Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhaltensbedingte Kündigung. Personalratsanhörung

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; LPVG Baden-Württemberg § 68 Abs. 2, § 77

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 13.10.1993; Aktenzeichen 2 Sa 39/93)

ArbG Reutlingen (Urteil vom 04.03.1993; Aktenzeichen 1 Ca 631/92)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1993 – 2 Sa 39/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger, von Beruf Diplom-Ingenieur ohne pädagogische Ausbildung, war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 9. August 1991 ab 23. August 1991 als Vertragslehrer für die Bereiche Nachrichtentechnik und Informationstechnik an der gewerblichen Berufs- und Berufsfachschule R tätig; sein Vertrag sah 23 Unterrichtsstunden pro Woche vor; er erhielt Vergütung nach VergGr. II a BAT. Der Vertrag, der im übrigen auf den BAT Bezug nimmt, enthält eine Zusatzvereinbarung, wonach der Kläger in den Schuljahren 1991/92 und 1992/93 an einer pädagogischen Schulung mit Überprüfung teilzunehmen hatte. Hierzu gibt es einen Organisationsplan, den der Kläger im Februar 1992 erhalten hat.

Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis erstmals mit Schreiben vom 4. März 1992 zum 30. April 1992 mit der Begründung, der Kläger habe sich in der Probezeit nicht bewährt und sei für den Beruf des Lehrers nicht geeignet; es lägen schwer behebbare grundsätzliche Fehler im Unterricht vor; der Leiter der gewerblichen Schule habe die bisherige Tätigkeit des Klägers mit der Gesamtnote „mangelhaft” bewertet. Diese Kündigung ist durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 25. Juni 1992 im wesentlichen mit der Begründung für unwirksam erklärt worden, es fehle jedenfalls an einer vorausgegangenen Abmahnung.

In einem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 22. Juli 1992 stellte das Oberschulamt T unter Hinweis auf eine Reihe von als Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten angesehenen Punkten klar, die Kündigung vom 4. März 1992 werde als Abmahnung aufrechterhalten; ferner mißbilligte es unter Hinweis auf mehrere, im einzelnen angeführte Umstände, daß der Kläger auch nach Ausspruch der Kündigung vom 4. März 1992 gegen seine Pflichten als Lehrer verstoßen habe; der Kläger erhalte Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, es sei beabsichtigt, die Abmahnung zu den Personalakten zu nehmen. Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 17. August 1992 Stellung. Das Oberschulamt nahm beide Schreiben zu den Personalakten des Klägers. Mit Schreiben vom 4. November 1992 unterrichtete es den Kläger von der Absicht, den Arbeitsvertrag zum 31. Dezember 1992 zu kündigen. Hierzu äußerte sich der Kläger mit Schreiben vom 13. November 1992. Nach Unterrichtung des Bezirkspersonalrates, der nach Anhörung des Klägers gegen die Kündigungsabsicht keine Einwendungen erhob, wurde das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 16. November 1992 zum 31. Dezember 1992 gekündigt. Die Kündigung wird vom beklagten Land wie folgt begründet, wobei die unter 1 – 4 aufgeführten Punkte bereits Gegenstand der ersten, für unwirksam erklärten Kündigung waren:

