Entscheidungsstichwort (Thema)

deklaratorisches Schuldanerkenntnis

 

Orientierungssatz

1. Das bestätigende sogenannte deklaratorische (= kausale) Schuldanerkenntnis ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt. Sein Zweck besteht darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen.

2. Tarifliche Tätigkeitszulage der Deutschen Telekom AG.

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. Oktober 1998 - 2 Sa 1767/97

- aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des

Arbeitsgerichts Siegburg vom 11. September 1997 - 6 Ca 759/97

- wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte

verurteilt wird, an den Kläger 17.552,99 DM brutto nebst 4 %

Zinsen seit dem 9. Juni 1998 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der

Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer 9 %-igen tariflichen Tätigkeitszulage aufgrund der Beschäftigung des Klägers auf einem Arbeitsplatz für Beamte für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1997.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 1. September 1971 beschäftigt. Nach Abschluß der Ausbildung wurde er im Jahre 1974 als Fernmeldehandwerker übernommen. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb Bundespost) Anwendung.

Bis zum 31. März 1994 war der Kläger als Sprechstellenentstörer auf einem Personalposten eingesetzt, der mit der Beamtenbewertung A 5 Ft ausgewiesen war. Hierbei handelt es sich um die höchste Besoldungsstufe des einfachen Dienstes. Ab dem 1. April 1994 war der Kläger als Servicetechniker auf einem Personalposten derselben Bewertung beschäftigt. Mit dem Einsatz auf einem anderen Dienstposten seit dem 1. Januar 1998 erhält der Kläger nunmehr die hier streitige Zulage.

Die Vergütung des Klägers richtet sich nach Lohngruppe 8 a zuzüglich einer Lohngruppenzulage von 3 % als Handwerker. Im Jahre 1994 waren dies 4.318,00 DM monatlich.

Laut einem Bewertungskatalog der Deutschen Bundespost waren in der Dienststelle des Klägers 55 % der Dienstposten dem mittleren Dienst zugeordnet und 45 % dem einfachen Dienst. Die ausgeübte Tätigkeit ist auf allen Dienstposten die gleiche. Die Beklagte führte diese Dienstpostenbewertung fort.

Mit Wirkung ab 1. Januar 1993 änderten sich die Laufbahnvorschriften für Beamte des mittleren Dienstes. Die Eingangsbesoldung richtet sich für sie generell nach der Besoldungsgruppe A 7. Diejenigen Beamten, die am 1. Januar 1993 bereits im Dienst waren und sich im Eingangsamt des mittleren Dienstes befanden, erhielten eine höhere Besoldung. Arbeiter, die auf einem Beamtendienstposten nach der Besoldungsgruppe A 7 zum Einsatz kamen, erhielten zum Zwecke der Gleichstellung mit Wirkung ab 1. Januar 1993 eine 9 %-ige Tätigkeitszulage.

Am 28. März 1995 richtete der Kläger zusammen mit einem Kollegen eine Eingabe an den Leiter der Niederlassung Bonn, die dieser mit Schreiben vom 3. April 1995 dahingehend beantwortete, daß der Kläger auf einem Dienstposten der Bewertung A 5, der dem einfachen Dienst zuzurechnen sei, eingesetzt werde. Eine Beschäftigung auf einem Personalposten des mittleren fernmeldetechnischen Dienstes komme wegen des Fehlens der entsprechenden Eignung nicht in Betracht. Diese Schreiben sind Bestandteil der Personalakte.

Am 20. Mai 1996 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Siegburg Klage auf Feststellung, daß ihm die Tätigkeitszulage von 9 % des Tabellenlohns der Lohngruppe 8 a gem. § 7 Nr. 9 der Anlage 2 zum TV Arb der Deutschen Telekom AG (Lohngruppen) seit dem 1. Januar 1994 zustehe (zunächst Aktenzeichen 1 Ca 1344/96, sodann 1 Ca 68/97). Zur Begründung führte der Kläger aus:

"Der Kläger ist bei der Beklagten als Fernmeldehandwerker in der

Ortsvermittlungsstelle S beschäftigt. Er ist eingruppiert in die

Lohngruppe 8a und erhält ein monatliches Bruttoeinkommen von DM

4318,--.

Es findet der Tarifvertrag der Deutschen Telekom AG Anwendung.

