Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung des Geschäftsführers einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Nach § 5 Abs 1 S 3 ArbGG gelten nicht als Arbeitnehmer Personen in Betrieben einer juristischen Person, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrages allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zu Vertretern der juristischen Person berufen sind. Nach § 35 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer vertreten. Nach § 44 GmbHG gilt dies auch für die stellvertretenden Geschäftsführer.

2. Eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs 1 Nr 3 ArbGG scheitert auch daran, daß der Gesetzgeber bei der Änderung des ArbGG im Jahre 1979 den § 5 ArbGG um den Abs 3 erweitert, im übrigen aber unverändert gelassen hat, obwohl ihm aufgrund verschiedener höchstrichterlicher Entscheidungen bekannt gewesen sein mußte, daß Organvertreter in ganz erheblichem Maße persönlich abhängig sein können.

 

Normenkette

GmbHG §§ 35, 44; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 5 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.08.1983; Aktenzeichen 7 Sa 178/82)

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 05.10.1982; Aktenzeichen 7 Ca 84/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 30. März 1982 zum 31. März 1983.

Der zum Zeitpunkt der Kündigung 54 Jahre alte und schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 23. Januar 1967 seit dem 1. April 1967 als Finanz- und Verwaltungschef angestellt und beschäftigt. Sein Aufgabengebiet war in einer Stellenbeschreibung "Hauptabteilungsleiter - Verwaltung" vom 1. September 1960 beschrieben. Am 27. Februar 1968 erhielt er Gesamtprokura. Durch Gesellschafterbeschluß vom 14. Februar 1970 wurde er für den Bereich "Verwaltung" zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 9. Juli 1970. Nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer wurde ein neuer schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen. Auch die Stellenbeschreibung wurde nicht geändert. Nach § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags bei der Beklagten ist für den Fall der Bestellung mehrerer Geschäftsführer Gesamtvertretung durch zwei Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer und einen Prokuristen angeordnet. Die Befugnisse des Klägers waren im Innenverhältnis zumindest teilweise eingeschränkt. Er durfte z. B. ohne Zustimmung des Gesellschafter-Geschäftsführers W keine Fachseminare besuchen, keine Spenden von mehr als 50,-- DM zusagen und keine Arbeitsmittel im Werte von über 200,-- DM anschaffen. Auch mußte er W informieren, wenn sich ein Mitarbeiter einer Bank zu einer Besprechung angesagt hatte und wenn ein Gesellschafter von seinem Konto Auszahlungen wünschte.

Mit Schreiben vom 30. März 1982 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Vertragsverhältnis fristgemäß zum 31. März 1983. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage.

Er hat vorgetragen, seine Bestellung zum Geschäftsführer sei nur eine Formalie gewesen. Im Grunde habe der Gesellschafter-Geschäftsführer W über alles, auch über Kleinigkeiten, entschieden. Er sei kein gleichberechtigter Geschäftsführer gewesen. Im Falle der Einstellung eines Abteilungsleiters im Juli 1982 sei sogar über seinen Kopf hinweg entschieden worden. Er sei daher trotz seiner Bestellung zum Geschäftsführer weiterhin Arbeitnehmer. Aus diesem Grunde seien die Gerichte für Arbeitssachen für den Rechtsstreit sachlich zuständig. In der Sache hat er geltend gemacht, die Kündigung sei nichtig, weil - unstreitig - die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu ihr nicht vorliege.

