Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber ist nach Nr. 3 des Tarifvertrags zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 lediglich verpflichtet, dem Auszubildenden die Übernahme in ein sich unmittelbar an die Berufsausbildung anschließendes Arbeitsverhältnis für die Dauer von sechs Monaten anzubieten (im Anschluß an das Senatsurteil vom 14. Mai 1997 - 7 AZR 159/96 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis).

2. Die Übernahme in ein erst später beginnendes Arbeitsverhältnis kann auch nicht im Wege des Schadensersatzes (Naturalrestitution) verlangt werden (entgegen LAG Niedersachsen Urteil vom 24. August 1995 - 7 Sa 882/95 - LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 3).

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 10. März 1994 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.11.1996; Aktenzeichen 8 Sa 60/96)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.03.1996; Aktenzeichen 19 Ca 10612/95)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. November 1996 - 8 Sa 60/96 - hinsichtlich des Zahlungsantrags aufgehoben.

Insoweit wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger nach Abschluß der Berufsausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, sowie über die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht.

Der Kläger wurde von der Beklagten in der Zeit vom 26. August 1991 bis zum 24. Januar 1995 zum Industriemechaniker, Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik, ausgebildet. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Metallindustrie Nordwürttemberg/ Nordbaden vom 10. März 1994 (TV BS) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dort ist u.a. folgendes bestimmt:

"3. Übernahme von Auszubildenden

3.1. Auszubildende werden im Grundsatz nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung für mindestens 6 Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.

3.2. Mit Zustimmung des Betriebsrats kann von der Verpflichtung nach Abs. 3.1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat."Während des Ausbildungsverhältnisses fehlte der Kläger krankheitsbedingt im Jahr 1992 in acht Fällen an jedenfalls 23 Arbeitstagen, im Jahr 1993 in zehn Fällen an jedenfalls 47 Arbeitstagen und im Jahr 1994 in neun Fällen an jedenfalls 31 Arbeitstagen. Unter Hinweis auf diese Fehlzeiten lehnte die Beklagte das bereits vor Ausbildungsende geäußerte Verlangen des Klägers nach Übernahme in ein Arbeitsverhältnis ab.

Mit der am 16. November 1995 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages zu haben. Den Arbeitslohn schulde die Beklagte aufgrund Annahmeverzugs, hilfsweise als Schadensersatz.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen unbefristeten - hilfsweise auf mindestens sechs Monate befristeten - hilfsweise bis zum 29. September 2039 befristeten - Arbeitsvertrag anzubieten mit Wirkung ab 24. Januar 1995 - hilfsweise ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren - als Industriemechaniker - hilfsweise als Maschinenbediener (Kostenstelle 323010) - höchsthilfsweise als Bandarbeiter in der Montage zu folgenden Bedingungen

- Schichtarbeit,

- individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit: 36 Stunden bis 30. September 1995, 35 Stunden seit 1. Oktober 1995,

- Leistungslohn,

- Arbeitswert 17, hilfsweise Arbeitswert 14,

2. höchsthilfsweise zu 1., die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Arbeitsvertrag zu angemessenen Bedingungen, die das Gericht gemäß § 315 BGB bestimmen möge, anzubieten,

sowie für den Fall, daß das erkennende Gericht den Berufungsanträgen Ziff. 1 oder 2 in irgendeiner Fassung stattgibt,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.240,41 DM brutto abzüglich 3.882,20 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit dem 1. September 1995 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers seien als personenbedingte Gründe im Sinne der Nr. 3.1 des TV BS anzusehen, so daß sie berechtigt gewesen sei, den Kläger nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Im übrigen sei sie allenfalls verpflichtet gewesen, dem Kläger einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag im unmittelbaren Anschluß an die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses anzubieten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2), die auf die Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags gerichtet sind, unbegründet. Der Kläger kann zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz den Abschluß eines auf den 24. Januar 1995 rückwirkenden Arbeitsvertrags nicht mehr verlangen. Auf den Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung gewährt der TV BS keinen Anspruch. Dagegen ist die Revision hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 3) begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 565 Abs. 1 ZPO. Denn die Abweisung dieses Antrags beruht auf einem Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts, das nicht auf die Stellung sachdienlicher Anträge hingewirkt hat.

