Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnanspruch aus fingiertem Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn ein Unternehmer (Verleiher) einem anderen Unternehmer (Entleiher) Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind und ihre Arbeiten allein nach dessen Weisungen ausführen, liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor.

2. Von dieser Arbeitnehmerüberlassung ist die Tätigkeit eines Unternehmers als Subunternehmers aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages zu unterscheiden. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen weiterhin der Weisung des Subunternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen.

3. Ob die Arbeitskräfte im Rahmen eines Werkvertrages eingesetzt werden oder ob es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt, entscheidet sich nach dem Geschäftsinhalt der zwischen den beteiligten Unternehmern vereinbarten Verträge. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den schriftlichen Vereinbarungen der beteiligten Unternehmer als auch aus der praktischen Durchführung der Verträge ergeben. Widersprechen sich schriftliche Vereinbarung und tatsächliche Durchführung des Vertrages, so kommt es auf die tatsächliche Durchführung an. Diese ist für die Ermittlung des Vertragstypes maßgebend.

 

Normenkette

AÜG Art. 1 § 10 Abs. 1 Sätze 1, 4

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 31.03.1981; Aktenzeichen 3 Sa 115/80)

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 20.11.1979; Aktenzeichen 5 Ca 336/79)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Lohnzahlung aus einem nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gesetzlich fingierten Arbeitsvertrag.

Der Kläger war von Juli 1978 bis September 1978 bei der Firma IWK-R (GmbH in Gründung) als Montageschlosser beschäftigt. Inhaber der Firma, die Ende Oktober 1978 ihren Geschäftsbetrieb einstellte, war der Kaufmann P R. Die Firma IWK-R stand mit der Beklagten, einem Unternehmen der Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik in Geschäftsbeziehungen. In einem am 23./ 25. August 1978 mit der Beklagten geschlossenen Vertrag übernahm die Firma IWK-R den Transport und die Montage von Kanälen, Formstücken, Zu- und Abluftgeräten sowie die Montage von Lüftungs- und Wetterschutzgittern auf Baustellen der Beklagten in Duisburg und Münster. Es war vertraglich vereinbart, daß die Beklagte die Montageleistungen abnehmen mußte und sich die Gewährleistungshaftung nach den Regeln der VOB bzw. dem BGB richtete. Im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen entsandte die Firma IWK- Richter ihre Arbeitnehmer, darunter auch den Kläger, zu den Baustellen der Beklagten in Duisburg und Münster. Die Firma IWK- Richter besaß keine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG.

Der Kläger hat seine Lohnforderungen für den hier fraglichen Zeitraum zunächst gegen den Kaufmann P R eingeklagt und am 12. Dezember 1978 beim Arbeitsgericht Köln ein rechtskräftiges Versäumnisurteil über 187,50 DM netto und 9.686,88 DM brutto nebst Zinsen erstritten. Eine Vollstreckung blieb erfolglos.

Mit der am 5. April 1979 erhobenen Klage hat der Kläger Ansprüche auf Lohn und Fernauslösung für die Zeit seiner Tätigkeit auf den Baustellen in Duisburg und Münster gegen die Beklagte geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er sei auf den Baustellen in Duisburg und Münster nicht im Rahmen eines zwischen der Firma IWK-R und der Beklagten geschlossenen Werkvertrages als Arbeitnehmer der Firma IWK-R tätig geworden. Die Firma IWK-R habe ihn vielmehr als Leiharbeitnehmer an die Beklagte überlassen. Da die Firma IWK-R keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung habe, sei zwischen ihm und der Beklagten nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein gesetzlich fingiertes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Aus diesem Arbeitsverhältnis habe er gegen die Beklagte mindestens Anspruch auf den mit der Firma IWK-R vereinbarten Stundenlohn von 11,-- DM einschließlich der Überstundenzuschläge und der Auslösung. In der Zeit vom 28. August bis 1. September 1978 sei er 48 Stunden (einschließlich 8 Überstunden) auf der Baustelle der Beklagten in Duisburg und vom 4. bis 15. September 1978 96 Arbeitsstunden (einschließlich 16 Überstunden) auf der Baustelle der Beklagten in Münster tätig gewesen. Bei einem Stundenlohn von 11,-- DM mache dies einschließlich der Überstundenzuschläge einen Betrag von 1.650,-- DM brutto aus; die Auslösung für 4 Kalendertage und die Fernauslösung für 12 Kalendertage betrage insgesamt 605,-- DM netto.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 605,-- DM