Seit 1979 übt der Kläger die ständige Tätigkeit als

Sprechstellenbetreuer auf einem Beamtendienstposten aus. Diese

Tätigkeit ist mit dem Eingangsbesoldungsamt A 7 aufgrund der

Anhebung des technischen Eingangsamtes seit dem 1. Januar 1993

generell nach A 7 bewertet. Eine entsprechende förmliche

Übertragung dies Dienstpostens A 7 der Anlage 2 zum Tarifvertrag

Arbeiter der Deutschen Telekom AG (Verzeichnis der Lohngruppen)

ist jedoch unterblieben.

Nach den Bestimmungen des Tarifvertrages erhalten Arbeiter eine 9

%ige Zulage des Tabellenlohnes der Lohngruppe 7 a bzw. 8, wenn der

jeweilige Arbeiter auf einem Arbeitsposten für Beamte mit der

Bewertung nach Besoldungsgruppe A 7 oder höher beschäftigt wird.

Diese Tätigkeitszulage wird dem Kläger von der Beklagten seit

jeher vorenthalten. Die Beklagte wendet ihre tarifrechtlichen

Vorschriften nicht an. Insoweit ist Klage geboten."

Dieses Verfahren ruhte auf übereinstimmenden Antrag der Parteien, da diese den Ausgang des Rechtsstreits 10 AZR 81/96 vor dem Bundesarbeitsgericht abwarten wollten. Als der Kläger nach Abschluß dieses Rechtsstreits sein Verfahren wieder angerufen und dies der Beklagten mitgeteilt hatte, schrieb die Beklagte an den Kläger am 13. Dezember 1996:

"Nachdem das BAG die dort anhängigen Verfahren in der dem o.a.

Rechtsstreit zugrundeliegenden streitbefangenen Angelegenheit

zugunsten der Kläger entschieden hat, werden wir die Ansprüche

Ihres Mandanten, Herrn S, ab 01.01.1994 befriedigen. Wir erkennen

insofern unsere Nachzahlungsverpflichtung an.

Mit ihrem Einverständnis haben wir heute dem Arbeitsgericht

Siegburg mitgeteilt, daß wir den Rechtsstreit mit unserem

Anerkenntnis als erledigt ansehen und gleichzeitig darum gebeten,

von der Anberaumung eines Gütetermins abzusehen."

Mit Schreiben vom selben Tage an das Arbeitsgericht Siegburg teilte die Beklagte mit:

"... daß wir den geltend gemachten Anspruch des Klägers mit

Schreiben von heute anerkannt haben. Das Schreiben ist als Anlage

beigefügt.

Wir sehen damit den Rechtsstreit als erledigt an."

Daraufhin fragte die Vorsitzende des Arbeitsgerichts beim Kläger an, ob dieser die Klage zurücknehme. Der Kläger beantragte zunächst ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren und nahm, nachdem ihm mitgeteilt worden war, daß dies unzulässig sei, mit Schreiben vom 31. Januar 1997 die Klage zurück "im Vertrauen darauf, daß die Beklagte ihren Verpflichtungen gemäß dem Schriftsatz vom 13. Dezember 1996 in Kürze nachkommt".

Mit Schreiben vom 31. Januar 1997 teilte die Beklagte dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit, daß sie das Anerkenntnis zurücknehme. Es bestehe kein Rechtsgrund für die Zahlung der Zulage, da der Kläger nicht auf einem Beamtendienstposten des mittleren Dienstes, sondern vielmehr auf einem Beamtendienstposten des einfachen Dienstes tätig sei. Mit Schreiben vom selben Tage an das Arbeitsgericht Siegburg teilte die Beklagte mit, daß sie das Anerkenntnis zurückgenommen und die Nachzahlungsbereitschaft widerrufen habe.

Mit der am 27. Februar 1997 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Klage begehrt der Kläger weiterhin die Tätigkeitszulage wie im Vorverfahren, die für den streitgegenständlichen Zeitraum 17.552,99 DM brutto beträgt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, in dem Schreiben vom 13. Dezember 1996 liege kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, sondern die Anzeige einer Erfüllungsbereitschaft ohne weitergehenden rechtsgeschäftlichen Willen, die nur die Beweislast umkehren könne. Die Beklagte habe das "Anerkenntnis" jedenfalls wirksam wegen Irrtums angefochten, da sie davon ausgegangen sei, daß der Kläger auf einem Dienstposten des mittleren Dienstes eingesetzt worden sei. Dies habe der Kläger in seiner Klage (1 Ca 68/97) so vorgetragen. Da der Kläger aber unstreitig auf einem Posten des einfachen Dienstes tätig gewesen sei, stehe ihm der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Beklagte sei mit dieser Einwendung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn es sich beim Schreiben vom 13. Dezember 1996 um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gehandelt haben sollte, da sie mit dieser Sachlage nicht gerechnet habe, sondern aufgrund der Angaben des Klägers in der Klageschrift von einer Vergleichbarkeit mit dem Kläger in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Verfahren 10 AZR 81/96 ausgegangen sei. Vorsorglich wende sie die Verjährung ein.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, da es im Schreiben der Beklagten vom 13. Dezember 1996 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen hat. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die mittlerweile vom Feststellungsantrag auf einen Zahlungsantrag umgestellte Klage abgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erst-instanzlichen Urteils nach Maßgabe des zulässigerweise von einem Feststellungs- in einen Zahlungsantrag geänderten Klageantrags. Der Kläger hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Zulage.

