Entscheidungsstichwort (Thema)

Einmalzahlung. Verminderung für Zeiten ohne Bezüge

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einmalzahlung nach § 8 des Tarifvertrags Nr. 417 zur Änderung des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost hat Lohncharakter. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, soweit sie eine Verminderung der Einmalzahlung um ein Viertel für jeden Kalendermonat vorschreibt, für den der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge gehabt hat. Dies gilt auch, soweit von der Verminderung Frauen betroffen sind, die einen Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld haben.

 

Normenkette

Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) vom 6. Januar 1955 § 11; Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang) vom 21. März 1961 § 27; Tarifvertrag Nr. 417 (TV) zur Änderung des TV Arb vom 7. Mai 1992 § 8; MuSchG §§ 3, 6, 11, 14; LFZG § 1 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1; BUrlG § 11; EGVtr Art. 119 (jetzt Art. 141 EG); GG Art. 3, 6 Abs. 4; BGB §§ 611, 614

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.03.1995; Aktenzeichen 5 (4) Sa 1692/94)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 01.09.1994; Aktenzeichen 9 Ca 3309/94)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. März 1995 – 5 (4) Sa 1692/94 – wird zurückgewiesen.
  • Auf die Revision der Beklagten wird das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
  • Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. September 1994 – 9 Ca 3309/94 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als das Landesarbeitsgericht ihr diese noch nicht auferlegt hat.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin während des Mutterschutzes Anspruch auf eine ungekürzte tarifliche Einmalzahlung und auf einen Sozialzuschlag ab dem Monat der Geburt ihres Kindes hat.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Fernmeldehandwerkerin beschäftigt. Sie befand sich vom 21. November 1991 bis zum 14. Februar 1992 im Mutterschutz und erhielt für diesen Zeitraum Mutterschaftsgeld sowie von der Beklagten den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 MuSchG. Am 20. Dezember 1991 gebar sie ihr Kind.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) Anwendung, dessen § 11 u.a. lautet:

Neben dem Lohn erhält der Arbeiter einen Sozialzuschlag für die Kinder, die bei einem Angestellten der Deutschen Bundespost nach den für sie jeweils geltenden Bestimmungen für die Zuordnung zu den Stufen des Ortszuschlages zu berücksichtigen wären.

§ 27 Abs. 2 Satz 1 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang) bestimmt:

Der Ortszuschlag einer höheren Stufe wird vom Ersten des Monats an gezahlt, in den das für die Erhöhung maßgebende Ereignis fällt.

Im Tarifvertrag Nr. 417 (TV) zur Änderung des TV Arb vom 7. Mai 1992, der im wesentlichen eine Tariflohnerhöhung ab dem 1. Mai 1992 zum Inhalt hatte, lautet § 8 u.a.:

Einmalzahlung

  • Angestellte der Vergütungsgruppen X bis III und Arbeiter, die unter den Geltungsbereich des TV Ang bzw. TV Arb fallen, erhalten eine Einmalzahlung, wenn sie am 1. Januar 1992 schon und am 1. Mai 1992 noch in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben.

  • Die Einmalzahlung beträgt … für Arbeiter 750 DM; …

    (UA 5) Die Einmalzahlung vermindert sich um ein Viertel für jeden vollen Kalendermonat, für den der Angestellte bzw. Arbeiter keinen Anspruch auf Bezüge (Vergütung bzw. Lohn, Urlaubsvergütung bzw. Urlaubslohn oder Krankenbezüge) gehabt hat. In den Fällen des Absatzes 1 Unterabs. 2 vermindert sie sich ferner für jeden nach dem 31. Dezember 1991 und vor dem ersten vollen Kalendermonat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonat um ein Viertel.