netto und 1.650,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen

seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, zwischen ihr und dem Kläger bestehe kein Arbeitsverhältnis. Mit der Firma IWK-R habe sie lediglich einen Werkvertrag vereinbart. Der Kläger sei bei ihr daher nicht im Rahmen einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung tätig geworden. Etwaige Ansprüche des Klägers aus einem fingierten Arbeitsverhältnis seien zudem wegen Versäumung der Ausschlußfrist nach § 26 des Manteltarifvertrages für die Betriebe der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für das Land Rheinland-Pfalz vom 9. September 1959 (MTV) verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landearbeitsgericht hat dem Kläger durch Teilurteil Lohnansprüche und Überstundenvergütung in Höhe von 1.018,80 DM brutto und durch Schlußurteil eine Auslösung in Höhe von 438,-- DM netto zugesprochen; die weitergehende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen.

Mit ihren gegen das Teilurteil und das Schlußurteil eingelegten Revisionen, die der Senat zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen der Beklagten gegen das Teilurteil und das Schlußurteil sind nicht begründet. Dem Kläger stehen die Ansprüche in dem Umfang, wie sie das Landesarbeitsgericht zugesprochen hat, aufgrund eines gesetzlich fingierten Arbeitsvertrages nach Art. 1 § 10 AÜG zu. Diese Ansprüche sind auch nicht nach § 26 MTV verfallen.

I. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß zwischen dem Kläger und der Beklagten in der Zeit, in der der Kläger auf den Baustellen der Beklagten in Duisburg und Münster eingesetzt war, ein gesetzlich fingiertes Arbeitsverhältnis bestand.

1. Nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer geschlossene Arbeitsvertrag nach Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Dies wiederum ist der Fall, wenn der Arbeitgeber als Verleiher einem Dritten, dem Entleiher, Arbeitnehmer gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen hat, ohne die dazu erforderliche Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG zu besitzen.

a) Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Der Entleiher setzt sie nach seinen Vorstellungen und Zielen in seinem Betrieb wie seine eigenen Arbeitnehmer ein. Die Arbeitskräfte sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und führen ihre Arbeit allein nach den Weisungen des Entleihers aus.

Von dieser Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Unternehmers als Subunternehmer aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen weiterhin der Weisung des Subunternehmers; sie sind seine Erfüllungsgehilfen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden von dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfaßt (BAG 29, 7, 9 = AP Nr. 9 zu § 103 BetrVG 1972, zu II 1 b der Gründe; BAG 31, 135, 142 = AP Nr. 2 zu § 1 AÜG, zu II 1 c der Gründe; Becker/Wulfgramm, AÜG, 2. Aufl., Einl. Rz 30, Art. 1 § 1 Rz 35; Becker/Kreikebaum, Schriften zur AR-Blattei, Bd. 1 Zeitarbeit, S. 44 ff.; Sandmann/Marschall, AÜG, Art. 1 § 1 Anm. 10; Schubel/Engelbrecht, AÜG, Art. 1 § 1 Rz 28 b).

b) Über die danach gebotene Zurechnung des jeweils zwischen den beteiligten Unternehmern vereinbarten Vertrages zu einer dieser beiden Fallgruppen entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Beteiligten gewünschte Rechtsfolge. Nur aus dem Geschäftsinhalt ergibt sich der Vertragstyp.

