Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewährungsaufstieg und verschlechternder Tarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tarifvertragsparteien sind nicht gehindert, die Eingruppierungsmerkmale auch zum Nachteil der Arbeitnehmer zu ändern. Wird ein Bewährungsaufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe beseitigt, so werden Verfassungsgrundsätze nicht berührt, wenn solchen Angestellten kein Besitzstand eingeräumt wird, die die früher notwendige Zeit teilweise zurückgelegt haben. Sie haben noch keine Anwartschaft als aufschiebend bedingten Anspruch auf höhere Vergütung erworben.

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) VergGr. Vc, Vb, IVb; TVG § 1 Rückwirkung

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 09.12.1993; Aktenzeichen 7 Sa 106/93)

ArbG Berlin (Urteil vom 28.05.1993; Aktenzeichen 95 Ca 5749/93)

 

Tenor

  • Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. Dezember 1993 – 7 Sa 106/93 – wird zurückgewiesen.
  • Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin entsprechend dem in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung der Anlage 1a zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vorgesehenen Vergütungsgruppenaufstieg von der VergGr. Vb in die VergGr. IVb nach vierjähriger Tätigkeit höherzugruppieren ist, obwohl diese Regelung vor Ablauf ihrer vierjährigen Tätigkeit durch die am 1. Januar 1991 in Kraft getretene Änderung der Anlage 1a außer Kraft getreten ist.

Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Sie war bei dem beklagten Land bis 1980 in einer Kindertagesstätte als Horterzieherin und anschließend bis 1988 an einer Gesamtschule als Erzieherin beschäftigt. Am 16. Juni 1988 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Nach diesem Vertrag wurde die Klägerin als “Vorklassenleiter-in” ab 14. April 1988 im Bereich des Schuldienstes des Beziksamtes W… eingestellt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen sowie den übrigen Tarifwerken des öffentlichen Dienstes.

Von September 1988 bis Juni 1989 nahm die Klägerin mit Erfolg an einer Ergänzungsausbildung für Vorklassenleiter bei der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport teil. Die Klägerin erhält Vergütung nach der VergGr. Vb Fallgr. 1 Buchst. l des Teils II Abschn. G Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT. In diese Vergütungsgruppe waren nach der bis zum 31. Dezember 1990 gültigen Fassung eingruppiert Leiter(innen) von Schulkindergärten, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen für nichtschulpflichtige Kinder, wenn sie Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung waren. Nach der hierzu ergangenen Protokollnotiz Nr. 3 waren aber u.a. auch Erzieher(innen) mit staatlicher Anerkennung als Erzieher nach dem Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe Vb Fallgr. 1 Buchst. l eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausgeübt haben oder diese ihnen bis zum 31. Dezember 1986 übertragen wurde. Die 8. Mitgliederversammlung der TdL vom 8. Oktober 1986 hatte die Länder allerdings ermächtigt, die Übergangsregelung vom 1. Januar 1987 an mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Jahreszahl “1986” die Jahreszahl “1990” tritt.

Durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991, welcher rückwirkend zum 1. Januar 1991 in Kraft trat, wurde u.a. der Abschnitt G im Teil II der Anlage 1a zum BAT für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst geändert. Der Begriff eines Leiters bzw. einer Leiterin von Schulkindergärten, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen taucht nicht mehr auf.

In der VergGr. Vb Fallgr. 10 sind nunmehr Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, aufgeführt. Nach zweijähriger Bewährung in der VergGr. Vb Fallgr. 10 erhalten diese Personen dann Vergütung nach VergGr. IVb Fallgr. 17.

Mit Schreiben vom 29. Januar 1992 beantragte die Klägerin nach vierjähriger Berufsausübung in der VergGr. Vb in die VergGr. IVb eingruppiert zu werden. Dies lehnte das beklagte Land mit Schreiben vom 5. Februar und 16. April 1992 ab.