  1. Der Kläger habe Ratschläge zur Verbesserung seiner unterrichtlichen Leistungen, die ihm von erfahrenen und mit seiner Betreuung beauftragten Kollegen gegeben worden seien, nicht akzeptiert, sondern mit Bemerkungen wie „die Tafel ist für die alten Lehrer da” zurückgewiesen; dies habe der im Vorprozeß vernommene Fachleiter B am 25. Juni 1992 bestätigt.
  2. Der Kläger sei zu Hospitationen im Unterricht häufig zu spät oder überhaupt nicht erschienen und habe sich den vorgesehenen Beratungsgesprächen entzogen, und zwar zum Teil mit der Begründung, er habe private Termine; die Fachlehrer Sch und B, die hierüber unter dem 12. und 25. Februar 1992 Vermerke angefertigt hätten, seien von ihm nie zu Hospitationen seines Unterrichts aufgefordert worden.
  3. Der Kläger sei Absprachen mit Fachkollegen, die wegen des fächerübergreifenden Unterrichts und der Stoffabgrenzung dringend nötig gewesen seien, aus dem Wege gegangen; auch dies habe der Fachleiter B im Vorprozeß ausgesagt.
  4. Die von dem Fachabteilungsleiter, dem Schulleiter und dem Vertreter des Oberschulamts angebotenen Gesprächstermine habe der Kläger vielfach nicht wahrgenommen.
  5. Der Kläger habe das Fernbleiben von 14 Schülern der Klasse 1 BK 2 im Fach Datenverarbeitung im zweiten Schulhalbjahr 1991/1992 ohne deren Abmeldung geduldet; aus der von ihm zum Schuljahresende erstellten Notenliste sei ersichtlich, daß nur noch sechs Schüler eine Endnote in diesem Fach erhalten sollten, obwohl eine Abmeldung nur bis zu den Herbstferien möglich gewesen sei. In einem Vermerk des Klägers vom 6. Februar 1992 heiße es zu dem Notenvorschlag nur lapidar: „Die übrigen Schüler haben sich im Laufe des Jahres mehr oder weniger klanglos abgemeldet”.
  6. In einem Tagebucheintrag des Klägers vom 10. März 1992 heiße es: „Ein Schüler gekommen, 15 Minuten gewartet. Unterricht mußte entfallen; wird zu neuem Termin nachgeholt”. Hierüber habe der Kläger weder dem Klassenlehrer noch der Schulleitung Mitteilung gemacht und auch der angekündigte Nachholtermin sei von ihm nicht wahrgenommen worden. Zur Rede gestellt habe der Kläger geantwortet, die Schüler hätten auf eine Mitteilung eines Lehrers verwiesen, wonach das Fach Datenverarbeitung für den Rest des Jahres entfalle; dies sei ihm glaubhaft erschienen, so daß er auf den Nachholtermin verzichtet habe. Dem Kläger werde zum Vorwurf gemacht, die Angelegenheit damit als erledigt angesehen und eigenmächtig auf einen Nachholtermin verzichtet zu haben.
  7. Der Kläger habe in der von ihm betreuten Klasse E 2 KT drei Wochen keine Anwesenheitsliste geführt, obwohl er für die Vorlage des Tagebuches durch die Schüler verantwortlich gewesen sei. Einem Klassenlehrer, der drei Wochen lang keine Anwesenheitsliste führe, fehle es offensichtlich am Verantwortungsbewußtsein gegenüber seinen Schülern. Ebenso seien am 17. September, 1. und 16. Oktober 1992 Unregelmäßigkeiten bei der Anwesenheitskontrolle bzw. bei den Eintragungen im Schultagebuch festgestellt worden.
  8. Entgegen einer Verwaltungsvorschrift vom 2. April 1990 habe der Kläger den Stoffverteilungsplan nicht erstellt und nicht verfügbar gehabt.
  9. Der Kläger habe hinter dem Rücken des Direktors eine Stundenplanänderung für die Klasse 1 BFE 1 vom Fach Mathematik zur Schaltungstechnik/Funktionsanalyse durch einen Fächertausch mit einem Kollegen durchsetzen wollen und habe damit versucht, den Direktor unter Druck zu setzen.
  10. Der Kollege S des Klägers habe am 15. Oktober 1992 eine bereits vorgenommene Computerumrüstung mit diesem besprechen wollen, weil der Kläger sonst den Unterricht nicht habe erteilen können; der Kläger habe Herrn S dabei erklärt, weil er sich nicht angemeldet habe, habe er keine Zeit für das Gespräch.
  11. Nach einem (unangemeldeten) Unterrichtsbesuch des Direktors Schick am 15. Oktober 1992 habe der Kläger ein Gespräch mit der Begründung abgelehnt, er habe eine persönliche Verpflichtung und habe den Schulleiter noch angefahren, wieso er diesen Unterrichtsbesuch gemacht habe; anschließend habe er den Schulleiter mit den Worten „Sie werden noch von mir hören!” stehen lassen.
  12. Der Kläger sei in den beiden Fächern seiner Lehrbefähigung von zwei Fachkollegen am 12, 13. und 15. Oktober 1992 unangesagt im Unterricht besucht worden, wobei die Fachkollegen die Unterrichtsleistung jeweils mit „mangelhaft” beurteilt hätten. Die auch bei diesen Unterrichtsbesuchen festgestellten gravierenden Unterrichtsmängel würden auch durch weitere Schreiben von Schülern und Eltern bestätigt.

