Entscheidungsstichwort (Thema)

Schichtdienstvergütung in der Wohnungswirtschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 7 des Manteltarifvertrages für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer in der Wohnungswirtschaft der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und des Teiles des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bis zum 3. Oktober 1990 nicht galt, sowie nach § 7 des Bundes-Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft ist die zusätzliche Vergütung für planmäßige Schichtarbeit im Beitrittsgebiet einer betrieblichen Regelung überlassen worden. Auf planmäßige Schichtarbeit finden die tarifvertraglichen Bestimmungen über Zuschläge für Arbeit an Sonntagen, an gesetzlichen Feiertagen sowie bei Nachtarbeit keine Anwendung. Schichtarbeiter, die die Anspruchsvoraussetzungen der tariflichen Zuschlagsbestimmungen durch Arbeitsleistungen außerhalb der im Schichtplan festgelegten tariflichen Arbeitszeit erfüllen, können demgegenüber die tariflichen Zuschläge verlangen.

 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Wohnungswirtschaft; MTV f. d. Angest. u. gew. AN i. d. Wohnungswirtschaft d. Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen u. d. Teiles d. Landes Berlin, i. d. d. GG bis z. 3.10.1990 nicht galt, § 7; Bundes-Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft § 7

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 19.12.1995; Aktenzeichen 3 Sa 99/94)

ArbG Stralsund (Urteil vom 14.12.1993; Aktenzeichen 70 Ca 41/93)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger für planmäßig geleistete Schichtarbeit tarifliche Nachtarbeitszuschläge verlangen kann.

Der gewerkschaftlich organisierte Kläger ist bei der Beklagten als Elektromonteur beschäftigt und arbeitet im Schichtdienst. Er hat für seine schichtplanmäßige Arbeit in den Monaten September 1992 bis April 1994 tarifliche Zuschläge in einer Gesamthöhe von 19.595,57 DM verlangt. Auf diesen Betrag läßt sich der Kläger 7,-- DM pro Nachtschicht anrechnen, die die Beklagte nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung gezahlt hat. Hieraus ergibt sich die Klageforderung in Höhe von 18.538,47 DM.

Der Kläger stützt sich auf § 7 des Manteltarifvertrages (MTV) für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer in der Wohnungswirtschaft der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und des Teiles des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bis zum 3. Oktober 1990 nicht galt. Die Vorschrift hat den folgenden Wortlaut:

“§ 7

Überstunden, Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, Nachtarbeit, Schichtarbeit

  • Überstunden, Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen sowie Nachtarbeit sind grundsätzlich zu vermeiden. Sie können unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen mit Zustimmung des Betriebsrates angeordnet werden.

    Überstunden sind die Stunden, die auf besondere Anordnung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden.

    Bei Gleitzeit ist jede über ein Gleitzeitguthaben von 10 Stunden pro Monat hinausgehende Arbeitszeit wie Überstunden hinsichtlich ihrer Anordnung und ihres Entgeltes zu behandeln.

    Überstunden, Sonntags- und Feiertagsarbeit und Nachtarbeit sind zuschlagspflichtig.

  • Die Vergütung für Überstunden, für Arbeit an Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen und für Nachtarbeit beträgt je Arbeitsstunde 1/173 (bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden), 1/167 (bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden) sowie 1/160 (bei einer Wochenarbeitszeit von 37 Stunden) der Monatsvergütung ohne Kinderzulagen und ohne die Vergütung für Überstunden, für Arbeit an Sonntagen, an gesetzlichen Feiertagen und für Nachtarbeit. Dabei wird der Monat zugrunde gelegt, in dem die zuschlagspflichtigen Arbeiten angefallen sind.
  • Die Vergütung erhöht sich je Arbeitsstunde

    a) 

    bei Überstunden am Montag bis Freitag um

    30 %

    bei Überstunden am Samstag um

    50 %

    b) 

    für Arbeit an Sonntagen um

    75 %

    c) 

    für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, am Oster- und Pfingstsonntag und bei Nachtarbeit (20.00 bis 6.00 Uhr) um

    100 %

  • Treffen mehrere Zuschläge für die gleiche Arbeitszeit zusammen, so kommt nur der jeweils höhere Zuschlag zur Anwendung.
  • Die Abgeltung der Ansprüche aus den Absätzen 2 und 3 hat grundsätzlich durch Freizeit zu erfolgen, soweit betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen. Im gegenseitigen Einvernehmen kann die Abgeltung auch in Geld erfolgen.
  • Die Vergütung für Bereitschaftsdienst und für Arbeit im Schichtsystem ist betrieblich zu vereinbaren.
  • Die Überstundenzuschläge werden ab der 41. Wochenarbeitsstunde gewährt. Diese Regelung gilt befristet bis zum 31.12.1994.”

