Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgewährung im Übertragungszeitraum. schriftliche Geltendmachung. Ausschlußfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die Formvorschrift in § 6 Nr. 14 BRTV betrifft ausschließlich die in § 6 Nr. 9 BRTV zugelassene Übertragung des Urlaubs auf das gesamte folgende Urlaubsjahr, nicht die Anmeldung von Urlaubswünschen für Urlaubszeiten bis zum 31. März des Folgejahres (Anschluß an das Senatsurteil vom 14. Juni 1994 – 9 AZR 284/93 – BAGE 77, 82, 84, 85 = AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Übertragung).

Hat der Arbeitgeber die Gewährung von Urlaub zu Unrecht verweigert und schuldet er deshalb dem Arbeitnehmer wegen des zum 31. März des Folgejahres erloschenen Urlaubsanspruchs Ersatzurlaub, erfaßt die vom Arbeitnehmer innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist erhobene Klage auf Zahlung von Urlaubsentgelt als Schadenersatz auch den erst nach Ablauf der Ausschlußfrist im Rechsstreit geltend gemachten Anspruch auf Urlaubsgewährung.

 

Normenkette

Bundes-Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau in der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Dezember 1995 (BRTV) §§ 6, 14

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 13.01.1998; Aktenzeichen 6 Sa 1831/97)

ArbG Wuppertal (Urteil vom 16.09.1997; Aktenzeichen 4 Ca 2669/97-8)

 

Tenor

Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger hat die Beklagte auf Gewährung von acht Urlaubstagen aus dem Jahr 1996 in Anspruch genommen.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Landschaftsbaus, seit April 1994 als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der für allgemeinverbindlich erklärte Bundes-Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau vom 20. Dezember 1995 (BRTV) anzuwenden. Dort ist u.a. bestimmt:

§ 6

Urlaub

  • Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
  • Der Urlaubsanspruch beträgt 30 Tage in jedem Kalenderjahr.
  • Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren und zu nehmen, wenn nicht wichtige betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen.

    Zwei Wochen sind in jedem Falle zusammenhängend zu gewähren und zu nehmen. Der Urlaub kann auf das nächste Urlaubsjahr nur übertragen werden, wenn außergewöhnliche betriebliche oder persönliche Gründe dies erfordern und soweit ein nach Absatz 8 dem Arbeitnehmer zustehender geringfügiger Anteilurlaub im Zusammenhang mit dem Urlaub des zweiten Urlaubsjahres gewährt werden soll.

  • Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, sofern er bis dahin nicht schriftlich geltend gemacht worden ist.

Im März 1996 beantragte der Kläger auf dem betriebsüblichen Formular, ihm Urlaub für das laufende Jahr zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Auf einen weiteren schriftlichen Antrag, den gesamten Jahresurlaub 1996 zu gewähren, genehmigte die Beklagte ihm diesen bis auf acht Tage. Im November 1996 und im Februar 1997 verlangte der Kläger mündlich die restlichen Urlaubstage. Die Beklagte lehnte aus betrieblichen Gründen ab und verwies den Kläger im Februar 1997 auf die Zeit bis zum 31. März 1997. Am 10. März 1997 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall. Bis zum 9. April 1997 war er deshalb arbeitsunfähig krank. Anschließend lehnte die Beklagte die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ab, da der Urlaub nach § 6 Abs. 14 BRTV wegen fehlender schriftlicher Geltendmachung verfallen sei. Nachdem der Kläger vergeblich mit Schreiben vom 18. April 1997 begehrt hatte, ihm Resturlaub zu gewähren oder 1.268,40 DM zu bezahlen, hat er mit seiner am 17. Juni 1997 erhobenen Klage zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm acht Urlaubstage zu gewähren, hilfsweise an ihn als Schadenersatz 1.268,40 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Beklagte hat dem Kläger daraufhin vom 22. Januar bis 2. Februar 1998 Urlaub gewährt. Streitig ist, ob sie – wie sie behauptet – erklärt hat, die Urlaubsgewährung stehe unter der Voraussetzung, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig werde. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

  • Die Erledigung des Rechtsstreits ist, auch wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht zustimmt, in der Revisionsinstanz jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn das erledigende Ereignis außer Streit steht (BGH Urteil vom 28. Juni 1993 – II ZR 119/92 – NJW-RR 1993, 1123). Erledigt ist die Hauptsache, wenn der zulässige und begründete Klageantrag durch ein Ereignis nach Eintritt der Rechtshängigkeit gegenstandslos wird.

