Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag

 

Normenkette

ZPO §§ 139, 360; KSchG §§ 1, 4, 7

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 23.09.1992; Aktenzeichen Sa 26/92 L)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 28.01.1992; Aktenzeichen 19 Ca 68/91)

 

Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 23. September 1992 – Sa 26/92 L – wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte unter Berufung auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig Abs. 4 Ziff. 1 EV) wegen mangelnder persönlicher Eignung ausgesprochen hat.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem Rat des Kreises D. seit dem 1. Januar 1967 als Fachlehrer für die Berufsgruppe Landmaschinenschlosser an der kaufmännisch-hauswirtschaftlichen Berufsschule in D. tätig. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er seit über 20 Jahren Mitglied einer Kampfgruppe, die – nach Art einer paramilitärischen Truppe ausgerüstet – die Funktionsfähigkeit des Kreisbetriebes für Landtechnik in D. zu sichern hatte. Zu diesem Zwecke wurde der Kläger außerhalb seiner Arbeitszeit jährlich an vier Wochenendtagen mit jeweils acht Stunden zu Einsätzen herangezogen. Dabei wurde durch körperliches Training und Schutzausbildung sowie durch Ausbildung an Waffen und in Taktik der Katastrophen- und Ernstfall geübt. Von 1983 bis 1989 war der Kläger Kommandant seiner Kampfgruppe (Hundertschaftskommandant). Zuvor war er von 1976 bis 1982 Leiter der Grundorganisation der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) an seiner Schule, zudem von 1972 bis 1989 Instrukteur für Kultur und Sport.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 24. September 1991 ordentlich zum 31. Dezember 1991.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei in die Kampfgruppe eingetreten, um sein Studium im Jahre 1960 nicht durch die Ableistung von Wehrdienst unterbrechen zu müssen. 1983 sei er gedrängt worden, die Funktion eines Kampfgruppenkommandanten zu übernehmen. Er habe zunächst abgelehnt. Daraufhin sei ihm angedroht worden, er werde nicht mehr als Lehrer tätig sein können; deshalb habe er nachgegeben. In die GST sei er eingetreten, um für die Arbeit Vorteile zu gewinnen, z.B. um Fahrzeuge zum Transport von Sportgeräten leihen zu können. Verschiedene Sportarten und Schießübungen seien als Bestandteil des Lehrplanes der Berufsschulen angeboten worden. Er habe das meist organisiert, teilweise auch durchgeführt. Militärische Nachwuchswerbung habe er nicht betrieben, weitere Tätigkeiten für die GST nicht ausgeführt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24. September 1991 nicht beendet sei, sondern auf unbestimmte Zeit fortbestehe.
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag Ziffer 1 den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Berufsschullehrer weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger sei für eine Tätigkeit als Lehrer persönlich nicht geeignet. Die Beurteilung der mangelnden persönlichen Eignung nach dem Einigungsvertrag durch den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes unterliege nur in beschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle. Als Kommandant einer Kampfgruppe sei in der Regel nur eingesetzt worden, wer sich in besonderem Maße für die Ziele der SED engagiert habe. Die Mitglieder der Kampfgruppe seien zur Treue zum Staat angehalten worden. Innerhalb der Gruppe sei auf ein klares Feindbild Wert gelegt worden, wobei die „kapitalistischen” Länder, vornehmlich die USA und die Bundesrepublik Deutschland, als besondere Klassenfeinde gegolten hätten. Die herausgehobene politische Funktion eines Kampfgruppenkommandeurs könne einem Protokoll der Kampfgruppenkonferenz des Bezirks Leipzig vom 4. April 1958 entnommen werden. Hauptaufgabe der GST sei es gewesen, militärische Nachwuchswerbung zu betreiben. Die Gesellschaft habe die jugendliche Abenteuerlust ausgenutzt, indem sie z.B. Motor-, Flug-, Segel-, Ski- und Kampfsport als Freizeitbetätigung angeboten habe. Im Gegenzug sei von den Jugendlichen die Bereitschaftserklärung für einen längeren Armeedienst verlangt worden. Das Erscheinungsbild des Klägers werde durch seine langjährige Tätigkeit als Instrukteur für Kultur und Sport abgerundet.

Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

A. Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die Kündigung vom 24. September 1991 nicht beendet worden, da eine mangelnde persönliche Eignung für den Lehrerberuf nicht festgestellt werden könne.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, zur persönlichen Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes gehöre es insbesondere, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müsse. An einen Lehrer seien wegen seines erzieherischen Auftrags, seiner Vorbildfunktion und wegen der großen Beeinflußbarkeit von Kindern und Jugendlichen besonders hohe Anforderungen zu stellen. Es werde erwartet, daß er den demokratischen Rechtsstaat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkenne und anerkenne, für den einzutreten sich lohne. Ein Lehrer müsse den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte unserer Verfassung vermitteln. Das gelte insbesondere für Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen sei, daß der Lehrer Partei für ihn ergreife. Diesen Anforderungen werde im allgemeinen derjenige nicht gerecht, der sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert habe.

