Entscheidungsstichwort (Thema)

Prämienberechnung bei Tariflohnerhöhungen

 

Leitsatz (amtlich)

  • § 7 Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/ Arbeitnehmerinnen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 27. Mai 1991 (MTV) räumt den Betriebspartnern bei der Prämienentlohnung einen größeren Gestaltungsspielraum ein als bei der Akkordentlohnung. Diese Regelung schreibt keine bestimmten Prämienarten, Bezugsgrößen und Prämienfaktoren vor. Die Prämienberechnung braucht auch nicht an den tariflichen Stundenlohn des einzelnen Arbeitnehmers anzuknüpfen. Allerdings darf die Mindestentlohnung nach § 7 Abschn. III Nr. 4 Abs. 2 MTV (110 % des tariflichen Stundenlohnes bei normalen Betriebsverhältnissen und entsprechenden Arbeitsergebnissen) nicht unterschritten werden.
  • § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV will verhindern, daß jüngere Arbeitnehmer trotz gleicher Arbeitsleistung und gleicher Tätigkeit eine geringere Entlohnung erhalten als ältere Arbeitnehmer. Diese Gleichbehandlungsvorschrift schließt eine unterschiedliche Prämienentlohnung nach Altersklassen aus.
 

Normenkette

TVG § 1 Auslegung, § 1 Tarifverträge: Papierindustrie; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 27. Mai 1991 § 7 Abschn. II Nr. 7; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 27. Mai 1991 § 7 Abschn. III Nrn. 4, 6; ZPO § 100

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 19.01.1994; Aktenzeichen 5 Sa 703/93)

ArbG München (Urteil vom 20.04.1993; Aktenzeichen 18b Ca 1661/92 I)

 

Tenor

  • Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 19. Januar 1994 – 5 Sa 703/93 – werden zurückgewiesen.
  • Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie die den Klägern zustehende Prämie nach einer Tariflohnerhöhung zu berechnen ist.

Die Beklagte, die in mehreren Wellpappenwerken Papier verarbeitet, und alle Kläger sind tarifgebunden. Die im Werk N… tätigen Kläger sind nach dem Lohntarifvertrag unterschiedlich eingruppiert, und zwar in die Lohngruppen IV bis VIII. Sie erhalten eine Prämienentlohnung, die in der Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV) über die Durchführung von Prämienentlohnung in den Wellpappenwerken der E… AG auszugsweise wie folgt geregelt ist:

“III. Berechnung des Prämienlohnes

  • Der Prämienlohn setzt sich zusammen aus dem Prämiengrundlohn und der Prämie.
  • Der Prämiengrundlohn setzt sich zusammen aus Tariflohn plus übertarifliche Zulage.
  • Grundlage für die Prämie ist der Prämienbasislohn.
  • Der Prämienbasislohn ergibt sich wie folgt:

    • Rückwirkend ab 01. Februar 1987 beträgt der Prämienbasislohn DM 11,39.
    • Tarifliche Lohnerhöhungen nach dem 01.02.1987 werden in voller Höhe in den Prämienbasislohn eingerechnet und zwar nach Maßgabe der Erhöhung des Durchschnitts der Lohngruppen III bis VI, jeweils höchste Altersstufe bzw. Tätigkeitsjahr. Die Erhöhung des Prämienbasislohnes erfolgt jeweils im Folgemonat nach dem Tarifabschluß.
  • …”

In der Lohnvereinbarung vom 26. Mai 1992 für die bayerische Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie wurden die Tariflöhne mit Wirkung zum 1. Februar 1992 erhöht. Die Beklagte zahlte ab 1. Juni 1992 einen Prämienbasislohn von 14,07 DM, den sie nach Abschnitt III Nr. 4 Abs. 2 RBV errechnete. Die Kläger haben eine Erhöhung ihres Prämienbasislohnes nach dieser Berechnungsregelung für unzureichend erachtet. Sie haben auf § 7 Abschn. III Nr. 6 MTV hingewiesen, der wie folgt lautet:

  • Für gleiche Arbeitsvorgänge bei gleichen Arbeitsbedingungen dürfen in einem Betrieb nicht mehrere in ihrer Höhe verschiedene Prämiengrundleistungen zur Anwendung kommen. Die Prämien sind auf der Basis der höchsten tariflichen Altersklasse der jeweiligen Lohngruppe zu bezahlen.”