Ab dem 1. Januar 1994 ist der Bundes-Manteltarifvertrag (BMTV) für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft an die Stelle des MTV getreten. Sein § 7 entspricht im hier wesentlichen wörtlich § 7 MTV. § 7 Abs. 6 BMTV hat allerdings den folgenden Wortlaut:

“Für Beschäftigte gemäß § 1, Abs. 1 b) ist die Vergütung für Bereitschaftsdienst und für Arbeit im Schichtsystem betrieblich zu vereinbaren.”

Bei den Beschäftigten gemäß § 1 Abs. 1b handelt es sich um diejenigen, die in dem Teil Deutschlands beschäftigt sind, in dem das Grundgesetz bis zum 3. Oktober 1990 nicht galt.

Die im Arbeitgeberverband der Wohnungswirtschaft e.V. organisierte Beklagte hat an Arbeitnehmer, die in Schichtarbeit für sie tätig waren, keine Zuschläge und Zulagen nach § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV gezahlt, soweit sie planmäßige Schichtarbeit leisteten. Sie hat statt dessen die Leistungen erbracht, die sie nach einer Betriebsvereinbarung “zur Vergütung der Arbeit im Mehrschichtsystem und zur Abgeltung des Bereitschaftsdienstes” vom 25. September 1992 schuldete. In dieser Betriebsvereinbarung, die für im Drei-Schicht-System tätige Heizer/Umformer und in einem Fernheizwerk tätige Elektriker sowie für Mitarbeiter gilt, die dort in den Leitungsdienst einbezogen sind, heißt es u.a.:

“§ 2 Vergütung

1. Die Vergütung erfolgt auf der Basis der Lohngruppen des Vergütungstarifvertrages.

2. Eine zuschlagspflichtige Vergütung der Arbeit für Samstag, Sonn- und Feiertag erfolgt nur dann, wenn der Mitarbeiter an seinen lt. Schichtplan vorgesehenen freien Tagen zum Einsatz kommt.

3. Die zuschlagspflichtige Vergütung richtet sich dann nach § 7 Absatz 3 des Manteltarifvertrages.

4. Die Schichtzulage beträgt bei

– einem durchgängigen Drei-Schicht-System pro Monat 200, -- DM

– einem durchgängigen Zwei-Schicht-System pro Monat 120, -- DM.

5. Je Nachtschicht wird ein Zuschlag in Höhe von 7, -- DM gewährt.

…”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 6 MTV/BMTV eröffne für die Betriebspartner nur die Möglichkeit, eine zusätzliche Vergütung für Schichtarbeit zu vereinbaren. Die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV für Arbeitnehmer im Schichtdienst werde dadurch nicht ausgeschlossen. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, die in § 7 Abs. 3 MTV vorgesehenen Zuschläge an Schichtdienstarbeitnehmer zu zahlen und außerdem die Schichtdienstzulagen, die sie mit der Betriebsvereinbarung vom 25. September 1992 eingeführt habe.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.351,72 DM brutto an Zuschlägen für die Monate September 1992 bis Oktober 1993 zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 3. Februar 1993 auf den sich aus 4.021,92 DM brutto ergebenden Nettobetrag, nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juli 1993 auf den sich aus 4.648,50 DM brutto ergebenden Nettobetrag, nebst 4 % Zinsen seit dem 25. November 1993 auf den sich aus 1.681,30 DM brutto ergebenden Nettobetrag, sowie weitere 8.186,75 DM brutto an Zuschlägen für November 1993 bis April 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt vertreten, nach der tariflichen Regelung seien § 7 Abs. 1 bis § 7 Abs. 5 MTV auf Arbeitnehmer, die regelmäßig im Schichtsystem arbeiteten, nicht anwendbar. Insoweit seien die Betriebspartner zu einer eigenständigen Regelung durch die Tarifvertragsparteien ermächtigt worden.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen wegen der bis dahin geltend gemachten 10.351,72 DM brutto. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage auch hinsichtlich der in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterung um weitere 8.186,75 DM brutto abgewiesen worden. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils und die darüber hinausgehende Verurteilung der Beklagten entsprechend der Klageerweiterung zweiter Instanz.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann für seine schichtplanmäßige Arbeit keine Zuschläge nach § 7 Abs. 3 MTV und § 7 Abs. 3 BMTV (im folgenden nur noch: MTV) verlangen. Die Zuschlagsregelungen in § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV finden auf planmäßige Schichtarbeit keine Anwendung.

