Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Fernsehmitarbeiters

 

Normenkette

BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 13.12.1991; Aktenzeichen 2 Sa 120/90)

ArbG München (Urteil vom 18.05.1989; Aktenzeichen 9 Ca 4236/88)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen des Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 13. Dezember 1991 – 2 Sa 120/90 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Der kraft Gewerkschaftszugehörigkeit tarifgebundene Kläger ist seit 1974 für die beklagte Rundfunkanstalt tätig. Seit 1977 wirkt er an Sendereihen und sonstigen Produktionen der Beklagten programmgestaltend mit, und zwar insbesondere im Rahmen der Hauptabteilung Politik an Diskussionssendungen und aktuellen Sendungen sowie an Büchersendungen und Features. In den letzten Jahren nahm die Beteiligung an aktuellen Sendungen stark zu, während die Mitarbeit an Features demgegenüber zurücktrat. In den Jahren 1980 bis 1983 betrug das Jahreseinkommen des Klägers zwischen 57.000,– DM und 72.000,– DM; ab 1984 verdient er jeweils über 90.000,– DM pro Jahr.

Die Bereitschaft des Klägers zur Mitwirkung an Sendereihen wird jeweils vor deren Beginn geklärt. Über die einzelnen Sendungen der Reihe, an denen der Kläger mitarbeitet, werden regelmäßig mündliche Absprachen getroffen. Diese werden dann – vielfach mit zeitlicher Verzögerung – in formularmäßigen „Honorarverträgen” festgehalten. Nach deren Ziff. 5.1 wird der Kläger jeweils „als freier Mitarbeiter und nicht als Arbeitnehmer tätig”.

Hinsichtlich bestimmter Produktionen schließen die Parteien „Vereinbarungen” unter Verwendung eines anderen Vertragsmusters ab. Auch darin wird der Kläger als freier Mitarbeiter bezeichnet (jeweils Ziff. 7). In Ziff. 1 der „Vereinbarung” über die Produktion „Tempo, Tempo” werden die vom Kläger zu erbringenden Leistungen wie folgt umschrieben:

„Redaktionelle Vorarbeiten, Erstellung eines Treatments bzw. Drehbuches, Durchführung der notwendigen Recherchen, Übernahme der Regie inkl. Fertigstellung und MAZ-Bearbeitung, Lieferung einer detaillierten Musikaufstellung für die GEMA-Meldung.”

Weiter heißt es in dieser „Vereinbarung”:

„2.

Der Produktionszeitraum ist voraussichtlich vom Juni-August 85.

Die genauen Produktionstermine werden im einzelnen in Absprache mit der zuständigen Redaktion des B. festgelegt.

Ablieferungstermin für das Exposé/Treatment/Drehbuch: Mai 85. Änderungswünsche der Redaktion hinsichtlich der Ausgestaltung des Drehbuches/Exposé/Treatments sind von Herrn C. zu berücksichtigen.

6.

Im Fall der Nichterfüllung bzw. einer unzureichenden Erfüllung der Verpflichtung gemäß dieser Vereinbarung verliert Herr C. den Anspruch auf das vereinbarte Honorar.

Der B. wird jedoch, sofern Herr C. bereits Leistungen erbracht hat ihm eine im eigenen Ermessen festzusetzende Entschädigung zahlen, die aber die Hälfte des vereinbarten Honorars nicht übersteigen darf.”

Die Mitwirkung des Klägers spielt sich wie folgt ab: Er ist im Rahmen des jeweiligen Auftrages mit der Durchführung erforderlicher Recherchen, der Material Sammlung und -auswahl betraut; er erstellt Drehbücher für Sendungen und unterbreitet der Redaktion Vorschläge für die Form der Präsentation von Beiträgen zu sozialpolitischen und literarischen. Sendereihen; er macht weiter Vorschläge für die Auswahl der Teilnehmer an Diskussionsrunden, stellt Kontakte zu diesen her und entwickelt Vorstellungen hinsichtlich der zu behandelnden Themen.

Der Kläger hat bei der Beklagten weder einen eigenen Arbeitsplatz noch einen eigenen Fernsprechanschluß. Er kann allerdings in der jeweiligen Redaktion Schreibarbeiten erledigen, Post empfangen, Schreibtische und Telefone benutzen und dergleichen. Daneben nimmt er auch die sonstigen technischen Einrichtungen der Beklagten wie Archive, Tonstudios, Schneideräume etc. in Anspruch. Dies geschieht grundsätzlich innerhalb der üblichen Anwesenheitszeiten des festangestellten Personals.