I. Das LAG hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger könne den Anspruch nicht auf die Erklärung der Beklagten vom 13. Dezember 1996 stützen. Hierbei handele es sich zwar um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Die Beklagte sei aber nicht mit der Einwendung ausgeschlossen, daß dem Kläger die Zulage gar nicht zustehe, weil er nicht auf einem Beamtendienstposten des mittleren Dienstes, sondern auf einem solchen des einfachen Dienstes eingesetzt worden sei, da dieser Umstand der Beklagten bei der Abgabe des Anerkenntnisses unbekannt gewesen sei. Sie habe auch weder damit gerechnet noch angesichts der Formulierungen des Klägers in der Klageschrift des vorangegangenen Verfahrens damit rechnen müssen. Der Beklagten könne es nicht als fahrlässiges Verhalten angelastet werden, daß sie auf die Richtigkeit der Erklärungen des Klägers vertraut habe. Es handele sich auch nicht um einen Vergleich, an den die Beklagte gebunden wäre. Es habe zum Zeitpunkt der Abgabe des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses aus Sicht der Parteien keine Ungewißheit mehr über das Bestehen des Anspruchs bestanden. Sie seien beide davon ausgegangen, daß der Kläger mit dem Kläger des vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Musterverfahrens vergleichbar sei.

Einen tarifvertraglichen Anspruch habe der Kläger nicht, da er nicht auf einem Dienstposten eingesetzt gewesen sei, der mit der Bewertung A 7 oder höher versehen sei. Die Beklagte habe die Dienstposten unterschiedlich bewerten dürfen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung sei dadurch nicht verletzt.

II. Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Dem Kläger steht der Anspruch auf die Zulage aufgrund des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses der Beklagten zu. Die Beklagte ist mit dem Einwand, sie habe nicht gewußt, daß der Kläger die tariflichen Voraussetzungen für die Zulage nicht erfülle, ausgeschlossen. Eine Irrtumsanfechtung greift nicht durch. Die Forderung ist auch nicht verjährt.

1. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte am 13. Dezember 1996 ein sogenanntes deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben hat.

Welchen Inhalt die Erklärung der Beklagten hat, ob sie nur Beweiszwecken dienen, eine kausale oder eine abstrakte Verpflichtung begründen soll, ist im wesentlichen eine Frage tatrichterlicher Feststellung und Auslegung, weil es um den Inhalt einer individuellen, atypischen Erklärung geht. Sie ist vom Revisionsgericht nur beschränkt, nämlich daraufhin nachprüfbar, ob die Tatsacheninstanz das Wesen eines kausalen Schuldanerkenntnisses verkannt oder Denkgesetze, Auslegungsregeln oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (BAG 10. Dezember 1992 - 8 AZR 20/92 - BAGE 72, 95). In diesem Rahmen prüft das Revisionsgericht auch, ob in der Tatsacheninstanz über den Wortlaut hinaus auch der aus den gesamten Umständen und der Interessenlage erkennbare Zweck der Vereinbarung zureichend gewürdigt worden ist.

a) Das vertragliche kausale Schuldanerkenntnis ist gesetzlich nicht geregelt und fällt insbesondere nicht unter § 781 BGB, der das abstrakte, schuldbegründende Anerkenntnis betrifft. Ein solches liegt nicht vor, da die Beklagte erkennbar keinen neuen vom Grundverhältnis gelösten Schuldgrund schaffen, sondern im Rahmen eines bestehenden vor dem Arbeitsgericht geführten Streits diesen beenden wollte.