Die Kläger sind der Auffassung, § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV verbiete es, bei Tariflohnerhöhungen den neuen Prämienbasislohn nach einem Durchschnittswert zu errechnen, der auf mehrere Lohngruppen abstellt. Vielmehr sei nach § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV stets die Lohngruppe des einzelnen anspruchsberechtigen Arbeitnehmers zugrunde zu legen. Der Verstoß gegen die zwingende tarifliche Berechnungsvorschrift führe nur zur Unwirksamkeit der Regelung des Abschnittes III Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 RBV und ändere an der Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen der Rahmenbetriebsvereinbarung nichts.

Die Kläger haben, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, für Juni 1992 an den Kläger zu 1) 116,52 DM brutto, den Kläger zu 2) 86,62 DM brutto, den Kläger zu 3) 5,10 DM brutto, den Kläger zu 4) 123,54 DM brutto, den Kläger zu 5) 58,71 DM brutto, den Kläger zu 6) 10,87 DM brutto, den Kläger zu 7) 156,67 DM brutto, den Kläger zu 8) 136,70 DM brutto, den Kläger zu 9) 175,56 DM brutto, den Kläger zu 10) 54,85 DM brutto, den Kläger zu 11) 189,96 DM brutto, den Kläger zu 12) 177,53 DM brutto, den Kläger zu 13) 133,45 DM brutto, den Kläger zu 14) 16,26 DM brutto, den Kläger zu 15) 70,68 DM brutto, den Kläger zu 16) 5,15 DM brutto, den Kläger zu 17) 107,48 DM brutto, den Kläger zu 18) 124,84 DM brutto, den Kläger zu 19) 44,41 DM brutto, den Kläger zu 20) 148,09 DM brutto, den Kläger zu 21) 85,69 DM brutto, den Kläger zu 22) 82,04 DM brutto, den Kläger zu 23) 38,29 DM brutto, den Kläger zu 24) 263,56 DM brutto, den Kläger zu 25) 51,28 DM brutto, den Kläger zu 26) 52,23 DM brutto, den Kläger zu 27) 127,20 DM brutto, den Kläger zu 28) 104,71 DM brutto, den Kläger zu 29) 4,03 DM brutto, den Kläger zu 30) 402,63 DM brutto, den Kläger zu 31) 146,21 DM brutto, den Kläger zu 32) 2,53 DM brutto, den Kläger zu 33) 133,90 DM brutto, den Kläger zu 34) 6,06 DM brutto, den Kläger zu 35) 3,64 DM brutto, den Kläger zu 36) 3,38 DM brutto, den Kläger zu 37) 70,48 DM brutto, den Kläger zu 38) 133,58 DM brutto und den Kläger zu 39) 217,96 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, Abschnitt III Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 RBV verstoße gegen keine tariflichen Vorschriften. § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV schreibe keine Anbindung der Prämie an die Lohngruppe des einzelnen Arbeitnehmers vor. Wenn jedoch Abschnitt III Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 RBV unwirksam wäre, würde dies nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB zur Unwirksamkeit sämtlicher Bestimmungen der Rahmenbetriebsvereinbarung führen.

Das Arbeitsgericht hat den noch anhängigen Klageanträgen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht diese Klageanträge abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Kläger sind unbegründet. Den Klägern stehen die noch geltend gemachten Ansprüche auf eine höhere Prämie für Juni 1992 nicht zu. Die Beklagte hat die Prämie zu Recht nach Abschnitt III Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 RBV berechnet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, verstößt diese Regelung nicht gegen § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV. Der MTV schreibt nicht vor, daß die Lohngruppe der einzelnen Arbeitnehmer Berechnungsgrundlage für die Prämienentlohnung sein muß.