Der Kläger hat zunächst die Ordnungsmäßigkeit der Unterrichtung des Bezirkspersonalrates beanstandet: Das Oberschulamt habe die Personalvertretung nicht ausreichend über die Kündigungsgründe unterrichtet, es sei keine Gewichtung der Kündigungsgründe vorgenommen worden und außerdem sei dem Bezirkspersonalrat der Zusammenhang zwischen berufspraktischer Leistung und der theoretischen Ausbildung am Seminar nicht erläutert worden. Die Kündigung als solche sei unwirksam, weil schon die Abmahnung vom 22. Juli 1992 nicht wirksam sei, da er mehrere darin enthaltene Vorwürfe als unzutreffend bestritten habe. Angeblich mangelhafte Leistungen seien nicht abgemahnt worden. Das beklagte Land habe auch nicht berücksichtigt, daß er sich noch in einer Ausbildungsphase befunden habe. Zu den einzelnen Kündigungsvorwürfen äußerte sich der Kläger wie folgt:

zu 1. Mit seinen beiden Mentoren Sch und B habe es eine gute Zusammenarbeit gegeben; die Äußerung „die Tafel ist für die älteren Lehrer da” sei so nicht gefallen, sondern im Zusammenhang und im Vergleich mit der Verwendung eines OverheadProjektors, wobei davon die Rede gewesen sei, daß die älteren Lehrer lieber auf die Tafel zurückgriffen.

zu 2. Er bestreite, sich Gesprächen entzogen zu haben, sondern er habe im Gegenteil um solche nachgesucht, aber z. B. Herr Sch habe mehrfach vorgeschützt, keine Zeit zu haben. Auch sei er nicht konkret zu Hospitationen aufgefordert worden. Gelegentliche Verspätungen seien durch Verwaltungsarbeiten bedingt gewesen.

zu 3. Eine Stoffabgrenzung habe er mit allen Lehrern vorgenommen, wobei es lediglich mit Herrn S Probleme gegeben habe.

zu 4. Er habe immer die Gesprächstermine wahrgenommen, es sei denn, er sei krank gewesen.

zu 5. Es sei früher üblich gewesen, daß sich die Schüler nach einer Bedenkzeit von 4 Terminen vom Unterricht der Datenverarbeitung hätten abmelden können; nach seiner Erkrankung von Ende Januar bis Mitte März sei das Gros der Schüler ausgeblieben – offensichtlich wegen der langen Unterbrechung und im Hinblick auf eine Information eines Lehrers, der Unterricht falle für den Rest des Jahres aus, habe er die „Abmeldung hingenommen”.

zu 6. Der Schulleiter habe im übrigen selbst bestätigt, daß eine Wahlmöglichkeit der Schüler über die Herbstferien 1991 hinaus bestanden habe, so daß Abmeldungen, soweit sie nach dem 1. Halbjahr überhaupt noch erfolgten, sich auf den Zeitraum nach Ausgabe der Halbjahreszeugnisse und vor Wideraufnahme des Unterrichts nach den Winterferien konzentrierten. Die Abgänge der Schüler zu Beginn des zweiten Halbjahres seien deshalb rechtmäßig erfolgt. Deshalb sei auch die Abmahnung vom 22. Juli 1992 in diesem Punkt unzutreffend. Dem stehe auch nicht die Äußerung des Leiters des Berufskollegs, Herrn W, in dessen Schreiben vom 9. Juni 1992 entgegen. Die Schüler hätten ihr Fernbleiben auch nicht begründen müssen, vielmehr habe er als Fachlehrer Abmeldungen widerspruchslos hinzunehmen gehabt. Er sei auch nicht darüber informiert worden, daß insoweit eine Information der Schulleitung erforderlich sei.

