Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung bei Schlüsselbewertung (Bundespost)

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung bei Schlüsselbewertung für Arbeiter der Bundespost; rückwirkende Änderung der Bewertung

 

Normenkette

TVArb Bundespost § 10; Lohngruppenverzeichnis Vorbemerkungen

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 11.01.1989; Aktenzeichen 12 Sa 563/88)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 04.03.1988; Aktenzeichen 3 Ca 6725/87)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Januar 1989 – 12 Sa 563/88 – und des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 4. März 1988 – 3 Ca 6725/87 – aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Mai 1985 Lohn nach Lohngruppe I a des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Januar 1988 aus den Nettodifferenzbeträgen zu zahlen. Der weitergehende Zinsanspruch wird abgewiesen.

Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem Jahre 1959 als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb Bundespost) Anwendung. Der Kläger erhält Lohn nach Lohngruppe II a. Seit dem Jahre 1985 verrichtet er Tätigkeiten einer „bauausführenden Kraft, zugleich Meßhelfer” in einem Baubezirk eines Fernmeldeamtes. Für diese Tätigkeit wurde unter dem Aufgabenträger Nr. 44229 im Bewertungskatalog für die Ämter des Fernmeldewesens mit Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 21. Mai 1985 rückwirkend zum 1. Mai 1985 eine sogenannte „Schlüsselbewertung” eingeführt. Danach wurde die Tätigkeit zu 12 v. H. als Beamtentätigkeit nach Besoldungsgruppe A 5, zu 8 v. H. als Beamtentätigkeit nach Besoldungsgruppe A 3/4 und zu 80 v. H. als Arbeitertätigkeit ausgewiesen. Mit Verfügung vom 21. August 1985 wurde die Tätigkeit rückwirkend zum 1. Mai 1985 nach dem Schlüssel „A 5: A 3/4: Arb = 13: 15: 72” bewertet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 ab 1. Mai 1985 ein tariflicher Lohnanspruch nach Lohngruppe I a zustehe. Nach Absatz 12 Unterabsatz 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis (Anlage 2 zum TV Arb Bundespost) in der zum 1. Mai 1985 geltenden Fassung entspreche eine Bewertung der Beamtentätigkeit nach Besoldungsgruppe A 5 einer Tätigkeit der Lohngruppe I a. Für die Bewertung der gesamten Tätigkeit nach Lohngruppe I a sei der Anteil von 12 v. H. der nach Besoldungsgruppe A 5 bewerteten Beamtentätigkeit maßgebend. Dies folge daraus, daß der Anteil der nach Besoldungsgruppe A 5 bewerteten Tätigkeit mehr als 50 v. H. gegenüber dem Anteil der nach Besoldungsgruppe A 3/4 bewerteten Tätigkeit (8 v. H.) betrage und nach Unterabsatz 6 Satz 2 Buchstabe b) der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis nach zehnjähriger Postdienstzeit und fünfjähriger Entlohnung nach Lohngruppe II a als der untersten in Betracht kommenden Lohngruppe sich sein Lohnanspruch allein nach dem Anteil der höheren Bewertung nach Besoldungsgruppe A 5 richte. Ob der zeitliche Anteil der höher bewerteten Tätigkeit den der niedriger bewerteten Tätigkeit übersteige, bestimme sich allein nach den nach Besoldungsgruppen bewerteten Tätigkeiten. Nach der tariflichen Bestimmung müsse die als Arbeitertätigkeit ausgewiesene Tätigkeit (80 v. H.) insoweit außer Betracht bleiben. Der zeitliche Anteil der nach Besoldungsgruppe A 5 bewerteten Tätigkeit müsse nicht mehr als 50 v. H. der Gesamtarbeitszeit betragen.

