Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsfrist für Betriebsrat bei Massenentlassungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die einwöchige Anhörungsfrist des § 102 Abs 2 Satz 1 BetrVG verlängert sich auch bei Massenentlassungen nicht automatisch um einen bestimmten, für angemessen anzusehenden Zeitraum.

2. Die Anhörungsfrist kann zwar durch Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber verlängert werden. Jedoch besteht auch bei Massenentlassungen kein Anspruch des Betriebsrats auf Abschluß einer solchen Vereinbarung.

3. Die Berufung des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Anhörungsfrist kann bei Massenentlassungen rechtsmißbräuchlich sein. Hierfür reichen objektive Umstände wie die Zahl der Kündigungen und die sich hieraus für die Bearbeitung im Betriebsrat ergebenden Schwierigkeiten nicht aus. Wesentlich ist, ob der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist vom Arbeitgeber eine Fristverlängerung verlangt hat und wie sich beide Betriebspartner bis zur formellen Einleitung des Anhörungsverfahrens verhalten haben.

 

Normenkette

ZPO § 890; BGB §§ 242, 209; SchwbG § 12; BetrVG § 102; KSchG § 1 i.d.F des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476), § 17 Fassung 1969-08-25; ArbGG § 85 Fassung: 1979-07-02

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 20.03.1985; Aktenzeichen 5 Sa 123/84)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 17.08.1984; Aktenzeichen 13 Ca 487/83)

 

Tatbestand

Der im Jahre 1941 geborene, ledige Kläger war seit 23. September 1964 in dem Hamburger Betrieb der Beklagten zunächst als Helfer und Werkstattschreiber im Maschinenbau, später als Dreher beschäftigt. Seit dem Jahre 1981 war er aus gesundheitlichen Gründen als Fernschreiber in der Fernschreibzentrale und als Vertretung in der Telefonzentrale zu einem Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2.428,-- DM eingesetzt.

Die Beklagte betreibt in Hamburg eine Schiffswerft. Zur Verringerung eingetretener Verluste entwickelte sie das "Unternehmenskonzept 1983", das am 23. März 1983 von ihrem Aufsichtsrat genehmigt wurde. Danach sollten u. a. der Schiffsneubau in ihrem Hamburger Betrieb, in dem damals etwa 4.000 Arbeitnehmer beschäftigt waren, eingestellt sowie Massenentlassungen vorgenommen werden. Die Beklagte ging bei ihrer Planung davon aus, daß die wichtigsten Anpassungsmaßnahmen nach Verabschiedung des Konzepts innerhalb eines Jahres vollzogen werden müßten. Sie löste im Zuge dieses Konzepts die Fernschreibzentrale auf, verteilte die Fernschreibarbeiten auf die bei ihr noch weiterbeschäftigten Sekretärinnen und Schreibkräfte und übertrug der Werksfeuerwehrzentrale die Vermittlung der Ferngespräche, soweit diese nicht im Durchwahlverkehr abgewickelt werden können.

Nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem im Betrieb Hamburg bestehenden Betriebsrat über einen Interessenausgleich bestellte das Arbeitsgericht auf Antrag der Beklagten durch Beschluß vom 28. Juli 1983 einen Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamburg zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle und setzte die Zahl der Beisitzer auf je sechs Mitglieder fest (Arbeitsgericht Hamburg - 19 BV 9/83 -). Die hiergegen vom Betriebsrat eingelegte Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht durch Beschluß vom 1. September 1983 zurück (LAG Hamburg - 5 Ta BV 22/83 -). Am 6. September 1983 fand die konstituierende Sitzung der Einigungsstelle statt. Ein Interessenausgleich kam in dem Verfahren vor der Einigungsstelle nicht zustande. Dagegen einigten sich die Beklagte und der Betriebsrat ohne Einschaltung der Einigungsstelle über einen Sozialplan.

Am 6. September 1983 leitete die Beklagte bei dem Betriebsrat ihres Hamburger Betriebes das Anhörungsverfahren zur Entlassung von insgesamt 1.354 Arbeitnehmern ein. In ihrem Anhörungsschreiben führte sie aus, die Anhörung zu diesem Zeitpunkt erfolge vorsorglich zur Wahrung gesetzlicher Fristen und unbeschadet der Durchführung des Einigungsstellenverfahrens. Sie nahm Bezug auf mehrere, in den Monaten Mai bis Juli 1983 im Rahmen des Interessenausgleichsversuchs mit dem Betriebsrat geführte Gespräche sowie die dazu überlassenen Unterlagen und faßte die betrieblichen Gründe für die beabsichtigten Kündigungen nochmals zusammen. Zur sozialen Auswahl trug sie vor, sie habe, soweit ihr bekannt, Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstand, unterhaltspflichtige Kinder, Mutterschaft, Schwerbehinderung und Gleichstellung, doppelt verdienende Mitarbeiter sowie mitarbeitende Familienangehörige berücksichtigt und ausnahmsweise auch auf betriebliche Belange abstellen müssen, soweit diese zur technischen und betriebwirtschaftlichen Fortführung des Unternehmens erheblich seien.

Als Anlagen fügte sie, getrennt für die Angestellten und gewerblichen Mitarbeiter, folgende Unterlagen bei:

"Personallisten über die beabsichtigten be-

triebsbedingten Kündigungen, geordnet nach

den Bereichen und Kostenstellen, mit den für

die Anhörung erforderlichen Personal- und

Sozialdaten.

Personallisten aller Mitarbeiter, geordnet

nach Bereichen und Kostenstellen, entspre-

chend den neuen Organisationsstrukturen nach

Unternehmenskonzept 1983.

Eine zahlenmäßige Zusammenstellung der beab-

sichtigten betriebsbedingten Kündigungen, ge-

trennt nach Angestellten und gewerblichen Mit-

arbeitern, mit den Terminen, zu denen die Kün-

digungen erfolgen sollen."

In einer weiteren Anlage erläuterte sie die in den Personallisten enthaltenen Angaben (u. a. Personaldaten und Kündigungstermine). In der Personalliste war u. a. der Kläger unter Angabe von Kostenstelle, Tarifgruppe, Einstellungsdatum, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Tätigkeit, Familienstand aufgeführt und als vorgesehener Kündigungstermin der 31. März 1984 eingetragen. Die Beklagte bat den Betriebsrat um eine abschließende Stellungnahme bis zum 13. September 1983. Das Schreiben sowie sämtliche Anlagen gingen dem Betriebsrat am 6. September 1983 zu.

Auf einen am 7. September 1983 eingegangenen Antrag erwirkte der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung am 13. September 1983 einen Beschluß des Arbeitsgerichts, durch den der Beklagten untersagt wurde, personelle Maßnahmen im Zusammenhang mit der von ihr geplanten Betriebsänderung gegenüber gewerblichen Mitarbeitern vor dem 12. Oktober 1983 und gegenüber angestellten Mitarbeitern vor dem 27. September 1983 durchzuführen (Arbeitsgericht Hamburg - 12 Ga BV 3/83 -). Auf die Beschwerde der Beklagten änderte das Landesarbeitsgericht mit Beschluß vom 21. September 1983 die Entscheidung des Arbeitsgerichts ab und wies die Anträge des Betriebsrats zurück (LAG Hamburg - 6 Ta BV 23/83 -).

Während des Verfügungsverfahrens hatte der Betriebsrat in seiner Sitzung am 13. September 1983 über die Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen Beschluß gefaßt, die Widersprüche jedoch erst am 21. September 1983 gegen 15.30 Uhr der Beklagten zugeleitet. Im Falle des Klägers begründete er den Widerspruch im wesentlichen wie folgt:

"1. ...

2. Die eingeleitete Anhörung des Betriebsrates

ist zudem unzulässig wegen rechtsmißbräuch-

licher Ausnutzung der 1-Wochen Frist des § 102

BetrVG. Ein Anhörungsverfahren innerhalb einer

Zeit von 1 Woche kann bei 1354 beabsichtigten

Kündigungen auch nicht nur annährend ordnungs-

gemäß durchgeführt werden. Die Geschäftsleitung

ist verpflichtet, mit dem Betriebsrat über eine

erheblich längere Frist als im § 102 BetrVG vor-

gesehen, zu verhandeln und diese zu vereinbaren.

Wird der Betriebsrat wie hier mit der Anhörung

unter einen zeitlichen Druck gesetzt, der eine

auch nur annähernde inhaltlich fundierte Reaktion

des Betriebsrates unmöglich macht, ist das einge-

leitete Anhörungsverfahren als rechtsmißbräuchlich

zu bewerten.

Der Betriebsrat war innerhalb der Wochenfrist nicht

im Stande, mit den Arbeitnehmern zu sprechen. Die

individuelle Prüfung ist durch das Verhalten der

Geschäftsleitung unmöglich gemacht worden.