I. Entgegen der Ansicht der Kläger hat das Landesarbeitsgericht den Manteltarifvertrag richtig ausgelegt.

1. Tarifnormen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und herrschender Meinung in der Literatur wie Gesetze auszulegen (vgl. u.a. BAG Urteil vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, m.w.N.; BAG Urteil vom 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – AP Nr. 144 zu § 1 TVG Auslegung, zu B II 1a aa der Gründe; BAG Urteil vom 13. April 1994 – 3 AZR 936/93 – AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu A I 1 der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 390; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., Einl. Rz 239 ff.; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 130 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 381). Trotz unterschiedlicher dogmatischer Ausgangspunkte besteht Einigkeit darüber, daß es weder mit dem Normcharakter eines Tarifvertrages noch mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (Art. 20 GG) zu vereinbaren wäre, ausschließlich auf den subjektiven Willen der Tarifvertragsparteien abzustellen. Die Tarifunterworfenen müssen den Inhalt des für sie geltenden Tarifrechts erkennen können. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist aber dann zu beachten, wenn er in den Tarifnormen einen Niederschlag gefunden hat (vgl. u.a. BAG Urteil vom 13. Juni 1991 – 6 AZR 9/89 – AP Nr. 1 zu § 10 MTV Ausbildung, zu II 2a der Gründe; BAG Urteil vom 23. Februar 1994 – 4 AZR 224/93 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen, zu 4b der Gründe, m.w.N.).

Bei der Tarifauslegung ist ebenso wie bei der Gesetzes- und Vertragsauslegung zunächst vom Wortlaut auszugehen. Er darf jedoch nicht überbetont werden. Der maßgebliche Sinn einer Vorschrift ist zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (vgl. u.a. BAG Urteil vom 21. Juli 1993, aaO). Vor allem darf der Wortlaut einer einzelnen Bestimmung nicht losgelöst von den übrigen Vorschriften des Tarifvertrages betrachtet werden. Da die tarifunterworfenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch den tariflichen Gesamtzusammenhang erkennen können, ist er stets mitzuberücksichtigen, und zwar auch bei der Frage, ob die verwendete Formulierung “eindeutig” ist (vgl. u.a. Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 AZR 114/90 – BAGE 66, 177, 179 ff. = AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Presse, in dem das Bundesarbeitsgericht entschied, daß nach dem Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften vom 12. Mai 1987 bei Dienstreisen eine arbeitstägliche Arbeitszeit von 7,7 Stunden zugrunde zu legen ist, obwohl in § 9 Nr. 3 des Tarifvertrages von acht Stunden die Rede war). Die Tarifsystematik liefert wichtige Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und den Regelungszweck (vgl. u.a. BAG Urteil vom 15. Juni 1994 – 4 AZR 330/93 – AP Nr. 179 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu II 1b der Gründe). Falls der Wortlaut, die Systematik und der sich daraus ergebende Regelungszweck des Tarifvertrages keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse zulassen, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, die praktische Tarifübung und die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse berücksichtigen (ständige Rechtsprechung seit BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, vgl. u.a. BAG Urteil vom 13. April 1994, aaO, zu A I 1 der Gründe). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. u.a. BAG Urteil vom 21. Juli 1993, aaO, zu B II 1a aa der Gründe; BAG Urteil vom 17. Januar 1995 – 3 AZR 527/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu II 4 der Gründe, jeweils m.w.N.).