An den turnusmäßigen Redaktionssitzungen nimmt der Kläger in der Regel teil. Er ist nicht verpflichtet, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten; seine Arbeitszeit wird nicht kontrolliert. Der Kläger erhält auch keine Einzelweisungen über die zeitliche Abwicklung der einzelnen Arbeiten, muß jedoch für eine termingerechte Erledigung seiner Aufgaben sorgen. Insbesondere bei der Abwicklung aktueller und damit termingebundender Aufträge ist ein ständiger enger Kontakt des Klägers zu den jeweils zuständigen Stellen des Beklagten erforderlich. Wegen des wachsenden Umfangs seiner Mitarbeit an aktuellen Sendungen ist sein Ermessensspielraum hinsichtlich seiner Zeiteinteilung und der Setzung von Prioritäten in der Abfolge der Erledigung seiner Arbeiten durch die jeweiligen sachlichen Vorgaben und die Aufgabenstellung begrenzt. Soweit der Kläger recherchiert, Literatur studiert und telefonische Kontakte aufnimmt, ist er in örtlicher und zeitlicher Hinsicht nicht gebunden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu stehen. Er hat vorgetragen: Seit 1979 erbringe er Programmbeiträge in gleicher Weise und in gleichem Umfang wie die festangestellten Redakteure. Er werde seitdem ausschließlich und ohne zeitliche Unterbrechung vom Beklagten beschäftigt und wende dafür seine gesamte Arbeitszeit auf. Er sei fest eingeplant und habe keine Möglichkeit, seine Mitarbeit zu verweigern bzw. nach eigenen Zeitvorstellungen zu gestalten, Würde er die Mitarbeit an einzelnen Sendungen oder Sendereihen ablehnen, so würde die beklagte Anstalt auf seine Dienste überhaupt verzichten. Nur formell würden jeweils schriftliche Verträge über bestimmte Projekte geschlossen. Tatsächlich gingen aber diese Projekte ohne zeitliche Lücke ineinander über, da jeweils während der Realisierung eines Themas bereits die Vorarbeiten für das nächste anliefen. Die Themen würden ihm von den jeweiligen Redakteuren zur Bearbeitung von der Recherche bis zur Fertigstellung übertragen. Er unterliege den Weisungen der Redaktion. Diese – und nicht er – entscheide beispielsweise über Umfang und Reihenfolge der einzelnen Beiträge. Er arbeite, soweit er nicht außer Hauses zu recherchieren und zu drehen habe, in gleicher eise wie die festangestellen Redakteure zu den üblichen Arbeitszeiten in den Räumen der Beklagten. Er müsse nahezu täglich im Büro und im übrigen erreichbar sein, weil anders die Sendungen nicht hergestellt werden könnten. Gerade im Bereich der Redaktion „Berichte und Diskussionen” mit ihren vielen Sendungen (über 70 pro Jahr) müsse ein ständiger Rückkoppelungs- und Rückmeldungsprozeß stattfinden, der seinerseits zu immer neuen Anweisungen durch den Redaktionsleiter führe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Der Kläger werde aufgrund von Einzelvereinbarungen als freier Mitarbeiter beschäftigt. Er könne über seine Mitarbeit jeweils frei entscheiden mit der Folge, daß ihm gemäß Ziff. II 3 Satz 4 der Dienstanweisung 5/76 des Intendanten keine Nachteile aus der Ablehnung entstünden. Dies sei typisch für freie Mitarbeit. Der Kläger sei bei der Durchführung seiner Aufträge zeitlich und örtlich ungebunden; er habe nur wenige feste Termine in der Redaktion wahrzunehmen und sei bis auf den vertraglich festgelegten Ablieferungstermin bei seiner Arbeit völlig frei. Auch bei der inhaltlichen Gestaltung seiner Beiträge sei er im wesentlichen frei und nicht weisungsgebunden. Daß der Kläger zu Redaktionsbesprechungen und Absprachen über die einzelnen Produktionen das Rundfunkhaus aufsuchen und technische Einrichtungen des Rundfunks benutzen müsse, sei auch für den freien Mitarbeiter typisch und ergebe sich aus der Natur der Sache. Darüber hinaus erteile er, der Beklagte, weder Weisungen noch werde der Kläger in irgendeiner Form kontrolliert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger ist nicht Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter.