3. Unabhängig von den ersten beiden Punkten ist die

eingeleitete Anhörung nicht ordnungsgemäß im Sinne

des BetrVG, da Angaben, die für eine Stellungnahme

des Betriebsrates notwendig sind, fehlen. Der Be-

triebsrat sieht sich nicht im Stande, zu den ge-

planten Kündigungen abschließend Stellung zu nehmen,

da wesentliche Kriterien, die für eine Entscheidung

über die soziale Auswahl erforderlich sind, von der

Geschäftsleitung nicht mitgeteilt wurden.

Die Geschäftsleitung hat zwar in den EDV-Listen

diverse Punkte zur Person der Kündigenden angeführt

(...), diese mehr formalen Kriterien sind aber nicht

ausreichend, um eine abschließende Überprüfung der

sozialen Auswahl vornehmen zu können.

Dem Betriebsrat geht es bei der Überprüfung der

sozialen Auswahl, die die Geschäftsleitung durch-

geführt hat, insbesondere darum, die soziale Be-

troffenheit durch den Verlust des Arbeitsplatzes

zu berücksichtigen. Dazu benötigt der Betriebsrat

insbesondere noch folgende Daten für a l l e Be-

schäftigten, nicht nur für die 1354 Arbeitnehmer,

deren Kündigung geplant ist:

- Alter der Kinder

- Erwerbstätigkeit des Ehepartners und Einkommen

des Ehepartners

- Unterhaltsansprüche von in der Firma Beschäf-

tigten gegen andere Personen

- Unterhaltsansprüche anderer Personen gegen die

Beschäftigten

- Ausbildung und ausgeübte Berufe/Tätigkeiten vor

dem Eintritt der Betroffenen bei HDW

- Ausgeübte Berufe/Tätigkeiten während der Zuge-

hörigkeit zur HDW.

Die Daten: Alter der Kinder, Erwerbstätigkeit und Ein-

kommen des Ehepartners, Unterhaltsansprüche gegen

andere Personen sind in sich deutlich genug, um die

Wichtigkeit für die soziale Auswahl klarzustellen.

Die ausgeübten Berufe/Tätigkeiten in der Zeit der

Zugehörigkeit zur HDW und in der Zeit davor sind

für den Betriebsrat deshalb besonders wichtig,

weil nur in Kenntnis dieser Kriterien die Ver-

mittelbarkeit der Betroffenen überprüft werden

kann. Beschäftigte, die von ihrer Ausbildung her

oder/und den ausgeübten Berufen/Tätigkeiten sehr

flexibel waren und sind, werden im Normalfall

weniger Schwierigkeiten mit dem Finden eines Ar-

beitsplatzes haben als andere Beschäftigte, die

ausschließlich in einem engen Tätigkeitsbereich

Kenntnis haben.

Der Betriebsrat wird nach Vorlage dieser Daten

einen schnellen Gesprächstermin mit Berufsberatern

und anderen Beschäftigten des Arbeitsamtes verein-

baren, um zu erfahren, welche Beschäftigten nach

Kenntnis des Arbeitsamtes noch am ehesten vermittel-

bar sind. Diese Auskünfte des Arbeitsamtes werden

dann in die Entscheidungsfindung des Betriebsrates

mit eingehen.

Wir müssen Sie daher auffordern, die Daten aller

Beschäftigten entsprechend der vorgenannten Krite-

rien dem Betriebsrat mitzuteilen, damit dann die

soziale Auswahl abschließend überprüft werden kann

und gegebenenfalls Widerspruch bzw. Bedenken ein-

gereicht werden können.

4. Der Betriebsrat hält den Ausspruch der geplanten

Kündigungen aus dem unter 1 und 2 gegebenen Gründen

für rechtswidrig. Gemäß der Begründung in Ziffer 3

sind die Kriterien zur Überprüfung der vom Arbeit-

geber vorgenommenen sozialen Auswahl nicht aus-

reichend.

Nur rein vorsorglich wird aber hiermit gegen die

geplante Kündigung Widerspruch eingelegt, der sich

allerdings nur auf die - unzureichenden - Daten

stützt, die die Geschäftsleitung in den EDV-Listen

gegenüber dem Betriebsrat mitgeteilt hat. Teilweise

sind auch Zufallskenntnisse des Betriebsrates in den

Widerspruch eingegangen....

Der nur vorsorglich eingereichte Widerspruch wird

- auf der Grundlage der dem Betriebsrat bekannten

Daten - wie folgt begründet:

Die soziale Auswahl ist selbst nach den von

der Geschäftsleitung zugrunde gelegten Kri-

terien, die vom Betriebsrat nicht anerkannt

werden können, nicht ordnungsgemäß vorgenommen

worden:

Die Geschäftsleitung hat nicht einen Pool aus

den jeweils vergleichbaren Beschäftigten in

allen Abteilungen - unabhängig ob "betroffen"

oder nicht - gebildet und dann die soziale

Auswahl vorgenommen, sondern ist nur danach

gegangen, die in den nach ihrer Entscheidung

stillzulegenden Abteilungen beschäftigten Ar-

beitnehmer zu kündigen. Eine soziale Auswahl

der vergleichbaren Arbeitnehmer quer durch alle

Abteilungen ist nicht erfolgt.

Die Geschäftsleitung hat keinerlei Prüfung der

Umschulungs- und Fortbildungsmöglichkeiten der

Arbeitnehmer vorgenommen. Diese Möglichkeiten

sind aber für den betroffenen Arbeitnehmer ge-

geben. Die Fortbildung/Umschulung ist für den

Betrieb auch zumutbar.

Der Kollege ist schwerbehindert oder dem gleich-

gestellt bzw. es läuft ein Antrag auf Anerkennung

als Schwerbehinderter, deshalb ist eine Kündigung

unwirksam, weil die Zustimmung der Hauptfürsorge-

stelle nicht vorliegt.

Es ist nicht erkennbar, wie die von dem Kollegen

bisher ausgeübte Tätigkeit, die nicht wegfallen

kann, künftig wahrgenommen werden soll."

Mit Schreiben vom 21. September 1983, das ihm am gleichen Tag überreicht wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. März 1984.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung. Er hat vorgetragen, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Beklagte handele rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich auf die Nichteinhaltung der einwöchigen Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG durch den Betriebsrat berufe. Bei Massenkündigungen wie im vorliegenden Falle, müsse die Anhörungsfrist um einen angemessenen Zeitraum verlängert werden, weil sonst der Betriebsrat keine ausreichende Zeit zur Beratung der beabsichtigten Kündigungen habe. Der Betriebsrat habe die Beklagte mehrfach, insbesondere im einstweiligen Verfügungsverfahren, aufgefordert, mit ihm eine Fristverlängerung zu vereinbaren. Die Beklagte habe somit vor Ablauf der angemessenen Anhörungsfrist gekündigt. In jedem Falle hätte aber nach Erlaß des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts im Verfügungsverfahren am 21. September 1983 ein neues Anhörungsverfahren eingeleitet werden müssen, weil der Betriebsrat bis zu diesem Zeitpunkt auf den Beschluß des Arbeitsgerichts habe vertrauen dürfen. Zumindest dürfe der Zeitraum von 1,5 Tagen zwischen der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Verfügungsverfahren und dem Ende der Anhörungsfrist nicht in die Frist eingerechnet werden, weil sie durch diese Entscheidung bis zum Abschluß des Verfügungsverfahrens in der Beschwerdeinstanz gehemmt worden sei. Die Beklagte hätte deshalb die Kündigung frühestens am 23. September 1983 aussprechen dürfen.

Der Kläger hat weiter geltend gemacht, er genieße den Kündigungsschutz als Schwerbehinderter. Hierzu hat er zunächst vorgetragen, er habe vor zwei Jahren einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt, der bisher noch nicht beschieden sei. Hiervon habe er die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 11. Oktober 1983 und sonach innerhalb der von der Rechtsprechung geforderten Frist von einem Monat nach Zugang der Kündigung unterrichtet. Später hat er im Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht erklärt, er sei damals als Schwerbehinderter mit einer MdE von weniger als 50 % anerkannt worden. Über seinen gegen diese Entscheidung erhobenen Widerspruch sei nicht entschieden worden. Er habe dann einen neuen Antrag gestellt.