2. Das Landesarbeitsgericht hat diese Auslegungskriterien richtig angewandt.

a) Aus dem Wortlaut des § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV ergibt sich nicht, daß die Lohngruppe, in die der einzelne Arbeitnehmer einzugruppieren ist, einen notwendigen Berechnungsfaktor für die Prämienentlohnung darstellt. Die vom Landesarbeitsgericht vertretene Auslegung ist mit dem Tarifwortlaut zumindest vereinbar.

aa) Der allgemeine Sprachgebrauch und der Satzbau sprechen mehr für als gegen die Auslegung des Landesarbeitsgerichts. Zutreffend weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, daß in § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV die Altersklasse im Vordergrund steht und die “jeweilige Lohngruppe” durch die Verwendung des Genitivs nur als Bezugspunkt der Altersklasse genannt wird.

bb) Der Ausdruck “jeweiligen” bedeutet, daß es auf die im konkreten Fall maßgebliche Lohngruppe ankommt. Damit stellt sich aber die Frage, was unter der maßgeblichen Lohngruppe zu verstehen ist. Zum einen kommt die Lohngruppe in Betracht, in die der Arbeitnehmer – unabhängig von der Prämienentlohnung – einzugruppieren ist. Zum anderen kann gemeint sein, daß es auf die Lohngruppe nur ankommt, wenn ihr die Prämienregelung eine maßgebliche Bedeutung beimißt. Die sprachliche Ausgestaltung des § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV deutet darauf hin, daß diese Tarifvorschrift lediglich eine Unterscheidung nach tariflichen Altersklassen, nicht aber eine einheitliche Prämienentlohnung für mehrere Lohngruppen verbietet.

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht dem tariflichen Gesamtzusammenhang entnommen, daß § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV nur der Gleichbehandlung dient und einen entsprechend eingeschränkten Anwendungsbereich hat.

aa) § 7 Abschn. III MTV schreibt keine bestimmten Prämienarten, Bezugsgrößen und Prämienfaktoren vor. Den Betriebspartnern ist bei der Prämienentlohnung ein größerer Gestaltungsspielraum eingeräumt worden als bei der Akkordentlohnung.

Während § 7 Abschn. II Nr. 7 Satz 1 MTV bestimmt, daß “der Lohn für die Normalleistung zehn Prozent mehr als der Tariflohn der betreffenden Arbeitnehmergruppe beträgt (Akkord-Richtsatz)”, haben die Tarifvertragsparteien keinen Prämien-Richtsatz festgelegt. Nach § 7 Abschn. III Nr. 4 Abs. 2 MTV sind die Prämienregelungen allerdings so zu gestalten, daß die Arbeitnehmer bei normalen Betriebsverhältnissen und entsprechendem Arbeitsergebnis einen Arbeitsverdienst von mindestens 110 % des tariflichen Stundenlohnes erhalten. Damit wird lediglich eine Mindestentlohnung gewährleistet. Von näheren Vorgaben zur Prämienberechnung haben die Tarifvertragsparteien abgesehen. Solange die Mindestentlohnung nicht unterschritten ist, muß sich die Prämienberechnung nicht nach den tariflichen Stundenlöhnen richten.

bb) Beim Akkordlohn ist nach § 7 Abschn. II Nr. 7 MTV der “Tariflohn der höchsten tariflichen Altersklasse der jeweiligen Lohngruppe” Grundlage des Akkord-Richtsatzes. “Tarifliche Altersklasse” und “jeweilige Lohngruppe” werden in der Gleichbehandlungsregelung für Akkordlöhne (§ 7 Abschn. II Nr. 5 MTV) nicht erwähnt. Dagegen ist die Bestimmung, daß “die Prämien auf der Basis der höchsten tariflichen Altersklasse der jeweiligen Lohngruppe zu bezahlen sind”, in § 7 Abschn. III Nr. 6 MTV enthalten. Satz 1 dieser Vorschrift entspricht inhaltlich dem § 7 Abschn. II Nr. 5 MTV. Die Zusammenfassung in einer Nummer spricht dafür, daß der zweite Satz des Abschnittes III Nr. 6 ebenso wie der erste Satz ausschließlich der Gleichbehandlung dient.