zu 7. Was die Klassenbucheintragungen in der Klasse E 2 KT angehe, sei ihm gesagt worden, die fällige Erhebung könne wegen der Änderung des Schülerbestandes hinausgeschoben werden; deshalb seien erst ab der dritten Woche Anwesenheitskontrollen geführt worden. Im übrigen habe es sich um eine Betriebsklasse gehandelt, in der ein Betriebstagebuch geführt worden sei, worin die Anwesenheit der Schüler festgehalten worden sei.

zu 8. Den Stoffverteilungsplan habe er zwar am 8. September 1992 nicht zur Hand gehabt, er habe ihn jedoch unverzüglich nachgereicht.

zu 9. Der Vorwurf eigenmächtigen Handelns treffe nicht ihn, sondern seinen Kollegen S: Ihm sei eine Unstimmigkeit zwischen ausgewiesener Lehrerstunden – und Lehrplanstundenzahl im Fach Mathematik aufgefallen, weshalb er sich an Herrn S mit der Bitte um Klärung gewandt habe. Dieser habe sich aber wortlos abgewandt und später erklärt, er habe den Stundenplan abgeändert, Herr A werde anstelle des Klägers Mathematik unterrichten, während er das Fach Schaltungs- und Funktionsanalyse zu erteilen habe. Dies habe weder seinen Wünschen noch denen des Kollegen A entsprochen.

zu 10. Die Behauptung, er habe Herrn Schuster wegen der Computerumrüstung zurückgewiesen, entspreche nicht der Wahrheit: Er habe vielmehr mehrere Kollegen, u. a. Herrn S, mehrfach gebeten, eventuell anstehende Softwareaufrüstungen der Rechenanlage rechtzeitig bekanntzugeben, um diese gemeinsam durchführen zu können. Leider sei ihm dies nicht angeboten worden, auch nicht an dem besagten Tage.

zu 11.

und 12.

Die Unterrichtsbesuche am 13. und 15. Oktober 1992 seien unangekündigt erfolgt, worin er eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen in der gleichen Ausbildung befindlichen Lehrern sehe. Mangelhafte unterrichtliche Leistungen seien ihm gegenüber auch nicht abgemahnt worden. Im übrigen befinde er sich in einer Ausbildungsphase, so daß es dem beklagten Land zumutbar gewesen sei, angebliche unterrichtliche Minderleistungen im Rahmen des Ausbildungsplans für die Prüfungsphase abzuwarten. Auch seien die Beurteilungen der Seminarmentoren maßgeblich, die zwischen gut und befriedigend ausgefallen seien. Die vom beklagten Land erwähnten Schüler- und Elternbeschwerden lägen offensichtlich nach Ausspruch der Kündigung und könnten deshalb im Rechtsstreit keine Rolle spielen.

Der Kläger hat zuletzt noch beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 16. November 1992 zum 31. Dezember 1992 nicht beendet werde.

Das beklagte Land hat sich mit seinem Klageabweisungsantrag auf eine ordnungsgemäße Anhörung des Bezirkspersonalrates berufen, insbesondere sei dieser über die besondere Situation des Klägers unterrichtet gewesen, wie sich schon aus der früheren Stellungnahme des Personalrats vom 17. Februar 1992 bei der ersten Kündigung ergebe. Mit dem Schreiben vom 22. Juli 1992 sei der Kläger auch wirksam abgemahnt worden, selbst wenn einzelne der darin erhobenen Vorwürfe – diese seien sämtlich durch Beweisaufnahme zu belegen – nicht zuträfen. Die Kündigung werde nicht ausschließlich auf Leistungsmängel gestützt, sondern auch auf die Nichterfüllung der Vertragspflichten. Deshalb sei es unerheblich, ob der Kläger die sogenannte Überprüfungsphase im Kündigungszeitpunkt noch nicht erreicht habe. Der Kläger habe trotz mündlicher Abmahnung des Schulleiters am 9. Juni 1992 und schriftlicher Abmahnung vom 27. Juli 1992 die Anwesenheit der Schüler zu Beginn des Schuljahres 1992/93 nicht kontrolliert und habe entgegen einer Verwaltungsvorschrift vom 2. April 1990 den Stoffverteilungsplan nicht zur Hand gehabt. Hinsichtlich der unangekündigten Unterrichtsbesuche könne sich der Kläger nicht auf das Gleichbehandlungsprinzip berufen, weil im Gegensatz zum Kläger bei den anderen Kollegen keine Leistungsmängel vorgelegen hätten.