Der Kläger hat sich schließlich auch darauf berufen, daß die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei, weil die Beklagte die soziale Auswahl fehlerhaft getroffen habe. Sie habe hierfür nicht nur die in der Fernschreibzentrale beschäftigten Arbeitnehmer berücksichtigen dürfen. Er könne Englisch, schreibe fließend Maschine und habe eine Stenoausbildung. Deshalb sei er mit Sekretärinnen und Schreibkräften in sämtlichen Abteilungen vergleichbar. Er hätte somit z. B. die Tätigkeit der Angestellten St in der Abteilung KOM übernehmen können, die bedeutend jünger als er und erst etwas mehr als drei Jahre bei der Beklagten beschäftigt sei. Er habe Frau St seinerzeit angelernt. Ihre Arbeit sei vorher kurzfristig von einer Arbeitnehmerin aus der Telefonzentrale ausgeführt worden.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

zwischen den Parteien durch die ordent-

liche Kündigung der Beklagten vom 21.Sep-

tember 1983 zum 31. März 1984 nicht auf-

gelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu

unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu

beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, sie habe die Wochenfrist des § 102 BetrVG zur Anhörung des Betriebsrats eingehalten. Die Frist verlängere sich auch nicht im Falle einer Massenentlassung, da es an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung fehle. Der Betriebsrat habe sie auch nicht zum Abschluß einer Vereinbarung über die Verlängerung der Frist aufgefordert. Im übrigen sei dem Betriebsrat schon aus den vorausgegangenen Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan der Umfang der geplanten Entlassungen und der Kündigungssachverhalt bekannt gewesen. Bei 27 Mitgliedern, darunter acht freigestellten, habe ihm innerhalb der Wochenfrist ausreichende Zeit für die Bearbeitung ihrer Kündigung zur Verfügung gestanden. Schließlich sei am 13. September 1983 über die Widersprüche gegen die beabsichtigten Kündigungen auch tatsächlich beschlossen worden.

Der Kläger könne sich nicht auf den Kündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes berufen, weil er bisher nicht als Schwerbehinderter anerkannt worden sei. Die Kündigung sei betriebsbedingt, weil der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz sei ihr nicht möglich. Sie bestreite, daß der Kläger Englisch-, Schreibmaschinen- und Stenographiekenntnisse habe. Auf keinen Fall reichten seine Kenntnisse aus, um den Posten der als Fremdsprachenkorrespondentin für die Bearbeitung von Monteurrechnungen in der Maschinenfabrik eingesetzten Angestellten St zu übernehmen, die Steno- und Phonodiktate aufnehmen, Übersetzungen ins Englische vornehmen und selbständig Korrespondenz in englischer Sprache beantworten müsse.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Kündigung sei wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam, weil die Beklagte sich rechtsmißbräuchlich auf den Ablauf der Wochenfrist des § 102 BetrVG berufe.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte insbesondere hervorgehoben, daß der Betriebsrat keine Verlängerung der Wochenfrist von ihr gefordert habe, und zwar entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht in dem Verfügungsverfahren. Dieses Verfahren habe ein anderes Ziel verfolgt. Dem Betriebsrat wäre mit der bloßen Verlängerung der Anhörungsfrist nicht gedient gewesen, weil sie die Kündigungen dann trotz einer Verlängerung, wie geschehen, hätte aussprechen können.

Der Kläger hat hierzu erwidert, das Verlangen des Betriebsrats nach Verlängerung der Anhörungsfrist ergebe sich aus der im Verfügungsverfahren eingereichten Antragsschrift vom 7. September 1983 und weiteren Schriftsätzen des Betriebsrats. Unabhängig davon hätten der Betriebsratsvorsitzende und der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats in den Anhörungsterminen vom 12. und 13. September 1983 vor dem Arbeitsgericht die Beklagte mehrfach zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung über eine Fristverlängerung aufgefordert. Das Arbeitsgericht habe in dem Verfügungsbeschluß vom 13. September 1983 festgestellt, die Beklagte habe den Abschluß einer solchen Betriebsvereinbarung mit der Begründung abgelehnt, dies sei nicht erforderlich, weil sie im Einigungsstellenverfahren am 6. September 1983 unmißverständlich erklärt habe, vor dem 20. September 1983 keine Kündigungen auszusprechen. Auch in der Sitzung des Landesarbeitsgerichts vom 21. September 1983 habe der Betriebsrat die Beklagte wiederholt zum Abschluß einer Betriebsvereinbarung aufgefordert.

Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der vom Landesarbeitsgericht beschränkt zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

A. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision auf die Frage beschränkt, ob sich bei Massenentlassungen die Anhörungspflicht des § 102 Abs. 2 BetrVG verlängert. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82 - JR 1984, 113, m. w. N.) muß sich die beschränkte Zulassung auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitsstoffs beziehen, über den in einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teil- oder Zwischenurteil entschieden werden könnte. Dieser Grundsatz gilt auch für Kündigungsrechtsstreitigkeiten, weil die für diese bestehenden verfahrensrechtlichen Besonderheiten (vgl. etwa §§ 4 bis 7, 9, 13 Abs. 3 KSchG) es nicht zwingend gebieten, andere Maßstäbe für die Beschränkbarkeit der Revisionszulassung zugrunde zu legen als für andere Rechtsstreitigkeiten. Deshalb kann die Revisionszulassung nicht auf bestimmte Unwirksamkeitsgründe der Kündigung beschränkt werden, weil über solche Gründe nicht durch Teil-, Zwischen- oder Grundurteil gesondert entschieden werden kann. Dies hat bereits der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 14. November 1984 (BAG 47, 179, 182 f. = AP Nr. 89 zu § 626 BGB, zu I der Gründe) unter Aufgabe seiner früheren entgegengesetzten Ansicht (Urteil vom 2. Juni 1982, BAG 39, 112, 115 = AP Nr. 8 zu § 12 SchwbG, zu I der Gründe) entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dieser neueren Rechtsprechung an.

Ist demnach die Beschränkung der Revision, wie vom Berufungsgericht vorgenommen, unzulässig, so ist das angefochtene Urteil in vollem Umfang zu überprüfen (BGH LM Nr. 38 a zu § 546 ZPO; BAG Urteil vom 14. November 1984, aaO).

B. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten vom 21. September 1983 sei rechtswirksam, weil der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei, und sie sei auch aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt.

I. Zur Anhörung des Betriebsrats hat das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Beklagte habe das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Sie habe dem Betriebsrat unter Vorlage entsprechender Unterlagen mitgeteilt, daß der Kläger wegen Auflösung der Fernschreib- und Telefonzentrale seinen Arbeitsplatz verliere. Sie habe weiter dargelegt, daß vergleichbare Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt würden und deshalb eine soziale Auswahl nicht möglich sei. Die Beklagte habe auch die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 BetrVG eingehalten. Diese Frist gelte mangels einer gesetzlichen Sonderregelung auch bei Massenkündigungen. Zwar sei eine Vereinbarung über eine Verlängerung der Anhörungsfrist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zulässig. Hieraus ergebe sich aber kein Zwang zu einer solchen Regelung. Das Gesetz schreibe die Wochenfrist ohne Rücksicht auf die Zahl der beabsichtigten Kündigungen vor. Dem Gesetzgeber sei bei der Schaffung dieser Vorschrift das Problem der Massenentlassung bekannt gewesen, wie sich aus dem in § 102 Abs. 7 BetrVG enthaltenen Hinweis auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Massenentlassungen nach § 17 KSchG ergebe. Hätte der Gesetzgeber bei Massenentlassungen auch für die Anhörung nach § 102 BetrVG eine modifizierte Regelung beabsichtigt, hätte er diese Vorschrift anders ausgestaltet. Über die Entscheidung des Gesetzgebers könnten sich die Gerichte nicht hinwegsetzen. Im vorliegenden Fall komme hinzu, daß die Beklagte die Kündigung erst nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Verfügungsverfahren ausgesprochen habe.

II. Dieser Würdigung kann nur teilweise gefolgt werden. Das Berufungsgericht hätte prüfen müssen, ob die Berufung der Beklagten auf die Einhaltung der Wochenfrist rechtsmißbräuchlich ist. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich die Frage der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger noch nicht abschließend beantworten.

1. Beabsichtigt der Arbeitgeber, einem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen, so muß er den Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BetrVG vorher unter Mitteilung der Gründe hören. Hat der Betriebsrat hiergegen Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt (§ 102 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BetrVG). Geht man von der Geltung der Wochenfrist auch im vorliegenden Fall aus, so hat die Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung des Klägers ordnungsgemäß angehört.

a) Bei einer betriebsbedingten Kündigung gehören zu den Gründen für die Kündigung im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht nur die dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, sondern auch die Umstände, die nach Ansicht des Arbeitgebers für die soziale Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG maßgebend sind. Nach der früheren Rechtsprechung des Senates (BAG 30, 370 = AP Nr. 16 zu § 102 BetrVG 1972) genügte der Arbeitgeber zunächst seiner Mitteilungspflicht, wenn er lediglich Angaben zur Betriebsbedingtheit der beabsichtigten Kündigung machte. In diesem Fall konnte der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Erklärung über die Gründe verlangen, die zu der vom Arbeitgeber beabsichtigten sozialen Auswahl geführt haben. Kündigte der Arbeitgeber, ohne dem Verlangen des Betriebsrats zu entsprechen, war die Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Kam der Arbeitgeber dem Verlangen des Betriebsrats nach, so stand diesem nunmehr die Wochenfrist für eine abschließende Stellungnahme zur Verfügung.