Dieser Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus den schriftlichen Vereinbarungen der beteiligten Unternehmer als auch aus der praktischen Durchführung der Verträge ergeben. Widersprechen sich schriftliche Vereinbarung und tatsächliche Durchführung des Vertrages, ist die letztere maßgebend. Aus der praktischen Durchführung des Vertrages lassen sich nämlich am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind. Dabei kann der Senat an die Rechtsprechung anknüpfen, die zur Frage der Abgrenzung eines Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag ergangen ist; bei der Zuordnung des zwischen den Parteien vereinbarten Geschäftsinhaltes zu einer der beiden Vertragstypen wendet der Senat bei der Ermittlung dessen, was Vertragsinhalt ist, dieselben Grundsätze an (vgl. BAG 30, 163, 172 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 4 der Gründe; Urteil vom 13. Januar 1983 - 5 AZR 149/82 - AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe, die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

2. Das Berufungsgericht ist nach diesen Grundsätzen verfahren. Es hat festgestellt, daß die in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma IWK-R stehenden Arbeitnehmer auf den Baustellen der Beklagten in Duisburg und Münster der Aufsicht und Weisung von Angestellten der Beklagten unterstanden haben. Es hat weiter festgestellt, daß die Arbeiten ausschließlich mit dem von der Beklagten gestellten Material und überwiegend unter Verwendung des Werkzeugs der Beklagten verrichtet worden sind.

Die von der Revision gegen diese Feststellungen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Revision meint, das Berufungsgericht habe seine Feststellungen aufgrund der Beweisaufnahme nicht treffen dürfen. Damit greift die Revision unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Die Beweiswürdigung ist Sache des Richters der Tatsacheninstanz. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO muß das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung entscheiden, ob die behaupteten Tatsachen wahr sind. Das Revisionsgericht kann dabei lediglich nachprüfen, ob die Beweiswürdigung vollständig ist, ob wesentliche Beweisantritte übergangen sind oder ob die Beweiswürdigung gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 14, 206, 210 = AP Nr. 4 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß).

Das Urteil des Berufungsgerichts läßt solche Fehler nicht erkennen. Dort ist im einzelnen dargelegt, weshalb nach den Aussagen der Zeugen tatsächlich eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, daß nach den Aussagen der Zeugen auf den Baustellen zeitweise zwar auch Aufsichtspersonen der Firma IWK-R anwesend waren; diese haben aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich die von den Aufsichtspersonen der Beklagten erteilten Anweisungen an die Arbeitnehmer weitervermittelt.

3. Für diese Arbeitnehmerüberlassung hätte die Firma IWK-R einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG bedurft.

a) Die Erlaubnis ist erforderlich, wenn Arbeitgeber Dritten (Entleihern) gewerbsmäßig Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wollen. Unter gewerbsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG ist jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtete selbständige Tätigkeit zu verstehen (BAG 31, 135, 144; Becker/Wulfgramm, aaO, § 1 Rz 27-29; Sandmann/Marschall, aaO, § 1 Anm. 35). Dabei kommt es nicht darauf an, daß der Betrieb überwiegend auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung tätig ist; es genügt, daß die Arbeitnehmerüberlassung als solche im Einzelfall der Hauptzweck des Geschäftes ist (BAG 31, 135, 144; Becker/Wulfgramm, aaO, § 1 Rz 26 a; Sandmann/Marschall, aaO, § 1 Rz 35).

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Zweck der zwischen der Firma IWK-R und der Beklagten eingegangenen Geschäftsverbindung in der Überlassung von Arbeitskräften bestand. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, daß die Firma IWK-R in der kurzen Zeit ihrer Geschäftstätigkeit auf eigenen Baustellen tätig geworden ist bzw. nach ihrer materiellen Ausstattung in der Lage war, einen anderen Geschäfts- zweck als den der Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben.

c) Die Rüge der Revision, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO), ist nicht begründet. Nach den vom Berufungsgericht aufgrund der ausführlichen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen bedurfte es keiner weiteren Aufklärung mehr über solche Tatumstände, die sich auf die Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung beziehen.

4. Da die Firma IWK-R die zur Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis unstreitig nicht besaß, sind der zwischen ihr und der Beklagten geschlossene Verleihvertrag und der zwischen der Firma IWK-R und dem Kläger geschlossene Arbeitsvertrag unwirksam (Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG). Damit gilt ein Arbeitsvertrag zwischen der Beklagten (Entleiher) und dem Kläger (Leiharbeitnehmer) als zustande gekommen (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

II. Aus diesem Arbeitsverhältnis hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Lohn, Überstundenvergütung und Auslösung (§ 611 Abs. 1 BGB).

1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger an mindestens 12 Arbeitstagen auf den Baustellen der Beklagten tätig war und daß er dabei mindestens 120 Arbeitsstunden geleistet hat.