Am 15. Februar 1992 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Seit diesem Zeitpunkt erhält sie den kinderbezogenen Sozialzuschlag. Die Einmalzahlung kürzte die Beklagte um ein Viertel, weil die Klägerin im Januar 1992 keinen Anspruch auf Bezüge gehabt habe.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Zahlung des auf den Januar 1992 entfallenden Anteils der Einmalzahlung sowie auf Zahlung des kinderbezogenen Sozialzuschlags für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis zum 14. Februar 1992. Die Einmalzahlung und der Sozialzuschlag seien Verdiensterhöhungen, die nicht davon abhängig gemacht werden könnten, daß ein Anspruch auf Lohn oder eine Lohnersatzleistung bestehe. Jedenfalls müsse die Zeit der Gewährung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld aus Gründen der Gleichbehandlung und zur Vermeidung einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung berücksichtigt werden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  • den Differenzbetrag zur Einmalzahlung in Höhe von 187,50 DM und
  • den Sozialzuschlag in Höhe von 307,98 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben, soweit sie auf die Zahlung der anteiligen Einmalzahlung gerichtet ist, und sie im übrigen abgewiesen. Mit ihren Revisionen begehren die Parteien die Aufhebung des sie jeweils belastenden Teils des Berufungsurteils und stellen ihre bisherigen Anträge.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils zur Klageabweisung. Die Revision der Klägerin bleibt dagegen erfolglos.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe Anspruch auf die ungekürzte Einmalzahlung nach § 8 Abs. 1 TV. § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV sei insoweit nichtig als er eine Verminderung der Einmalzahlung um ein Viertel auch für Zeiten vorsehe, für die ein Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG bestehe. Dies verstoße gegen Sinn und Zweck des Mutterschutzgesetzes, Frauen wegen der Schwangerschaft vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, was auch in bezug auf einmalige Jahressonderzuwendungen gelte.

Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht zu folgen.

1. Die Beklagte war nach § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV berechtigt, die Einmalzahlung zu kürzen. Nach dieser Bestimmung vermindert sich die Einmalzahlung um ein Viertel für jeden Kalendermonat, für den der Arbeiter keinen Anspruch auf Bezüge gehabt hat. Die Auslegung dieser Tarifnorm ergibt, daß der Klägerin für den Monat Januar 1992 keine Bezüge zustanden. Die Tarifvertragsparteien haben dem Begriff der Bezüge den Klammerzusatz “Vergütung bzw. Lohn, Urlaubsvergütung bzw. Urlaubslohn oder Krankenbezüge” beigefügt. Dadurch haben sie diesen Begriff abschließend dahin definiert, daß es sich um Ansprüche auf Vergütung als Gegenleistung für erbrachte Tätigkeit oder Ansprüche des Arbeiters auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit (§ 1 Abs. 1 LohnfortzahlungsG, § 3 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG) oder auf Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG) gehandelt haben muß. Die Klägerin erhielt aber Mutterschaftsgeld sowie vom Beklagten einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG. Beides zählt nicht zu den Bezügen, wie sie die Tarifvertragsparteien als Anspruchsvoraussetzung abschließend definiert haben.

2. Diese Kürzungsregelung verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen höherrangiges Recht.

a) § 14 MuSchG ist nicht verletzt.

aa) Die vom Berufungsgericht geprüfte und bejahte Frage, ob die Kürzung unzulässig sei, weil die Leistung nach § 8 Abs. 1 u. 2 TV eine Sonderzuwendung mit Gratifikationscharakter ist, stellt sich nicht. Bei der Einmalzahlung handelt es sich um Lohn.

§ 8 Abs. 1 TV gewährt für die Monate Januar bis April 1992 eine pauschalierte Erhöhung der Vergütung und nicht, wie das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen hat, eine einmalige Jahressonderleistung.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Einmalzahlung zusammen mit der linearen Lohnerhöhung geregelt wurde, und daraus geschlossen, daß durch diese Leistung entgangene prozentuale Erhöhungen in den ersten vier Monaten des Jahres 1992 ausgeglichen werden sollten. Die weiteren Gesichtspunkte, auf die das Landesarbeitsgericht für seine Entscheidung abgestellt hat, sind demgegenüber nicht entscheidend. Daß im Tarifvertrag nicht exakt an die Vergütungsgruppen angeknüpft und die Gesamtversorgungsfähigkeit und Maßgeblichkeit für die Bemessung sonstiger Leistungen ausgeschlossen wird (§ 8 Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 4 TV), läßt sich zwanglos mit dem Vereinfachungszweck erklären, den Tarifvertragsparteien mit einer Pauschalierung verfolgen. Demgegenüber sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen den Lohncharakter der Einmalzahlung sprechen. Allein daraus, daß die Leistung bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 1. Mai 1992 nicht zusteht, läßt sich dies nicht schließen. Der auf anteilige Kürzung gerichtete Grundsatz der Regelung spricht dagegen, daß auch die vom Arbeitnehmer erbrachte Betriebstreue bis zum 1. Mai 1992 Anspruchsvoraussetzung sein soll.

bb) § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV steht nicht in Widerspruch zu § 14 MuSchG, soweit diese Bestimmung die Mutter schützt.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 u. 3 MuSchG ist der Durchschnittsverdienst der letzten 13 abgerechneten Wochen vor Beginn der Schutzfrist maßgeblich. Lohnerhöhungen, die nach Ablauf des Bezugszeitraums wirksam werden, sind damit für die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nicht zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit eine rückwirkende Vergütungserhöhung sich auf den Berechnungszeitraum auswirkt (BAG Urteil vom 6. Juni 1994 – 5 AZR 501/93 – AP Nr. 11 zu § 14 MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. § 14 Abs. 1 MuSchG enthält für die Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 MuSchG anders als § 11 Abs. 2 MuSchG für die in § 11 Abs. 1 MuSchG genannten Beschäftigungsverbote keine Vorschrift, die eine Berücksichtigung von Verdiensterhöhungen vorsieht, die nach Ablauf des Berechnungszeitraums eintreten. Da es sich bei § 11 Abs. 2 MuSchG um eine spezielle Vorschrift handelt, die in das im Mutterschutzgesetz grundsätzlich geltende Referenzprinzip (vgl. § 11 Abs. 1 u. § 14 Abs. 1 MuSchG) ausnahmsweise Elemente des Lohnausfallprinzips einführt, kann § 11 Abs. 2 MuSchG nicht auf die Fälle des § 14 MuSchG entsprechend angewendet werden.

Sinn und Zweck der in § 14 MuSchG geregelten Entgeltsicherung ist es zwar, insoweit ist dem Berufungsgericht zu folgen, die schwangere Arbeitnehmerin vor wirtschaftlichen Nachteilen infolge der Schwangerschaft und der Entbindung zu bewahren. Doch soll damit nicht während der auf der Mutterschaft beruhenden Freistellung von der Arbeit der bisherige, aus der Berufstätigkeit herrührende Lebensstandard gesichert werden (vgl. BAG Urteil vom 12. Juli 1995 – 10 AZR 511/94 – NZA 1995, 1165, unter Aufgabe der früheren, vom Berufungsgericht herangezogenen gegenteiligen Rechtsprechung).

b) Die Regelung des § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz anders behandelt als die anderen in dem Klammerzusatz bezeichneten lohnzahlungsberechtigten Arbeitnehmer.

Ist der Arbeitgeber von der Pflicht, Arbeitsentgelt zu zahlen, befreit, dann verbietet der Gleichheitssatz nicht eine tarifliche Bestimmung, die eine pauschalierte Tariflohnerhöhung ausschließt, wenn und soweit für den Regelungszeitraum keine Bezüge zu leisten sind (vgl. dazu BAG Urteil vom 14. September 1994 – 10 AZR 216/93 – AP Nr. 166 zu § 611 BGB Gratifikation). Bei dem Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gem. § 14 MuSchG handelt es sich zwar um einen Entgeltersatzanspruch (vgl. BAGE 53, 205, 208 = AP Nr. 4 zu § 14 MuSchG 1968, zu I 2a der Gründe), doch waren die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet, diesen Anspruch den in § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV bezeichneten Lohnansprüchen gleichzusetzen. Die Leistungen unterscheiden sich vom Anspruchszweck her.

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und während des Urlaubs dient dazu, dem Arbeitnehmer den Lohn zu sichern, obwohl er die Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung nicht erbringen kann oder wegen seines Urlaubs nicht zu erbringen braucht. Demgegenüber verfolgt die Regelung über den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld den Zweck, das in Art. 6 Abs. 4 der Gemeinschaft auferlegte Schutz- und Fürsorgegebot zugunsten der Mutter in der Weise zu verwirklichen, daß an den finanziellen Belastungen des Mutterschutzes nicht nur der Staat und die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt werden, sondern auch der Arbeitgeber (BVerfG Beschluß vom 23. April 1974 – 1 BvL 19/73 – AP Nr. 1 zu § 14 MuSchG 1968).

Eine Tarifregelung, nach der eine Einmalzahlung mit Lohncharakter zwar den Beziehern von Entgelt nicht aber anderen Arbeitnehmern und damit u.a. auch nicht den Beziehern von Mutterschaftsgeldzuschuß zusteht, ist somit nicht willkürlich und damit gleichheitswidrig.

c) Auch gegen das Lohngleichheitsgebot nach Art. 119 EGV verstößt die Regelung des § 8 Abs. 2 Unterabs. 5 TV nicht.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht, dem das Berufungsgericht insoweit gefolgt ist, darauf hingewiesen, daß es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts fehlt. Voraussetzung für die Kürzung ist das Fehlen eines Anspruchs auf Bezüge bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis. Dieses Tatbestandsmerkmal können Männer ebenso erfüllen wie Frauen, z.B. während der Einberufung zum Wehr- oder Ersatzdienst oder während eines unbezahlten Sonderurlaubs. Es läßt sich, wie das Arbeitsgericht zu Recht bemerkt hat, schon nicht feststellen, welches Geschlecht von der Regelung überwiegend nachteilig betroffen ist. Eine mittelbare Frauendiskriminierung enthält die Regelung somit nicht.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch auf Zahlung des erhöhten Sozialzuschlags für die Zeit vom 1. Dezember 1991 bis zum 14. Februar 1992 abgelehnt.

1. Die Klägerin erfüllte während dieser Zeit die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen nicht. Nach § 11 TV Arb erhält der Arbeiter den Sozialzuschlag neben dem Lohn. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 TV Ang wird der Ortszuschlag einer höheren Stufe vom 1. des Monats an gezahlt, in den das für die Erhöhung maßgebende Ereignis fällt. Das maßgebende Ereignis, die Geburt des Kindes, fiel vorliegend in den Dezember 1991. Die Klägerin erhielt jedoch in der Zeit zwischen dem 1. Dezember 1991 und dem 14. Februar 1992 keinen Lohn. Das Mutterschaftsgeld und der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG waren nicht Lohn i.S. des § 11 TV Arb. Lohn ist Entgelt für geleistete Arbeit (§ 611 Abs. 1, § 614 BGB). Mutterschaftsgeld ist hingegen eine Sozialleistung (vgl. § 11 SGB I, § 200 RVO). Der Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld ist zwar ein arbeitsrechtlicher Entgeltersatzanspruch. Aber auch er ist nicht Lohn i.S. des § 11 TV Arb. Diese Bestimmung versteht, wie sich aus ihrem insoweit klaren Wortlaut und aus ihrer dem tariflichen Gesamtzusammenhang zu entnehmenden Auslegung ergibt, unter Lohn die Vergütung, die dem Arbeiter nach den tariflichen Lohnbestimmungen als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung zusteht. Sie regelt, daß zu diesem Lohn der Ortszuschlag hinzukommt (“Neben dem Lohn erhält der Arbeiter …”). Leistungen, die dem Arbeiter für Zeiten, in denen er von der Arbeitspflicht befreit ist, zustehen, sind jedoch dann nicht als Lohn i.S.d. § 11 Abs. 1 TV Arb anzusehen, wenn diese sich nach einem vor Beendigung der Arbeitspflicht liegenden Berechnungszeitraum richten und in ihre Berechnung der Anspruch auf Sozialzuschlag Eingang findet. So liegt der Fall hier. Der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld ist aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten, bei wöchentlicher Abrechnung aus den letzten 13 Wochen vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG zu berechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Ein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Ortszuschlag findet auf diese Weise Eingang in den Mutterschaftsgeldzuschuß. Diese Leistung kann somit nicht als Lohn i.S.d. § 11 Abs. 1 TV Arb angesehen werden, da nicht angenommen werden kann, daß die Tarifvertragsparteien in dieser Tarifnorm einen Anspruch auf Sozialzuschlag auch “neben” einer den Sozialzuschlag bereits enthaltenden Leistung geregelt haben.

Für die Zeit vom 1. Dezember 1991, dem Monat, in dem das Kind geboren wurde, bis zum 14. Februar 1992 kann die Klägerin somit den erhöhten Sozialzuschlag nicht verlangen.

2. Auch die Regelung des § 11 Abs. 1 TV Arb diskriminiert die Klägerin nicht als Frau (Art. 119 EGV, Art. 3 Abs. 2 u. 3 GG). Die Verknüpfung der Erhöhung des Sozialzuschlags mit der Lohnzahlung führt bereits nicht zur Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte.

Vergleicht man die Gruppe der Väter von Neugeborenen mit der Gruppe der Mütter, so erhalten zwar die Väter Leistungen, bei denen der Sozialzuschlag ab dem Monat der Geburt des Kindes berücksichtigt ist, die Mütter hingegen sind während der Schutzfrist von den auf der Geburt beruhenden Erhöhungen des Sozialzuschlages ausgeschlossen. Die Leistungen, die Väter und Mütter erhalten, sind aber nicht vergleichbar. Nur die Väter erhalten Vergütung für geleistete Arbeit. Die Mütter können während der Schutzfristen, da sie keine Arbeitsleistung erbringen, keinen Lohn fordern. Sie erhalten stattdessen neben dem Mutterschaftsgeld einen vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschuß. Auch wenn es sich bei letzterem um einen Entgeltersatzanspruch handelt, ist er keine Gegenleistung für geleistete Arbeit. Er ist vielmehr eine Zahlung, die der Arbeitgeber aus Gründen des Art. 6 Abs. 4 GG neben anderen Leistungsträgern erbringen muß. Die tarifvertragliche Unterscheidung betrifft somit ungleiche Sachverhalte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, H. Schmidt, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 872288

NZA 1996, 996

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