Der Senat hat diese Rechtsprechung zwar in seinem Urteil vom 29. März 1984 (BAG 45, 277 = AP Nr. 31 zu § 102 BetrVG 1972) aufgegeben. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat von vornherein, auch ohne entsprechendes Verlangen, die Gründe mitzuteilen, die ihn zur Auswahl gerade dieses Arbeitnehmers veranlaßt haben. Der Senat hat jedoch die Geltung der neuen Grundsätze aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit auf die Zeit nach der Veröffentlichung dieses Urteils beschränkt (BAG 45, 277, 288 f. = AP, aaO, zu III 5 der Gründe).

b) Für die von der Beklagten im Zuge der Durchführung ihres Unternehmenskonzepts 1983 im September 1983 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigungen und somit auch für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger sind deshalb die früheren Grundsätze anzuwenden. Danach hat die Beklagte das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.

aa) Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb gemäß § 561 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte dem Betriebsrat mitgeteilt, der Kläger verliere wegen der Auflösung der Fernschreib- und Telefonzentrale seinen Arbeitsplatz, vergleichbare Telefonisten und Fernschreiber würden nicht weiterbeschäftigt und eine soziale Auswahl innerhalb dieses Personenkreises sei somit nicht möglich. Damit hat die Beklagte den Betriebsrat davon unterrichtet, daß das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den Kläger in seiner bisherigen Stellung entfalle und insoweit ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorliege.

bb) Erfolglos rügt die Revision in diesem Zusammenhang, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ausreichend über die Gründe für die soziale Auswahl des Klägers unterrichtet, weil sie nicht die in anderen Abteilungen beschäftigten und mit ihm vergleichbaren Schreibkräfte und Sekretärinnen in ihre Auswahlentscheidung einbezogen habe.

Zum einen muß der Arbeitgeber im Rahmen des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch zur Sozialauswahl nur diejenigen Überlegungen vortragen, die nach seiner Ansicht die Kündigung rechtfertigen. Daraus folgt, daß eine Anhörung nicht schon deshalb fehlerhaft ist, weil die dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe die Auswahl objektiv nicht rechtfertigen (BAG 30, 370, 383 = AP, aa0, zu III 5 der Gründe). Die Beklagte genügte deshalb ihrer Mitteilungspflicht, auch wenn objektiv noch weitere vergleichbare Arbeitnehmer vorhanden waren, sie diese aber nicht für vergleichbar ansah und deshalb auch nicht dem Betriebsrat nannte.

Wie ferner zu berücksichtigen ist, hätte die Beklagte dem Betriebsrat nach den hier noch anzuwendenden früheren Rechtsprechungsgrundsätzen des Senats Sozialdaten erst auf ein innerhalb der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG an sie gerichtetes Verlangen des Betriebsrats mitteilen müssen. Galt diese Frist, so war das an sie in dem erst nach Fristablauf am 21. September 1983 übergebenen Widerspruchsschreiben vom 13. September 1983 gerichtete Verlangen des Betriebsrats nach Mitteilung weiterer Sozialdaten verspätet. Die Beklagte war danach nicht mehr verpflichtet, Sozialdaten mitzuteilen. Da die Fristversäumung in die Sphäre des Betriebsrats fällt, führt eine unzureichende Unterrichtung des Betriebsrats über die Sozialdaten des Klägers nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. zuletzt BAG 46, 258, 265 f. = AP Nr. 17 zu § 103 BetrVG 1972, zu B II 2 a der Gründe, m. w. N.).

c) Mit dem Ablauf der Wochenfrist am 13. September 1983 galt die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG als erteilt. Damit war das Anhörungsverfahren abgeschlossen. Selbst wenn in der Erklärung des Vertreters der Beklagten im Einigungsstellenverfahren, sie werde die Kündigungen nicht vor dem 20. September 1983 aussprechen, eine Selbstbindung der Beklagten zu sehen und anzunehmen wäre, eine gleichwohl früher erklärte Kündigung sei rechtsmißbräuchlich, durfte die Beklagte jedenfalls - wie geschehen - am 21. September 1983 die Kündigung aussprechen.

2. Die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung des Betriebsrats hängt somit allein davon ab, ob die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG auch für das von der Beklagten mit Schreiben vom 6. September 1983 eingeleitete Anhörungsverfahren zu den 1.354 Kündigungen und damit auch zur Kündigung des Klägers galt.

a) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, verlängert sich die Wochenfrist bei Massenentlassungen nicht automatisch um einen bestimmten oder nach den Fallumständen zu bemessenden Zeitraum. Eine solche Auslegung widerspräche dem Wortlaut des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, dem systematischen Zusammenhang dieser Vorschrift und der Gesetzesgeschichte.

aa) Im Schrifttum sind die Ansichten geteilt. Bösche (Die Rechte des Betriebsrats bei Kündigungen 1979, Rz 32 und 76) meint, der Arbeitgeber dürfe dem Betriebsrat nicht gleichzeitig mehr Kündigungen vorlegen, als dieser bei ordnungsgemäßer Beratung behandeln könne. Dies ergebe sich aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Loyalitätsprinzip des § 2 Abs. 1 BetrVG sowie der Fürsorgepflicht gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern. Höchstzahlen ließen sich nicht generell festlegen, da dies von den jeweiligen betrieblichen und persönlichen Umständen sowie der Arbeitsbelastung des Betriebsrats abhänge. Es könne jedoch angenommen werden, daß die gleichzeitig angekündigten Entlassungen nicht die in § 17 KSchG festgelegten Zahlen überschreiten dürften. Leite der Arbeitgeber dennoch dem Betriebsrat eine größere Zahl von beabsichtigten Kündigungen zu, so verlängere sich die Anhörungsfrist entsprechend. Der Arbeitgeber würde rechtsmißbräuchlich handeln, wollte er sich auf den Fristablauf des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG berufen.

Die entgegengesetzte Ansicht vertreten Etzel (KR, 2. Aufl., § 102 BetrVG Rz 87) sowie Schlochauer (Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 102 Rz 67) unter Berufung auf die nach ihrer Ansicht eindeutige gesetzliche Bestimmung, die keine Ausnahme von der starren Fristenregelung vorsieht. Ihr ist zu folgen.

bb) Der Gesetzeswortlaut ist eindeutig. Eine einschränkende Auslegung im Sinne der abgelehnten Meinung käme nur in Betracht, wenn greifbare Anhaltspunkte für die Annahme vorlägen, es bestehe eine verdeckte Regelungslücke, weil der Gesetzgeber den Fall der Massenentlassung bei der Regelung des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG nicht bedacht habe. Diese Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion der Norm liegen jedoch nicht vor.

cc) Gegen eine Regelungslücke spricht neben dem Gesetzeswortlaut der systematische Zusammenhang der Norm.

Das Regelungswerk des § 102 BetrVG enthält in Abs. 7 die Bestimmung, daß die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz unberührt bleiben. Verwiesen wird damit insbesondere auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Massenentlassungen nach § 17 Abs. 2 und 3 KSchG und zudem auf die weniger bedeutsame Vorschrift des § 3 KSchG über das Einspruchsrecht des Betriebsrats. Danach muß der Arbeitgeber, sofern er nach Abs. 1 anzeigepflichtige Entlassungen beabsichtigt, den Betriebsrat rechtzeitig u. a. über die Gründe für die Entlassungen und die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer schriftlich unterrichten und weitere zweckdienliche Auskünfte erteilen (Abs. 2). Er hat ferner gleichzeitig eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat dem Arbeitsamt zuzuleiten und der schriftlichen Massenentlassungsanzeige nach Abs. 1 die Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen (Abs. 3). Wie der in § 102 Abs. 7 BetrVG enthaltene Hinweis auf diese Vorschriften zeigt, war dem Gesetzgeber bei der Regelung des Beteiligungsrechts des Betriebsrats vor Kündigungen das Problem der Massenentlassung bekannt. Gleichwohl hat er keine Veranlassung gesehen, auch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG beim individualrechtlichen Kündigungsschutz im Fall von Massenentlassungen zu modifizieren. Dies spricht dafür, daß er mit der in § 17 Abs. 2 und 3 KSchG getroffenen Regelung die besonderen Belange des Betriebsrats bei der Beteiligung bei Massenentlassungen für ausreichend gewahrt angesehen hat.

dd) Die Gesetzesgeschichte bestätigt diese Annahme.