b) Das bestätigende sogenannte deklaratorische (= kausale) Schuldanerkenntnis ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (seit RG 1. Mai 1916 - 75/16 VI - JW 1916, 960, st. Rechtsprechung; Staudinger/Marburger BGB 13. Aufl. § 781 Rn. 8 ff. mwN). Sein Zweck besteht darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen (BGH 24. März 1976 - IV ZR 222/74 - BGHZ 66, 250, 254). In dieser vertragstypischen Bestimmung entspricht das kausale Schuldanerkenntnis dem Vergleich, dessen Rechtsnatur es ähnelt. Es gehört daher wie dieser zu den sogenannten Feststellungsgeschäften. Im Unterschied zum Vergleich geben jedoch nicht beide Parteien gegenseitig nach, sondern der Streit wird durch einseitiges Nachgeben beseitigt. Durch einen solchen einseitigen Feststellungsvertrag regeln die Parteien ihre materiell-rechtlichen Beziehungen.

aa) Die Beklagte hat gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 13. Dezember 1996 eine schriftliche Erklärung abgegeben, die der Kläger konkludent annehmen konnte, eine ausdrückliche Annahme war entbehrlich (§ 151 BGB). Eine solche lag im übrigen auch in der Klagerücknahme, die ausdrücklich unter Bezugnahme und im Vertrauen auf die Erklärung der Beklagten vom 13. Dezember 1996 vorgenommen wurde und die der Beklagten über das Gericht auch zugegangen ist.

bb) Weiterhin ist erforderlich, daß unter den Parteien Streit oder Ungewißheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtlich erhebliche Punkte herrschte, subjektive Ungewißheit genügt. War dagegen die anerkannte Schuld vorher niemals bestritten oder unklar, wird kein Streit durch das Anerkenntnis beseitigt, sondern Zweifel sind schon vorher durch rein tatsächliche Überlegungen überwunden worden.

Die Parteien haben sich im Verfahren 1 Ca 68/97 vor dem Arbeitsgericht über dieselbe Frage gestritten, die auch dem vorliegenden Rechtsstreit zugrundeliegt, nämlich ob die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die begehrte Zulage vorliegen und sie dem Kläger zusteht oder nicht. Damit war der Streit bzw. die Ungewißheit in der denkbar deutlichsten Form offen zutage getreten, nämlich vor Gericht.

Diese Ungewißheit bestand objektiv auch noch zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses und weiterhin bis zum heutigen Tage, sonst wäre der Streit überflüssig.

Insoweit ist der hier vorliegende Fall nicht vergleichbar mit dem vom Bundesgerichtshof (BGH 24. März 1976 - IV ZR 222/74 - aaO) entschiedenen Fall, in dem ein Anerkenntnis verneint und eine bloße Anzeige einer Erfüllungsbereitschaft angenommen worden war.

2. Die Beklagte ist aufgrund des Anerkenntnisses mit der Einwendung ausgeschlossen, dem Kläger stehe nach den tarifvertraglichen Vorschriften der Zulagenanspruch nicht zu, weil er auf einem Dienstposten des einfachen Dienstes eingesetzt war.

a) Durch die Abgabe eines kausalen Schuldanerkenntnisses ist der Schuldner mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er bei der Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er zumindest rechnete. Dazu gehören nicht nur Einreden, sondern auch echte rechtshindernde oder -vernichtende Einwendungen und die Berufung auf das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen. Damit hat das kausale Schuldanerkenntnis auch eine konstitutive Wirkung. Zwar kann ein Schuldner nicht auf Tatsachen "verzichten", jedoch ist der Ausschluß der Einwendungen ebenso wie beim Vergleich Folge der spezifischen Feststellungswirkung. Das Schuldverhältnis wird entsprechend der im Vertrag getroffenen Feststellungen unmittelbar umgestaltet. Die Parteien verfügen über das Schuldverhältnis im ganzen, um den Streit zu beheben (BGH 24. März 1976 - IV ZR 222/74 - aaO; Staudinger/Marburger aaO Rn. 11).

Die Reichweite der Schuldfeststellung ist im Einzelfall durch Auslegung des erklärten Parteiwillens unter Berücksichtigung des Vertragszwecks, der beiderseitigen Interessenlage, der Verkehrsauffassung und aller Umstände des Vertragsschlusses, bei schriftlichem Anerkenntnis auch der außerhalb der Urkunde liegenden Umstände zu ermitteln (BGH 24. März 1974 - IV ZR 222/74 - BGHZ 66, 250, 254 f.).