1.1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 ZPO). Für den Fall, daß ein Arbeitsverhältnis festgestellt würde, wären auf dieses Vertragsverhältnis der Parteien – unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen – die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 41, 247, 250 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe).

2. Die Klage ist aber nicht begründet. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis.

II. Mit seiner Klage könnte der Kläger nur Erfolg haben, wenn die Parteien entweder eine auf Dauer angelegte Mitarbeit vereinbart hätten und diese Dauerrechtsbeziehung nach dem maßgebenden Geschäftsinhalt ein Arbeitsverhältnis gewesen wäre, oder wenn der beklagte Sender den Kläger in einer Folge von Arbeitsverhältnissen beschäftigt hätte und jedenfalls die zuletzt vereinbarten Befristungen nicht wirksam gewesen wären.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend (BAG Urteil vom 14. Februar 1974 – 5 AZR 298/73 – AP Nr. 12 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe; Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 2 der Gründe).

Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal dies die einzige Norm darstellt, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt. Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch. Die Arbeit der Tätigkeit kann es mit sich bringen, daß dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; Urteil vom 13. November 1991, a.a.O., zu III 5 d cc der Gründe).

Dabei kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Denn durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAGE 19, 324, 329 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu der Gründe; BAGE 41, 247, 258 f.= AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 27. März 1991 AZR 194/90 – AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 – EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 44, zu B II 1 der Gründe).

Für die Abgrenzung entscheidend sind demnach die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung der andere formelle Merkmale wie die Abführung von Steuern und Teilversicherungsbeiträgen. Die Arbeitnehmereigenschaft kann nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine außenberufliche Tätigkeit (BAG Urteil vom 8. Oktober 1975 – 5 AZR 427/74 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 5 der Gründe; der Beschluß vom 30. Oktober 1991 – 7 ABR 19/91 –, a.a.O., zu II 8 b der Gründe). Umgekehrt spricht nicht schon der Umstand ein Arbeitsverhältnis, daß es sich um ein auf Dauer angeleges Vertragsverhältnis handelt (BAG Urteil vom 27. März 1991 5 AZR 194/90 – AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 7 Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, a.a.O., zu B II 3 c der Gründe).

Das Landesarbeitsgericht ist im wesentlichen von diesen Grundsätzen ausgegangen und dabei zu der Auffassung gelangt, der er sei freier Mitarbeiter. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Bei der Frage, ob und in welchem Maße der Mitarbeiter persönlich abhängig ist, muß vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt werden; denn abstrakte, für alle Arbeitnehmer geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen (BAGE 30, 163, 169 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 2 der Gründe). Es gibt eine Anzahl von Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wie auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses erbracht werden können. So können etwa Musikredakteure und -moderatoren (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 – 5 AZR 435/84 –, n.v., zu B II 4 der Gründe) ebenso wie Fernseh- und Rundfunkreporter (Senatsurteile vom 27. Februar 1991 – 5 AZR 107/90 –, n.v., zu III der Gründe und vom 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 –, n.v., zu IV der Gründe) ihre Aufgaben in der rechtlichen Gestalt eines Arbeitsverhältnisses oder eines freien Mitarbeiterverhältnisses erfüllen. Maßgeblich für ein Arbeitsverhältnis ist, daß der Arbeitgeber innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung des Mitarbeiters verfügen kann.

Im Streitfall hat der Kläger keine Umstände dargetan, aus denen sich eine derartige Bindung ergibt. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, daß er sich – wenn er nicht zu Hause recherchiert oder mit einem Team bei Dreharbeiten ist – wie die festangestellten Redakteure jeweils von etwa 9.00/9.30 Uhr bis 17.00/17.30 Uhr in den Räumen der Beklagten aufhält und täglich zwei bis drei Stunden in der Redaktion anwesend ist. Weiter kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, daß er in demselben Umfang wie festangestellte Redakteure und ohne größere zeitliche Unterbrechungen arbeitet.