    Die Beklagte hat nach Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Urlaub durch Freistellung erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Ihr Vorbehalt war nicht geeignet, die Erfüllungswirkung der Urlaubsgewährung zu verhindern. Die Freistellung von der Arbeitspflicht ist keine Tatsache, die rückgängig gemacht werden könnte (BAG Urteil vom 1. Oktober 1991 – 9 AZR 290/90 – BAGE 68, 308 = AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG).

  • Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, weil die Klage bis zur Gewährung des Urlaubs durch die Beklagte zulässig und begründet war.

    • Der Anspruch des Klägers bestand allerdings nicht als Erfüllungsanspruch. Dieser Urlaubsanspruch war mit dem 31. März 1997 erloschen.

      • Entgegen der Auffassung der Revision war der Urlaubsanspruch nicht bereits am 31. Dezember 1996 erloschen. Die Beklagte weist zwar zutreffend daraufhin, daß nach § 6 Nr. 1 BRTV Urlaubsjahr das Kalenderjahr ist. Richtig ist auch, daß der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Tage beträgt (§ 6 Nr. 4 BRTV). Die Tarifvertragsparteien haben diesen Anspruch aber nicht auf das Urlaubsjahr befristet, wie sich aus § 6 Nr. 14 Satz 1 BRTV ergibt. Danach erlischt der Urlaubsanspruch erst drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Während dieser Zeit kann der Arbeitnehmer damit uneingeschränkt Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr abwikkeln; besondere persönliche oder betriebliche Übertragungsgründe brauchen nicht vorzuliegen. Mit dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien von der ihnen in § 13 Abs. 1 BUrlG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, die Übertragung eines Urlaubsanspruchs auf das Folgejahr abweichend von § 7 Abs. 3 BUrlG zu regeln.

        Aus der Übertragungsmöglichkeit in § 6 Nr. 9 BRTV ergibt sich entgegen der Revision nichts anderes. Die Bestimmung betrifft nicht eine Übertragung des Urlaubs bis zum 31. März des Folgejahres, sondern eine Übertragung des Urlaubs auf das gesamte folgende Urlaubsjahr, damit bis zum 31. Dezember. Das ergibt sich unmißverständlich aus dem Wortlaut der Vorschrift.

      • Die schriftlichen Urlaubsanträge des Klägers, die er im Jahr 1996 gestellt hat, haben das Erlöschen des Urlaubsanspruch mit dem 31. März 1997 nicht verhindern können.

        Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 14. Juni 1994 (– 9 AZR 284/93 – BAGE 77, 82 = AP Nr. 21 zu § 7 BUrlG Übertragung) zu der Schriftformklausel in § 6 Nr. 14 BRTV Stellung genommen. Unter I. 1. b der Entscheidungsgründe hat der Senat den Unterschied zwischen der Anmeldung von Urlaubswünschen für das laufende Jahr und der Geltendmachung des übertragenen Urlaubs für die Zeit zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember des Folgejahres hervorgehoben. Die Anmeldung von Urlaubswünschen unterliegt danach keiner Schriftform. Die Schriftformklausel des § 6 Nr. 14 BRTV ist ausschließlich für den Urlaub ab 1. April des Folgejahres maßgeblich.

        Die Auslegung des Senats beruht auf dem systematischen Zusammenhang von § 6 Nr. 9 und § 6 Nr. 14 BRTV. Mit § 6 Nr. 9 BRTV ermöglichen die Tarifvertragsparteien dem Arbeitnehmer im Einzelfall, den Urlaub außerhalb des Urlaubsjahres und außerhalb des sich anschließenden ersten Quartals des Folgejahres zu nehmen. Diese Übertragung des Urlaubs auf das gesamte Folgejahr ist unter den dort genannten engen Voraussetzungen zulässig, wenn “außergewöhnliche betriebliche oder persönliche Gründe dies erfordern”. Nur auf diesen Ausnahmefall bezieht sich die Schriftform nach § 6 Nr. 14 BRTV. Sie ist zwingend einzuhalten, wenn der Urlaub nach dem 31. März genommen werden soll. Eine schriftliche Geltendmachung des Urlaubs für davor liegende Urlaubszeiten ist nicht erforderlich, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs mit dem 31. März zu verhindern.