Das Arbeitsgericht hat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat nach erneuter Vernehmung des Zeugen B die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Bezirkspersonalrat sei gemäß §§ 72, 77 LPVG ordnungsgemäß angehört worden; ihm seien die Gründe für die Kündigung zusätzlich im Rahmen einer Erörterung erläutert worden und der Personalrat habe auch über den erforderlichen Kenntnisstand hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses des Klägers verfügt, wie sich nicht zuletzt aufgrund der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme (Zeuge Latus) ergebe. Im übrigen habe der Personalrat den Kläger selbst angehört und befragen können.

Die Kündigung selbst sei aus Gründen im Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil der Kläger es unterlassen habe, in den ersten drei Wochen des Schuljahres 1992/93 die Anwesenheit der Schüler der Klasse E 2 KT zu kontrollieren, was der Kläger auch nicht in Abrede stelle. Sein Einwand, dies beruhe auf einer Absprache mit dem Zeugen B, sei nicht erwiesen. Der Zeuge B habe nach seiner Bekundung dem Kläger nie zugesagt, die Anlage eines Klassentagebuches und die Feststellung der Anwesenheit könne verzögert werden; der Zeuge habe vielmehr erst in der fünften Unterrichtswoche festgestellt, daß das Tagebuch unvollständig geführt worden sei. Wegen der gleichen Mängel in den Anwesenheitskontrollen sei der Kläger auch mit Schreiben vom 22. Juli 1992 abgemahnt worden; zumindest in diesem Punkt sei von einer wirksamen Abmahnung auszugehen und das Oberschulamt habe insoweit auch das Verfahren nach § 13 Abs. 2 BAT eingehalten. Da der Kläger außerdem in der vierten Unterrichtswoche des Schuljahres 1992/93 den Stoffverteilungsplan auf Nachfrage hin entgegen der Verwaltungsvorschrift vom 2. April 1990 nicht zur Hand gehabt habe, was wiederum der Zeuge B bestätigt habe, sei zu befürchten gewesen, der Kläger werde auch zukünftig mit dem vereinbarten Unterricht zusammenhängende Aufgaben nicht regelmäßig erfüllen. Deshalb sei die Kündigung gerechtfertigt, ohne daß es noch auf die weiter vom beklagten Land vorgetragenen Leistungsmängel ankomme. Im Hinblick darauf, daß das Anstellungsverhältnis im Kündigungszeitpunkt erst 1 1/4 Jahr bestanden habe, komme dem Interesse des beklagten Landes an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr Gewicht zu.