2. Mitarbeit an Fernsehsendungen kann ihrer Art nach in einem Arbeitsverhältnis wie in einem freien Mitarbeiterverhältnis erbracht werden. Die Parteien haben über viele Jahre im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen zusammengewirkt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Bei den Arbeiten des Klägers ist zu unterscheiden zwischen einem vorbereitenden Teil, einem journalistisch-schöpferischen Teil und dem technischen Teil der Ausführung. Die Erstellung von Fernseh- und Radiosendungen ist ihrem Wesen nach eine schöpferischen Tätigkeit journalistischer Art (Urteile vom 27. Februar 1991 13. Mai 1992, a.a.O.). Die vorbereitenden Tätigkeiten wie Rechtlichen, Kontaktaufnahme zu Diskussionsteilnehmern und die technischen Umsetzung sind nur unselbständige Teile dieser schöpferischen Tätigkeit. Daher muß die technische Seite der Beitragserstellung an Bedeutung zurücktreten, auch wenn sie wegen der hierzu fordernden Präzision in zeitlicher Hinsicht einen erheblichen Anteil an der Gesamttätigkeit des Klägers ausmacht.

3. Der Kläger ist nicht schon deshalb Arbeitnehmer, weil er mit unterschiedlicher Aufgabenstellung an zahlreichen Sendungen mehrerer Sendereihen mitwirkt. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO) wird die Beteiligung des Klägers an Sendereihen ebenso wie die an den Einzelsendungen jeweils mündlich vereinbart. Zwar werden nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schriftliche Verträge „vielfach erst mit zeitlicher Verzögerung”, also nachträglich unterzeichnet. Darauf kommt es aber angesichts der jeweils zuvor mündlich abgeschlossenen Vereinbarungen nicht an. Daraus ergibt sich: Die unterschiedlichen Arbeiten werden dem Kläger nicht wie einem Arbeitnehmer „zugewiesen”, sondern jeweils vorher vereinbart. Der Kläger wird nicht wie ein Arbeitnehmer „eingesetzt” oder „eingeteilt”. Vielmehr wird der Leistungsgegenstand durch Vereinbarungen bestimmt. Daß diese Vereinbarungen seine Pflichten nur rahmenmäßig umschreiben und der Beklagten das Recht geben, innerhalb dieses Rahmens über seine Arbeitskraft zu verfügen, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht.

4. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß er die ihm angetragene Mitarbeit in einer Sendung oder Sendereihe nie abgelehnt habe und keine Möglichkeit habe, seine Mitarbeit zu verweigern. Es spräche in der Tat für ein Arbeitsverhältnis, wenn die Beklagte auf die Ablehnung der Mitarbeit an einer Sendung mit dem Abbruch der Vertragsbeziehung reagieren würde. Das Vorhandensein einer Dienstanweisung, wonach „das Ausschlagen eines oder mehrerer kein Grund (ist), einem freien Mitarbeiter deshalb keine weiteren Aufträge anzubieten”, besagt für sich allein natürlich nicht, daß die Dinge in der Praxis auch dementsprechend gehandhabt werden. Wie weit in diesem Punkt die Darlegungslast des Klägers geht, kann aber dahinstehen. Jedenfalls reicht die bloße Angabe, die Beklagte würde sich ihm gegenüber nicht an ihre eigene Dienstanweisung halten, nicht aus.

5. Die Arbeitnehmerstellung des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, daß er in zeitlicher Hinsicht Bindungen unterliegt.

Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind ohnehin kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch im Rahmen von Dienst- oder Werkverträgen können von den Dienstberechtigten oder dem Besteller Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne daß daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für das Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist.

a) Das Landesarbeitsgericht hat – für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO) – festgestellt, daß die Arbeitszeit des Klägers nicht kontrolliert wird, und daß der Kläger, soweit er recherchiert, Literatur studiert und telefonische Kontakte aufnimmt, in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht gebunden ist. Es hat die Vereinbarung der Parteien dahin ausgelegt, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten. Da es sich um nichttypische Willenserklärungen handelt, ist die Auslegung in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt (BAGE 55, 18 = AP Nr. 130 zu §§22, 23 BAT 1975). Das ist nicht der Fall und wird von der Revision auch nicht geltend gemacht.