Nachdem aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 rückwirkend ab 1. Mai 1985 damit ein tariflicher Lohnanspruch auf Lohn nach Lohngruppe I a entstanden war, hätte die Beklagte ihm diesen nach Änderung der Schlüsselbewertung mit Verfügung vom 21. August 1985 rückwirkend zum 1. Mai 1985 nur durch Änderungskündigung wieder entziehen können.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab 1. Mai 1985 Lohn nach Lohngruppe I a des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost zu zahlen sowie die Nettodifferenzbeträge zwischen den streitigen Lohngruppen ab jeweiliger Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht entlohnt werde. Zwar erfülle der Kläger die persönlichen Voraussetzungen einer zehnjährigen Postdienstzeit und einer fünfjährigen Entlohnung in Lohngruppe II a nach Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis, jedoch betrage auch nach der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 der Anteil der höheren Bewertung nach Besoldungsgruppe A 5 nicht mehr als 50 v. H. gegenüber der unteren Bewertung nach Besoldungsgruppe A 3/4. Bei der Feststellung des zeitlichen Anteils der Tätigkeiten, die nach der unteren Bewertung zu bewerten seien, sei nämlich der zeitliche Anteil der Arbeitertätigkeit mit einzubeziehen. Deren Bewertung entspreche stets der Bewertung nach der untersten Besoldungsgruppe. Bei Einbeziehung dieser Bewertung der Arbeitertätigkeit (80 v. H.) überwiege der zeitliche Anteil der nach Besoldungsgruppe A 5 bewerteten Tätigkeit (12 v. H.) nicht, so daß dem Kläger zutreffend nach der der Besoldungsgruppe A 3/4 entsprechenden Lohngruppe nach Bewährung und fünfjähriger Postdienstzeit Lohn nach Lohngruppe II a zustehe.

Im übrigen sei auch nach der Auffassung des Klägers nach der Schlüsselbewertung vom 21. August 1985, die rückwirkend zum 1. Mai 1985 erfolgt sei, ein Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe I a nicht begründet. Die sich aus der Änderung der Schlüsselbewertung ergebenden tarifrechtlichen Konsequenzen müsse der Kläger hinnehmen, ohne daß es einer Änderungskündigung bedurft hätte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger ab 1. Mai 1985 Lohn nach Lohngruppe I a TV Arb Bundespost zu zahlen. Dem Kläger steht jedoch nur ein Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen seit dem 4. Januar 1988 zu, so daß sein weitergehender Anspruch auf Verzugszinsen abzuweisen war (vgl. BAGE 36, 245, 259 = AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb Bundespost) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Für die Eingruppierung sind die Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis (Anlage 2 zum TV Arb Bundespost) heranzuziehen, die im Klagezeitraum unter anderem folgenden Wortlaut hatten:

„… (Abs. 4) Die Arbeiter sind bei der Einstellung nach den ihnen ständig übertragenen Arbeiten in die Lohngruppe einzugruppieren, für die sie die in den Tätigkeitsmerkmalen vorgeschriebenen sonstigen Voraussetzungen erfüllen. …

(Abs. 5) Sind dem Arbeiter Tätigkeiten mehrerer Lohngruppen übertragen, so ist er nach der Lohngruppe zu entlohnen, deren Tätigkeiten mehr als 50 v. H. seiner Wochenarbeitszeit beanspruchen.

(Abs. 12)

(Unterabs. 1)

Verrichten Arbeiter Tätigkeiten, die nach den Bewertungsrichtlinien, den Bewertungskatalogen und den hierzu ergangenen Verfügungen Beamtentätigkeiten sind, so gilt für die Entlohnung der Arbeiter nachstehende Gegenüberüberstellung:

Es gelten

Art der Arbeiter

Beamtentätigkeiten der Regelbewertung

als Tätigkeiten der Lohngruppe

1. Handwerker oder

A 3/4

II

gleichgestellte Arbeiter

– nach Bewährung und fünfjährige Postdienstzeit

II a

A 5 und höher

I a

2. Dienstleistungsfachkräfte

(Unterabs. 2)

Arbeiter im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppen I a bis IV sind bei ständiger Beschäftigung mit Beamtentätigkeiten in die nach Unterabsatz 1 entsprechende Lohngruppe einzugruppieren. Ist der Arbeiter hiernach höherzugruppieren, so erfolgt die Höhergruppierung zum Ersten des Monats, in dem der Arbeiter die Beamtentätigkeit aufnimmt, sofern sie ihm in diesem Monat noch für mindestens 15 Kalendertage übertragen ist, anderenfalls zum Ersten des folgenden Monats.