II. Die gegenüber dieser Entscheidung erhobenen Rügen greifen nicht durch.

1. Soweit die Revison zunächst rügt, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden, weil ihm angesichts der behaupteten Mängel in der praktischen Arbeitsleistung die besondere Vertragssituation des Klägers nicht mitgeteilt worden sei, der neben der berufspraktischen Leistung eine zusätzliche theoretische und fachpraktische Ausbildung am Seminar erhalten sollte, hat das Landesarbeitsgericht festgestellt (Entscheidungsgründe S. 12), dies, nämlich daß der Kläger im Rahmen seines Anstellungsvertrages eine pädagogische Ausbildung erhalten und deren Ergebnis in einer Überprüfungsphase beurteilt werden sollte, hätte vor der streitgegenständlichen Kündigung dem Personalrat nicht erneut mitgeteilt werden müssen, weil dieser schon aus dem Mitwirkungsverfahren vor der Kündigung vom 4. März 1992 hierüber informiert worden sei. Dies ergebe sich nämlich aus der Stellungnahme, welche der Bezirkspersonalrat III seinerzeit unter dem 17. Februar 1992 zu der vom beklagten Land beabsichtigt gewesenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers abgegeben hatte. Diese Feststellung des Berufungsgerichts ist für den Senat gemäß § 561 Abs. 1 ZPO bindend. Sie hat mündliches Parteivorbringen zum Gegenstand und gehört deshalb zum Tatbestand im Sinne des § 314 ZPO, auch wenn sie formal in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erscheint (Senatsurteil vom 20. Mai 1988 – 2 AZR 682/87BAGE 59, 32 = AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung, zu C I 2 a der Gründe). Der Kläger hat insofern auch keine formelle Rüge erhoben, die gegen die Richtigkeit dieser Auswertung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien spricht. Auch ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil (Tatbestand S. 10), daß dem Berufungsgericht die Vorprozeßakten des Arbeitsgerichts Reutlingen – 1 Ca 134/92 – vorgelegen haben, in denen es um die Kündigung vom 4. März 1992 ging. War daher der Personalrat über die besondere Vertragssituation des Klägers ausreichend unterrichtet, so kann von einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung im Sinne der §§ 68 Abs. 2, 77 LPVG Baden-Württemberg nicht die Rede sein, zumal das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise darüber hinaus festgestellt hat, der Dienstherr habe das Mitwirkungsverfahren unter Mitteilung der Person des zu kündigenden Arbeitnehmers, der Art der Kündigung und der Gründe für die Kündigung eingeleitet (vgl. BAGE 35, 118 = AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Baden-Württemberg). Das beklagte Land war auch nicht verpflichtet, dem Personalrat die Stellungnahme des Klägers vom 13. November 1992 zur Kündigungsabsicht des beklagten Landes zur Kenntnis zu bringen, zumal diese keine neuen – dem Personalrat nicht schon bekannten – Gesichtspunkte enthielt.

2. Soweit die Revision geltend macht, im Vertragsverhältnis der Parteien sei gemäß § 15 Berufsbildungsgesetz die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, weil es sich um ein Ausbildungsverhältnis handele, ist dies rechtlich unzutreffend. Die Parteien haben keinen Berufsausbildungsvertrag nach § 3 BBiG, sondern einen Arbeitsvertrag unter Bezugnahme auf die Vorschriften des BAT abgeschlossen; es geht nach dem Inhalt dieses Vertrages nicht um eine breit angelegte berufliche Grundbildung und die Vermittlung der für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in einem geordneten Ausbildungsgang (§ 1 Abs. 2 BBiG), sondern allenfalls um eine berufliche Umschulung, weil der Kläger, der über eine Ausbildung als Dipl.-Ing. verfügt, zu einer anderen beruflichen Tätigkeit – nämlich als Lehrer – befähigt werden soll. Auf ein derartiges Vertragsverhältnis ist die für das Berufsausbildungsverhältnis geltende Regelung des § 15 BBiG nicht anzuwenden. Dies ergibt sich zusätzlich aus § 19 BBiG, der eine entsprechende Anwendung der §§ 3 ff. BBiG bei Vermittlung von beruflichen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen nur vorsieht, soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist. Letzteres war hier der Fall.

Auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 19. Juni 1974 – 5 AZR 299/73 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) geht im Falle einer Zusatzausbildung für Aushilfslehrer (Elektromaschinenbauer zum Fachlehrer für Gestalten) davon aus, daß kein Berufsausbildungsvertrag, sondern allenfalls eine Umschulung vorliegt, für die die Vorschriften des BBiG über die Berufsausbildung – insbesondere auch § 5 Abs. 2 BBiG – nicht gelten (ebenso Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 103; Herkert, BBiG, Stand: 1990, § 1 Rz 18). Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach nicht einmal auf Umschulungsverhältnisse nach §§ 1 Abs. 4, 47 BBiG – im Streitfall liegt ein Arbeitsverhältnis als Lehrer mit Teilnahmeverpflichtung an einer zusätzlichen, pädagogischen Schulung vor – die Vorschriften über das Berufsausbildungsverhältnis im Sinne der §§ 3 ff. BBiG anwendbar sind (Senatsurteil vom 15. März 1991 – 2 AZR 516/90 – AP Nr. 2 zu § 47 BBiG, zu II 2 c der Gründe, m.w.N.).