Zeitliche Bindungen folgen aber aus drei Umständen, die das Landesarbeitsgericht ebenfalls bindend festgestellt hat: Zum einen ist insbesondere bei der Abwicklung aktueller und damit termingebundener Aufträge ein ständiger enger Kontakt des Klägers zu den jeweils zuständigen Stellen des Rundfunks erforderlich. Zum anderen ist wegen des wachsenden Umfangs der Mitarbeit an aktuellen Sendungen der Ermessens Spielraum des Klägers hinsichtlich der Zeiteinteilung und der Setzung von Prioritäten in der Abfolge der Erledigung seiner Aufgaben durch die jeweiligen sachlichen Vorgaben und Auftragsstellungen begrenzt. Schließlich muß der Kläger, soweit er technische Einrichtungen wie Archive, Tonstudios und Schneideräume in Anspruch nimmt, die üblichen Dienstzeiten der dortigen festangestellten Mitarbeiter beachten.

b) Letzteres betrifft die technische Seite der Beitragserstellung, die die Tätigkeit des Klägers nicht prägt. Das Angewiesensein auf die technischen Einrichtungen des Senders und die dort beschäftigten Mitarbeiter vermag aber entgegen der Revision die Arbeitnehmerstellung des Klägers nicht zu begründen, zumal da er insoweit keinen Weisungen unterliegt. Das gilt auch für die daraus folgende zeitliche Bindung. Auch in einem freien Mitarbeiterverhältnis tätige Mitarbeiter von Funk und Fernsehen müssen sich – aus rein praktischen Erwägungen – des Personals und der Einrichtungen der Beklagten bedienen, um ihre Beiträge sendereif herzustellen. Zwar wäre es denkbar, daß ein solcher freier Mitarbeiter eigene Mitarbeiter und den erforderlichen eigenen technischen Apparat unterhielte; in der Praxis dürfte das jedoch kaum vorkommen, weil die dann anfallenden Kosten zu hoch wären (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 –, n.v., zu IV 5 der Gründe). Soweit der Kläger in zeitlicher Hinsicht durch die Anzahl der Sendungen, an denen er mitwirkt, beschränkt ist, geht es ihm nicht anders als selbständigen Ärzten, Rechtsanwälten und Handwerksmeistern, deren Patienten-, Klienten- oder Kundenzahl steigt.

Soweit aktuelle Sendungen die Anwesenheit des Klägers erfordern und den Ermessens Spielraum des Klägers in zeitlicher Hinsicht einschränken, handelt es sich um Notwendigkeiten, die aus der Art der zu verrichtenden Arbeit folgen, also um bestimmte Sachzwänge.

Aus dem Bestehen von Sachzwängen allein kann noch nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen werden, da diese auch in anderen Rechtsverhältnissen anzutreffen sind. Umgekehrt geht es nicht an, Sachzwänge im Hinblick auf die rechtliche Qualifikation von Vertragsverhältnissen grundsätzlich für wertneutral oder irrelevant zu erklären. Entscheidend sind vielmehr Art und Ausmaß der Sachzwänge. Sind sie stark genug, kann daraus die Arbeitnehmereigenschaft abgeleitet werden. So ist etwa bei Fließbandarbeit schon wegen der damit einhergehenden Sachzwänge kein Raum für freie Mitarbeit.

Der erkennende Senat hat dem Gedanken, daß das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aus der Art der zu verrichtenden Arbeit und damit auch aus Sachzwängen folgen kann, in mehreren Entscheidungen maßgebliche Bedeutung beigemessen, z.B. hinsichtlich von Orchestermusikern (Urteile vom 14. Februar 1974 – 5 AZR 289/73 – und vom 3. Oktober 1975 – 5 AZR 427/74 – AP Nr. 12 und 16 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ebenso Urteil vom 29. Juli 1976 – 3 AZR 7/75 – AP Nr. 41 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) und von Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen (Urteil vom 7. Mai 1986 – 5 AZR 591/83 –, n.v.; Urteil vom 24. Juni 1992 – 5 AZR 384/91 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 b aa der Gründe). Er hat dabei von der „Natur der Sache” oder von einer „Folgerichtigkeit” einer Beschäftigung als Arbeitnehmer gesprochen. Andererseits hat es der Senat abgelehnt, die Arbeitnehmereigenschaft eines mit der Betreuung von Schulkindern betrauten Psychologen aus einem Sachzwang abzuleiten, in den Schulferien Urlaub zu nehmen (Urteil vom 9. September 1981 – 5 AZR 477/79 – AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die ihr zugrunde liegende Betrachtungsweise fördert, indem sie typisiert, die Rechtssicherheit und läßt die Gefahr der Überbewertung zufälliger und äußerlicher Merkmale zurücktreten.