Mit ihrer am 1. März 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, mit dem Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages am 1. Januar 1991 falle ihre Tätigkeit als Vorklassenleiterin unter die VergGr. Vb Fallgr. 10 BAT. Da sie die für die Eingruppierung in VergGr. IVb Fallgr. 17 BAT geforderte zweijährige Bewährungszeit bereits vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegt habe, stehe ihr vom 1. Januar 1991 an Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe zu. In VergGr. Vb Fallgr. 1 Buchst. l BAT in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung seien Sozialarbeiter/Sozialpädagogen eingruppiert gewesen. Nach der Protokollnotiz Nr. 3 zu dieser Fallgruppe seien Erzieherinnen den Sozialarbeitern/Sozialpädagogen gleichgestellt gewesen. Erzieherinnen seien also wie Sozialarbeiter behandelt worden.

Ihr Anspruch ergebe sich darüber hinaus auch daraus, daß der neue Tarifvertrag hinsichtlich der Vorklassenleiter eine unbewußte Lücke enthalte, die nur so geschlossen werden könne, daß Vorklassenleiterinnen im Eingangsamt in VergGr. Vb und nach zweijähriger Bewährung in VergGr. IVb BAT einzugruppieren seien. In dem neuen Tarifvertrag seien die Vorklassenleiter/innen nicht mehr erwähnt. Das zeige, daß die Vorklassenleiter/innen unter den Begriff der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen fallen sollen. Bei den sowohl im alten als auch im neuen Tarifvertrag genannten Erziehrinnen im Vorklassenbereich handele es sich nicht um die Leiterinnen von Vorklassen, sondern um sonstige Erzieherinnen, die im Vorklassen- bzw. im Vorschulbereich tätig seien. Darüber hinaus hat die Klägerin gemeint, ihr stehe ein Anspruch auf Höhergruppierung auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu. Alle anderen Vorklassenleiter, denen bis zum 31. Dezember 1990 die Leitung einer Vorklasse übertragen worden sei, seien nach spätestens vier Jahren in VergGr. IVb BAT eingruppiert worden. Abgesehen von ihr und drei weiteren Vorklassenleiterinnen seien etwa 36 Vorklassenleiterinnen im Bezirk W…, die wie sie eine Ausbildung als Erzieherinnen mit ergänzender Zusatzausbildung besäßen, in VergGr. IVb BAT eingruppiert worden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, sie seit dem 1. Juli 1991 nach VergGr. IVb BAT zu vergüten.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat – insoweit unbestritten – vorgetragen, die von den beiden anderen Vorklassenleiterinnen an der Schule der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Erzieherin in Vorklassen sei nach den neuen, seit dem 1. Januar 1991 geltenden Tarifmerkmalen der VergGr. Vc Fallgr. 6 BAT zugeordnet worden. Diese beiden Angestellten seien seit dem 1. Januar 1991 tarifgemäß in VergGr. Vc BAT eingruppiert und erhielten allein im Wege der Besitzstandsregelung nach den Übergangsvorschriften des Tarifvertrages weiterhin Vergütung nach VergGr. IVb BAT, da diese wegen Ablaufs der vierjährigen Beschäftigungszeit schon vor dem Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages in diese Vergütungsgruppe eingruppiert worden seien.

Das beklagte Land hat weiter ausgeführt, nach der Neuregelung in der Anlage 1a zum BAT sei die Klägerin zutreffend in die VergGr. Vc eingruppiert. Lediglich aufgrund der Übergangsregelung in § 5 Nr. 1 des Änderungstarifvertrages erhalte sie auch weiterhin Vergütung aus der VergGr. Vb. Die Übergangsregelung genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Klägerin habe nämlich vor dem Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991 noch keine Anwartschaft des Inhalts erworben, nach vierjähriger Tätigkeit höhergruppiert zu werden. Insbesondere könne eine tarifunterworfene Angestellte nicht darauf vertrauen, daß die Tarifvertragsparteien durch Abschluß neuer Tarifverträge in die bisherige Vergütungsstruktur nicht eingreifen würden. Mehr als bloße Chancen oder Aussichten habe die Klägerin nicht gehabt. Man könne auch nicht sagen, daß die Klägerin ihre Tätigkeit als Vorklassenleiterin ab 14. April 1988 im Vertrauen darauf aufgenommen habe, nach vier Jahren in die VergGr. IVb BAT aufrücken zu können. Die Klägerin habe insoweit auch keine Dispositionen getroffen.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung im wesentlichen entsprochen. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IVb BAT im Wege des Gruppenaufstieges.

I. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für den Bereich Bund/Länder jeweils geltenden Fassung und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung, somit auch in der ab 1. Januar 1991 gültigen Regelung. Für die Eingruppierung der Klägerin kommt es mithin nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT darauf an, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der VergGr. IVb BAT/BL – Sozial- und Erziehungsdienst – in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung ausfüllen.

Damit ist von dem in ständiger Senatsrechtsprechung entwikkelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, also von einer unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertenden Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat selbst keine Arbeitsvorgänge gebildet. Dies ist jedoch unschädlich. Der Senat kann die Arbeitsvorgänge selbst bilden, da die zugrunde zu legenden Tatsachen festgestellt sind. Die gesamte Tätigkeit der Klägerin ist; danach als ein Arbeitsvorgang anzusehen. Arbeitsergebnis ist die Arbeit in und die Leitung der Vorklasse. Alle von der Klägerin im einzelnen ausgeübten Aufgaben dienen diesem Arbeitsergebnis. Die Tätigkeit ist ihr allein übertragen.

II.1. Für die Eingruppierung der Klägerin sind folgende Tätigkeitsmerkmale des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 – Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst – heranzuziehen:

VergGr. Vc

  • Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

    in Schulkindergärten, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen für nicht schulpflichtige Kinder. – Fußnote 1 -

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 7 und 10)

    Protokollnotiz Nr. 10

    Die Tätigkeit setzt voraus, daß überwiegend Kinder, die im nächsten Schuljahr schulpflichtig werden, nach einem speziellen pädagogischen Konzept gezielt auf die Schule vorbereitet werden.

VergGr. Vb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

    (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)

VergGr. IVb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben,

    nach zweijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 10. – Fußnote 2 -

    (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1)

2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Merkmale der 1. Alternative der VergGr. Vb Fallgr. 10 bzw. IVb Fallgr. 17. Die Klägerin ist weder Sozialarbeiterin noch Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung und übt auch keine entsprechende Tätigkeit aus.

3. Ebenso zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Merkmale der 2. Alternative der VergGr. V b/IVb Fallgr. 10/17 BAT, da sie nicht sonstige Angestellte im Sinne dieser Fallgruppen sei.

Unter “sonstigen Angestellten” sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats solche Angestellte zu verstehen, die zwar nicht über die jeweils geforderte Berufsausbildung verfügen, aber alle in dem Tätigkeitsmerkmal genannten Anforderungen erfüllen. Das bedeutet, sie müssen zum einen sowohl über die Fähigkeiten verfügen, die denen der in dem Tätigkeitsmerkmal genannten ausgebildeten Angestellten entsprechen, zum anderen muß die auszuübende Tätigkeit derartige Fähigkeiten und Erfahrungen fordern und damit den Zuschnitt der Tätigkeit der in den Tätigkeitsmerkmalen genannten ausgebildeten Angestellten haben (vgl. BAG Urteile vom 13. Dezember 1978 – 4 AZR 322/77 – AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975 und vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 386/82 – AP Nr. 96 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Zwar setzt die persönliche Anforderung der gleichwertigen Fähigkeiten wie ein Sozialarbeiter/Sozialpädagoge nicht dasselbe Wissen und Können voraus, wie es in der Ausbildung zum staatlich anerkannten Sozialarbeiter vermittelt wird. Jedoch ist eine ähnliche gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes erforderlich, wobei Fachkenntnisse und Fähigkeiten auf einem eng begrenzten sozialpädagogischen Teilgebiet nicht ausreichen (vgl. BAG Urteil vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 386/82 –, aaO). Außerdem muß der Angestellte im Sinne eines zweiten objektiven Erfordernisses eine “entsprechende Tätigkeit” auszuüben haben. Die Tätigkeit des sonstigen Angestellten muß also objektiv die Befähigung erfordern, wie ein einschlägig ausgebildeter staatlich anerkannter Sozialarbeiter Zusammenhänge zu überschauen und nicht nur mit eng begrenzten sozialen Problemen umzugehen.