Die Beklagte kannte zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses alle entscheidenden Umstände. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob zu den ausgeschlossenen Einwendungen auch diejenigen gehören, mit denen der Schuldner rechnen mußte (vgl. Palandt/Sprau BGB 59. Aufl. § 781 Rn. 4; BAG 27. Februar 1970 - 1 AZR 143/69 - AP BGB § 781 Nr. 2).

b) Die Beklagte kann ihre Kenntnis nicht allein auf diejenige des sachbearbeitenden Mitarbeiters der Rechtskanzlei beschränken, der das Anerkenntnis vorformuliert hat. Wenn dieser zum Zeitpunkt der Abgabe keinen Anlaß gesehen hat, in die Personalakte zu schauen, woraus sich ua. deutlich ergeben hätte, daß der Kläger auf einem Dienstposten des einfachen Dienstes eingesetzt war, hat dies für die Frage der Kenntnis der Beklagten als einheitlicher Rechtsperson nichts zu sagen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Inhalt der von ihr selbst geführten Personalakte sei ihr unbekannt gewesen. Der Einsatz des Klägers auf seinem Posten beruhte auf einer bewußten Organisationsentscheidung der Beklagten, die sie nach dem von ihr selbst verfaßten Bewertungsschlüssel vorgenommen hat. Die Beklagte hatte, worauf sie in diesem Verfahren mehrfach hingewiesen hat, dem Kläger noch im Vorjahr schriftlich durch den Dienststellenleiter deutlich gemacht, daß der Kläger auf einem Posten des einfachen Dienstes beschäftigt war. Über diesen Umstand konnte sie gar nicht im Zweifel sein oder gar das Gegenteil annehmen. Insofern kommt es auf die Formulierung der Klageschrift des Verfahrens 1 Ca 68/97 vor dem Arbeitsgericht Siegburg nicht an. Dies käme allenfalls unter dem Aspekt einer Anfechtung wegen Täuschung (§ 123 BGB) in Frage, die aber nicht erklärt worden ist.

Die Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe von der Einsatzpostenbewertung des Klägers bei Abgabe des Anerkenntnisses nichts gewußt und auch nicht damit rechnen können, ist durch den von ihm selbst festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Es handelt sich insofern nicht um eine revisionsrechtlich nicht zu überprüfende Tatsachenfeststellung, sondern um eine nicht bindende Bewertung des Sachverhalts, da das Landesarbeitsgericht offensichtlich den subjektiven Wissensstand des Sachbearbeiters R für die Kenntnis der Beklagten ausreichen lassen wollte. Der Kläger hat in der Revision zu Recht gerügt, daß es nicht zutrifft, daß er dem Vortrag der Beklagten, sie habe nicht damit gerechnet, daß der Kläger einen Beamtendienstposten des einfachen Dienstes bekleidete, nicht substantiiert entgegen getreten wäre.

In beiden Instanzen hatte der Kläger auf den Inhalt der Personalakte Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß sich aus der Klageschrift im Verfahren 1 Ca 68/97 bereits ergebe, daß ihm ein Beamtendienstposten der Besoldungsgruppe A 7 gerade nicht förmlich übertragen worden sei. Wie sich der Gedankengang des Mitarbeiters R der Beklagten dabei entwickelte, ist für die Frage der Kenntnis der Beklagten unerheblich. Deshalb brauchte der Kläger auf den diesbezüglichen Vortrag auch nichts zu erwidern.

Im übrigen ist dem Kläger darin zuzustimmen, daß die Formulierung der Klageschrift in Sachen 1 Ca 68/97 genau das Gegenteil der Annahme der Beklagten rechtfertigt. Mit keinem Wort hat der Kläger behauptet, er sei auf einem Dienstposten des mittleren Dienstes eingesetzt. Dieser Begriff taucht überhaupt nicht auf. Der Kläger hat vielmehr vorgetragen, daß die entsprechende förmliche Übertragung des Dienstpostens A 7 unterblieben sei. Er hat die Rechtsansicht geäußert, daß seine ständige Tätigkeit als Sprechstellenbetreuer aufgrund der Anhebung des technischen Eingangs-amtes seit dem 1. Januar 1993 generell nach A 7 zu bewerten sei. Wenn dem Sachbearbeiter der Beklagten nach dieser Klagebegründung unklar gewesen sein sollte, ob der Kläger auf einem Dienstposten des einfachen oder mittleren Dienstes eingesetzt war, beruht dies jedenfalls nicht auf einer irreführenden Formulierung des Klägers.