    • Der Kläger hatte einen Anspruch auf Urlaubsgewährung als Schadenersatz.

      Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 7. November 1985 – 6 AZR 62/84 – BAGE 50,112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung; vom 23. Juni 1988 – 8 AZR 459/86 – AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Übertragung) kann der Arbeitnehmer, wenn er den Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz Urlaub (Ersatzurlaub) in gleicher Höhe verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers unmöglich wird (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB). Der Arbeitgeber gerät in Schuldnerverzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten Urlaub (§ 284 Abs. 1 BGB) grundlos nicht gewährt. Er hat für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs aufgrund der gesetzlichen oder tariflichen Befristung des Urlaubsanspruchs auch dann einzustehen, wenn der Arbeitnehmer in der verbliebenen Zeit infolge Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht nehmen konnte.

      Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegen diese Voraussetzungen vor. Der Kläger hat die Beklagte u.a. am 10. Februar 1997 aufgefordert, ihm den Urlaub zu gewähren. Dieses Urlaubsverlangen hat die Beklagte grundlos zurückgewiesen. Sie war dadurch in Leistungsverzug geraten und schuldete dem Kläger deshalb Ersatz in Höhe seines mit dem 31. März 1997 erloschenen Urlaubsanspruchs. Dieser Anspruch richtet sich auf die Gewährung von Urlaubstagen in Höhe des untergegangenen ursprünglichen Urlaubsanspruchs.

    • Der Schadenersatzanspruch des Klägers ist nicht nach § 14 Nr. 3 und Nr. 4 BRTV verfallen. Danach sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Bei der Ablehnung oder nach einer Wartezeit von zwei Wochen ist binnen weiterer zwei Monate Klage zu erheben. Diese Fristen hat der Kläger mit seiner schriftlichen Geltendmachung am 18. April 1997 und der sich anschließenden Klageerhebung gewahrt. Das gilt ungeachtet des Umstandes, daß der Kläger Klage zunächst allein auf Zahlung des Entgelts für den nicht gewährten Urlaub erhoben hatte. Diese Klage konnte wegen des Verbots, Urlaub im bestehenden Arbeitsverhältnis abzugelten, keinen Erfolg haben.

      Der Senat hat zur Wahrung der Ausschlußfrist durch schriftliche Geltendmachung bereits entschieden, daß eine Mahnung auf Erfüllung des Urlaubsanspruchs auch für den Abgeltungsanspruch genügt. Dem Arbeitgeber wird verdeutlicht, daß sich der Arbeitnehmer nicht erfüllter Ansprüche berühmt und deren Erfüllung verlangen wird. Hierauf kann er sich einstellen. Ohne Bedeutung ist danach, ob die mit Urlaub verbundene Geldleistung als Urlaubsentgelt oder als Urlaubsabgeltung zu erbringen ist (BAG Urteil vom 24. November 1992 – 9 AZR 549/91 – AP Nr. 23 zu § 1 BUrlG). Für den Fall, daß der Arbeitnehmer im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis zunächst Klage auf Abgeltung erhebt und den Klageantrag erst im laufenden Rechtsstreit nach Ablauf der für die Klageerhebung geltenden Ausschlußfrist auf die Gewährung von Urlaub ändert, gilt nichts anderes. Die zur Vermeidung des Erlöschens von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis erforderliche Klageerhebung soll eine zeitnahe Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses durch das Gericht ermöglichen. Sie dient damit der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Dieses Ziel wird bei einem Streit über Urlaubsansprüche unabhängig davon erreicht, ob der Arbeitnehmer klageweise die Gewährung von bezahltem Urlaub oder dessen Abgeltung verlangt.

  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.
 

Unterschriften

Leinemann, Düwell, Reinecke, Hans Unger, Benz

 

Fundstellen

Haufe-Index 871684

BB 1999, 1880

BB 1999, 2086

DB 1999, 2167

ARST 2000, 47

FA 1999, 308

NZA 1999, 1116

SAE 2000, 80

ZTR 1999, 474

AP, 0

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