Er hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien

durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 1982

zum 31. März 1983 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Klage sei nicht zulässig, da der Kläger kein Arbeitnehmer im Sinne von § 5 ArbGG sei. Seine Bestellung sei nicht nur eine Formalie gewesen. Er sei entsprechend seiner Bestellung aufgetreten. Auch wenn er in mancher Hinsicht weisungsgebunden gewesen sei, ändere dies nichts an seiner Stellung. Die Einstellung des Abteilungsleiters ohne Mitwirkung des Klägers sei nach Kündigung des Dienstverhältnisses geschehen. In der Sache sei das Schwerbehindertengesetz nicht anwendbar, da der Kläger kein Arbeitnehmer sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglich gestellten Antrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, stellvertretender Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei Organvertreter. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, der regelt, wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, fingiere, daß Organvertreter einer juristischen Person nicht Arbeitnehmer seien, unabhängig davon, ob sie persönlich abhängig seien oder nicht. Deshalb sei ihnen der Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen versperrt. Eine restriktive Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG scheide aus, weil der Wortlaut eindeutig sei und der Gesetzgeber auch bei der Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes durch die Beschleunigungsnovelle 1979 § 5 ArbGG insoweit nicht verändert habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß zahlreiche Organvertreter im Innenverhältnis erheblichen Einschränkungen ihrer Geschäftsführungsbefugnis unterliegen.

Grundlage der Tätigkeit des Klägers sei zwar ursprünglich ein Arbeitsvertrag gewesen, der auch nicht nach der Bestellung des Klägers zum stellvertretenden Geschäftsführer aufgehoben oder geändert worden sei. Seine Aufgaben als Organvertreter ließen sich aber von seinen vertraglichen Pflichten nicht präzise abgrenzen. Aus diesem Grunde helfe dem Kläger auch nicht, daß die Rechtsprechung für Organvertreter, bei denen eine Arbeitnehmertätigkeit von der Organtätigkeit deutlich abgegrenzt werden kann, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen bejahe, wenn der verfolgte Anspruch seinem Streitgegenstand nach auf dem Arbeitsverhältnis beruhe. Dementsprechend seien vorliegend die Gerichte für Arbeitssachen sachlich unzuständig.

B. Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts ist beizupflichten.

I. Der Kläger hat Klage vor den Gerichten für Arbeitssachen erhoben, weil er der Ansicht ist, vorliegend handele es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG). Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist, daß der Kläger Arbeitnehmer ist. § 5 ArbGG regelt abschließend, wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten nicht als Arbeitnehmer Personen in Betrieben einer juristischen Person, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zu Vertretern der juristischen Person berufen sind.

1. Der Kläger ist stellvertretender Geschäftsführer der Beklagten und als solcher im Handelsregister eingetragen.

Nach § 35 GmbHG wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer vertreten. Nach § 44 GmbHG gilt dies auch für die stellvertretenden Geschäftsführer. Demgemäß gehen das Berufungsgericht und beide Parteien zutreffend davon aus, der Kläger sei Organvertreter einer juristischen Person.

2. Nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG g i l t daher der Kläger nicht als Arbeitnehmer.

a) Die Revision ist indessen der Auffassung, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG müsse restriktiv ausgelegt werden. Geschehe dies, seien die Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Rechtsstreit sachlich zuständig, da der Kläger sich in einem Arbeitsverhältnis befinde. Die Notwendigkeit der einschränkenden Auslegung von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ergebe sich aus Sinn und Zweck des Gesetzes. Mit Hilfe von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG hätten den Gerichten für Arbeitssachen nämlich nur sogenannte "Hausstreitigkeiten" zwischen juristischen Personen und deren Organvertretern über Fragen der Geschäftsführung und ähnliches entzogen werden sollen, weil die Gerichte für Arbeitssachen mit einem Arbeitnehmerbeisitzer besetzt seien. Von dieser Auffassung sei auch das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 27. Oktober 1960 - 5 AZR 578/59 - (AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953) ausgegangen.

b) Entgegen der Ansicht der Revision scheidet eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aus.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bedeutet die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auch Personen aus dem persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes herausgenommen werden sollten, die ohne die Fiktion als Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes fielen. Die Regelung kann auch nicht als offensichtlich ungewollte gesetzgeberische Fehlleistung angesehen und aus diesem Grunde restriktiv ausgelegt werden. Sie findet nämlich ihren guten Sinn darin, daß sie Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit schafft. Die gesetzliche Regelung macht es überflüssig, im Einzelfall zu überprüfen, ob die Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis so weit geht, daß von einer das Rechtsverhältnis bestimmenden persönlichen Abhängigkeit und damit von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend hervorgehoben hat, scheitert eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch daran, daß der Gesetzgeber bei der Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes im Jahre 1979 (sog. Beschleunigungsnovelle) den § 5 ArbGG um den Abs. 3 erweitert, im übrigen aber unverändert gelassen hat, obwohl ihm aufgrund verschiedener höchstrichterlicher Entscheidungen (BGH Urteil vom 9. Februar 1978 - II ZR 189/76 - AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BAG 24, 383 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlußfrist) bekannt gewesen sein mußte, daß Organvertreter in ganz erheblichem Maße persönlich abhängig sein können.