(Unterabs. 6)

Bei Schlüsselbewertungen ist für die Entlohnung des Arbeiters die unterste der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung maßgebend. Abweichend hiervon ist die nächsthöhere der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung maßgebend, wenn in einem Schlüssel

  1. drei oder mehr Bewertungen verschiedener Laufbahnen zusammengefaßt sind oder
  2. der Anteil der höheren Bewertung oder Bewertungen gegenüber dem Anteil der untersten Bewertung mehr als 50 v. H. beträgt, der Arbeiter eine Postdienstzeit von 10 Jahren aufzuweisen hat und er insgesamt 5 Jahre nach der der untersten Bewertung entsprechenden Lohngruppe oder einer dieser vergleichbaren oder höheren Lohngruppe entlohnt wurde. …”

Der Kläger ist als „bauausführende Kraft, zugleich Meßhelfer” in einem Fernmeldeamt beschäftigt. Für diese Tätigkeit, die sowohl Beamtentätigkeit als auch Arbeitertätigkeit enthält, sieht der nach Abs. 12 Unterabs. 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis für die Entlohnung maßgebende Bewertungskatalog für die Ämter des Fernmeldewesens demgemäß eine sogenannte Schlüsselbewertung vor, in der der zeitliche Anteil der Beamtentätigkeit nach einer Besoldungsgruppe bewertet und der zeitliche Anteil der Arbeitertätigkeit mit der Bezeichnung „Arb” ausgewiesen ist. Die Beamtentätigkeit des Klägers als „bauausführende Kraft, zugleich Meßhelfer” wird im Bewertungskatalog allerdings nicht einheitlich bewertet, sondern aufgeteilt in Beamtentätigkeiten nach Besoldungsgruppe A 5 und solche nach Besoldungsgruppe A 3/4. Für die Entlohnung des Arbeiters ist in diesen Fällen schlüsselbewerteter Tätigkeiten gemäß Abs. 12 Unterabs. 6 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis die „unterste der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung” maßgebend, wobei sich die Lohngruppe aus der Gegenüberstellung der Lohngruppen mit den Besoldungsgruppen in Abs. 12 Unterabs. 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis ergibt.

Die tarifliche Bestimmung des Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis regelt damit für schlüsselbewertete Tätigkeiten in Ergänzung des allgemeinen Eingruppierungsgrundsatzes des Abs. 5 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis, wonach bei der Übertragung von Tätigkeiten mehrerer Lohngruppen die Entlohnung nach der Lohngruppe erfolgt, deren Tätigkeiten mehr als 50 v. H. der Wochenarbeitszeit beanspruchen (vgl. BAG Urteile vom 5. Juni 1985 – 4 AZR 527/83 – und vom 23. April 1986 – 4 AZR 128/85 – AP Nrn. 2 u. 3 zu § 10 TV Arb Bundespost), daß die Entlohnung stets nach der Lohngruppe erfolgt, die der untersten nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung entspricht. Dies gilt mithin unabhängig von deren zeitlichem Anteil an der Gesamtarbeitszeit. Bei der Anwendung der tariflichen Bestimmung des Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis zur Eingruppierung des Klägers nach der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 (A 5: A 3/4: Arb = 12: 8:80) ergäbe sich für den Kläger ein Lohn nach Lohngruppe II a, da für die Entlohnung die unterste der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung (A 3/4) maßgebend ist und die Besoldungsgruppe A 3/4 nach Bewährung und fünfjähriger Postdienstzeit nach der vergleichenden Übersicht in Abs. 12 Unterabs. 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis der Lohngruppe II a entspricht.

Dem Kläger steht jedoch darüber hinaus aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 ein Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe I a zu, weil die besonderen Voraussetzungen des Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis vorliegen. Abweichend von Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis ist nach Satz 2 Buchstabe b) dieses Unterabsatzes nämlich die nächsthöhere der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung maßgebend, wenn in einem Schlüssel

„b) der Anteil der höheren Bewertung oder Bewertungen gegenüber dem Anteil der untersten Bewertung mehr als 50 v. H. beträgt, der Arbeiter eine Postdienstzeit von 10 Jahren aufzuweisen hat und er insgesamt 5 Jahre nach der der untersten Bewertung entsprechenden Lohngruppe oder einer dieser vergleichbaren oder höheren Lohngruppe entlohnt wurde. …”

Unstreitig erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen dieser tariflichen Bestimmung, da er eine Postdienstzeit von mehr als zehn Jahren aufzuweisen hat und insgesamt fünf Jahre nach der der untersten Bewertung entsprechenden Lohngruppe, nämlich der Lohngruppe II a, entlohnt worden ist.

Der Anteil der höheren Bewertung seiner Tätigkeit beträgt nach der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 gegenüber dem Anteil der untersten Bewertung auch mehr als 50 v. H. Die tarifliche Bestimmung ist nämlich entgegen der Auffassung der Vorinstanzen dahingehend auszulegen, daß es allein auf das Verhältnis der zeitlichen Anteile der bewerteten Beamtentätigkeiten, nicht aber darauf ankommt, ob der zeitliche Anteil der höherwertigen Beamtentätigkeit mehr als 50 v. H. der Gesamtarbeitszeit, d.h. der Arbeitszeit unter Einbeziehung der Arbeitertätigkeit ausmacht.