I. § 7 Abs. 6 MTV bestimmt, daß für die planmäßige Arbeit im Schichtsystem anstelle der hierauf nicht anwendbaren vorangegangenen Zuschlagsbestimmungen eigene Vergütungsregelungen geschaffen werden sollen, und daß dies betrieblich zu geschehen hat. Der Regelungsinhalt von § 7 Abs. 6 MTV beschränkt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf, die Betriebsparteien zu ermächtigen, eine zusätzliche Vergütung für die Arbeit im Schichtsystem zu vereinbaren, die neben die je nach Schichtplanregelung anfallenden sonstigen Zuschläge nach § 7 Abs. 3 MTV tritt.

1. Schon der Wortlaut von § 7 Abs. 6 MTV spricht dafür, daß für alle mit planmäßiger Schichtarbeit typischerweise verbundenen Erschwernisse nicht die in § 7 Abs. 3 MTV vorgesehenen Zuschläge gezahlt werden sollen. Zu deren Ausgleich soll eine betriebliche Regelung getroffen werden. § 7 Abs. 6 MTV ermächtigt die Betriebspartner nicht nur dazu, für die Arbeit im Schichtdienst eine zusätzliche Zuschlagsregelung zu schaffen, die neben die Zuschlagsregelung des § 7 Abs. 3 MTV tritt. Die Vergütung für Arbeit im Schichtsystem wird insgesamt angesprochen und bestimmt, daß sie betrieblich geregelt werden soll.

2. Dieses Auslegungsergebnis wird durch systematische und tarifgeschichtliche Gesichtspunkte wesentlich unterstützt.

a) In der Überschrift des § 7 MTV werden “Überstunden, Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, Nachtarbeit, Schichtarbeit” gleichwertig nebeneinander erwähnt. Dies spricht dafür, daß alle mit diesen besonderen Formen der Arbeitsleistung normalerweise verbundenen Erschwernisse auch jeweils gesondert vergütet werden sollen. Zu planmäßiger Schichtarbeit gehört aber notwendigerweise auch regelmäßige Nachtarbeit sowie gelegentliche Sonn- und Feiertagsarbeit. Diese Erschwernisse sind deshalb nach dem Willen der Tarifvertragsparteien insgesamt mit der betrieblich zu vereinbarenden Schichtarbeitsvergütung abzugelten.

An diesem Hinweis der Überschrift des § 7 MTV auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien hat auch der am 1. Januar 1994 an dessen Stelle getretene § 7 BMTV nichts geändert. In der ansonsten im wesentlichen unveränderten Überschrift der Neuregelung findet sich das Wort Schichtarbeit zwar nicht. Dies hängt damit zusammen, daß der in Westdeutschland entwickelte Bundes-Manteltarifvertrag 1994 nur fortgeschrieben wurde. Dieser Tarifvertrag sah Schichtarbeitsregelungen insgesamt nicht vor. Ohne die nur im Osten Deutschlands noch von seiten der Wohnungswirtschaft betriebenen Fernheizungsanlagen ist Schichtarbeit in der Wohnungswirtschaft keine Tätigkeitsform, die einer tariflichen Sonderregelung bedürfte. Damit bestätigt auch die Neuregelung das Auslegungsergebnis: Die Tarifvertragsparteien wollten im Bereich der Wohnungswirtschaft keine Vergütungsregelung für Schichtarbeit treffen. Soweit aber in den neuen Bundesländern betrieblich noch Schichtarbeit gefahren werden muß, sollen dort betriebliche Regelungen geschaffen werden, um die Erschwernisse, die mit regelmäßiger Schichtarbeit verbunden sind, insgesamt finanziell auszugleichen.

b) Hierfür spricht auch, daß § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV für die während planmäßiger Schichtarbeit regelmäßig anfallende Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit erkennbar nicht geschaffen wurden. § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV gelten für außerplanmäßige, nach ihrem Umfang oder ihrer zeitlichen Lage mit besonderen Erschwernissen für den Arbeitnehmer verbundene Arbeitszeiten.

aa) Nach § 7 Abs. 1 MTV sind die im folgenden näher geregelten Überstunden, die Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen sowie Nachtarbeit grundsätzlich zu vermeiden. Solche Arbeiten können nur im Einzelfall unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen mit Zustimmung des Betriebsrates angeordnet werden. Solche besonderen Arbeitsleistungen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 4 MTV zuschlagspflichtig.