Im Streitfall sind die Sachzwänge nicht so prägend, daß sich aus ihnen die Arbeitnehmereigenschaft ergäbe. Auch die Mitarbeit in aktuellen Sendungen kann in der Rechtsform eines freien Mitarbeiterverhältnisses geleistet werden, wie der Senat für Fernseh- und Rundfunkreporter bereits entschieden hat (Urteil vom 27. Februar 1991 – 5 AZR 107/90 – und Urteil vom 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 –, beide n.v.). Voraussetzung ist allerdings, daß dem Mitarbeiter ein bestimmtes Maß an zeitlicher Freiheit verbleibt und daß er in Bezug auf den Inhalt seiner Leistung einen nicht unerheblichen Spielraum hat. Beides ist beim Kläger zu bejahen. Ersteres ergibt sich aus den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Hinsichtlich des zweiten Punktes hat der Kläger zwar vorgetragen, er erhalte – gerade bei aktuellen Beiträgen – immer neue Anweisungen des Redaktionsleiters. Er hat diesen Vortrag aber nicht in der erforderlichen Weise konkretisieren können. Auch die Aussagen der in beiden Instanzen vernommenen Zeugen E. und K. geben dafür keine Anhaltspunkte. Im übrigen ist der Vortrag des Klägers dazu widersprüchlich. Denn er hat weiter ausgeführt, die Themen würden ihm von dem jeweiligen Redakteur zur Bearbeitung von der Recherche bis zur Fertigstellung übertragen. Daraus und aus dem unstreitigen Sachverhalt folgt vielmehr, daß der Kläger über ein erhebliches Maß inhaltlicher Gestaltungsfreiheit verfügt. Daß er dabei einer gewissen Kontrolle des verantwortlichen Redakteurs unterworfen ist, bedeutet noch nicht, daß er inhaltlichen Weisungen des Beklagten unterläge. Der Status eines freien Mitarbeiters setzt nämlich nicht voraus, daß der Mitarbeiter in jeder Beziehung den Gegenstand seiner Tätigkeit frei bestimmen kann. Er muß vielmehr damit rechnen, daß der Dienstberechtigte seine Arbeit einer ständigen Qualitätskontrolle unterzieht und auch Korrekturen verlangt.

6. Schließlich folgt die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bei der Mitwirkung an aktuellen Sendungen auch nicht daraus, daß er – nach seiner Darstellung – in demselben zeitlichen Umfang wie ein festangestellter Mitarbeiter tätig wird. Das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme führt nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit (Weisungsgebundenheit) im Sinne des Arbeitsrechts (vgl. zuletzt Urteil vom 13. Mai 1992 – 5 AZR 434/91 –, n.v., zu IV 3 der Gründe).

Ebensowenig spricht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses der Umstand, daß die Parteien seit langer Zeit zusammenarbeiten. Auch wenn man davon ausgeht, daß es sich um ein Dauerrechtsverhältnis handelt, hat dies allein noch keinen arbeitsrechtlichen Aussagewert. Sowohl bei einer dauerhaften, als auch bei einer befristeten Vertragsbeziehung sind beide Rechtsformen (Arbeitsverhältnis und freies Mitarbeiterverhältnis) denkbar (BAGE 30, 163, 167 f. = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B I 2 b der Gründe; BAG Urteil von 27. März 1991 – 5 AZR 194/90 – AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 7 der Gründe; BAG Urteil vom 13. November 1991 – 7 AZR 31/91 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 4 c der Gründe).

7. Auch soweit der Kläger aufgrund der anderslautenden schriftlichen „Vereinbarungen” an bestimmten Produktionen wie z.B. mit dem Titel „Tempo. Tempo” mitwirkt, ist er nicht Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter. Wie sich insbesondere aus Ziff. 6 dieser Vereinbarung ergibt, handelt es sich dabei um Werkverträge. Danach leistet der Kläger die redaktionellen Vorarbeiten, er stellt das Drehbuch, führt Regie und stellt den Beitrag fertig. Bei dieser Art von Sendungen ist auch seine zeitliche Gestaltungsfreiheit erheblich größer als bei seiner (Mit-) Arbeit an aktuellen Sendungen.

 

Unterschriften

Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Reinecke, Dr. Florack, Arntzen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079614

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