in Rechnung gestellt worden, liefe jedoch die Antragsfrist frühestens am 31. Dezember 1988 ab, so daß sie am 11. Mai 1987 ebenfalls innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3 BVO NRW geltend gemacht worden sind.

4. Soweit die Beklagte zu 2) sich darauf beruft, die vom Kläger vorgelegten Rechnungen entsprächen nicht den Anforderungen der BVO NRW, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird unter “Rechnung” verstanden “die schriftliche Anforderung des Entgelts für eine Warenlieferung oder sonstige Leistung, Aufstellung der Kosten, Kostenforderung, Summe, die für die Lieferung, Leistung bezahlt werden muß” (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Dies wird bestätigt durch den Hinweis Nr. 3 des Bundesministers des Innern zu dem insoweit inhaltsgleichen § 17 Abs. 10 der Bundes-Beihilfeordnung. Danach liegt ein Beleg bei überleitbaren Ansprüchen vor, wenn die Rechnung

  • den Erbringer der Leistungen (z. B. Heim, Anstalt),
  • den Leistungsempfänger (untergebrachte oder behandelte Person),
  • die Art (z. B. Pflege, Heilbehandlung) und den Zeitraum der erbrachten Leistungen,
  • die Leistungshöhe und
  • das Rechnungsdatum

enthält und vom Erbringer der Leistungen erstellt worden ist.

Entsprechendes gilt für nicht überleitbare Ansprüche mit der Maßgabe, daß der Aussteller der Rechnung der Sozialhilfeträger sein kann.

Diese Angaben sind aber in den vom Kläger am 18. März 1987 vorgelegten Kostenaufstellungen vom 1./2. Juli 1986 enthalten. Hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1986 sind diese Angaben nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in der mit Schreiben vom 11. Mai 1987 übersandten Rechnung enthalten (vgl. zum ganzen auch BAG Urteil vom 24. September 1992 – 6 AZR 307/91 – n.v.).

5. Dem geltend gemachten Beihilfeanspruch steht auch nicht entgegen, daß der Sozialhilfeträger ihn nicht innerhalb von zwei Jahren nach Entstehen der Aufwendungen gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1, § 28 BSHG übergeleitet hat, so daß er selbst als Beihilfeberechtigter den Beihilfeanspruch hätte rechtzeitig geltend machen können bzw. nicht dafür Sorge getragen hat, daß die Arbeitnehmerin B… den Beihilfeanspruch in diesem Zeitraum selbst hätte geltend machen können. Mit der Überleitung des Beihilfeanspruchs gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1, § 28 BSHG soll dem Sozialhilfeträger die Möglichkeit geschaffen werden, in vermehrtem Umfang selbständig an Stelle des Berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Nimmt der Sozialhilfeträger diese Möglichkeit jedoch nicht wahr, so verbleibt es insoweit bei dem Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 BSHG. Dieser Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe gilt auch gegenüber dem Beihilfeanspruch (vgl. BAGE 37, 361 = AP Nr. 4 zu Nr. 1 Beihilfevorschriften), so daß die Beihilferegel des § 13 Abs. 3 BVO NRW anzuwenden ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es zwar, beihilfefähige Aufwendungen möglichst zeitnah zu erfassen, so daß der zur Beihilfezahlung Verpflichtete nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr mit der Inanspruchnahme rechnen muß. Um dies zu erreichen zwingt diese Regelung aber nur den Beihilfeberechtigten selbst, innerhalb der Zwei-Jahresfrist den Beihilfeantrag zu stellen, will er nicht den Beihilfeanspruch verlieren. Darüber hinaus bewirkt diese Vorschrift jedoch nicht, daß der Sozialhilfeträger die Rechnung innerhalb einer vom Entstehen der Aufwendungen i. S. des § 5 Abs. 2 Satz 2 BVO NRW an gerechneten Zwei-Jahresfrist stellt oder dafür Sorge zu tragen hat, daß der Beihilfeberechtigte innerhalb dieses Zeitraums den Beihilfeantrag stellen kann (vgl. BAG Urteil vom 24. September 1992 – 6 AZR 307/91 – n.v.).

III. Der geltend gemachte Beihilfeanspruch war im Zeitpunkt der Klageerhebung auch noch nicht verjährt. Denn entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten unterfallen Beihilfeansprüche nicht der kurzen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB. Für den vorliegenden Rechtsstreit kann dahingestellt bleiben, ob sie der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB oder der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren des § 195 BGB unterfallen. Denn der Kläger hat mit der der Beklagten am 27. Juni 1991 zugestellten Klage die vierjährige Verjährungsfrist eingehalten.

