Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg für Klagen auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für Klagen auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG ist anders als für Klagen auf Berichtigung der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben (Abgrenzung zum Urteil des Senats vom 13. Juli 1988, 5 AZR 467/87 = BAGE 59, 169 = AP Nr 11 zu § 2 ArbGG 1979).

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung ist regelmäßig auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer bereits einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld gestellt hat.

3. § 73 Abs 2, § 65 ArbGG nF sind auf Übergangsfälle (Fälle, in denen der erste Rechtszug vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war) nicht anwendbar.

 

Normenkette

ZPO § 565; ArbGG §§ 88, 65; SGG § 84; AFG § 133 Abs. 1; ArbGG § 73 Abs. 2; GVG § 17a Abs. 5; ArbGG § 93 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 16.01.1990; Aktenzeichen 3 Sa 811/89)

ArbG München (Entscheidung vom 19.04.1989; Aktenzeichen 16 Ca 9576/88)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob für einen Anspruch des Klägers auf Erteilung (Ausstellung und Aushändigung) einer Arbeitsbescheinigung der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist.

Der Kläger arbeitete in der Zeit vom 10. Oktober 1986 bis zum 22. Juli 1988 im Betrieb der Beklagten. Sozialversicherungsbeiträge und Steuern führte die Beklagte nicht ab. Danach beantragte der Kläger vergeblich Arbeitslosengeld.

Der Kläger hat u.a. die Feststellung begehrt, daß im angegebenen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Weiter hat der Kläger, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Ar-

beitsbescheinigung gemäß § 133 AFG auszustellen

und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abgeändert, als die Beklagte zur Erteilung einer Arbeitsbescheinigung verurteilt worden ist. Auf den Hilfsantrag des Klägers hat es den Rechtsstreit an das Sozialgericht München verwiesen. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist für Klagen auf Erteilung (Ausstellung und Aushändigung) von Arbeitsbescheinigungen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben.

1.§ 73 Abs. 2, § 65 ArbGG n. F. verwehren dem Senat nicht die Prüfung, welcher Rechtsweg gegeben ist. Vielmehr bleibt insoweit das bisherige Recht maßgebend. Durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) sind die Rechtswegvorschriften aller Verfahrensordnungen geändert worden. Nunmehr bestimmen § 65, § 73 Abs. 2, § 88, § 93 Abs. 2 ArbGG n. F., daß das Rechtsmittelgericht nicht prüft, "ob der beschrittene Rechtsweg und die Verfahrensart zulässig sind". Diese Bestimmungen sind am 1. Januar 1991, also nach der Verkündung der vorinstanzlichen Entscheidungen, in Kraft getreten (Art. 23 4. VwGOÄndG).

In seinem Urteil vom 14. Februar 1991 (2 AZR 363/90 n. v.) hat der Zweite Senat zu § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG n.F. die Auffassung vertreten, das Revisionsgericht sei an die Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit durch das Landesarbeitsgericht gebunden. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28. Februar 1991 (III ZR 53/90, NJW 1991, 1686) zu § 17 a Abs. 5 GVG n.F. entschieden, daß die genannte Vorschrift auf Fälle, in denen die geänderten Rechtswegvorschriften bei Abschluß des ersten Rechtszuges noch nicht in Kraft getreten waren, keine Anwendung findet. Unter Berufung auf diese Entscheidung sind der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 24. Juli 1991 (7 AZR 61/90 n.v.) und der Erste Senat in seinem Beschluß vom 20. August 1991 (1 ABR 85/90, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe) zu der Auffassung gelangt, daß die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes, wonach das Rechtsmittelgericht nicht prüft, ob die gewählte Verfahrensart zulässig ist, auf Fälle, in denen der erste Rechtszug vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war, noch keine Anwendung finden.

Dem Bundesgerichtshof und dem Ersten und Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts ist zu folgen. Maßgebend ist das bisherige Recht. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Zwar trifft es zu, daß das 4. VwGOÄndG vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) zur Frage der Prüfungskompetenz keine ausdrücklichen Überleitungsvorschriften enthält. Jedoch können sich Ausnahmen von dem Grundsatz, daß Änderungen des Prozeßrechts im allgemeinen auch schwebende Verfahren erfassen, aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozeßrechts ergeben (BGH, aaO, zu II 1 b aa der Gründe). So liegen die Dinge hier. § 65 ArbGG, auf den § 73 Abs. 2 ArbGG n. F. verweist, steht ebenso wie § 17 a Abs. 5 GVG n. F. in engem Zusammenhang mit den nach § 48 Abs. 1 ArbGG n. F. auch im Arbeitsgerichtsverfahren anwendbaren Regelungen des § 17 a Abs. 1 bis 4 GVG n. F. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges wird danach vorab durch beschwerdefähigen Beschluß entschieden. Die Entscheidung in diesem Vorverfahren bindet alle Gerichtszweige und Instanzen. Nach der Neuregelung kann es zu einer erstinstanzlichen Sachentscheidung erst dann kommen, wenn die Frage des Rechtsweges abschließend geklärt worden ist. Die Prüfungskompetenz des Rechtsmittelgerichts ist beschränkt, weil der Gesetzgeber für die Prüfung des Rechtsweges ein besonderes Verfahren zur Verfügung gestellt hat. § 65 ArbGG n. F. und § 17 a Abs. 5 GVG n. F. sind daher nicht anzuwenden, wenn es bei Erlaß des erstinstanzlichen Urteils dieses besondere Verfahren noch nicht gab, das erstinstanzliche Verfahren also bereits vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war (BGH, aaO, zur Anwendbarkeit des § 17 a Abs. 5 GVG n. F.).

Weiter weist der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang noch zutreffend auf Art. 21 Satz 2 des 4. VwGOÄndG hin. Danach richtet sich "die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung ... nach den bisher geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes verkündet ... worden ist". Zwar ist diese Vorschrift hier nicht unmittelbar anwendbar, da es nicht um die Zulässigkeit des Rechtsmittels geht. Würden § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG n. F. dem Senat die Prüfung verwehren, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, so wäre nicht die Zulässigkeit der Revision, sondern deren Begründetheit zu verneinen. Der Sinn des Art. 21 des 4. VwGOÄndG besteht darin, der unterlegenen Partei die nach bisherigem Recht eröffnete Möglichkeit zur Überprüfung der angegriffenen Entscheidung zu erhalten. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn das Revisionsgericht in Fällen wie dem vorliegenden an der Überprüfung der Rechtswegzuständigkeit gehindert wäre.

Schließlich führte die Auffassung des Zweiten Senats entgegen den Grundgedanken des alten und neuen Rechts zu einer Verkürzung des Instanzenzugs ausschließlich für Übergangsfälle. Wären die § 65, § 73 Abs. 2 ArbGG n.F. auch auf Fälle anwendbar, in denen das erstinstanzliche Verfahren vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war, das Rechtsmittelgericht aber nach diesem Zeitpunkt entscheidet, so würde die Rechtswegzuständigkeit unter Umständen nur einmal geprüft werden, nämlich vom Arbeitsgericht. Die Rechtsmittelgerichte wären an einer Überprüfung gehindert. Nach altem Recht standen den Parteien für die Prüfung der Rechtswegzuständigkeit zwei oder drei Instanzen zur Verfügung (je nach dem, ob die Revision zugelassen wurde, und ob das Landesarbeitsgericht - im Verhältnis zu den ordentlichen Gerichten - die Rechtswegzuständigkeit bejaht oder verneint hatte, vgl. § 73 Abs. 2 ArbGG a.F.). Auch nach § 17 a Abs. 4 GVG n.F., auf den § 48 Abs. 1 ArbGG n. F. verweist, stehen für die Prüfung zwei oder drei Rechtszüge - in einem besonders ausgestalteten Beschwerdeverfahren - zur Verfügung. Nach Auffassung des erkennenden Senats läßt sich nicht rechtfertigen, nur in Übergangsfällen die Überprüfungsmöglichkeiten der Rechtsmittelinstanzen auszuschließen, während in "Altfällen" und in "Neufällen" die Rechtswegzuständigkeit jeweils noch in zweiter, unter Umständen auch in dritter Instanz überprüft werden konnte oder kann.

Einer Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 ArbGG bedurfte es nicht, da der Zweite Senat auf Anfrage der Abweichung durch Beschluß vom 19. Dezember 1991 (2 AZR 363/90) zugestimmt hat (§ 7 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Bundesarbeitsgerichts).

2.Für Klagen auf Erteilung (Ausstellung und Aushändigung) von Arbeitsbescheinigungen nach § 133 AFG sind die Arbeitsgerichte zuständig.

a)Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG i.d.F. des Gesetzes vom 2. Juli 1979 (BGBl I S. 853) sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern "über Arbeitspapiere". Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. Juli 1988 (- 5 AZR 467/87 - BAGE 59, 169 = AP Nr. 11 zu § 2 ArbGG 1979) näher ausgeführt hat, wollte der Gesetzgeber damit alle Streitigkeiten über Arbeitspapiere den Arbeitsgerichten zuweisen, nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 1. April 1976 (- 4 AZR 96/75 - BAGE 28, 83 = AP Nr. 34 zu § 138 BGB) für eine Klage auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für gegeben erachtet hatte. Wegen des eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, die Arbeitsgerichte seien kraft Zuweisung für alle Rechtsstreitigkeiten um Arbeitspapiere unabhängig davon zuständig, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten handelt.

Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist vielmehr nur dann gegeben, wenn es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit um Arbeitspapiere handelt. Die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 4. Juni 1974, BSGE 37, 292 = AP Nr. 3 zu § 405 RVO; BGHZ 103, 255, 256 f., m.w.N.). Entscheidend ist darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge, wenn es wie hier um die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit geht, von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des Sozialrechts geprägt wird (BGHZ 89, 250, 252; Senatsurteil vom 13. Juli 1988 - 5 AZR 467/87 - BAGE 59, 169, 172 = AP, aaO, zu II 2 a der Gründe).

b)In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat durch Urteil vom 13. Juli 1988 (aaO) entschieden, daß für Klagen auf Berichtigung einer gemäß § 133 Abs. 1 AFG zu erteilenden Arbeitsbescheinigung der Rechtsweg zu den Sozialgerichten und nicht zu den Arbeitsgerichten gegeben ist, da alle mit dem Inhalt einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs. 1 AFG zusammenhängenden Fragen öffentlich-rechtlicher Natur sind. Dieser Auffassung hat sich das Bundessozialgericht mit Urteil vom 12. Dezember 1990 (- 11 RAr 43/88 - NJW 1991, 2101 = NZA 1991, 696) angeschlossen. Demgegenüber hat der Senat in zwei Urteilen vom 13. März 1991 (- 5 AZR 160/90, 161/90 -, beide n.v.) für Klagen auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für gegeben erachtet, und zwar unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Auch die Instanzgerichte unterscheiden beim Rechtsweg überwiegend zwischen Klagen auf Erteilung (Ausstellung und Herausgabe) und solchen auf Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung (LAG Frankfurt am Main, Beschluß vom 5. Januar 1983 - 8 Ta 295/82 - BB 1983, 2186 = AR-Blattei D Arbeitsbescheinigung, Entsch. 2 b; LAG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 9. Oktober 1986 - 3 Ta 142/86 - DB 1987, 896; LAG Berlin, Urteil vom 20. Juli 1987 - 9 Sa 47/87 - LAGE Nr. 5 zu § 2 ArbGG 1979; wohl auch LAG Köln, Beschluß vom 19. Juli 1988 - 2 Ta 126/88 - NZA 1989, 152; a.A. (Zuständigkeit der Sozialgerichte auch für Klagen auf Erteilung) LAG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 1982 - 14 Sa 1022/82 - EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 2; LAG Köln, Urteil vom 8. November 1989 - 5 Sa 716/89 - LAGE Nr. 8 zu § 2 ArbGG). In der Literatur sind die Auffassungen geteilt. Während einige wie der Senat differenzieren (Grunsky, ArbGG, 6. Aufl. 1990, § 2 Rz 104; Bader in GK-ArbGG, Stand März 1991, § 2 Anm. 8 e; Bürger, AR-Blattei D Arbeitsbescheinigung, Anm. zu Entsch. 2; Becker-Schaffner, DB 1983, 1304, 1308; ebenso wohl auch Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., 1987, S. 1012), halten andere bei allen Streitigkeiten um Arbeitsbescheinigungen den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für gegeben (Kissel, GVG, § 13 Rz 194; Knipp, AR-Blattei D Arbeitsbescheinigung I F 2; Wenzel, ArbuR 1979, 225, 226), wieder andere den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rz 76 ff.; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., Vorbem. § 620 Rz 188; Gagel, AFG, Stand Mai 1991, § 133 Rz 11; Knigge/ Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG, 2. Aufl. 1988, § 133 Rz 8; Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, Stand Mai 1990, § 133 Rz 4; Philippsen/Schmidt/Schäfer/Busch, NJW 1979, 1330; Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1991, 623, 626).

c)Der Senat hält an der Auffassung fest, daß für Klagen auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs. 1 AFG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten, für Klagen auf Berichtigung einer solchen Arbeitsbescheinigung dagegen der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist.

Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend: § 133 AFG begründet eine gegenüber der Arbeitsverwaltung bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung (Indienstnahme) des Arbeitgebers, bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung mit den dort geforderten Angaben auszustellen (Senatsurteil vom 13. Juli 1988 - 5 AZR 467/87 - BAGE 59, 169, 172 f. = AP Nr. 11 zu § 2 ArbGG 1979; BSGE 49, 291, 293; BSG Urteil vom 12. Dezember 1990 - 11 RAr 43/88 - NJW 1991, 2101 = NZA 1991, 696). Der Arbeitnehmer ist in die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitsverwaltung insoweit eingebunden, als der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs. 1 Satz 5 AFG dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat, dieser sie entgegenzunehmen und bei der Stellung des Antrages auf Gewährung von Arbeitslosengeld vorzulegen hat, wenn er sie in Besitz hat (§ 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I).

Von diesen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitsverwaltung sind die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu unterscheiden. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß öffentlich-rechtliche Bestimmungen zugleich auch verpflichtende Wirkung für die privatrechtlichen Beziehungen der Parteien des Arbeitsverhältnisses haben können. Öffentlich-rechtliche Vorschriften können zugleich Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer sein. Sie gestalten (konkretisieren) die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (BAG Urteil vom 2. Juni 1960 - 2 AZR 168/59 - AP Nr. 56 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Urteil vom 30. Januar 1969 - 5 AZR 229/68 - AP Nr. 1 zu § 47 LStDV; BAGE 22, 332 = AP Nr. 79 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Urteil vom 9. Dezember 1976 - 3 AZR 371/75 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Erstattung; BAGE 45, 228 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979; Germelmann/ Matthes/Prütting, ArbGG, § 2 Rz 77). Dies gilt gerade auch für die Verpflichtung zur Ausfüllung und Herausgabe von Bescheinigungen, die der Erlangung sozialrechtlicher Leistungen dienen. Das Rechtsverhältnis, aus dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erteilung (Ausfüllung und Herausgabe) einer Arbeitsbescheinigung herleitet, wird von den Rechtssätzen des Arbeitsrechts geprägt und ist demnach bürgerlich-rechtlich.

Erteilung bedeutet in aller Regel die vollständige - mit Unterschrift und Datumsangabe versehene - Beantwortung aller Fragen des amtlichen Formblattes. Dabei ist zu beachten, daß eine Frage auch dann beantwortet ist, wenn sie der Arbeitgeber mit "nein", "entfällt" oder mit "nicht betreffend" beantwortet (Bürger, AR-Blattei D Arbeitsbescheinigung, Anm. zu Entsch. 2). Von den Rechtsstreitigkeiten um die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung sind zu unterscheiden alle Rechtsstreitigkeiten, in denen es um den zutreffenden Inhalt der Arbeitsbescheinigung geht, insbesondere also Klagen auf Berichtigung; diese sind von Rechtssätzen des Sozialrechts geprägt und daher von den Sozialgerichten zu entscheiden.

Gegen eine auch nur eingeschränkte Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist eingewandt worden, daß die Verpflichtungen des Arbeitgebers in bezug auf die Arbeitsbescheinigung einem Vergleich nicht zugänglich seien (so Kissel, GVG, § 13 Rz 194). Diese Auffassung trifft für die Erteilung der Arbeitsbescheinigung nicht zu. Der Arbeitnehmer kann sich über seinen Anspruch auf Erteilung der Arbeitsbescheinigung vergleichen. Ein solcher Vergleich hat aber keine Auswirkungen auf die Ansprüche der Arbeitsverwaltung. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, daß Vergleiche, in denen Arbeitnehmer auf ihren Anspruch auf Erteilung der Arbeitspapiere verzichten, in der arbeitsgerichtlichen Praxis nicht vorkommen.

Für die unterschiedliche Behandlung von Ansprüchen auf Erteilung von Arbeitsbescheinigungen einerseits und ihre Berichtigung andererseits sprechen auch praktische Erwägungen. Vielfach werden - wie auch im Streitfall - Ansprüche auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung zusammen mit anderen unzweifelhaft vor die Arbeitsgerichte gehörenden Ansprüche geltend gemacht. Es würde eine Vermehrung der Anzahl der Prozesse bedeuten, wollte man die Arbeitnehmer wegen des bloßen Anspruchs auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung vor die Sozialgerichte verweisen. Schließlich trägt die Auffassung des Senats insoweit dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, der mit der Neufassung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für derartige Streitigkeiten begründen wollte.

3.Das Rechtsschutzinteresse für die Klage auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung ist zu bejahen.

Es handelt sich dabei um eine Leistungsklage. Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage ergibt sich regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs. Jedoch können besondere Umstände das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen (BGH Urteil vom 19. Januar 1984 - I ZR 209/81 - MdR 1984, 645; Urteil vom 9. April 1987 - I ZR 44/85 - NJW 1987, 3138, 3139; Urteil vom 1. Juli 1987 - VIII ZR 194/86 - MdR 1988, 46). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor.

Das Bundessozialgericht (Urteil vom 12. Dezember 1990 - 11 RAr 43/88 -, aaO) hält im Anschluß an Gagel (AFG, § 133 Anm. 14 ff.) ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Berichtigung dann nicht für gegeben, wenn ein Verwaltungsverfahren läuft. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Arbeitsverwaltung müsse im Rahmen dieses Verfahrens ohnehin ermitteln (§ 20 SGB X). Zweck der Arbeitsbescheinigungen nach § 133 AFG sei es, dem Arbeitsamt die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen anhand einer Auskunft des Arbeitgebers zu ermöglichen. Die Arbeitsbescheinigung sei als solche nicht Voraussetzung für das Bestehen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Die Voraussetzungen ergäben sich vielmehr aus den §§ 100 ff. AFG. Damit habe der Arbeitslose Gelegenheit, im Leistungsverfahren seine Einwendungen gegen die Richtigkeit der Arbeitsbescheinigung vorzutragen. Die Bundesanstalt sei an den Inhalt der Bescheinigung nicht gebunden. Die Zwischenschaltung eines gegen den Arbeitgeber gerichteten Verfahrens könne dem Zweck der Arbeitsbescheinigung (Beschleunigung, Beweissicherung) nicht dienen.

Diese Erwägungen sind entgegen dem Bundessozialgericht (aaO) und entgegen Gagel (aaO) auf die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung nicht übertragbar. Die Arbeitsverwaltung muß zwar nach § 20 SGB X ermitteln. Diese Ermittlungen werden ihr aber bei Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung wesentlich erleichtert. Der Arbeitnehmer kann vor den Arbeitsgerichten einen vollstreckbaren Titel auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung unter Umständen schon binnen kurzer Frist erlangen, insbesondere wenn er seinen Anspruch im Einstweiligen-Verfügungs-Verfahren geltend macht. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Arbeitsverwaltung ihrer Verpflichtung zur Ermittlung nicht immer (rechtzeitig und im erforderlichen Umfang) nachkommt. Die Praxis zeigt, daß die Arbeitsämter Anträge auf Gewährung von Arbeitslosengeld vielfach zunächst nicht weiterbearbeiten, wenn eine Arbeitsbescheinigung nicht vorliegt, und die Arbeitnehmer darauf verwiesen werden, Klage auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung zu erheben. Doch unabhängig davon ist festzuhalten: Der wichtigste Zweck der Arbeitsbescheinigung, das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, wird im Regelfall durch die arbeitsgerichtliche Verurteilung des Arbeitgebers zur Erteilung der Bescheinigung gefördert. Die Erteilung der Arbeitsbescheinigung ist also für den Arbeitnehmer keinesfalls nutzlos.

Im vorliegenden Fall ist allerdings absehbar, daß es nach der Erteilung der Arbeitsbescheinigung zu weiterem Streit über deren Inhalt kommt. Dies ergibt sich schon aus den weit auseinandergehenden Behauptungen zur Dauer der Arbeitszeit im vorliegenden Verfahren. Gleichwohl ist auch in solchen Fällen das Rechtsschutzinteresse für eine Klage auf Erteilung der Bescheinigung zu bejahen. Die Bescheinigung kann auch in solchen Fällen eine, wenn auch eingeschränkte, Bedeutung haben. Der Arbeitslose kann wenigstens dann einen Teil der beanspruchten Leistungen beschleunigt erhalten.

Damit weicht der Senat von der Rechtsauffassung ab, die das Bundessozialgericht im Urteil vom 12. Dezember 1990 (- 11 RAr 43/88 - NJW 1991, 2101, 2102) geäußert hat. Dies kann er ohne Verstoß gegen § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I S. 661) tun, da diese Auffassung für die Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht tragend war. Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur lösen derartige nur beiläufig geäußerte, die Entscheidung nicht tragende Rechtsausführungen keine Vorlagepflichten aus (Schlüter, Das obiter dictum, 1973, S. 41 ff.; Schulte, Rechtsprechungseinheit als Verfassungsauftrag, 1986, S. 111 ff.). Wie sich aus der Entstehungsgeschichte ergibt, lag diese Auffassung auch der Schaffung des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 zugrunde (Schlüter, aaO, S. 44; Schulte, aaO, S. 112).

Nach alledem ist die Klage auf Erteilung (Ausstellung und Herausgabe) der Arbeitsbescheinigung zulässig, so daß das Landesarbeitsgericht den Rechtsstreit zu Unrecht an das Sozialgericht München verwiesen hat.

4.Dieser Mangel des angefochtenen Urteils zwingt indessen nicht zu einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Vielmehr kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Im allgemeinen darf zwar das Revisionsgericht gemäß § 565 ZPO auf die Begründetheit der Klage nicht eingehen, wenn das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage zu Unrecht verneint. Wie der Bundesgerichtshof jedoch bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist dies ausnahmsweise dann zulässig, wenn sich im Parteivorbringen oder in den vom Berufungsgericht in seinen Ausführungen zur Zulässigkeit oder zu einem anderen Streitgegenstand unanfechtbar getroffenen Feststellungen der revisionsrichterlichen Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet, und auch im Falle der Zurückverweisung der Sache kein anderes Ergebnis als das von dem Revisionsgericht durch seine Sachentscheidung herbeigeführte möglich erscheint (BGHZ 33, 398, 401; 46, 281, 285; BGH Urteil vom 14. März 1978 - VI ZR 68/76 - NJW 1978, 2031, 2032). Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz zwar bisher überwiegend nur auf Fälle angewandt, in denen er die Klage abgewiesen hat. Es bestehen jedoch keine Bedenken, dem Revisionsgericht unter den genannten Voraussetzungen auch eine klagestattgebende Entscheidung zu ermöglichen (ebenso BGH Urteil vom 5. Dezember 1975 - I ZR 122/74 - MdR 1976, 469, 470; BAG Urteil vom 13. Januar 1982 - 7 AZR 744/79 -, nicht veröffentlicht; Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl. 1991, § 565 Rz 11).

Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch den Senat sind hier gegeben. Die Vorinstanzen sind aufgrund ihrer tatsächlichen Feststellungen zu der Auffassung gelangt, daß zwischen den Parteien während der Zeit, in der der Kläger für die Beklagte tätig war, ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dagegen wendet sich die Beklagte nicht. Dieses Arbeitsverhältnis ist beendet. Damit liegen sämtliche Voraussetzungen für den aus der Fürsorgepflicht abgeleiteten Anspruch auf Erteilung (Ausstellung und Aushändigung) einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG vor.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke

Kreienbaum Dr. Kappes

 

Fundstellen

Haufe-Index 439806

BAGE 69, 204-214 (LT1-3)

BAGE, 204

DB 1992, 2199-2200 (LT1-3)

JR 1992, 528

JR 1992, 528 (S)

NZA 1992, 996

NZA 1992, 996-999 (LT1-3)

RdA 1992, 221

AP § 2 ArbGG 1979 (LT1-3), Nr 21

AR-Blattei, ES 150 Nr 4 (LT1-3)

DBlR 3921a, AFG/§ 133 (LT1-2)

EzA § 133 AFG, Nr 5 (LT1-3)

EzS 20, 18 (LT1-3)

MDR 1993, 58 (LT1-3)

SGb 1992, 546 (L)

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