Bei der Tarifauslegung ist zwar – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen berücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

Die Auslegung der tariflichen Bestimmung des Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis allein nach ihrem Wortlaut führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Während die Tarifvertragsparteien in Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 2 einleitend bestimmen, daß abweichend von Satz 1 die „nächsthöhere der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung” maßgebend ist und damit eindeutig an die Bewertung des Anteils der Beamtentätigkeit anknüpfen, stellen sie in Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) nur auf das Verhältnis des Anteils der „höheren Bewertungen” gegenüber dem Anteil der „untersten Bewertung” ab, ohne auf die Besoldungsgruppen Bezug zu nehmen. Daraus läßt sich, wie der Kläger meint, durchaus der Schluß ziehen, daß Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) deshalb keine Bezugnahme auf die Bewertung nach Besoldungsgruppen enthält, weil die Bezugnahme bereits einleitend in Unterabs. 6 Satz 2 eindeutig zum Ausdruck gekommen ist. Demgegenüber kann aus dem Wortlaut, wie die Beklagte meint, auch gefolgert werden, daß die Tarifvertragsparteien in Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) gerade nicht auf die Bewertung nach Besoldungsgruppen abstellen wollen, sondern den Begriff der Bewertung in der Weise verstehen, daß auch die Bewertung der Arbeitertätigkeit in dem Sinne darunter fällt, daß diese stets wie die unterste Bewertung nach Besoldungsgruppen bewertet wird. Dem Anteil der untersten Bewertung im Sinne von Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) wäre damit stets die Arbeitertätigkeit hinzuzurechnen.

Die Einbeziehung der Arbeitertätigkeit bei der Bestimmung des zeitlichen Anteils der Tätigkeit mit „der untersten Bewertung” im Sinne von Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) steht jedoch mit dem tariflichen Gesamtzusammenhang, der bei der Tarifauslegung neben dem Wortlaut der Tarifnorm gleichermaßen zu berücksichtigen ist, nicht in Einklang. Nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang kommt es in Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) vielmehr allein auf das Verhältnis der Anteile der nach Besoldungsgruppen bewerteten Beamtentätigkeiten an. Die Tarifvertragsparteien knüpfen bei schlüsselbewerteten Tätigkeiten in Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 1 für die Entlohnung des Arbeiters ausschließlich an die unterste der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung an. Diese ist unabhängig von ihrem zeitlichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit und damit auch unabhängig von dem zeitlichen Anteil der Arbeitertätigkeit für die Entlohnung maßgebend. Für die Entlohnung schlüsselbewerteter Tätigkeiten ergibt sich daraus der Grundsatz, daß die Arbeitertätigkeit bei der Bestimmung der Lohngruppe außer Betracht zu bleiben hat. Bei einem zeitlichen Anteil von nur 1 v. H. Beamtentätigkeit nach Besoldungsgruppe A 3/4 und 99 v. H. Arbeitertätigkeit ergibt sich demgemäß ein Lohn nach Lohngruppe II a, während ebenso 1 v. H. nach Besoldungsgruppe A 5 bewertete Beamtentätigkeit und 99 v. H. Arbeitertätigkeit einen Lohnanspruch nach Lohngruppe I a begründen. Diese Regelung der Tarifvertragsparteien ist im Rahmen der Tarifautonomie rechtlich unbedenklich zulässig, auch wenn sich die Tarifvertragsparteien durch die Bezugnahme auf die einseitig von der Beklagten vorzunehmende Bewertung der Beamtentätigkeiten der Bestimmung der Lohnhöhe begeben. Dies entspricht dem durchgehend erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien der Bundespost, auch bei der Eingruppierung von Arbeitern und Angestellten nach Möglichkeit und bevorzugt auf eine entsprechende Beamtentätigkeit und deren Bewertung abzustellen.

Enthält damit die tarifliche Bestimmung des Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis für schlüsselbewertete Tätigkeiten den Grundsatz, daß es für die Entlohnung allein auf die Bewertung der Beamtentätigkeit nach Besoldungsgruppen ankommt, so kommt in der tariflichen Bestimmung von Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) nicht hinreichend zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien insoweit Arbeitertätigkeiten bei der Bestimmung der Entlohnung schlüsselbewerteter Tätigkeiten mit einbeziehen wollen. Zwar stellt Unterabs. 6 Satz 2 eine Abweichung von Unterabs. 6 Satz 1 dar. Diese Abweichung bezieht sich nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang aber darauf, daß bei Hinzutreten der persönlichen Voraussetzungen des Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b), in denen dem Gesichtspunkt der Bewährung Rechnung getragen wird, nicht wie nach dem Grundsatz des Unterabs. 6 Satz 1 die unterste nach Besoldungsgruppen bezeichnete Bewertung maßgebend ist, sondern die nächsthöhere der nach Besoldungsgruppen bezeichneten Bewertung maßgebend sein soll.

Wenn die Tarifvertragsparteien hingegen die Systematik der Entlohnung bei schlüsselbewerteten Tätigkeiten in Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) hätten ganz aufgeben und auch Arbeitertätigkeiten mitberücksichtigen wollen, so hätte dies in der tariflichen Bestimmung eindeutig seinen Niederschlag finden müssen. Daran fehlt es jedoch. Allein aus der fehlenden ausdrücklichen Bezugnahme auf die Bewertung nach Besoldungsgruppen in Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b), die der Satz 2 bereits einleitend enthält, kann dies nicht gefolgert werden. Wenn die Tarifvertragsparteien bei der Entlohnung schlüsselbewerteter Tätigkeiten wegen der Bezugnahme auf die nach Besoldungsgruppen bewerteten Tätigkeiten einen Anteil von weniger als 50 v. H. der Gesamtarbeitszeit für die Entlohnung im Rahmen des Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) ausreichen lassen, entspricht dies ihrer Grundsatzentscheidung bei der Entlohnung schlüsselbewerteter Tätigkeiten in Unterabs. 6 Satz 1 und ist deshalb keine Besonderheit, sondern mag allenfalls Anlaß für die Neuregelung des Entlohnungssystems ab 1. November 1986 gewesen sein.

Kommt es demnach für die Entlohnung des Klägers aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 rückwirkend ab 1. Mai 1985 auf den Anteil der nach Besoldungsgruppe A 5 als der höheren gegenüber der Besoldungsgruppe A 3/4 bewertenden Beamtentätigkeit an, so beträgt dieser mehr als 50 v. H., da die Beamtentätigkeit insgesamt 20 v. H. der Gesamtarbeitszeit ausmacht und der Anteil der nach Besoldungsgruppe A 5 bewerteten Tätigkeit 12 v. H. beträgt. Die Tätigkeit nach Besoldungsgruppe A 5 entspricht nach der Übersicht in Abs. 12 Unterabs. 1 der Vorbemerkungen zum Lohngruppenverzeichnis der Lohngruppe I a.

Stand dem Kläger damit ab 1. Mai 1985 aufgrund der Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 ein tariflicher Mindestvergütungsanspruch nach Lohngruppe I a zu, so wurde dieser durch die Schlüsselbewertung vom 21. August 1985 rückwirkend zum 1. Mai 1985 (A 5: A 3/4: Arb = 13: 15: 72), bei der der Anteil der höheren Bewertung gegenüber dem Anteil der unteren Bewertung nicht mehr als 50 v. H. betrug und dem Kläger somit nach Abs. 12 Unterabs. 6 Satz 2 Buchstabe b) keinen tariflichen Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe I a mehr gewährte, nicht berührt. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, daß sowohl die Schlüsselbewertung vom 21. Mai 1985 als auch die Schlüsselbewertung vom 21. August 1985 als zutreffend anzusehen sind, da der Beklagten bei der Bewertung der Beamtentätigkeiten ein Beurteilungsspielraum zukommt. Damit stellt die Schlüsselbewertung vom 21. August 1985 keine Korrektur einer zuvor getroffenen unrichtigen Bewertung der unverändert gebliebenen Tätigkeit dar, sondern enthält eine Änderung der Bewertung im Rahmen des Beurteilungsermessens der Beklagten. Durch eine solche einseitige, rückwirkende Änderung wurde der einmal begründete tarifliche Mindestvergütungsanspruch des Klägers nicht berührt. Eine Änderungskündigung hat die Beklagte nicht ausgesprochen, so daß dahingestellt bleiben kann, inwieweit die Beklagte durch eine solche für die Zukunft eine geringere Entlohnung des Klägers hätte durchsetzen können.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte nach § 91 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Wiese, Schmalz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073439

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