3. Die Revision rügt schließlich, die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Verstöße im Verhaltensbereich rechtfertigten im Hinblick auf den Zweck des Vertragsverhältnisses in den ersten zwei Jahren die Kündigung nicht, § 1 Abs. 2 KSchG.

a) Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, die der Nachprüfung grundsätzlich nur dahin unterliegt, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt ist oder ob bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 Abs. 2 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob bei der gebotenen Interessenabwägung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. u. a. BAG Urteil vom 18. Januar 1980 – 7 AZR 75/78 – AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu 1 b der Gründe, m.w.N.). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab wird das angegriffene Urteil gerecht.

b) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe es in den ersten drei Wochen des Schuljahres 1992/93 unterlassen, die Anwesenheit der Schüler der Klasse E 2 KT zu kontrollieren, in der er Klassenlehrer gewesen sei; im Tagebuch dieser Klasse seien Eintragungen in der Anwesenheitsliste während dieses Zeitraums unterblieben, wie sich aus den Ablichtungen der Anwesenheitsliste dieser Klasse ergebe; außerdem habe der Zeuge B bestätigt, von Anfang des Schuljahres 1992/93 an seien acht Wochen lang die bei Fehltagen von Schülern weiter vorgesehenen Eintragungen darüber unterblieben, aus welchen Gründen der jeweilige Schüler gefehlt habe. Das Landesarbeitsgericht hat weiter dazu festgestellt, der Kläger stelle dies nicht in Abrede, sondern habe behauptet, diese Vorgehensweise beruhe auf einer Vereinbarung mit dem Fachabteilungsleiter B. Dazu hat das Landesarbeitsgericht nach der Vernehmung des Zeugen B weiter festgestellt, diese Behauptung des Klägers sei durch die Bekundung des Zeugen B widerlegt. Auch diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen, sind deshalb für den Senat gemäß § 561 ZPO verbindlich. Soweit mit der Revision in diesem Zusammenhang weiter gerügt wird, das Landesarbeitsgericht sei dem Vortrag nicht nachgegangen, in der vom Kläger betreuten Betriebsklasse sei ein gesondertes Betriebstagebuch geführt und in diesem die Anwesenheit der Schüler festgehalten worden, führt auch das in der Sache nicht weiter. Denn damit wird nicht bestritten, daß der Kläger in dem offiziellen Schultagebuch die Abwesenheit der Schüler nicht festgestellt hat. Im übrigen wird nicht einmal konkret behauptet, die Abwesenheit der Schüler – vor allem auch die Begründung bzw. Nichtentschuldigung – sei in dem von ihm erwähnten Betriebstagebuch festgehalten worden. Sowohl das Arbeits- wie auch das Landesarbeitsgericht haben darauf abgestellt, bei dem Klassentagebuch habe es sich um eine wichtige Unterlage gehandelt, da die Eintragungen auch in anderem Zusammenhang von erheblichem Gewicht sein könnten, u. a. bei Streitigkeiten zwischen Lehrherren und ihren Auszubildenden. Bei dieser Sachlage kann es nicht als Überbewertung angesehen werden, wenn das Landesarbeitsgericht den festgestellten Vertragsverstößen – sebst wenn man insofern nur von einer Nebenpflicht ausgeht – erhebliche Bedeutung beigemessen hat.