Der Umstand, daß es zahlreiche Parallelverfahren gab, ändert an der Natur des abgegebenen Anerkenntnisses nichts. Im Gegenteil lag aus Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger die Annahme nahe, daß die Beklagte sich durch solche Anerkenntnisse von der Vielzahl der anhängigen Rechtsstreite befreien wollte.

3. a) Das Schuldanerkenntnis vom 13. Dezember 1996 ist nicht analog § 779 BGB unwirksam. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich die Parteien gemeinsam über einen dem Vertrag als feststehend zugrundegelegten streitausschließenden Umstand geirrt haben (Staudinger/Marburger aaO § 779 Rn. 80 ff.). Daß dies hinsichtlich der Dienstpostenbewertung "einfacher/mittlerer Dienst" nicht der Fall war, ist oben (unter II 2 der Gründe) ausgeführt.

b) Eine Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB kommt nicht in Betracht. Sie ist nach dem Vertragszweck ausgeschlossen, soweit sich der Irrtum des Schuldners auf einen der zuvor streitigen oder ungewissen Punkte bezog. Wer trotz bestehender Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten anerkennt, übernimmt das Risiko der Fehlbeurteilung. Im übrigen wäre ein Irrtum über das Bestehen der anerkannten Schuld als Motiv-irrtum unbeachtlich (BGH 19. September 1963 - III ZR 121/62 - LM BGB § 781 Nr. 2, zu II 3 der Gründe).

c) Die Beklagte kann sich auch nicht auf ein Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage (analog § 779 BGB) berufen. Mit deren Hilfe kann keinem Schuldner, der bei ungeklärtem oder falsch beurteiltem Sachverhalt eine Schuld anerkannt hat, der Nachweis gestattet werden, daß die festgestellte Schuld in Wirklichkeit nicht bestand (Lindacher, JuS 1973, 79, 80 Fn. 5; Staudinger/Marburger aaO § 781 Rn. 20 mwN).

d) Eine Kondiktion nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) ist im Falle des schuldbestätigenden kausalen Schuldanerkenntnisses nicht möglich. Dies würde dem Zweck des Rechtsgeschäfts zuwiderlaufen. Auch ein Widerruf, wie die Beklagte ihn mit Schreiben vom 31. Januar 1997 ausgesprochen hat, ist unbeachtlich, da zuvor das Schuldverhältnis wirksam gestaltet und ein Widerruf nicht vorbehalten worden war. Dem entspricht, daß die Beklagte die Wirkung des von ihr auch gem. § 307 ZPO abgegebenen prozessualen Anerkenntnisses ebenfalls nicht durch Anfechtung oder Kondiktion hätte beseitigen können (Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 307 Rn. 8). Auch ein Widerruf wäre nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen, die hier nicht ersichtlich sind (zB § 580 ZPO), möglich gewesen. Hätte also der Kläger die Klage nicht zurückgenommen, hätte antragsgemäß ein Anerkenntnisurteil ergehen müssen, an das die Beklagte dann ebenso gebunden gewesen wäre, wie aufgrund der Abgabe des schuldrechtlichen kausalen Anerkenntnisses.

4. Die Beklagte kann sich nicht, auch nicht teilweise, auf die Verjährung der Ansprüche berufen. Mit dem Anerkenntnis vom 13. Dezember 1996 hat die Beklagte die Ansprüche des Klägers ab dem 1. Januar 1994 anerkannt. Diese waren weder zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Mai 1996 noch zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses verjährt (§ 196 Abs. 1 Ziff. 9, § 201 BGB). Das Anerkenntnis unterbrach im übrigen gem. § 208 BGB die Verjährung, so daß eine neue Frist zu laufen begonnen hätte, die am 27. Februar 1997, dem Eingang der Klage, noch nicht abgelaufen war.

5. Der Zinsanspruch ist aus den §§ 291, 288, 246 BGB begründet. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Umstellung der Klage in einen Zahlungsantrag mit Schriftsatz vom 25. Mai 1998 die Verzinsung "seit Klagezustellung" beantragt. Dies ist so auszulegen, daß er damit die Zustellung des klageändernden Schriftsatzes am 9. Juni 1998 meinte, obwohl die Ansprüche bereits früher fällig geworden waren. Wenn er mit der von ihm gewählten Formulierung die Zustellung der ursprünglichen Klage im März 1997 gemeint hätte, wären damit auch Zinsen für Ansprüche geltend gemacht worden, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig waren. Davon ist nicht auszugehen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Dr. Freitag

Böck Marquardt Thiel

Tirre

 

Fundstellen

Dokument-Index HI610819

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