Gegen diese Feststellungen hat die Revision zulässige Verfahrensrügen nicht erhoben. Die Revision rügt zwar eine Verletzung der §§ 286 und 287 ZPO und meint, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe das Berufungsgericht die vom Kläger behauptete Arbeitsleistung allenfalls auf 75 Stunden an 7 bis 8 Arbeitstagen schätzen können. Die Revision verkennt hierbei, daß das Berufungsgericht den Umfang der Arbeitsleistung des Klägers nicht nach § 287 Abs. 2 ZPO geschätzt hat; vielmehr hat es nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO festgestellt, daß der Kläger in diesem zeitlichen Umfang auf den Baustellen in Duisburg und Münster gearbeitet hat. Diese Feststellung beruht auf den vorgelegten Arbeitsberichten und der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme.

2. In diesem Arbeitsverhältnis hat der Leiharbeitnehmer gegen den Entleiher zwar mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt (Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG). Das Berufungsgericht hat die vom Kläger behauptete Lohnvereinbarung aber nicht als erwiesen angesehen. Daher hat es Art. 1 § 10 Satz 4 AÜG herangezogen: Nach dieser Vorschrift bestimmt sich der Inhalt des fingierten Arbeitsverhältnisses nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen; sind solche nicht vorhanden, gelten diejenigen vergleichbarer Betriebe. Eine solche betriebliche Regelung hat das Berufungsgericht festgestellt. Es hat dem Kläger einen Stundenlohn von 7,51 DM und eine Auslösung je Arbeitstag von 36,50 DM zugesprochen. Insoweit hat der Kläger keine Revision eingelegt; die teilweise Abweisung der Klage ist damit rechtskräftig geworden. Aber auch die Beklagte hat gegen diesen Lohnsatz keine Einwendungen erhoben.

3. Diese Ansprüche des Klägers sind nicht nach § 26 MTV wegen Versäumung der Ausschlußfristen verfallen. Dieser Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis, das zwischen den Parteien zustande gekommen ist, keine Anwendung. Für den Betrieb der Beklagten gelten nur die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen.

Kraft Tarifrecht ist der Tarifvertrag nicht anwendbar. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Tarifgebunden sind nur die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist (§ 3 Abs. 1 TVG). Da der Kläger kein Mitglied einer Tarifvertragspartei war, ist er nicht tarifgebunden. Diese Tarifgebundenheit könnte nur dadurch ersetzt werden, daß der Tarifvertrag nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden wäre; das aber ist auch nicht der Fall.

Ob der Tarifvertrag dadurch zum Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist, daß üblicherweise alle Arbeitsverträge, die im Betrieb des Entleihers abgeschlossen werden, auf den Tarifvertrag Bezug nehmen, kann hier offenbleiben. Der Senat braucht keine Stellung zu nehmen zu der Frage, ob die betriebliche Übung insoweit eine den Inhalt dieses Arbeitsverhältnisses regelnde Vorschrift im Sinne von Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG ist. Denn die Beklagte hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, daß sie mit allen Arbeitnehmern auch die Anwendung des Tarifvertrages einschließlich der Ausschlußklausel vereinbart habe und daß insoweit eine betriebliche Übung bestehe. Daß die Beklagte sich bei der Bemessung der Lohnhöhe an den Tarif hielt, sagt noch nichts aus über die Inbezugnahme weiterer tariflicher Regelungen.

Dr. Heither Frau Michels-Holl Schneider

ist wegen Krankheit

an der Unterschrift

verhindert

Dr. Heither

Flachsenberg Werner

 

Fundstellen

BAGE 43, 102-109 (LT1-3)

BAGE, 102

DB 1983, 2420-2420 (LT1-3)

NJW 1984, 2912-2912 (LT1-3)

JR 1984, 528

SAE 1985, 71-74 (LT1-3)

USK, 83113 (ST1-3)

AP § 10 AÜG (LT1-3), Nr 5

AR-Blattei, ES 1100 Nr 15 (LT1-3)

AR-Blattei, Leiharbeitsverhältnis Entsch 15 (LT1-3)

ArbuR 1984, 348-350 (LT1-3)

EzAÜG, Nr 130 (LT1-3)

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