1. Nach § 198 BGB beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Im Sinne dieser Vorschrift ist ein Anspruch entstanden, sobald er klageweise geltend gemacht werden kann (vgl. BGHZ 55, 340, 341; 79, 176, 178 m.w.N.).

Da die Beihilfe nur auf Antrag gewährt wird, entsteht der Anspruch hierauf im Sinne des § 198 BGB aber erst mit dieser Antragstellung, vorher handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Anspruch (BGHZ 47, 387, 391; BGH Urteil vom 22. Januar 1987 – VII ZR 88/85 – NJW 1987, 2743, 2745). Damit begann die Verjährungsfrist gemäß § 201 BGB am 1. Januar 1988, soweit man eine nach §§ 196, 197 BGB verkürzte Verjährungsfrist annimmt.

2. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB verjähren die Ansprüche derjenigen, welche im Privatdienste stehen, wegen des Gehalts, Lohnes oder anderer Dienstbezüge mit Einschluß der Auslagen sowie der Dienstberechtigten wegen der auf solche Ansprüche gewährten Vorschüsse in zwei Jahren. Für die hier aufgezählten Ansprüche gilt § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB nach ständiger Rechtsprechung trotz des Wortes “Privatdienst” auch für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (vgl. BAG Urteil vom 17. Dezember 1964 – 5 AZR 90/64 – AP Nr. 2 zu § 196 BGB, zu 2 der Gründe; BAG Urteil vom 2. Dezember 1955 – 2 AZR 59/54 – AP Nr. 8 zu § 3 TOA, zu 3 der Gründe, jeweils m.w.N.).

Unter die kurze Verjährungsfrist des § 196 BGB fallen jedoch nur solche Ansprüche, die ein Äquivalent für die vom Beihilfeberechtigten erbrachte Leistung darstellen, soweit sie also Entgelt für die geleisteten Dienste sind (BGHZ 79, 89, 92). So fallen z. B. Ansprüche auf einmalige Vergütungen für längere Dienste (vgl. BGH Urteil vom 23. Februar 1965 – VI ZR 281/63 – NJW 1965, 1224), einmalige Kapitalzahlungen anstelle von Ruhegehalt (vgl. BAG Urteile vom 28. März 1968 – 3 AZR 54/67 – = AP Nr. 4 zu § 195 BGB und vom 7. November 1989 – 3 AZR 48/88 – AP Nr. 10 zu § 9 BetrAVG ) und ein Anspruch des Arbeitgebers wegen versehentlicher Lohnüberzahlung (BAG Urteil vom 20. September 1972 – 5 AZR 197/92 – BAGE 24, 434, 436 = AP Nr. 5 zu § 195 BGB, zu 3 der Gründe) nicht unter die kurze Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB. Dasselbe muß für einen Anspruch auf Beihilfe angenommen werden. Die Beihilfe zu Krankheitskosten stellt keine Gegenleistung für die vom Berechtigten erbrachte Dienstleistung dar, sondern wird – wie schon die geschichtliche Entwicklung zeigt – den Beamten aus reinen Fürsorgegesichtspunkten gezahlt. In ihrer Höhe ist sie auch bei bestehenden Arbeitsverhältnissen in das Ermessen des Arbeitgebers “Staat” gestellt. Der Beihilfeanspruch tritt nicht “an die Stelle” des Anspruchs auf Gehalt (vgl. BAG Urteil vom 20. September 1972, aaO). Insbesondere ist die Beihilfe aber auch kein Anspruch auf fortlaufende Entlohnung und fällt schon deshalb nicht unter die Regelung des § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB (RG, Recht 1928 Nr. 2091; RAG Urteil vom 13. Juli 1935 – RAG 45/35 – JW 1935, 3325). Beihilfeansprüche sind vielmehr Ansprüche, die ähnlich wie die Versorgungsansprüche nach dem Regelungsgesetz zu Art. 131 GG weitgehend denen der Beamten nachgebildet sind (vgl. hierzu BAG Urteil vom 21. Oktober 1971 – 2 AZR 416/70 – AP Nr. 48 zu § 52 RegelungsG). Diese verjähren aber nicht entsprechend § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB in zwei Jahren.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Lehmann, Wehner

 

Fundstellen

Haufe-Index 846750

NZA 1993, 986

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