Nach § 66 Abs. 2 BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat bei Massenentlassungen ein Beratungsrecht. Diese Bestimmung hat das neue Betriebsverfassungsgesetz nicht übernommen, weil das verstärkte Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Kündigungen, das Beratungsrecht im Rahmen der Personalplanung (§ 92 Abs. 1 BetrVG) und insbesondere das Beteiligungsrecht bei Betriebsänderungen (§ 111 ff. BetrVG) einen ausreichenden Schutz gewährleistete (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 314).

Nach dem im Fünften Deutschen Bundestag von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Betriebsverfassung (BT-Drucks. V/3658) sollte die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig sein. Der Arbeitgeber sollte dem Betriebsrat "rechtzeitig" die Gründe für die geplante Kündigung mitteilen und der Betriebsrat eine Ablehnung binnen einer Woche dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen (§ 66 Abs. 1 Sätze 1 bis 3, § 62 Abs. 2 des Entwurfs). Auch der im Sechsten Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drucks. VI/1806) sah für die in § 39 geregelte Anhörung des Betriebsrats vor einer ordentlichen Kündigung eine "rechtzeitige" Unterrichtung des Betriebsrats und eine einwöchige Frist für einen Widerspruch des Betriebsrats vor. Demgegenüber enthielt bereits der Regierungsentwurf (RE) zum Betriebsverfassungsgesetz 1972 (BT-Drucks. VI/1786) die dann Gesetz gewordene Regelung des § 102 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, die für die Mitteilung der Kündigungsabsicht an den Betriebsrat keine zeitliche Komponente vorsieht und für die Mitteilung der Bedenken des Betriebsrats eine starre Frist vorschreibt, die in der Begründung zum Regierungsentwurf (aaO, S. 52) als Ausschlußfrist bezeichnet wird.

Der Gesetzgeber hat damit eindeutig zu erkennen gegeben, daß er die Einleitung des Anhörungsverfahrens durch den Arbeitgeber nicht an den unbestimmten Rechtsbegriff der Rechtzeitigkeit binden wollte. Danach hätten möglicherweise zwar die besonderen Umstände des Einzelfalles und damit auch die sich bei Massenentlassungen für den Betriebsrat ergebenden Schwierigkeiten berücksichtigt werden können, weil dann die Auslegung vertretbar gewesen wäre, daß nur eine rechtzeitige Mitteilung die Wochenfrist für die Stellungnahme des Betriebsrats in Lauf setzen würde. Andererseits wäre aber die Praxis bereits im Anhörungsverfahren mit den Folgen eingeschränkter Rechtssicherheit belastet worden, die sich bei Anwendung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffs ergeben.

Absatz 7 des § 102 BetrVG 1972 ist erst durch den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (Schriftlicher Bericht, z u Drucks. VI/2729) in das Gesetz eingefügt worden. In der Begründung (aaO, S. 31) ist vermerkt, dieser neue Absatz stelle klar, daß die Beteiligung des Betriebsrats bei anzeigepflichtigen Entlassungen nach dem Kündigungsschutzgesetz unberührt bleiben sollte. Hieraus wird deutlich, daß der Gesetzgeber gerade auch das Problem der Massenentlassung gesehen, aber auch für diese keine Modifizierung des Anhörungsrechts für erforderlich erachtet hat. Eine solche Regelung wurde auch nicht in Betracht gezogen, als durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes vom 27. April 1978 (BGBl. I S. 550) gerade die Beteiligung des Betriebsrats bei Massenentlassungen nach § 17 KSchG gegenüber der bisherigen Rechtslage in den Absätzen 2 und 3 verstärkt wurde, obwohl in Abs. 2 Satz 1 für diesen Bereich eine "rechtzeitige" Unterrichtung des Betriebsrats gefordert wird. Mit dieser Regelung ist auch nicht im Ergebnis das Merkmal der Rechtzeitigkeit nunmehr für die Anhörung nach § 102 BetrVG maßgebend geworden. Denn die Benachrichtigung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG muß rechtzeitig vor der E n t l a s s u n g erfolgen. Diese ist nicht gleichbedeutend mit der Kündigung, weil Entlassung im Sinne des § 17 KSchG die aufgrund einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers erfolgte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Die Anzeige und die Unterrichtung des Betriebsrats müssen also nicht vor Ausspruch der Kündigung, sondern erst vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen (KR-Gröninger, 2. Aufl., § 17 KSchG Rz 32, 59). Da der Betriebsrat bereits nach § 102 BetrVG vor der Kündigung anzuhören ist, ist im Hinblick auf die einzuhaltende Kündigungsfrist eine damit verbundene Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in der Regel auch als rechtzeitig im Sinne dieser Vorschrift anzusehen (KR-Gröninger, aaO, Rz 59).

b) Aus den vorstehend dargestellten Gründen kommt bei Massenentlassungen auch keine einseitige Verlängerung der einwöchigen Anhörungsfrist durch den Betriebsrat in Betracht. Dies würde ebenfalls der eindeutigen gesetzlichen Regelung widersprechen (ebenso Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, Rz 491 m. w. N.; a. M. Klebe/Schumann, Das Recht auf Beschäftigung im Kündigungsschutzprozeß, S. 52 Fußn. 4).

c) Auch ein Anspruch des Betriebsrats auf Abschluß einer Fristverlängerungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber kann bei Massenentlassungen nicht anerkannt werden.

aa) Zwar ist eine solche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zulässig.

Der Senat hat diese Frage bisher offen gelassen (BAG 29, 270, 276 f. = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972, zu II 3 c der Gründe).

Ein Teil des Schrifttums lehnt unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. VI/1786, S. 52), wonach es sich bei der Frist um eine Ausschlußfrist handele (GK-Kraft, BetrVG, 3. Bearb. September 1982, § 102 Rz 55; Stege/Weinspach, BetrVG, 5. Aufl., § 102 Rz 92; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 102 Rz 82 und 84), eine Fristverlängerung ab. Heinze (aaO Rz 194) verneint die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung deswegen, weil es im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht auf individualrechtliche Interessen ankommen könne; die klare Fristenregelung, die durch die Fiktion des § 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG noch unterstrichen werde, schließe eine Verlängerung der Frist aus. Schlochauer (aaO, Rz 67) begründet die ablehnende Auffassung damit, § 102 Abs. 1 BetrVG diene kollektivrechtlichen Interessen und es komme nicht auf das Individualinteresse des einzelnen Arbeitnehmers an.

Demgegenüber geht die herrschende Meinung von der Zulässigkeit der einvernehmlichen Verlängerung der Anhörungsfrist aus (Brill, DB 1975, 930, 931; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 71, Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 102 Rz 32; KR-Etzel, aaO, Rz 87; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 102 Rz 39; Löwisch, BetrVG, § 102 Rz 16; Hueck, KSchG, 10. Aufl., Einleitung Rz 112 a; Klebe/Schumann, aaO, S. 53 ff.; Meisel, DB 1972, 1627, 1630; ders., Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in persönlichen Angelegenheiten, 5. Aufl., Rz 479; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rz 242; Weiss, BetrVG, 2. Aufl., §102 Rz 10; Bösche, aaO, Rz 75; LAG Düsseldorf vom 30. August 1977 - 8 Sa 505/77 - DB 1977, 2383, mit zust. Anm. von Peiseler).

bb) Der herrschenden Auffassung ist zuzustimmen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat bereits im Zusammenhang mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer personellen Einzelmaßnahme gemäß § 99 BetrVG entschieden, daß die Betriebspartner die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verlängern können (BAG 42, 386, 392 ff. = AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe). Dies ist damit begründet worden, schutzwürdige Belange Dritter stünden einer derartigen Vereinbarung nicht entgegen und die Ein-Wochen-Frist diene den Belangen des Arbeitgebers; diesem müsse daran gelegen sein, alsbald Klarheit darüber zu haben, ob die Durchführung der in Aussicht genommenen personellen Maßnahme zulässig sei oder nicht. Für die Zulässigkeit der Verlängerung der Wochenfrist sprächen auch Bedürfnisse der Praxis.

Diese Grundsätze gelten auch für die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Regelung unterstellt, daß dem Betriebsrat normalerweise ausreichend Zeit zur Verfügung steht, über die beabsichtigte Kündigung zu beraten. Sie dient ausschließlich dem Interesse des Arbeitgebers, der nach Fristablauf die Kündigung aussprechen kann, unabhängig davon, ob der Betriebsrat eine Stellungnahme abgegeben hat oder nicht. Der betroffene Arbeitnehmer wird durch eine Verlängerung der Frist nicht benachteiligt (Galperin/Löwisch, aaO, § 102 RZ 39; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 102 Rz 32; LAG Düsseldorf, aa0), weil sich die Kündigungsfrist dadurch nicht verkürzt (Klebe/Schumann, aaO, S. 54).