Mit der Aufgabenstellung des Klägers sei nicht zwangsläufig die Bekämpfung einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ein gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtetes Feindbild verbunden gewesen. Die Ausbildung an Waffen und die körperliche Ausbildung seien überall auf der Welt übliche Mittel, um Großobjekte zu schützen. Der Beklagte hätte gerade für die Kampfgruppe des Klägers den Beweis führen müssen, daß in ihr ein Feindbild gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut und gepflegt worden sei. Hierzu habe er nichts vorgetragen. Das Protokoll vom 4. April 1958 rechtfertige keine Schlußfolgerung auf die Kampfgruppe des Klägers. Eine ideologische Einflußnahme an lediglich vier Tagen im Jahr hätte schon aus zeitlichen Gründen nur begrenzte Wirkung haben können; eine besondere Identifikation des Klägers mit dem SED-Staat sei damit nicht zwangsläufig verbunden.

Auch die Tätigkeit des Klägers in der GST begründe keine Zweifel daran, daß er die Grundwerte der Verfassung glaubwürdig vermitteln könne. Es sei gerichtsbekannt, daß in Gruppen der GST Sport angeboten und betrieben worden sei, ohne daß die Teilnehmer jemals zum Militärdienst gedrängt worden seien. Darüber hinaus habe der Kläger den Grund für den Eintritt in die GST glaubwürdig und substantiiert vorgetragen. Es sei deshalb durchaus glaubwürdig, daß er keine militärische Nachwuchswerbung betrieben habe. Der Beklagte habe keinen Beweis dafür angetreten, daß die Darstellung des Klägers unzutreffend sei.

Aus der vom Beklagten behaupteten Tätigkeit des Klägers als Instrukteur für Kultur und Sport ließen sich keine Schlüsse auf die Ungeeignetheit des Klägers für den Lehrerberuf ziehen. Der Beklagte habe insoweit nur vorgetragen, der Kläger sei für die außerunterrichtliche und politische Arbeit sowie für den Wehrsport verantwortlich gewesen. Aus dieser pauschalen Behauptung lasse sich nichts für die konkrete Tätigkeit des Klägers entnehmen.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Einzelfallprüfung wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen und – 8 AZR 127/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) folgende Grundsätze hierzu entwickelt:

a) Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).

b) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).

c) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Deshalb zwingt die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe); denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

d) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften.

2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergeben sich keine Rechtsfehler im Urteil des Landesarbeitsgerichts, die eine Aufhebung des Urteils rechtfertigen.

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend vom materiell-rechtlichen Regelungsgehalt des Abs. 4 Ziff. 1 EV ausgegangen. Es hat erkannt, daß es auf die Eignung im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung und damit auf die zu diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage ankommt. Die Annahme, den Anforderungen an die zu gewährleistende Verfassungstreue werde im allgemeinen derjenige nicht gerecht, der sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert habe, entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Landesarbeitsgericht hat beachtet, daß diese Identifikation nicht nur durch eine unmittelbare intensive Parteiarbeit, sondern etwa auch durch den Einsatz für andere Massenorganisationen erfolgen kann. Es hat die verschiedenen Funktionen des Klägers in der Vergangenheit daraufhin untersucht.

b) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die vom Kläger ausgeübten Funktionen ließen keine besondere Identifikation mit dem SED-Staat erkennen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landesarbeitsgericht hat zur Stellung des Hundertschaftskommandanten einer Kampfgruppe unangefochten festgestellt, dessen Tätigkeit habe sich auf vier Wochenendtage im Jahr beschränkt und in der Ausbildung für den Katastrophen- und Ernstfall bestanden. Der Beklagte hat nicht substantiiert behauptet, der Kläger habe eine besondere ideologische Schulung oder politische Indoktrinierung durchführen müssen. Inwiefern mit seinem Amt etwa eine Beeinflussung von Menschen und Menschenschicksalen verbunden war, ist nicht ersichtlich. Die Funktion des Klägers als Hundertschaftskommandant hatte auch keine Beziehung zu seinem Lehrerberuf. Daß die Kampfgruppen der Führung der SED unterstellt waren, von dieser gesteuert wurden und der unmittelbaren Durchsetzung der Parteiziele dienten, läßt keinen hinreichend sicheren Schluß auf die Stellung eines Kommandanten und seine notwendige Identifizierung mit dem SED-Staat zu. Dasselbe gilt für den rechtsstaatswidrigen, auf Disziplinierung und Kontrolle der DDR-Bürger gerichteten Zweck der Kampfgruppen, nämlich sicherzustellen, daß sich in den Betrieben keine Streiks, Demonstrationen oder Widerstandsaktionen entwickeln konnten. Der Beklagte hat nichts zu einem Einsatz der Kampfgruppe des Klägers vorgetragen, sondern nur eine „nicht gerade rühmliche Funktion der Kampfgruppen” im Rahmen der Unruhen im Oktober 1989 angedeutet. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, mit der Aufgabenstellung des Klägers sei nicht zwangsläufig die Bekämpfung einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ein gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtetes Feindbild verbunden gewesen, läßt daher keine Rechtsfehler erkennen.