Das Landesarbeitsgericht hat darauf allein aber die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht gestützt, sondern ferner darauf, der Kläger habe den Stoffverteilungsplan entgegen einer Verwaltungsvorschrift vom 2. April 1990 über die Unterrichtsplanung an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen bei Bedarf und Nachfrage nicht verfügbar gehabt, wie ebenfalls der Aussage des Zeugen B zu entnehmen sei. Deshalb habe das beklagte Land im Falle einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses befürchten müssen, der Kläger werde auch zukünftig mit dem vereinbarten Unterricht zusammenhängende Aufgaben nicht regelmäßig erfüllen. Wenn der Kläger insofern nur von „marginalen Verhaltenspflichten” spricht, so gehört die Bewertung solcher Vertragsverstöße in den Beurteilungsspielraum des Landesarbeitsgerichts, ohne daß das Revisionsgericht hierin die Verletzung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen (vgl. oben zu II 3 a) sehen kann.

Schließlich ist dem Kläger jedenfalls als weiterer verhaltensbedingter Kündigungsgrund anzulasten, ohne daß auf die übrigen im Tatbestand wiedergegebenen verhaltensbedingten Umstände abgestellt zu werden braucht, daß er – und insoweit liegt in allen Instanzen kein substantiiertes Bestreiten vor (§ 138 Abs. 3 ZPO) – im Anschluß an den Unterrichtsbesuch vom 15. Oktober 1992 ein Gespräch mit dem Direktor mit der Begründung abgelehnt hat, er habe persönliche Verpflichtungen. Der Kläger hat ferner nicht bestritten, den Direktor auch noch angefahren zu haben, wieso er diesen Unterrichtsbesuch gemacht habe, wobei er außerdem noch erklärte „Sie werden noch von mir hören!”. Ein derartiges Verhalten war, gleichgültig ob der Kläger sich ungerecht behandelt fühlte, in jedem Falle unangemessen und charakterisiert den Kläger als uneinsichtig und nicht kritikfähig, wie die Vorinstanzen übereinstimmend festgestellt haben.

c) Wenn die Revision schließlich darauf abstellt, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sei nicht von einer wirksamen Abmahnung auszugehen, weil dem Kläger nicht mitgeteilt worden sei, ob die beabsichtigte Abmahnung tatsächlich zu den Personalakten genommen worden sei, verkennt der Kläger zunächst, daß schon die unwirksame Kündigung vom 4. März 1992 nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 31. August 1989 – 2 AZR 13/89 – AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung) die Wirkung einer Abmahnung entfaltet, weil aufgrund des Kündigungsvorganges der Arbeitnehmer hinreichend gewarnt ist, den mit der unwirksamen Kündigung geahndeten Vertragspflichten nachzukommen.

Im übrigen hat der Senat entschieden (Urteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 551/91 – AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung), selbst eine wegen Nichtanhörung des Arbeitnehmers nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT formell unwirksame Abmahnung entfalte die regelmäßig vor einer verhaltensbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderliche Warnfunktion. Dies muß hier um so mehr gelten, als die Beklagte dem Kläger die Abmahnung vom 22. Juli 1992 zur eventuellen Stellungnahme zugestellt und als- dann – ebenso wie seine Gegendarstellung – zu den Personalakten genommen hat.

Außerdem war der Kläger nach dem Vorbringen des beklagten Landes durch den Direktor der Schule bereits am 9. Juni 1992 mündlich abgemahnt worden, weil er keine Anwesenheits- und Abwesenheitsliste geführt hatte (vgl. das Schreiben der Gewerblichen Schule R an das Oberschulamt vom 12. Juni 1992). Nach dem Inhalt dieses Schreibens hat der Kläger auf die Abmahnung hin lediglich erklärt, der Schulleiter „solle ihm die Abmahnung schriftlich geben”. Der Kläger war also in ausreichender Form abgemahnt.

4. Es braucht deshalb nicht mehr geprüft zu werden, ob die Kündigung unter Berücksichtigung von § 563 ZPO nicht auch wegen persönlicher Nichteignung sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG), nachdem der Kläger den Inhalt der negativen Beurteilungen aufgrund der Unterrichtsbesuche vom 13. und 15. Oktober 1992, wonach seine Leistungen mit „mangelhaft” beurteilt worden sind, nicht bestritten hat (§ 138 Abs. 3 ZPO).

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, Nipperdey, Engel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916006

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