Für eine solche Befugnis der Betriebspartner spricht auch die in § 102 Abs. 6 BetrVG vorgesehene Regelung. Danach können die Betriebspartner ein volles Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Kündigungen vereinbaren. Im Falle der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung hat dann die Einigungsstelle über die Berechtigung der Zustimmungsverweigerung zu entscheiden. Hieraus kann die Befugnis der Betriebspartner gefolgert werden, einvernehmlich dem Betriebsrat gegenüber der Zustimmung geringere Rechte einzuräumen, wie z. B. die Verlängerung der Anhörungsfrist (Klebe/Schumann, aaO, S. 54; Meisel, DB 1972, 1627, 1630; Stahlhacke, aaO, Rz 224). Demgegenüber kann nicht unter Hinweis auf den Beschluß des Ersten Senats vom 5. Februar 1971 (BAG 23, 196, 202 = AP Nr. 6 zu § 61 BetrVG) geltend gemacht werden, bei der Frist handele es sich um eine Ausschlußfrist, denn diese Entscheidung bezieht sich auf § 61 BetrVG 1952 und betraf Umgruppierung von Arbeitnehmern.

cc) Im vorliegenden Fall ist es nicht zum Abschluß einer Verlängerungsvereinbarung gekommen. Aus der Möglichkeit zum Abschluß einer freiwilligen Vereinbarung kann im Falle einer Massenentlassung auch kein Anspruch des Betriebsrats auf Abschluß einer solchen Vereinbarung gegen den Arbeitgeber hergeleitet werden, wie das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat. Dies würde im Ergebnis einer einseitigen Fristverlängerung gleichkommen und ist deshalb ebenso wie diese mit der gesetzlichen Fristenregelung nicht zu vereinbaren.

Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG), der auch im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG zu beachten ist (BAG Urteil vom 5. Februar 1981 - 2 AZR 1135/78 - AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW, zu II 1 b der Gründe; BAG 40, 95, 100 = AP Nr. 25 zu § 102 BetrVG 1972, zu 2 b cc der Gründe; BAG 44, 201, 208 = AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972, zu A I 2 c der Gründe), rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Beurteilung.

In der Literatur wird allerdings unter Berufung auf diesen Grundsatz die Ansicht vertreten, daß der Betriebsrat bei beabsichtigten Kündigungen ausnahmsweise, nämlich bei besonderer Eilbedürftigkeit, die Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht voll ausschöpfen dürfe, sondern verpflichtet sei, seine Entscheidung alsbald herbeizuführen (Brill, DB 1975, 930, 931; Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 72; Galperin/Löwisch, aaO, § 102 Rz 37 a; Löwisch, aaO, § 102 Rz 16; KR-Etzel, aa0, Rz 88; Meisel, Mitwirkung und Mitbestimmung bei personellen Angelegenheiten, 5. Aufl., Rz 480; a. M.: Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, Rz 488; Stahlhacke, aaO, Rz 226).

Demgegenüber haben jedoch der erkennende sowie der Erste Senat entschieden, daß in Eilfällen eine vom Arbeitgeber einseitig veranlaßte Verkürzung der gesetzlichen Anhörungsfrist g r u n ds ä t z l i c h nicht möglich sei (BAG 27, 331, 338 = AP Nr. 7 zu § 102 BetrVG 1972, zu 5 b der Gründe; BAG 29, 114, 119 = AP Nr. 11 zu § 102 BetrVG 1972, zu 3 der Gründe); etwas anderes könne bei betriebsbedingten Kündigungen allenfalls dann gelten, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Betriebs plötzlich und unvorhergesehen derart verschlechtert, daß der sofortige Ausspruch von Kündigungen unabweisbar notwendig sei (BAG 27, 331, 340; 29, 114, 119). Verspätete Unternehmerentscheidungen könnten aber nicht dazu führen, den gesetzlichen Handlungsspielraum des Betriebsrats in zeitlicher Hinsicht zu beschränken (BAG 29, 114, 119).

Aber selbst dann, wenn man für Eilfälle der vorstehend dargestellten Meinung im Schrifttum folgte, könnte daraus kein Anspruch des Betriebsrats auf Verlängerung der Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hergeleitet werden. Für eine Verkürzung der Frist findet sich in der gesetzlichen Regelung immerhin ein Anhaltspunkt, weil der Betriebsrat seine Bedenken "spätestens" innerhalb einer Woche vorzubringen hat. Daraus könnte hergeleitet werden, der Betriebsrat habe nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit seine Stellungnahme früher abzugeben, wenn dringende betriebliche Interessen gegen eine volle Ausschöpfung der Frist sprechen. Für eine Fristverlängerung fehlt jedoch ein solcher Anhaltspunkt in der konkreten Bestimmung über das Anhörungsverfahren. Dies spricht dafür, daß der Gesetzgeber für diesen Bereich, soweit es sich um die Frist handelt, aus Gründen der Rechtssicherheit eine zwingende abschließende Regelung getroffen hat.

d) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sei durch den im Verfügungsverfahren am 13. September 1983 und damit am letzten Tag der Frist erlassenen Beschluß des Arbeitsgerichts "gestoppt" worden und habe sich nach der Aufhebung dieser Entscheidung durch den Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 21. September 1983 jedenfalls noch um einen Tag verlängert, so daß die am selben Tag zugegangene Kündigung vor Fristablauf erklärt worden und deshalb unwirksam sei.

Gesetzliche Vorschriften über die Hemmung oder Unterbrechung der Anhörungsfrist, durch die allein eine Fristverlängerung eintreten könnte, bestehen nicht. Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 202 ff. BGB über die Hemmung und Unterbrechung von Verjährungsvorschriften ist nicht möglich, weil es an einer Vergleichbarkeit der Tatbestände fehlt. Auch die Vorschrift des § 209 BGB ist nicht anwendbar. Danach wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder Feststellung, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlaß des Vollstreckungsurteils Klage erhebt (Abs. 1) oder eine der in Abs. 2 aufgeführten Prozeßhandlungen vornimmt, zu denen nach Nr. 5 die Stellung des Antrags auf Zwangsvollstreckung zählt, soweit diese den Gerichten zugewiesen ist. Ein der Klage gleichzusetzendes Beschlußverfahren in der Hauptsache hat der Betriebsrat nicht anhängig gemacht. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, daß aus dem Verfügungsbeschluß des Arbeitsgerichts die Zwangsvollstreckung betrieben worden sei. Dies hätte gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 ArbGG, § 890 Abs. 1 und 2 ZPO durch einen an das Arbeitsgericht gerichteten Antrag geschehen müssen, die Beklagte zu dem in dem Verfügungsbeschluß angedrohten Ordnungsgeld zu verurteilen. Die Zustellung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung unterbricht die Verjährung eines Anspruchs nach § 209 Abs. 2 Nr. 5 BGB auch dann nicht, wenn sie die Androhung von Ordnungsmitteln enthält und der Schuldner sie, wie hier die Beklagte, bis zur Aufhebung des Verfügungsbeschlusses, befolgt (BGH NJW 1979, 217). Dies müßte auch bei einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf die Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gelten.

e) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht bedacht, daß nach dem die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben im Hinblick auf die konkreten Umstände des Falles auch die Berufung des Arbeitgebers auf die Einhaltung der Wochenfrist des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rechtsmißbräuchlich sein kann und der vorliegende Fall Anhaltspunkte hierfür bietet.

aa) Der Abschluß einer zulässigen Vereinbarung über eine Fristverlängerung kann im beiderseitigen Interesse liegen. Auch der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gilt für beide Betriebspartner. Deswegen kann der Arbeitgeber rechtsmißbräuchlich handeln, wenn er auf der Einhaltung der Wochenfrist besteht, obwohl der Betriebsrat dadurch erkennbar in der Wahrnehmung seines Beteiligungsrechts beeinträchtigt wird, ohne daß ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an dieser zeitlichen Abwicklung des Anhörungsverfahrens ersichtlich ist. Sein Verhalten ist dann als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition anzusehen.

bb) Der Mißbrauchseinwand kann jedoch bei Massenentlassungen nicht allein mit der Zahl der beabsichtigten Kündigungen und den sich hieraus für den Betriebsrat ergebenden Schwierigkeiten begründet werden. Diese waren dem Gesetzgeber bekannt, ohne daß er hieraus Folgerungen für die dem Betriebsrat zugemessene Anhörungsfrist gezogen hat. Andernfalls hätte es nahegelegen, bei Massenentlassungen je nach deren Umfang eine zeitlich gestaffelte Verlängerung der Anhörungsfrist vorzuschreiben. Dies ist nicht geschehen. Der Gesetzgeber mag davon ausgegangen sein, durch die Einführung einer an die Betriebsgröße anknüpfende Mindestzahl von freizustellenden Betriebsratsmitgliedern in § 38 BetrVG stehe auch bei Massenentlassungen größeren Umfangs eine ausreichende Zahl von Betriebsratsmitgliedern für eine die Entscheidung im Plenum oder in dem zuständigen Personalausschuß vorbereitende Behandlung der Kündigungsfälle zur Verfügung.

cc) Wie in allen Fällen des Rechtsmißbrauchs muß vielmehr auf die besonderen Umstände des Falles abgestellt werden.