Die Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen sowie Nachtarbeit ist demgegenüber grundsätzlich nicht zu vermeiden, wenn planmäßige Schichtarbeit geleistet wird. Die in Fernheizkraftwerken erforderliche voll kontinuierliche Schicht läßt sich nur fahren, wenn regelmäßig Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit geleistet wird. Sogar im Zwei-Schichtbetrieb wäre Nachtarbeit unumgänglich, weil die Tarifvertragsparteien den Nachtarbeitszeitraum von 20.00 bis 6.00 Uhr festgelegt haben. Darüber hinaus werden Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit im Schichtbetrieb nicht aufgrund einer einzelfallbezogenen Arbeitgeberanordnung nach Zustimmung des Betriebsrats geleistet, sondern aufgrund eines – mitbestimmten – Schichtplanes.

bb) Auch § 7 Abs. 4 MTV ist nur verständlich, wenn man die zusätzliche Vergütung für planmäßige Schichtarbeit ausschließlich der betrieblichen Regelung nach § 7 Abs. 6 MTV überläßt. Bei einem anderen Verständnis müßten betrieblich vereinbarte Schichtarbeitszuschläge neben den Zuschlägen nach § 7 Abs. 3 MTV gezahlt werden. § 7 Abs. 4 MTV bestimmt nur für die in § 7 Abs. 3 MTV geregelten Zuschläge, daß dann, wenn mehrere Zuschläge für die gleiche Arbeitszeit zusammentreffen, allein der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen ist. Ein solches Ergebnis kann verständigen Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn ein Arbeitnehmer, der planwidrig an einem Sonntag Nachtarbeit zu leisten hat, nur insgesamt 100 % als Zuschlag nach § 7 Abs. 3 und Abs. 4 MTV erhält, während ein Schichtarbeiter, der planmäßig sonntags tagsüber arbeitet, 75 % tariflichen Zuschlag sowie einen betrieblich vereinbarten Schichtarbeitszuschlag zusätzlich erhielte.

cc) Auch § 7 Abs. 5 MTV paßt auf die planmäßige Arbeit im Schichtdienst nicht. Nach dieser Vorschrift sollen die Zuschläge in erster Linie durch Freizeit ausgeglichen werden. Nur ausnahmsweise und im gegenseitigen Einvernehmen soll auch eine Abgeltung in Geld erfolgen können. Ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis ist in der praktischen Durchführung ausgeschlossen, wendet man auf schichtplanmäßige Arbeit § 7 Abs. 3 und Abs. 5 MTV an. Da hiernach jede Nachtschichtwoche grundsätzlich durch eine Freischichtwoche ausgeglichen werden müßte, beliefe sich die tatsächliche Regelarbeitszeit eines Schichtarbeiters normalerweise nur auf 3/4 der tariflichen Arbeitszeit.

c) Auch die Tarifgeschichte spricht dafür, daß die Tarifvertragsparteien die zusätzliche Vergütung für die mit regelmäßiger Schichtarbeit verbundenen Erschwernisse insgesamt der betrieblichen Regelung überlassen wollten. Der vom Kläger vorgelegte Tarifvertragsenwurf der Gewerkschaft, der § 7 MTV vorangegangen ist, sah nach seinem Wortlaut zweifelsfrei eine zusätzliche Vergütung für Schichtdienstarbeit vor, die neben den in § 7 Abs. 3 MTV genannten Zuschlägen zu zahlen gewesen wäre. Dieser Regelungsvorschlag ist aber nicht Inhalt des Tarifvertrages geworden. § 7 Abs. 6 MTV hat nicht einmal die bei einem anderen Regelungswillen naheliegende Formulierung des Entwurfes aufgenommen, es gehe um eine zusätzliche Vergütung für Mehrschichtarbeitnehmer. Hiernach muß davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien den gesamten Bereich “Vergütung für planmäßige Schichtarbeit” aus dem Tarifvertrag ausgeklammert haben. Die Tarifvertragsparteien haben sich damit auch schon in den Formulierungen bewußt von den Regelungen abgesetzt, die sich vor 1991 in den einschlägigen Rahmenkollektivverträgen fanden. Auch dort war ausdrücklich geregelt worden, daß neben den allgemeinen Zuschlägen besondere Schichtarbeitszuschläge zu zahlen seien.