Für das Vorliegen dieser beiden Merkmale trägt dabei derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf die Merkmale der Gruppe beruft, hier also die Klägerin. Das Landesarbeitsgericht hat – insoweit von der Klägerin ungerügt – festgestellt, die von der Klägerin vorgetragenen Tätigkeiten entsprächen nicht diesen Anforderungen. Es hat dazu ausgeführt, weder die Behauptung der Klägerin, der in einer Vorklasse zu vermittelnde Stoff, das Heranführen von Kindern an die Schulpflicht und die darin liegende vorschulische Erziehung seien so komplexer Natur, daß zumindest die Qualifikation eines Sozialarbeiters dafür erforderlich sei, noch die weitere Behauptung, es sei zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbart worden, die Tätigkeit der Klägerin werde als einer Sozialarbeitertätigkeit gleichwertig betrachtet, reichten aus, um einem Sozialarbeiter/Sozialpädagogen gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen sowie entsprechende Tätigkeiten annehmen zu können. Die Erzieherin führe pädagogische Maßnahmen und Prozesse durch, durch die ein Kind zum Erwachsenen werden solle. Der Sozialarbeiter/Sozialpädagoge sei dagegen in den verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit, zum Beispiel der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe, aber auch im vorschulischen Bereich tätig. Für die Darlegung der Tarifmerkmale des dem Sozialarbeiter/Sozialpädagogen entsprechenden sonstigen Angestellten bedürfe es eingehenderer Darlegungen als des Hinweises zum Beispiel auf die komplexe Natur der Erziehertätigkeit. Anhaltspunkte für eine Vereinbarung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit der Klägerin mit der Tätigkeit einer Sozialarbeiterin/Soziapädagogin ließen sich dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht entnehmen.

Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat weder dargelegt, daß ihre Erzieherausbildung einschließlich der von ihr durchlaufenen Zusatzausbildung ein gleich großes oder zumindest vergleichbares Spektrum abdeckt, wie die Ausbildung eines Sozialarbeiters, noch daß ihre Tätigkeit in einer Vorklasse einen ähnlichen Zuschnitt wie die normale Sozialarbeitertätigkeit hat. Die Ausbildung der Klägerin und deren Tätigkeit deckt vielmehr nur einen eng begrenzten Teilbereich der sozialpädagogischen Ausbildung bzw. Arbeit ab.

4. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, daß die Klägerin während der Laufzeit der bis zum 31. Dezember 1990 gültigen Fassung der Anlage 1a in die VergGr. Vb Fallgr. 1 Buchst. l Teil II Abschn. G Unterabschn. II BAT eingruppiert war.

Die Tätigkeitsmerkmale hatten – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

VergGr. IVb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung der Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1

    nach vierjähriger Berufsausübung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe Vb.

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 2, 3 und 14)

VergGr. Vb

  • Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung

    • als Leiter(innen) von Schulkindergärten, Vorklassen oder Vermittlungsgruppen für nichtschulpflichtige Kinder.

    (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10 und 14)

Protokollnotizen:

  • Nr. 3

    Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen

    mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder Kindergärterin…

    werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1986 diese Tätigkeit übertragen wird.

Die Festlegung der gleichen Vergütung für die in der Protokollnotiz Nr. 3 genannten Erzieherinnen usw. in gleicher Höhe wie für die Sozialarbeiter mit gleicher Tätigkeit nach VergGr. Vb Fallgr. 1 Buchst. l BAT beinhaltet keine Gleichstellung der Ausbildung dieser Erzieher mit der der Sozialarbeiter. Auch vor dem 1. Januar 1991 erfüllten Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung nicht die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. Vb Fallgr. 1 BAT.

5. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch darauf hingewiesen, daß die Vergütungsordnung zum BAT in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung keine bewußte oder unbewußte Lücke hinsichtlich der als Vorklassenleiterin tätigen Erzieherinnen enthält. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr die Tätigkeit dieser Erzieherinnen ausdrücklich neu geregelt und sie in die VergGr. Vc Fallgr. 6 BAT eingereiht. Darin sind alle Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst eingruppiert, die in Vorklassen usw. tätig sind. Unter diesen Umständen kann aber die gleiche Tätigkeit nicht den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungs- oder Fallgruppe entsprechen.

6. Soweit sich die Klägerin für ihren Anspruch auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beruft, steht dem schon der Umstand entgegen, daß das beklagte Land unbestritten vorgetragen hat, die von der Klägerin bezeichneten Vorklassenleiterinnen seien ebenfalls in die VergGr. Vc BAT eingruppiert und erhielten die höhere Vergütung nur aufgrund der Übergangsvorschrift im Änderungstarifvertrag weitergezahlt.

7. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, die Übergangsvorschrift in § 5 Nr. 1 des Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991 sei nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie nicht die Fälle miteinbeziehe, in denen die jeweiligen Angestellten einen im alten Tarifvertrag vorgesehenen Zeitaufstieg noch nicht erreicht hatten.

Diese Vorschrift hat – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:

“§ 5

Übergangsvorschriften für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder

Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

  • Hat der Angestellte am 31. Dezember 1990 Vergütung (§ 26 BAT) aus einer höheren Vergütungsgruppe erhalten, als aus der Vergütungsgruppe, in der er nach diesem Tarifvertrag eingruppiert ist, wird diese Vergütung durch das Inkrafttreten dieses Tarifvertrages nicht berührt.
  • …”

Allein aufgrund der Eingruppierung in die VergGr. Vb Fallgr. 1 l BAT durch den alten Tarifvertrag hat die Klägerin noch keine verfassungsrechtlich geschützte Anwartschaft auf Höhergruppierung nach vierjähriger Berufsausübung erlangt. Ein Vertrauen darauf, daß die tariflichen Regelungen immer und in jedem Punkt auf dem Stand bei Abschluß des Arbeitsvertrages verbleiben, konnte die Klägerin schon deshalb nicht haben, weil sie dort als maßgebend für das Arbeitsverhältnis den BAT “mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen” vereinbart hat. Damit hat sie aber bei Vertragsabschluß nicht nur einer Verbesserung ihrer Situation durch Änderung des Tarifwerks zugestimmt, sondern prinzipiell auch einer Verschlechterung – zumindest im Rahmen der Verfassungsgrenzen. Die Tarifvertragsparteien sind aber schon aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie durchaus nicht verpflichtet, jeweils nur Verbesserungen der Vergütung von Arbeitnehmern zu vereinbaren, solange sie damit nicht andere Verfassungsgrundsätze, z.B. den Gleichbehandlungsgrundsatz oder den Vertrauensschutz verletzen (vgl. BAG Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 – DB 1995, 778, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w. umfangreichen Nachweisen). Hierfür ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht schon zutreffend ausgeführt, daß die Klägerin durch die Eingruppierung in die VergGr. Vb (alt) noch keine Anwartschaft auf spätere Höhergruppierung erworben hat, sondern sie im übrigen allenfalls die rein tatsächliche Aussicht hatte, wenn alles gleich blieb, in Zukunft einmal höhergruppiert zu werden. Eine Anwartschaft wäre nur dann gegeben, wenn die Entstehung des Vollrechts allein vom Zeitablauf abhängt (vgl. z.B. Versorgungsanwartschaft). Der hier fragliche Bewährungsaufstieg ist aber nicht allein vom Zeitablauf, sondern noch von weiteren Faktoren abhängig.

8. Soweit sich schließlich die Klägerin unter Hinweis darauf, das Unterschriftsverfahren zu dem Änderungstarifvertrag vom 24. April 1991 sei erst im September 1992 abgeschlossen worden, auf das Verbot der Rückwirkung von Tarifverträgen beruft, kann sie hiermit ebenfalls nicht durchdringen (vgl. hierzu auch: Kiefer, Neue Tarifverträge und Ausschlußfrist, ZTR 1995, 205).

Wie der Senat bereits in der Entscheidung vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 –, aaO, umfassend und eingehend begründet hat, ist sogar eine rückwirkende Tariflohnsenkung zulässig, wenn der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen nicht verletzt worden ist. Vorliegend hat das beklagte Land aber unstreitig die entsprechenden Änderungen der Anlage 1a im Dienstblatt des Senats von Berlin vom 8. August 1991 veröffentlicht und darüber hinaus auch in der Schule der Klägerin durch Aushang und Umlaufmappen bekanntgemacht. Damit bestand zumindest ab diesem Zeitpunkt und damit vor Ablauf der 4-Jahresfrist für die Klägerin kein Vertrauen mehr darauf, sie werde nach deren Ablauf höhergruppiert werden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Schneider, Schamann, Dassel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI870829

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