Dies bedeutet zunächst, daß der Betriebsrat vom Arbeitgeber innerhalb der Wochenfrist, die mit dem Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers an ihn beginnt, eine Verlängerung der Frist, und zwar um einen bestimmten Zeitraum, verlangt haben muß. Da eine solche Vereinbarung zulässig ist, muß der Betriebsrat nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit auch zu erkennen geben, daß er sie für erforderlich hält.

Maßgebend ist ferner das Verhalten beider Betriebspartner bis zur Einleitung des Anhörungsverfahrens. Überrascht der Arbeitgeber, möglicherweise unter Verletzung von Informationspflichten (§ 92 BetrVG), den Betriebsrat mit Massenentlassungen, so kann die Berufung auf die Einhaltung der Wochenfrist als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition zu mißbilligen sein. Je umfangreicher er den Betriebsrat jedoch vorher von den Kündigungssachverhalten unterrichtet hat, desto weniger kann ein solcher Vorwurf gerechtfertigt sein.

Auf der anderen Seite muß der Betriebsrat bei der Ausübung seines Anhörungsrechts auch gegenüber Massenentlassungen auf die berechtigten Interessen des Betriebes Rücksicht nehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der vorgesehenen Kündigungsfristen. Handelt es sich um Massenentlassungen, die gleichzeitig eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG darstellen und verzögerte der Betriebsrat die Verhandlungen über den Interessenausgleich, so daß durch eine Verlängerung der Anhörungsfrist die vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen vorgesehenen und erforderlichen Entlassungstermine gefährdet werden, kann dem Arbeitgeber kein Rechtsmißbrauch vorgeworfen werden.

In diesem Zusammenhang kann die vom Arbeitsgericht vertretene Ansicht nicht geteilt werden, ein rechtsmißbräuchliches Handeln des Betriebsrats könne sich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken. Zwar trifft es zu, daß mit dem Widerspruchsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 BetrVG auch die kündigungsschutzrechtliche Stellung des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG verstärkt und ihm nach § 102 Abs. 5 BetrVG ein Weiterbeschäftigungsanspruch eingeräumt worden ist. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, eine rechtsmißbräuchliche Ausübung von Beteiligungsrechten durch den Betriebsrat dürfe keine nachteiligen Folgen für die an die Beteiligungsrechte geknüpften Individualrechte des Arbeitnehmers haben. Denn die Wahrung dieser Rechte ist vom Gesetzgeber dem Betriebsrat übertragen worden, die er gegenüber dem Arbeitgeber nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit auszuüben hat.

dd) Bei Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze kann der Senat noch nicht abschließend beurteilen, ob die Beklagte sich rechtsmißbräuchlich auf die Einhaltung der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beruft.

Das Berufungsgericht ist der Behauptung des Klägers, der Betriebsrat habe im Verfügungsverfahren innerhalb der Wochenfrist mehrfach von der Beklagten eine Verlängerung der Anhörungsfrist verlangt, nicht nachgegangen. Der Senat kann hierzu keine Feststellungen treffen, da der Sachverhalt zwischen den Parteien streitig ist und zudem die Akte des Verfügungsverfahrens, auf deren Inhalt sich der Kläger zum Beweis für seine Behauptungen beruft, nicht zum Gegenstand der Verhandlung in den Vorinstanzen gemacht worden ist.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben im Verfügungsverfahren ausdrücklich festgestellt, der Betriebsrat habe die Verhandlungen über einen Interessenausgleich sowie die Bildung einer Einigungsstelle durch Ausnutzung formaler Rechtspositionen verschleppt und auf eine Verzögerung der nach dem Unternehmenskonzept 1983 für längstens 31. März 1984 geplanten und für die Durchführung des Konzepts erforderlichen Entlassungen durch Ausnutzung formaler Rechtspositionen hingearbeitet. Diese Feststellungen sind jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht bindend, und das Berufungsgericht hat auch zu diesem Punkt selbst keine Feststellungen getroffen.

III. Die unvollständige Würdigung des Berufungsgerichts zur Anhörung des Betriebsrats ist für das angefochtene Urteil tragend und macht die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erforderlich (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Klage nicht mit der Begründung stattgegeben werden, die Kündigung der Beklagten sei sozial ungerechtfertigt.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, für die Kündigung habe ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestanden. Der Arbeitsplatz des Klägers in der Telefon- und Fernschreibzentrale des Hamburger Betriebes sei unstreitig eingespart worden. Hiervon gehe auch der Kläger aus. Sei der bisherige Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen, so müsse der Arbeitnehmer darlegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz vorstelle. Eine solche Beschäftigungsmöglichkeit habe der Kläger jedoch nicht aufgezeigt.

Diese Würdigung läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überein und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

Die Auflösung der Telefon- und Fernschreibzentrale stellt eine Unternehmerentscheidung dar, die von den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf überprüft werden kann, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast für diesen Ausnahmetatbestand trägt der Arbeitnehmer (vgl. BAG 42, 151, 157 = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe, m. w. N.). Der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen.

Zwar muß der Arbeitgeber vor einer Kündigung wegen einer Rationalisierungsmaßnahme versuchen, den davon betroffenen Arbeitnehmer auf einem anderen f r e i e n Arbeitsplatz im Betrieb oder möglicherweise in einem anderen Betrieb des Unternehmens einzusetzen. Nach den Grundsätzen über die abgestufte Darlegungslast genügt aber zunächst der allgemeine Vortrag des Arbeitgebers, wegen der erforderlichen Betriebsänderung sei eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht möglich. Demgegenüber hat der Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt. Erst danach muß der Arbeitgeber eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung auf einen entsprechenden freien Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei (BAG 42, 151, 158 = AP, aa0, zu B II 2 a der Gründe, m. w. N.). Dieser abgestuften Darlegungslast genügt der Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen nicht. Auf den Vortrag der Beklagten, eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei nicht möglich, hat der Kläger keine konkrete anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten genannt.

b) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die soziale Auswahl des Klägers durch die Beklagte für fehlerhaft ansehen müssen, greift nicht durch.

aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auch wenn man in die soziale Auswahl die Sekretärinnen einbeziehe, habe der Kläger zu einer fehlerhaften sozialen Auswahl nicht substantiiert vorgetragen. Der Arbeitnehmer müsse entweder bestimmte, nach seiner Ansicht weniger schutzbedürftiger Arbeitnehmer benennen oder, wenn er hierzu nicht in der Lage sei, den Arbeitgeber auffordern, die Gründe für die von ihm getroffene soziale Auswahl mitzuteilen. Insoweit sei das Vorbringen des Klägers unklar. Sei es dahin aufzufassen, er könne selbst nicht bestimmte Arbeitnehmer benennen, müßte er sich entgegenhalten lassen, daß die Beklagte im Zusammenhang mit der Anhörung des Betriebsrats zu der von ihr geplanten Personaleinschränkung auch unter Bezeichnung der betroffenen Arbeitnehmer in den dazugehörigen Listen vorgetragen habe. Die generelle Bezugnahme des Klägers auf einen Personenkreis sei deshalb zu unbestimmt. Außerdem habe er nicht konkret die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten dargelegt, die ihn in die Lage versetzen, die Tätigkeit jeder Sekretärin zu übernehmen. Dies gelte auch, soweit er sich mit der Angestellten St für vergleichbar halte, nachdem die Beklagte deren Tätigkeit und die hierfür erforderlichen Kenntnisse konkret dargestellt habe.

bb) Diese Würdigung des Berufungsgerichts unterliegt nur einer beschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung. Der Begriff der ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Das Revisionsgericht kann deswegen nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Einzelumstände berücksichtigt hat (BAG Urteil vom 12. Oktober 1979 - 7 AZR 959/77 - AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu III 2 b der Gründe).

Bei Zugrundelegung dieser Prüfungsmaßstäbe ist das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden.

cc) Zur Einbeziehung der Sekretärinnen sowie der Angestellten St in die soziale Auswahl war die Beklagte schon deshalb nicht verpflichtet, weil der Kläger sich zur Übernahme einer solchen Tätigkeit nicht vor oder zumindest unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung bereit erklärt hat.