Der Beklagte hat nur allgemein vorgetragen, als Kommandant einer Kampfgruppe sei in der Regel nur eingesetzt worden, wer sich in besonderem Maße für die Ziele der SED engagiert habe. Inwiefern der Kläger sich in seiner Funktion als Hundertschaftskommandant über die allgemeine Zielsetzung der Kampfgruppen hinaus persönlich für die Ziele der SED einsetzen oder sie ideologisch umsetzen mußte, ist nicht dargelegt worden. Auch die Rüge des Beklagten, das Landesarbeitsgericht hätte von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einholen müssen, zielt allein auf die allgemeine Aufgabenstellung und Funktion der Kampfgruppen; dabei wird nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit der Kläger etwa selbst derartige Inhalte umzusetzen oder zu vermitteln hatte. Darüber sagt auch das Protokoll der Kampfgruppenkonferenz des Bezirks Leipzig vom 4. April 1958 nichts aus. Schließlich ist auch die Rüge des Beklagten, das Landesarbeitsgericht hätte den in die Sitzung gestellten Zeugen S. vernehmen müssen, unzulässig; denn es wird nicht dargelegt, wozu im einzelnen Beweis hätte erhoben werden sollen. Aus der vorsorglichen Ladung des Zeugen durch den Vorsitzenden ohne Erlaß eines Beweisbeschlusses (vgl. § 360 ZPO) konnte der Beklagte keinesfalls entnehmen, daß die Kammer den Vortrag als hinreichend substantiiert und beweiserheblich ansehen werde. Der Beklagte hat den Vortrag auch im Zusammenhang mit seiner Verfahrensrüge nicht substantiiert.

Ebenso reicht der Vortrag des Beklagten hinsichtlich der Funktionen des Klägers als Leiter der Grundorganisation der GST an seiner Schule (1976–1982) und als Instrukteur für Kultur und Sport (1972–1989) nicht aus, um anzunehmen, die mangelnde persönliche Eignung für den Lehrerberuf sei indiziert. Aus den Hauptaufgaben der GST kann nicht ohne weiteres auf die Tätigkeit eines Leiters der Grundorganisation an einer Schule geschlossen werden. Der Beklagte hat hierzu nichts Konkretes vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr festgestellt, in einzelnen Gruppen der GST sei Sport angeboten und betrieben worden, ohne daß die Teilnehmer jemals zum Militärdienst gedrängt worden seien. Der Beklagte hat das weder mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag noch mit einer Verfahrensrüge angegriffen. In gleicher Weise ist der Vortrag zur Tätigkeit eines Instrukteurs für Kultur und Sport unbestimmt. Die Rüge der Verletzung des § 139 ZPO bleibt schon deswegen erfolglos, weil auch die Revisionsbegründung keinen substantiierten Vortrag enthält. Es bleibt vollkommen unklar, was mit der „bedeutsamen Aufgabe der Durchsetzung der Ziele der SED im Rahmen der Eigenschaft als Instrukteur für Kultur und Sport sowie als Leiter der Grundorganisation der Gesellschaft für Sport und Technik” gemeint ist. Dasselbe gilt für die „Überwachung der außerunterrichtlichen politischen Arbeit und des Wehrsports” sowie für die weiteren Aufgaben, „laufend die Verachtung der Militärpolitik (…) des Imperialismus zu vermitteln und zum Haß gegen die Kriegstreiber der NATO (…) aufzurufen”.

c) Ergibt sich demnach allein aus den Funktionen des Klägers keine besondere Identifizierung mit dem SED-Staat, so hätte der Beklagte weitere konkrete Tatsachen, etwa zum Verhalten des Klägers bei der Funktionsausübung, vortragen müssen. Das ist nicht geschehen. Der Kündigungsgrund der mangelnden persönlichen Eignung liegt daher nicht vor.

3. Der Beklagte hat keine weiteren Kündigungsgründe geltend gemacht, die eine soziale Rechtfertigung der Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ergeben könnten. Die Kündigung ist daher nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Auf die vom Kläger beanstandete Beteiligung der Personalvertretung kommt es ebensowenig an wie auf die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist.

B. Der Kläger hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, daß sein Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses war daher nicht mehr zu prüfen.

C. Über die Berechtigung des Anspruchs des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits war nicht zu befinden. Der Antrag war ersichtlich nur für den Fall gestellt, daß in der Sache nicht abschließend entschieden wird. Da mit der Verkündung des Urteils rechtskräftig feststeht, daß die Kündigung unwirksam ist, kommt eine vorläufige Weiterbeschäftigung nicht mehr in Betracht.

D. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Schmidt, Dr. Pühler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065125

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