3. Die vom Kläger dem entgegengestellten Überlegungen überzeugen nicht. Es ist nicht zwingend, daß verständige Tarifvertragsparteien für Schichtarbeiter nur festgelegt haben könnten, daß die Zuschläge nach § 7 Abs. 3 MTV und zusätzlich etwaige von den Betriebspartnern vereinbarte Schichtarbeitszuschläge gezahlt werden müßten. Ein solcher Sinn und Zweck ist der tariflichen Regelung nicht zu entnehmen. Der Senat teilt auch nicht die dieser Überlegung zugrundeliegende Wertung: Wessen Regelarbeitszeit in einem Schichtplan geordnet ist, hat von vornherein seine vertragliche Arbeit zu verschiedenen Arbeitszeiten zu erbringen. Hierauf kann er sich einrichten. Das ändert nichts daran, daß Schichtarbeit als solche mit erheblichen Belastungen für die Arbeitnehmer verbunden ist. Hierfür verlangt der Tarifvertrag auch eine betrieblich geregelte Zuschlagsregelung. Die Belastung durch Sonn- oder Nachtarbeit, die ein Schichtarbeitnehmer vorhersehbar an bestimmten Tagen erbringen muß, kann aber nicht derjenigen gleichgestellt werden, die ein Arbeitnehmer durch planwidrige Sonn- oder Nachtarbeit hat, wenn er sonst planmäßig von montags bis freitags während der Normalarbeitszeit (§ 5 MTV) arbeitet, oder nach Schichtplan in der betreffenden Nacht oder an den betreffenden Sonn- oder Feiertagen frei hat.

Im übrigen führt das vom Senat bestätigte Verständnis des Landesarbeitsgerichts vom Regelungsinhalt des § 7 Abs. 6 MTV auch entgegen der Vorstellung des Klägers nicht dazu, daß der Kläger allein deshalb, weil er im Schichtdienst tätig ist, insgesamt von den Zuschlagsbestimmungen des § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV ausgeschlossen wäre. § 7 Abs. 6 MTV ordnet nur an, daß besondere Vergütungen für die im Schichtdienst geleistete planmäßige Arbeit ausschließlich aufgrund zu treffender betrieblicher Zusatzregelungen zu zahlen sind. Es geht also nur um die Arbeit, die aufgrund der Verteilung der tarifvertraglich geschuldeten Arbeitszeit in einem Schichtplan geleistet worden ist. Nur hierzu trifft der Tarifvertrag keine Regelung. Nur insoweit verlangen die Besonderheiten des Schichtsystems eine eigenständige Festlegung, welche die Tarifvertragsparteien den Betriebspartnern zugewiesen haben. Soweit Arbeitnehmer, die regelmäßig Schichtdienst leisten, außerplanmäßig für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit eingesetzt werden oder soweit sie länger arbeiten müssen, als dies tarifvertraglich von ihnen grundsätzlich verlangt werden kann, sind § 7 Abs. 1 bis Abs. 5 MTV anwendbar.

Damit erklärt sich auch die systematische Stellung von § 7 Abs. 7 MTV. Die Frage, von welcher Stunde an Überstundenzuschläge zu zahlen sind, stellt sich für Arbeitnehmer, die in der Normalarbeitszeit tätig sind ebenso wie für Arbeitnehmer, die regelmäßig Schichtdienst leisten.

II. § 7 Abs. 6 MTV begegnet keinen rechtlichen Bedenken aus dem Tarifvertragsrecht. Es ist Sache der Tarifvertragsparteien festzulegen, für welche Regelungsbereiche sie Bestimmungen schaffen wollen und für welche nicht. Den Tarifvertragsparteien steht es auch frei, auf eine Regelung der Vergütung für planmäßige Schichtarbeit ausdrücklich zu verzichten und sie den Betriebspartnern zu überantworten.

III. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, Nacht- oder Feiertagsarbeit außerhalb des Schichtplanes geleistet zu haben, für die er keine Zuschläge nach § 7 Abs. 3 MTV erhalten hat. Er hat vielmehr selbst vorgetragen, er habe die Zuschläge nach § 7 Abs. 3 MTV erhalten, wenn er für einen anderen Kollegen, also planwidrig, im Schichtdienst eingesetzt worden sei. Damit hat die Beklagte nur die ihr gegenüber dem Kläger tarifvertraglich obliegenden Pflichten erfüllt.

IV. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte zahlt grundsätzlich an alle im Schichtdienst tätigen Arbeitnehmer nur die Zuschläge, die sich aus der Betriebsvereinbarung vom 25. September 1992 ergeben. Im übrigen reicht der klägerische Vortrag, wonach andere Arbeitnehmer der Beklagten sowohl den Schichtzuschlag als auch die Samstags-, Sonntags- und Feiertagszuschläge erhalten haben sollen, nicht aus, gegenüber dieser grundsätzlich anderen Handhabung der Beklagten einen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte die entsprechenden Zuschläge bei außerplanmäßiger Schichtarbeit schuldet.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Martschin, Kaiser

 

Fundstellen

Haufe-Index 884857

BB 1998, 168

FA 1998, 65

NZA 1998, 270

RdA 1998, 127

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