Die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erstreckt sich innerhalb des Betriebes nur auf Arbeitnehmer, die miteinander vergleichbar, d. h. austauschbar sind. Die Vergleichbarkeit richtet sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und somit nach der ausgeübten Tätigkeit. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsmöglichkeit weggefallen ist, die Funktion des anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Fähigkeiten und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Der Vergleich vollzieht sich insoweit auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (sog. horizontale Vergleichbarkeit; vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 1985 - 2 AZR 91/84 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu IV 1 a der Gründe, m. w. N.).

Anders ist jedoch die Rechtslage, wenn eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers nur aufgrund einer Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen und damit nur durch Vertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt. In diesen Fällen ist der bisherige Arbeitsplatz nicht mehr vergleichbar im Sinne einer Austauschbarkeit nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen; die soziale Auswahl erstreckt sich auf verschiedene Ebenen der Betriebshierarchie (sog. vertikale Vergleichbarkeit oder gruppenübergreifende soziale Auswahl). Wie der Senat in dem vorbezeichneten Urteil (zu II 2 der Gründe) entschieden hat, ist der Arbeitgeber in solchen Fällen im Rahmen der sozialen Auswahl jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus an den für eine Kündigung in Betracht gezogenen Arbeitnehmer wegen einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen heranzutreten. Ob eine solche Verpflichtung dann besteht, wenn der Arbeitnehmer vor oder unmittelbar nach der Kündigung sich auch zu einer solchen Weiterbeschäftigung bereiterklärt, hat der Senat offengelassen.

Soweit der Kläger im Rahmen der sozialen Auswahl alle bei der Beklagten beschäftigten Sekretärinnen sowie konkret die Angestellte St als vergleichbar bezeichnet, wäre für eine Beschäftigung auf diesem Posten eine Änderung seines Arbeitsvertrages erforderlich gewesen. Der Kläger war seit dem Jahre 1981 als Fernschreiber in der Fernschreibzentrale und vertretungsweise in der Telefonzentrale beschäftigt gewesen. Hierauf hatte sich sein Arbeitsverhältnis konkretisiert. Die Beklagte hätte ihn nicht im Rahmen ihres Direktionsrechts ohne sein Einverständnis auf den Posten einer Sekretärin oder der Angestellten St einsetzen können. Nach ihrem Vortrag, von dem auch die Revision ausgeht, benötigen die Sekretärinnen Kenntnisse in Englisch, Maschinenschreiben und Kurzschrift sowie Fachkenntnisse für ihre Abteilung. Durch die Notwendigkeit, diese Kenntnisse sämtlich in der täglichen Arbeit einzusetzen, unterscheiden sich diese Tätigkeiten wesentlich von der spezifischen Tätigkeit eines Fernschreibers in der Telefonzentrale. Im Hinblick auf die mehrjährige Beschäftigung in dieser Stellung würde sich der Umfang der vertraglichen Arbeitspflicht und damit der Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers wesentlich ändern, wenn er nunmehr zwar vorhandene, aber seit Jahren nicht mehr angewandte Kenntnisse in Englisch und Kurzschrift und dazu noch abteilungsbezogene Spezialkenntnisse zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht einsetzen müßte. Gleiches gilt für die Tätigkeit der Angestellten St. Sie muß nach dem insoweit ebenfalls unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten als Fremdsprachenkorrespondentin im Bereich der Monteurabrechnung Steno- und Phonodiktate aufnehmen, Übersetzungen ins Englische fertigen, Korrespondenz in deutscher und englischer Sprache selbständig beantworten sowie die Monteurabrechnungen kontrollieren. Auch hierfür sind Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die der Kläger jahrelang nicht angewandt hat, mag er die Angestellte auch, wie er behauptet, seinerzeit angelernt haben. Deshalb würde die Übertragung dieser Tätigkeit eine inhaltliche Änderung des Arbeitsvertrages bedeuten.

Der Kläger hat der Beklagten gegenüber erstmals in dem Schriftsatz vom 20. Juli 1984 und somit neun Monate nach Ausspruch der Kündigung erklärt, daß er zu einer Beschäftigung auf den vorgenannten Posten bereit sei. Die Beklagte war deswegen nicht verpflichtet, diese Arbeitnehmergruppe sowie die Angestellte St in die Sozialauswahl einzubeziehen.

dd) Zu dem Vortrag des Klägers, er sei auch mit sämtlichen Schreibkräften der Beklagten vergleichbar, hat das Berufungsgericht nicht Stellung genommen. Auch wenn man davon ausgeht, ihm hätte eine solche Tätigkeit im Hinblick auf seine Fähigkeiten ohne Änderung seiner Arbeitsbedingungen übertragen werden können, ist das angefochtene Urteil in diesem Punkt im Ergebnis richtig, weil der Kläger insoweit keine sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer bezeichnet hat.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden und des Siebten Senats zur abgestuften Verteilung der Darlegungslast im Rahmen der sozialen Auswahl (BAG 42, 151, 160 f. = AP, aa0, zu B III 2 c der Gründe; BAG Urteile vom 8. August 1985 - 2 AZR 464/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu III 2 a und b der Gründe und vom 21. Dezember 1983 - 7 AZR 421/82 - AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) hat der Arbeitgeber im Umfang seiner materiell-rechtlichen Auskunftspflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG) auf Verlangen des Arbeitnehmers auch im Kündigungsschutzprozeß die Gründe darzulegen, die ihn zu der von ihm getroffenen sozialen Auswahl veranlaßt haben. Im übrigen trägt der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, daß der Arbeitgeber soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Wie der Senat in dem Urteil vom 8. August 1985 (aaO) klargestellt hat, muß der Arbeitnehmer, sofern er Zahl und Namen vergleichbarer Kollegen und deren Sozialdaten kennt, unter Angabe der Sozialdaten die Arbeitnehmer namentlich benennen, denen an seiner Stelle hätte gekündigt werden müssen. Kennt der Arbeitnehmer die Sozialdaten der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer nicht, so genügt er zunächst seiner Darlegungslast, wenn er pauschal die soziale Auswahl beanstandet und zugleich vom Arbeitgeber die Mitteilung der Gründe verlangt, die diesen zu seiner Entscheidung veranlaßt haben. Gibt der Arbeitgeber die Gründe an, die ihn (subjektiv) zu der getroffenen Auswahl veranlaßt haben, so genügt er seiner Mitteilungspflicht auch dann, wenn seine Auswahlüberlegungen objektiv unrichtig oder unvollständig sind.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nach ihrem Vortrag die bei ihr beschäftigten Schreibkräfte deshalb nicht in die soziale Auswahl einbezogen, weil sie diese mit dem Kläger nicht für vergleichbar ansieht. Damit hat sie ihre Auskunftspflicht erfüllt. Der Kläger war nunmehr nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG verpflichtet, von den nach seiner Ansicht vergleichbaren Schreibkräften die sozial weniger schutzwürdigen unter Angabe ihrer Sozialdaten zu benennen. Sein pauschaler Vortrag, z. B. in einer - näher bezeichneten - Abteilung seien soziale weniger schutzbedürftige Schreibkräfte beschäftigt, reicht dazu nicht aus.

2. Die Kündigung der Beklagten ist auch nicht wegen Verstoßes gegen den Sonderkündigungsschutz des § 12 SchwbG unwirksam. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat greift dieser Kündigungsschutz deshalb nicht ein, weil der Kläger bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz seine Schwerbehinderteneigenschaft hätte nachweisen müssen (BAG 30, 141, 157 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG, zu B III 3 c der Gründe). Dies ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht geschehen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rügen.

3. Die Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung hängt somit allein davon ab, ob sich die Beklagte rechtsmißbräuchlich auf die Nichteinhaltung der Anhörungsfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch den Betriebsrat beruft und die Kündigung aus diesem Grund unwirksam ist. Da hierzu eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist, muß das angefochtene Urteil, auch soweit es den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers abgewiesen hat, aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller

Strümper Rupprecht

 

Fundstellen

BAGE 52, 346-375 (LT1-3)

BAGE, 346

BB 1987, 1324

DB 1987, 1050-1052 (LT1-3)

AiB 2013, 257

JR 1987, 264

NZA 1986, 633

NZA 1987, 601-607 (LT1-3)

RdA 1987, 124

RzK, III 1e 9 (LT1-3)

SAE 1987, 288-295 (LT1-3)

AP § 102 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 43

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVC Entsch 110 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 1020.2 Nr 3 (T)

AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 110 (LT1-3)

AR-Blattei, Kündigungsschutz II Entsch 3 (T)

EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 69 (LT1-3)

Belling / Luckey 2000, 236

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