I. Der im Klageantrag zu 1) gestellte Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab 24. Januar 1995 ist schon deshalb unbegründet, weil die beanspruchte Willenserklärung zu einem Vertrag führen würde, dessen Erfüllung bereits bei Klageerhebung unmöglich war. Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist jedoch nichtig, § 306 BGB. Auf die weiteren Gründe, aus denen das Landesarbeitsgericht diesen Klageantrag abgewiesen hat, kommt es nicht an.

1. Zu der mit Nr. 3 des vorliegenden TV BS gleichlautenden Nr. 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz vom 11. März 1994 hat der erkennende Senat mit Urteil vom 14. Mai 1997 (- 7 AZR 159/96 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Übernahme ins Arbeitsverhältnis) entschieden, daß diese Tarifbestimmungen zwar nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ohne entsprechenden Vertrag vorsehen, jedoch den ausbildenden Arbeitgeber verpflichten, dem Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlußprüfung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anzubieten, sofern kein tariflicher Ausnahmetatbestand gegeben ist. Diese vom Senat bereits aus dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut hergeleiteten Grundsätze gelten auch für den vorliegend zu beurteilenden TV BS.

2. Die Tarifvertragsparteien haben die Geltung nicht auf die nach dem 10. März 1994 begründeten Ausbildungsverhältnisse beschränkt. Das folgt auch aus dem Wortlaut der Tarifnorm.

3. Die Bestimmungen der Nr. 3 TV BS sind mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar.

a) Tarifvertragsparteien können Normen über Einstellungsgebote nach § 1 Abs. 1 TVG vereinbaren. Sie gehören zu den von den Tarifvertragsparteien zu begründenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i.S. des Art. 9 Abs. 3 GG (vgl. z.B. BAG Urteil vom 22. Februar 1961 - 4 AZR 44/59 - BAGE 11, 1 = AP Nr. 106 zu § 1 TVG Auslegung; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band I, 1997, S. 585 f.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band II/1, 7. Aufl., S. 290; Kempen/Zachert, TVG, 3. Aufl., § 1 Rz 29; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 211). Die Bedenken der Gegenmeinung (Löwisch/Rieble, TVG, 1992, § 1 Rz 71; Rieble, ZTR 1993, 54, 57) können jedenfalls bezüglich der hier vorliegenden Nr. 3 TV BS nicht durchgreifen. Zwischen den Parteien des nach dieser Bestimmung zu begründenden Arbeitsverhältnisses besteht bereits eine schuldrechtliche Vertragsbeziehung in Form des vom Arbeitgeber freiwillig eingegangenen Berufsausbildungsverhältnisses, zu dessen Regelung die Tarifvertragsparteien befugt sind. Ein Abschlußgebot mit dem Inhalt der Nr. 3 TV BS hätten die Tarifvertragsparteien nach § 1 TVG auch als Bestandteil des einschlägigen Manteltarifvertrags für Auszubildende vereinbaren können. Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers wegen Überschreitung der Kompetenzgrenzen des Art. 9 Abs. 3 GG scheidet soweit aus.

b) Die von den Tarifvertragsparteien durch die Normsetzung bewirkte Beschränkung der Berufsfreiheit der dem abschließenden Arbeitgeberverband freiwillig angehörenden Beklagten verstößt auch inhaltlich nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG. Die im Wege kollektiv ausgeübter Privatautonomie geschaffenen Tarifnormen und die darin geregelte Abschlußpflicht sind vernünftig und einleuchtend begründet. Darüber hinaus berücksichtigen sie hinreichend die Interessen der betroffenen Arbeitgeber durch die Beschränkung (dazu nachstehend 4.) auf ein befristetes Arbeitsverhältnis und durch die Ausnahmetatbestände in der Nr. 3.1 und der Nr. 3.2.