cc) § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV befaßt sich mit der Frage, ob nach Altersklassen unterschieden werden darf. Die Vorschrift will verhindern, daß jüngere Arbeitnehmer trotz gleicher Arbeitsleistung und gleicher Tätigkeit geringere Prämien erhalten als ältere Arbeitnehmer. Die Kläger möchten § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV einen weitergehenden Inhalt beimessen und darin eine Berechnungsvorschrift von grundlegender Bedeutung sehen. Dann aber hätte es nahegelegen, zum einen die Gleichbehandlungsvorschrift bei der Prämienentlohnung (Abschnitt III Nr. 6) ebenso wie bei der Akkordentlohnung (Abschnitt II Nr. 5) auf Satz 1 zu beschränken, zum anderen die zusätzliche allgemeine Berechnungsvorschrift klarer zu fassen und in Abschnitt III Nr. 4 aufzunehmen.

c) Demnach hat der Wille der Tarifvertragsparteien, mit § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV bei der Prämienentlohnung lediglich eine Unterscheidung nach Altersklassen auszuschließen, im Tarifvertrag selbst Niederschlag gefunden. Deshalb können auch sonstige Anhaltspunkte berücksichtigt werden, die diesen Willen bestätigen.

aa) Auch die tarifschließende Gewerkschaft ist in ihrer vom Hauptvorstand herausgegebenen Broschüre “Leistungslohn in der Papierverarbeitung Erläuterungen zu § 7 MTV Papierverarbeitung” (Schriftenreihe Betriebsräte Heft 36) davon ausgegangen, daß die Prämienberechnung nicht an die Lohngruppe der einzelnen Arbeitnehmer anknüpfen muß und § 7 Abschn. III Nr. 6 Satz 2 MTV lediglich eine Gleichbehandlungsvorschrift ist. Dies zeigen insbesondere die Ausführungen auf S. 47 und 48 der Broschüre.

bb) Zutreffend hat die Beklagte auf die Folgen aufmerksam gemacht, zu denen die von den Klägern vertretene Auslegung führen würde. Danach wäre stets, und zwar nicht nur bei Tariflohnerhöhungen, sondern schon bei der Einführung der Prämie die Lohngruppe des einzelnen Arbeitnehmers unerläßliche Bezugsgröße. In der Praxis gibt es aber, wie auch die Broschüre der Gewerkschaft und die von der Gewerkschaft ausgearbeitete Musterbetriebsvereinbarung zeigen, häufig Prämienregelungen, die andere Bemessungsgrundlagen vorsehen. Sollten sie nach dem Manteltarifvertrag nicht mehr zulässig sein, so hätten die Tarifvertragsparteien einen derart einschneidenden Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Betriebspartner deutlich zum Ausdruck gebracht.

3. § 7 Abschn. III Nr. 6 MTV ist eine Gleichbehandlungsvorschrift. Sie dient einer Vereinheitlichung der Prämienentlohnung. Die Kläger wollen dagegen statt gleicher Prämien unterschiedliche Prämien. Der dem einzelnen Arbeitnehmer zustehende Tariflohn und damit auch seine Lohngruppe ist lediglich für die in § 7 Abschn. III Nr. 4 Abs. 2 MTV geregelte Untergrenze von Bedeutung. Die Kläger haben jedoch nicht behauptet, daß sie bei ihnen unterschritten ist.

II. Da Abschnitt III Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 der Rahmenbetriebsvereinbarung wirksam ist, kann die Frage, wie sich eine Unwirksamkeit auf die übrigen Regelungen der Betriebsvereinbarung auswirken würde, offenbleiben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 ZPO. Besteht der im Prozeß unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie nach § 100 Abs. 1 ZPO für die Kostenerstattung grundsätzlich nach Kopfteilen. Für eine abweichende Kostenverteilung nach § 100 Abs. 2 ZPO besteht angesichts der großen Zahl an Klägern und der verhältnismäßig geringen Kosten kein Anlaß.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Mikosch, Dr. Offergeld, Köhne

 

Fundstellen

Haufe-Index 870823

NZA 1996, 548

AP, 0

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge