Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalratsbeteiligung. Verhinderung des Dienststellenleiters

 

Leitsatz (redaktionell)

vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG

 

Normenkette

LPVG Sachsen § 73 Abs. 6, 1, § 7 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 15.08.1995; Aktenzeichen 6 (13) Sa 1249/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 07.09.1994; Aktenzeichen 8 Ca 1685/94)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. August 1995 – 6 (13) Sa 1249/94 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 1. November 1991 als Referatsleiter im Staatlichen Umweltfachamt C. gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 5.700,00 DM beschäftigt. Anläßlich seiner Einstellung unterschrieb er am 5. September 1991 eine Erklärung, in der er u.a. die Frage, ob er jemals „offiziell oder inoffiziell, hauptamtlich oder sonstwie für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR” gearbeitet habe, verneinte. Am 9. Februar 1994 ging beim Beklagten auf entsprechende Antrage hin ein Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ein. Danach war der Kläger während seines Wehrdienstes in den Jahren 1973/1974 als Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig, hat eine entsprechende Verpflichtungserklärung unterschrieben und mehrere Berichte geliefert. Mit Schreiben vom 16. Februar 1994, unterzeichnet von dem zuständigen Leiter des Personalreferats G., unterrichtete der Beklagte den beim Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung gebildeten Hauptpersonalrat über seine Absicht, dem Kläger gemäß § 54 BAT-O außerordentlich zu kündigen. Dem Anhörungsschreiben war der Bericht des Bundesbeauftragten beigefügt. Unter dem 17. Februar 1994 gab der Hauptpersonalrat den Beteiligungsbogen unterzeichnet zurück, ohne jedoch eine der auf dem Formular vorgesehenen Alternativen (Zustimmung bzw. Zustimmungsverweigerung) angekreuzt zu haben. Mit Schreiben vom 18. Februar 1994, dem Kläger am 19. Februar 1994 zugegangen, kündigte der Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist außerordentlich zum 28. Februar 1994.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere schon daran, daß das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren nicht durch den Dienststellenleiter, sondern durch einen Beauftragten eingeleitet worden sei, ohne daß eine Verhinderung des Dienststellenleiters ausreichend dargelegt sei. Außerdem sei die Kündigung vorzeitig erfolgt. Der Vermerk des Hauptpersonalrats vom 17. Februar 1994 habe noch keine abschließende Stellungnahme zu der Kündigungsabsicht dargestellt. Schließlich fehle es auch an einem hinreichenden Kündigungsgrund, Er sei nicht für das MfS tätig geworden. Bei der Verpflichtungserklärung und den Treffberichten handele es sich um Fälschungen. In dem Erklärungsbogen habe er deshalb keine falschen Angaben gemacht.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 18. Februar 1994 beendet worden ist, und

den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Referatsleiter im Staatlichen Umweltfachamt C. weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, der Referatsleiter G. sei zur Vertretung des Dienststellenleiters gegenüber dem Hauptpersonalrat befugt gewesen, da der Dienststellenleiter verhindert gewesen sei. Der Hauptpersonalrat habe der Kündigungsabsicht zugestimmt. Die Rückgabe des unterzeichneten Beteiligungsbogens sei entsprechend der ständigen Praxis zwischen Hauptpersonalrat und Dienststelle als Zustimmungserklärung zu werten. Die Kündigung sei auch gerechtfertigt. Der Kläger habe bei seiner Anhörung vor Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Referatsleiters G. zugegeben, daß die handschriftliche Verpflichtungserklärung von ihm stamme und er die Berichte gegenüber dem MfS abgegeben habe. Damit stehe auch fest, daß der Kläger den Erklärungsbogen vom 5. September 1991 falsch ausgefüllt habe. In der herausgehobenen Stellung eines Referatsleiters, der teilweise sogar als stellvertretender Abteilungsleiter tätig geworden und zeitweilig mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Abteilungsleiters betraut worden sei, sei der Kläger nicht mehr tragbar.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO). Die Kündigung ist nicht bereits wegen fehlerhafter Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahren unwirksam.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine – entgegenstehende – Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei wegen fehlerhafter Beteiligung des bei dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung gebildeten Hauptpersonalrats unwirksam, da ein nicht dazu berufener Bediensteter das Beteiligungsverfahren eingeleitet habe. Nur im Verhinderungsfall könne sich der Dienststellenleiter vertreten lassen. Dem Vorbringen des insoweit darlegungs- und ggf. beweispflichtigen Beklagten sei aber nicht zu entnehmen, daß im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Anhörungsschreibens vom 16. Februar 1994 der Sächsische Staatsminister für Umwelt und Landesentwicklung an der Unterschriftsleistung verhindert gewesen sei. Ein solcher Fehler mache die Kündigung unwirksam, selbst wenn der Personalrat der Kündigung zugestimmt und die von der Dienststelle praktizierte fehlerhafte Art der Einleitung des Verfahrens später ausdrücklich gebilligt habe.

II. Dem folgt der Senat nicht.

1. Die Kündigung ist nicht schon wegen fehlerhafter Einleitung des Anhörungsverfahrens gegenüber dem Hauptpersonalrat unwirksam, § 73 Abs. 6 und 1, § 7 Abs. 1 LPVG Sachsen.

a) Zwar ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß die Einleitung des Beteiligungsverfahrens fehlerhaft sein könnte, wenn der Dienststellenleiter (Minister für Umwelt und Landesentwicklung) bei dessen Einleitung und Durchführung nicht verhindert war. Ein etwaiger Mangel in dieser Hinsicht ist jedoch dann unbeachtlich, wenn der Personalrat daran keinen Anstoß nimmt (vgl. die erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangenen Senatsurteile vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG und – 2 AZR 423/94 –, n.v.; vom 9. Mai 1996 – 2 AZR 128 und 465/95 –, n.v.; BAG Urteile vom 18. Januar 1996 – 8 AZR 868/93 –, n.v. und vom 18. Juli 1996 – 8 AZR 228/94 –, n.v.). Der Schutzzweck der Norm des § 73 Abs. 7 LPVG Sachsen, wonach eine außerordentliche Kündigung unwirksam ist, wenn der Personalrat nicht angehört wurde, erfordert es nicht, auch dann eine Unwirksamkeit der Kündigung anzunehmen, wenn der Personalrat – bei im übrigen ordnungsgemäßer Information – das Vorliegen eines Verhinderungsfalles nicht in Zweifel gezogen hat.

b) Der unstreitig mit dem Ausspruch von Kündigungen und damit mit der Einleitung und Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens vom Minister beauftragte Personalreferatsleiter G. konnte den Minister nach § 7 LPVG Sachsen grundsätzlich nur im Verhinderungsfalle wirksam vertreten. Dies folgt aus § 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 und 4 LPVG Sachsen.

§ 7 Abs. 1 LPVG Sachsen lautet wie folgt:

㤠7 Dienststellenleiter

(1) Für die Dienststelle handelt ihr Leiter

(Dienststellenleiter). Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Bei obersten Dienstbehörden kann er auch den Leiter für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, bei Oberbehörden ohne nachgeordnete Dienststellen und bei Behörden der Mittelstufe (§ 6 Abs. 2) auch den jeweils entsprechenden Abteilungsleiter zu seinem Vertreter gegenüber der Personalvertretung bestimmen, sofern diese Beschäftigten mit den notwendigen Vollmachten ausgestattet sind. Das gleiche gilt für sonstige Beauftragte, sofern sich die Personalvertretung mit dieser Beauftragung einverstanden erklärt.”

Die Vorschrift bestimmt also, daß regelmäßig der Leiter der Dienststelle handelt und nur im Verhinderungsfall durch seinen ständigen Vertreter vertreten wird. Daneben kann der Dienststellenleiter nach Abs. 1 Satz 3 auch den Personalleiter zu seinem Vertreter bestimmen und alsdann wird geregelt (Abs. 1 Satz 4), das gleiche gelte auch für sonstige Beauftragte. Die Sätze 3 und 4 des § 7 LPVG Sachsen erweitern damit nur die Vertretungsmöglichkeiten für den in Satz 2 genannten ständigen Vertreter. Dessen Vertretung setzt ebenfalls eine Verhinderung des Dienststellenleiters voraus (zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 7 BPersVG, vgl. Senatsurteile vom 26. Oktober 1995, a.a.O., zu II 2 c der Gründe, m.w.N.). Würde man annehmen, für die in § 7 Abs. 1 Satz 3 und 4 LPVG Sachsen genannten Vertreter müsse ein Verhinderungsfall des Dienststellenleiters nicht vorliegen, so wäre das Ergebnis widersinnig: Der in der Hierarchie an zweiter Stelle angesiedelte ständige Vertreter dürfte dann nur bei Verhinderung des Dienststellenleiters tätig werden, während die weiter unten angesiedelten sonstigen Beauftragten, z.B. ein Fachreferent, ohne eine solche Verhinderung handeln könnten. Dies würde jedoch im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 LPVG Sachsen stehen, der die Stellung des Personalrats aufwerten und Pflicht und Aufgabe des Dienststellenleiters betonen wollte, die sich aus seiner Stellung ergebenden Aufgaben möglichst selbst wahrzunehmen (vgl. zu § 7 BPersVG Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 –, a.a.O., zu II 2 c der Gründe, m.w.N.).

c) Vorliegend hat jedoch der Hauptpersonalrat der Einleitung und Durchführung des Beteiligungsverfahrens durch Herrn G. nicht widersprochen. Er hat gegen die Kündigung keine Einwände erhoben und das Anhörungsschreiben, wenn auch ohne ausdrücklichen Zustimmungsvermerk, an die Dienststelle zurückgeleitet. Der Hauptpersonalrat hat damit Zweifel am Vorliegen eines Verhinderungsfalles nicht geltend gemacht und gegenüber dem Dienststellenleiter angezeigt. Allein der Personalrat hat es in der Hand, den für den Dienststellenleiter handelnden Vertreter als kompetenten Geschäftspartner zu akzeptieren, auch wenn der Dienststellenleiter nicht verhindert ist. Es liegt im Ermessen des Personalrats, das Vorliegen eines Verhinderungsfalles zu bestreiten oder nicht. Die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1 LPVG Sachsen beinhaltet, daß der Dienststellenleiter im Falle kollidierender Termine und Verpflichtungen nach seinem Ermessen über die Einschaltung der in dieser Vorschrift genannten Vertreter entscheiden kann. Dieses dem Dienststellenleiter zukommende Beurteilungsrecht unterliegt grundsätzlich keiner gerichtlichen Überprüfung, vielmehr kann allein der Personalrat als der mit der Organisation der Dienststelle vertraute Partner des Dienststellenleiters in allen personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten einen solchen vom Dienststellenleiter zu verantwortenden Verfahrensmangel bei Einleitung des Verfahrens rügen. Der Personalrat könnte den etwaigen Mangel der Vertretung des Dienststellenleiters nicht nur sofort erkennen, sondern er ist auch verfahrensrechtlich in der Lage, ihn unverzüglich zu rügen, wenn er ihn beanstanden will. Unterläßt der Personalrat dies, so verliert er sein Rügerecht und kann den Mangel im weiteren Verlauf des Mitbestimmungsverfahrens nicht mehr beanstanden. Dieser Mangel ist dann nicht nur im Verhältnis zwischen der Dienststelle und dem Personalrat, sondern auch im Außenverhältnis unbeachtlich. Dies gilt sowohl in den Fällen der Mitbestimmung als auch in denen der Mitwirkung des Personalrats (Senatsurteile vom 26. Oktober 1995, a.a.O.; BVerwG Urteil vom 23. Februar 1989 – 2 C 8.88 – BVerwGE 81, 288, 290 f.; BVerwG Urteil vom 6. April 1989 – 2 C 26.88 – PersV 1989, 531).

2. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Ob sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig darstellt, weil der Beklagte – wie der Kläger geltend macht – gekündigt hat, bevor eine abschließende Stellungnahme des Hauptpersonalrats vorlag bzw. die Drei-Tages-Frist des § 73 Abs. 6 LPVG Sachsen abgelaufen war, steht nicht fest. Zu der Frage, ob die Stellungnahme des Hauptpersonalrats nach der bisherigen Übung aus der Sicht des Beklagten als abschließende Stellungnahme zu werten war, hat das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht Stellung genommen und auch keine weiteren Feststellungen getroffen. Zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes fehlt es überhaupt an Feststellungen der Tatsacheninstanzen, da sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Kündigung aus personalvertretungsrechtlichen Gründen für unwirksam angesehen haben.

3. Die Aufhebung des Berufungsurteils umfaßt auch die vom Kläger beantragte Verurteilung zur Weiterbeschäftigung. In Abhängigkeit von seiner Entscheidung zum Feststellungsantrag wird das Landesarbeitsgericht auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu entscheiden haben.

 

Unterschriften

Etzel, Fischermeier, Bröhl, Nielebock, Engelmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1086939

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