4. Der tarifvertragliche Anspruch des Auszubildenden ist auf den Abschluß eines Arbeitsvertrags für die Dauer von sechs Monaten beschränkt. Einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags über einen längeren Zeitraum oder auf unbestimmte Zeit gewähren die Tarifnormen nicht. Das folgt aus dem insoweit eindeutigen Tarifwortlaut. Der Arbeitgeber kann zwar seine tarifvertragliche Verpflichtung durch das Angebot eines auf längere Zeit als sechs Monate laufenden Arbeitsvertrags erfüllen; verpflichtet ist er jedoch nur, ein sechsmonatiges Arbeitsverhältnis anzubieten. Entgegen der Ansicht des Klägers besteht für die Befristung des abzuschließenden Arbeitsvertrags ein Sachgrund, der sich aus dem Zweck des Beschäftigungssicherungstarifvertrags ergibt. Die Tarifvertragsparteien haben verhindern wollen, daß der Auszubildende im unmittelbaren Anschluß an seine Berufsausbildung arbeitslos wird. Vielmehr soll dem Auszubildenden durch eine an das Ausbildungsverhältnis anschließende Weiterbeschäftigung in einem Arbeitsverhältnis der Erwerb von Berufspraxis ermöglicht werden, um seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Zum anderen soll für den Fall einer sich an das sechsmonatige Arbeitsverhältnis anschließenden Arbeitslosigkeit erreicht werden, daß dem Arbeitslosengeld gemäß § 112 Abs. 2 AFG der in dem sechsmonatigen Arbeitsverhältnis erzielte Verdienst und nicht gemäß § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG die niedrigere Ausbildungsvergütung zugrunde gelegt wird (vgl. dazu auch Kohte, NZA 1997, 457, 458 f.). Eine Befristungsmöglichkeit mit diesem sozialen Überbrückungstatbestand ist sachlich begründet und konnte von den Tarifvertragsparteien vereinbart werden, ohne § 1 Abs. 1 BeschFG in der bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung zu verletzen

(KR-Lipke, 4. Aufl., § 1 BeschFG 1985 Rz 81 - 83, § 620 BGB Rz 144).

5. Da die Hauptpflichten eines nach dem Klageantrag mit Wirkung ab 24. Januar 1995 abzuschließenden Arbeitsvertrags am 23. Juli 1995 geendet und daher bereits bei Erhebung der Klage nicht mehr bestanden hätten, konnte bereits erstinstanzlich keine Verurteilung mehr erfolgen. Eine gemäß § 894 ZPO als mit Rechtskraft des Urteils abgegeben geltende Willenserklärung der Beklagten wäre von der Nichtigkeitsfolge des § 306 BGB erfaßt.

6. Auch der im Klageantrag zu 1) gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung ab Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist unbegründet.

a) Der Abschluß eines solchen Arbeitsvertrags wäre zwar auch jetzt noch möglich. Wie das Landesarbeitsgericht jedoch zutreffend erkannt hat, gewährt der TV BS keinen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags schlechthin, sondern nur auf Abschluß eines Arbeitsvertrags für eine sich direkt an die Berufausbildung anschließende Beschäftigung. Dies ergibt sich bereits aus dem Tarifwortlaut, der die "Übernahme" des Auszubildenden "nach" der Abschlußprüfung vorsieht. Aber auch die mit der Nr. 3 TV BS verfolgten Zwecke, dem Auszubildenden durch die Umsetzung seiner in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten Berufspraxis zu verschaffen sowie die Bemessung des Arbeitslosengeldes an der Ausbildungsvergütung zu verhindern, lassen sich nur durch eine sich unmittelbar oder doch jedenfalls sehr zeitnah an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis erreichen.

b) Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend entschieden hat, läßt sich ein Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit Wirkung erst ab der Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung auch nicht als schadensersatzrechtliche Naturalrestitution begründen (a.A. LAG Niedersachsen Urteil vom 24. August 1995 - 7 Sa 882/95 - LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 3). Auch wenn die Beklagte durch die Nichtübernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben sollte und daher dem Kläger wegen eintretender Unmöglichkeit während des Schuldnerverzugs zum Schadensersatz verpflichtet wäre, könnte der Kläger nur eine Entschädigung in Geld gemäß § 251 Abs. 1 BGB verlangen. Denn durch eine erst sehr viel spätere tatsächliche Beschäftigung des Klägers könnten die Zwecke der Nr. 3 TV BS nicht mehr erreicht werden, so daß eine tatsächliche Herstellung des früheren Zustandes im Sinne des § 249 Satz 1 BGB nicht mehr möglich ist.

7. Da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Abschluß eines Arbeitsvertrags hat, ist auch sein Klageantrag zu 2) unbegründet, der sich auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluß eines sich inhaltlich nach § 315 BGB bestimmenden Arbeitsvertrags richtet.

II. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts für die Abweisung des Zahlungsantrags ist nicht rechtsfehlerfrei; insoweit war das Berufungsurteil aufzuheben. Zwar kommt ein Zahlungsanspruch des Klägers als Lohnanspruch aus Annahmeverzug nicht in Betracht. Denn ein solcher Anspruch setzt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist aber weder automatisch aufgrund der Nr. 3 TV BS noch durch einen Vertragsabschluß entstanden. Dem Kläger kann jedoch ein Zahlungsanspruch in Form eines Schadensersatzanspruchs zustehen. Einen solchen Anspruch hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht nicht geprüft.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, über den Klageantrag zu 3) sei nicht zu entscheiden, weil er im Verhältnis zu den Klageanträgen zu 1) und 2) als unechter Hilfsantrag gestellt worden sei. Nach der eindeutigen und unmißverständlichen Erklärung des Klägers habe dieser Antrag nur dann zur Entscheidung anfallen sollen, wenn das Gericht den Anträgen zu 1) oder 2) in irgendeiner Fassung stattgibt.

2. Wie die Revision ordnungsgemäß gerügt hat, hat das Landesarbeitsgericht gegen seine Pflicht aus § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Gerade wegen der ungewöhnlichen und durchaus mißverständlichen Formulierung des Zahlungsantrags, die mit dem inhaltlichen Vorbringen des Klägers nicht zu vereinbaren war, hätte das Landesarbeitsgericht den Kläger darauf hinweisen müssen, daß die von ihm gewählte Verknüpfung der Anträge ungeeignet war, seinem offenkundigen Begehren auf Schadensersatz in Form der Geldentschädigung Rechnung zu tragen. Da die Entscheidung über den Zahlungsantrag auf diesem Verfahrensfehler beruht, war der Rechtsstreit insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

III. Für das erneute Berufungsverfahren, das sich ausschließlich auf einen Zahlungsanspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes beschränkt, gibt der Senat nur einige Hinweise, weil es insoweit noch an jeglichen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt.

1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob die Beklagte zur Übernahme des Klägers verpflichtet war oder ob dieser Übernahme personenbedingte Gründe im Sinne der Nr. 3.1 TV BS entgegenstanden. Dabei wird das Landesarbeitsgericht davon auszugehen haben, daß die Tarifvertragsparteien den Begriff der "personenbedingten Gründe" nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG verstanden wissen wollten. Denn beim TV BS geht es nicht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern darum, ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Auch die dem § 1 Abs. 2 KSchG zugrunde liegende Unterscheidung zwischen in der Person bzw. in dem Verhalten liegenden Gründen entspricht nicht dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien. Wie das Landesarbeitsgericht richtig gesehen hat, kann nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten etwa in Fällen grober Pflichtverletzungen, die sich auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses belastender auswirken können als Gründe in der Person des Auszubildenden, dem Arbeitgeber keine Möglichkeit zur Ablehnung der Übernahme einräumen wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff "personenbedingt" in Nr. 3.1 TV BS (im Gegensatz zu den aus der Arbeitgebersphäre stammenden Gründen der Nr. 3.2 TV BS) die aus der Sphäre des Auszubildenden stammenden und damit auch verhaltensbedingten Gründe erfassen wollten.

Schon hieraus ergibt sich, daß sich die tatrichterliche Würdigung, ob die im konkreten Einzelfall geltend gemachten "personenbedingten Gründe" einer Übernahme des Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Nr. 3.1 TV BS "entgegenstehen", nicht an vergleichbaren Begriffen des Kündigungsschutzgesetzes, sondern nur an Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung zu orientieren hat, wie er oben näher beschrieben worden ist. Beide dort genannten Zwecke sollen nach den Vorstellungen der Tarifvertragspateien durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung in einem funktionierenden Arbeitsverhältnis und nicht durch eine einseitige Leistung des Arbeitsgebers an den Auszubildenden erreicht werden. Deshalb sind als "entgegenstehende personenbedingte Gründe" in erster Linie solche Umstände anzusehen, die einem zweckentsprechenden Vollzug des Arbeitsverhältnisses, auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Arbeitsleistung und/oder einem vertragsgerechten Verhalten des übernommenen Auszubildenden, in Frage stellen können.

Tatsachen für eine derartige Beeinträchtigung eines künftigen Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber darzulegen. Denn mit der Geltendmachung eines vom Regelfall abweichenden Ausnahmetatbestands macht der Arbeitgeber eine rechtsvernichtende Einwendung geltend. Der Arbeitgeber genügt seiner Darlegungslast nicht mit dem bloßen Hinweis auf vergangene Ereignisse, wie etwa während des Ausbildungsverhältnisses eingetretene Fehlzeiten. Erforderlich ist vielmehr eine Prognose des Arbeitgebers, in welcher Weise und in welchem Ausmaß das Arbeitsverhältnis durch zu erwartende Fehlzeiten in seiner zukünftigen Durchführung belastet sein werde. Hierfür können zwar in der Vergangenheit liegende krankheitsbedingte Fehlzeiten ein Indiz sein; dies erspart aber nicht den Vortrag des Arbeitgebers über Art und Umfang der drohenden Beeinträchtigung des ggf. nur sechs Monate andauernden Arbeitsverhältnisses. Da es an dieser Darlegung bisher fehlt, wird das Landesarbeitsgericht im erneuten Berufungsverfahren den Parteien insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben haben.

2. Der Ansicht der Beklagten, selbst bei Annahme einer objektiven Pflichtverletzung fehle es an ihrem Verschulden, weil ein entschuldbarer Rechtsirrtum über den Inhalt der unklaren und nicht leicht zu durchschauenden Tarifregelung vorliege, ist unzutreffend. Für das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums reicht es nicht aus, daß die Rechtslage ungeklärt ist. Darüber hinaus ist erforderlich, daß der Schuldner die Rechtslage sorgfältig geprüft und gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsmeinung gefunden hat. Es genügt nicht, daß er sich auf eine ihm günstige Ansicht im Schrifttum berufen kann, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BAG Urteil vom 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - BAGE 71, 350 = AP Nr. 1 zu § 285 BGB). Im Streitfall ist weder ersichtlich, daß die Beklagte die Rechtslage sorgfältig geprüft hätte, noch hat sie auf Anhaltspunkte verweisen können, die die von ihr vertretene Rechtsmeinung als richtig erscheinen ließe. Wenn die Beklagte die ungeklärte Rechtslage ohne derartige konkrete Anhaltspunkte ausschließlich in einem ihr günstigen Sinne verstand, handelte sie auf eigenes Risiko.

3. Der Schadensersatzanspruch des Klägers kann nach den §§ 284, 280 Abs. 1, 287 Satz 1, 249, 251 BGB begründet sein. Da der Auszubildende seine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verlangt hat, ist die Beklagte durch die bewußte Verweigerung des Übernahmeangebots in Schuldnerverzug geraten. Spätestens mit Ablauf von sechs Monaten nach der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ist die Verpflichtung zum Abschluß eines die Nr. 3 TV BS entsprechenden Vertrags unmöglich geworden. Dadurch kann die Beklagte nach §§ 287, 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig geworden sein, §§ 249, 251 Abs. 1 BGB.

4. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht nach § 18 des Manteltarifvertrags für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/ Nordbaden verfallen. Denn ein Arbeitsverhältnis ist zwischen den Parteien nicht begründet worden; für Ausbildungsverhältnisse gilt die Ausschlußfrist gemäß § 1.1.3.3 dieses Manteltarifvertrags nicht. Der hier allein einschlägige Manteltarifvertrag für Auszubildende in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden enthält keine Ausschlußfrist.

5. Zur Höhe eines möglichen Entschädigungsanspruchs in Geld kann der Senat wegen des Fehlens tatsächlicher Feststellungen keine näheren Hinweise geben. Das Landesarbeitsgericht wird aber klären müssen, auf welche Art von Beschäftigung das Übernahmeangebot hätte gerichtet sein müssen, um den tarifvertraglichen Anspruch des Klägers zu erfüllen. Danach richtet sich die Bestimmung des Arbeitsentgelts nach Art und Höhe, das die Beklagte dem Kläger zu entrichten gehabt hätte. Das ausgefallene Arbeitsentgelt ist seinerseits Grundlage für die Bestimmung des Geldersatzanspruchs.

 

Unterschriften

Dörner Schmidt zugleich für den durch Kur verhinderten Richter Prof. Dr. SteckhanKnapp Olga Berger

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 14.10.1997 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436494

BAGE, 1

BB 1998, 1116

DB 1998, 1468

FA 1998, 230

NZA 1998, 778

ArbuR 1998, 252

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