c) Entgegen der Auffassung der Revision sind auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und der gleichlautende § 14 Abs. 1 KSchG nicht über den Wortlaut hinaus einschränkend ausgelegt worden. So ist wiederholt entschieden worden, daß der Geschäftsführer einer GmbH kein Arbeitnehmer ist (vgl. z. B. BGH, aaO = AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG und Landgericht Köln, Urteil vom 1. Oktober 1975 - AP Nr. 2 zu § 37 GmbHG).

Das Bundesarbeitsgericht hat nur für zwei ohne weiteres einsehbaren Fallgestaltungen entschieden, daß sich der Organvertreter d a n e b e n auch noch in einem Arbeitsverhältnis befinden kann. So können zwei Rechtsverhältnisse zu zwei verschiedenen Gesellschaften bestehen. Wenn z. B. der Prokurist einer Kommanditgesellschaft später Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH wird, erlischt durch diese Bestellung zum Geschäftsführer nicht das Arbeitsverhältnis zur KG. Kündigt diese das Anstellungsverhältnis, sind daher die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (BAG 24, 383; BAG Urteil vom 10. Juli 1980 - 3 AZR 68/79 - AP Nr. 1 zu § 5 ArbGG 1979 und BAG 39, 16).

Denkbar ist auch, daß zu einer juristischen Person zwei Rechtsverhältnisse bestehen, von denen eines ein Arbeitsverhältnis ist. Voraussetzung hierfür ist aber eine klar unterscheidbare und trennbare Doppelstellung als Arbeitnehmer und Organvertreter (BAG Urteile vom 27. Oktober 1960 - 5 AZR 578/59 - AP Nr. 14 zu § 5 ArbGG 1953 und vom 24. August 1972 - 2 AZR 437/71 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gemischter Vertrag; ebenso Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 5 Rz 27). Gerade hieran fehlt es aber vorliegend. Nach seiner Bestellung zum stellvertretenden Geschäftsführer haben sich die Aufgaben des Klägers nicht geändert. Er blieb nach wie vor Hauptabteilungsleiter für Finanzen und Verwaltung. Die Bestellung zum Organvertreter erfolgte, wie das Landesarbeitsgericht ungerügt festgestellt hat, nicht zur Kompetenzerweiterung, sondern um seine Stellung stärker nach außen herauszuheben.

Dementsprechend sind nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Rechtsstreit sachlich nicht zuständig.

II. An diesem Ergebnis ändert sich entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb etwas, weil auch für Organvertreter verschiedene Arbeitnehmer-Schutzgesetze gelten. Dies bedeutet nur, daß sich der Organvertreter vor den ordentlichen Gerichten auf die entsprechenden Bestimmungen berufen kann. Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist in den §§ 2 bis 5 ArbGG abschließend geregelt. Danach wäre aber Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für den vorliegenden Fall, daß der Kläger Arbeitnehmer wäre. Der Hinweis der Revision auf § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG geht daher schon deshalb fehl, weil die Vorschrift gerade klarstellt, daß die §§ 1 bis 16 BetrAVG e n t s p r e c h e n d für Personen gelten, die n i c h t Arbeitnehmer sind.

C. Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Dr. Röhsler Triebfürst Dr. Weller

Walter Sickert Mauer

 

Fundstellen

Haufe-Index 438275

NZA 1986, 68-68 (T)

RzK, I 10a Nr 2 (ST1-2)

AP § 5 ArbGG 1979 (T), Nr 2

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