Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung nach dem HRG - Nichtanrechnung von Zeiten einer Gremienzugehörigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 57c Abs 6 HRG enthält eine abschließende Regelung derjenigen Zeiten, die auf die Dauer eines nach § 57b Abs 2 HRG befristeten Arbeitsverhältnisses eines wissenschaftlichen Mitarbeiters nicht angerechnet werden.

2. Soweit § 44 Abs 5 HSchulG BE weitere Nichtanrechnungstatbestände regelt, ist diese Vorschrift mit § 57c Abs 6 HRG unvereinbar und damit nichtig.

3. Über die Unvereinbarkeit einer landesrechtlichen Vorschrift mit erst zeitlich danach in Kraft getretenem Bundesrecht kann der Senat auch ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts befinden.

 

Normenkette

GG Art. 72, 100; HRG §§ 53, 57a; GG Art. 9 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 74 Nr. 12; HRG § 71 Abs. 1, § 57c Abs. 6; HSchulG BE § 44 Abs. 5; HRG § 57b Abs. 2 Nr. 2 1. Alt

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 20.07.1995; Aktenzeichen 14 Sa 48/95)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.02.1995; Aktenzeichen 68 Ca 33742/94)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im wesentlichen über eine zeitlich begrenzte Fortsetzung eines nach dem Hochschulrahmengesetz (HRG) befristeten Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war in der Zeit vom 16. November 1989 bis zum 15. November 1994 aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich politische Wissenschaften mit 2/3 der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt. Der zuletzt am 21. November 1991 geschlossene und für die Zeit vom 16. November 1991 bis zum 15. November 1994 befristete Arbeitsvertrag war auf § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG gestützt. In § 2 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) in Bezug genommen und die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vereinbart.

Im Sommersemester 1992 rückte der Kläger in den Fachbereichsrat des Fachbereichs politische Wissenschaften nach, in den er zum 1. April 1993 erneut gewählt wurde. Ohne Erfolg hat er von der Beklagten eine Verlängerung seines befristeten Arbeitsverhältnisses um die Zeiten seiner Zugehörigkeit zum Fachbereichsrat verlangt.

Der Kläger hält die Befristung seines Arbeitsverhältnisses für unwirksam. Die §§ 57 a ff. HRG seien verfassungswidrig, weil dem Bund hierfür die Gesetzgebungskompetenz gefehlt habe. Zumindest habe der Gesetzgeber seine Einschätzungsprärogative überschritten; ein Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG habe nicht bestanden. Die §§ 57 a ff. HRG verletzten die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie und beeinträchtigten in verfassungswidriger Weise die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit im Sinne einer "Eingehungsfreiheit". Darüber hinaus sei auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Zumindest gewähre § 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG mit Rücksicht auf eine mehrjährige ehrenamtliche Tätigkeit im Fachbereichsrat einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages, dessen Dauer der Zeit der jeweiligen Gremienzugehörigkeit entsprechen müsse. § 44 Abs. 5 BerlHG sei rechtswirksam, da § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG keine abschließende Regelung enthalte.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen

den Parteien unbefristet über den 15. November

1994 hinaus fortbesteht,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen zu erklären:

"Hiermit biete ich dem Kläger einen Arbeitsver-

trag als vollbeschäftigter wissenschaftlicher

Mitarbeiter bei mir mit 2/3 der gemäß § 15 BAT

vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeits-

zeit sowie der Vgr. II a BAT für die Dauer von

18 Monaten ab 16.11.1994 an.",

höchsthilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen zu erklären:

"Hiermit biete ich dem Kläger einen Arbeitsver-

trag als nicht vollbeschäftigter wissenschaftli-

cher Mitarbeiter bei mir mit 2/3 der gemäß § 15

BAT vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Ar-

beitszeit sowie der Vgr. II a BAT für die Dauer

von 18 Monaten ab Rechtskraft dieses Urteils an."

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verteidigt die Befristungsregelungen des HRG. Ihrer Ansicht nach enthält § 57 c Abs. 6 HRG eine abschließende Regelung derjenigen Zeiten, die auf die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses eines wissenschaftlichen Mitarbeiters nicht anrechenbar sind. Eine darüber hinausgehende landesgesetzliche Regelung sei mit Bundesrecht unvereinbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klageziel. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien am 15. November 1994 geendet hat und dem Kläger kein Anspruch auf Abschluß eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages zusteht.

I. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 16. November 1991 bis zum 15. November 1994 ist nach § 57 b Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative HRG wirksam.

1. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats hat das Landesarbeitsgericht nur den letzten zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag einer Befristungskontrolle unterzogen (vgl. BAGE 49, 73, 79 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe). Es hat den Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 1 erste Alternative HRG für vorliegend erachtet, weil der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sinne des § 53 HRG zur Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistungen eingesetzt war, die nach dem Inhalt seines Arbeitsvertrags mit der Vorbereitung eines im einzelnen bezeichneten Promotionsvorhabens auch seiner Weiterbildung als wissenschaftlicher Nachwuchs gedient haben. Die hierzu ergangenen Feststellungen und darauf beruhende Würdigung des Landesarbeitsgerichts werden von der Revision nicht angegriffen.

2. § 57 b Abs. 2 Nr. 1 erste Alternative HRG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Für den Erlaß von Vorschriften über die Befristung von Arbeitsverhältnissen im Hochschulbereich steht dem Bund nach Art. 74 Nr. 12 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungsbefugnis zu. Diese Rechtsauffassung hat der Senat im Urteil vom 30. März 1994 (- 7 AZR 229/93 - AP Nr. 1 zu § 57 a HRG) vertreten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Entgegen der Auffassung des Klägers konnte der Bundesgesetzgeber für diesen Regelungsbereich ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG annehmen. Die Entscheidung darüber, ob für einen Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne des Art. 74 GG das Bedürfnis bundeseinheitlicher Regelung besteht, trifft der Bundesgesetzgeber. Seine Entscheidung ist nur im beschränkten Umfang daraufhin nachprüfbar, ob die in Art. 72 Abs. 2 GG verwendeten Begriffe zutreffend ausgelegt und entsprechende Regelungen auch getroffen worden sind (BVerfGE 26, 338, 383). Das ist nicht zweifelhaft. Die Behauptung des Klägers, die Verhältnisse an den Hochschulen hätten nicht zwingend nach einer einheitlichen Regelung verlangt, läßt keine Anhaltspunkte für ein verfassungsrechtlich relevantes Überschreiten des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums erkennen.

3. § 57 b Abs. 2 Nr. 1 HRG ist auch nicht aus anderen Gründen verfassungswidrig. Diese Regelung des HRG greift nicht in den Kernbereich der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein (BAG Urteil vom 30. März 1994, aa0, zu III 2 der Gründe). Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt nicht vor. Nach Art. 3 Abs. 1 GG darf der Gesetzgeber, wenn er die Rechtsverhältnisse verschiedener Personengruppen differenziert regelt, die jeweilige Gruppe von Normadressaten nur dann anders behandeln, wenn zwischen den Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 55, 72, 88). Die Ungleichbehandlung knüpft hier an die Arbeitsverhältnisse wissenschaftlichen Personals im Hochschulbereich an, für die gegenüber sonstigen Arbeitsverhältnissen erleichterte Befristungsmöglichkeiten geschaffen worden sind. Der Sachgrund liegt in der Sicherung der Funktionsfähigkeit von Forschung und Lehre. Er ist nach Gewicht und Tragweite geeignet, die Differenzierung zu rechtfertigen.

4. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung. Dadurch wird der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährt keinen Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen (BVerfGE 84, 133, 146, 147). Der dem Staat insoweit obliegenden Schutzpflicht tragen die Kündigungsschutzvorschriften und die damit im Zusammenhang stehenden Grundsätze der Befristungskontrolle hinreichend Rechnung. Soweit sich der Kläger auf eine Verletzung der "Eingehungsfreiheit" beruft, wird diese allenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen nach seinem Willen Teil seiner allgemeinen Handlungsfreiheit, die Art. 2 Abs. 1 GG im Rahmen der Privatautonomie gewährleistet. Zu deren Ausgestaltung ist der Gesetzgeber berufen, wobei kollidierende Grundrechtsnormen so zu begrenzen sind, daß sie für alle Beteiligten weitgehend wirksam werden können. Im Vertragsrecht ergibt sich ein sachgerechter Interessenausgleich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien. Korrekturen hat das Zivilrecht und damit auch das Arbeitsrecht nur dort vorzunehmen, wo auf Grund einer typisierenden Fallgestaltung, die eine strukturelle Ungleichgewichtigkeit des einen Vertragsteils erkennen läßt, die Folgen für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend sind (BVerfGE 89, 214, 231 ff.). Eine so ausgeprägte Unterlegenheit ist vorliegend nicht ersichtlich. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war auf die Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistungen einerseits und die Vorbereitung eines Promotionsvorhabens andererseits gerichtet. Mit der Eingehung dieses Arbeitsverhältnisses hat der Kläger einen wissenschaftlichen Weiterbildungszweck verfolgt, der seiner Natur nach ohnehin zeitlich begrenzt ist. Das hat auch die Vertragsbedingungen beeinflußt. Umstände bei Vertragsabschluß, die Hinweise auf eine verfassungsrechtlich relevante Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit geben könnten, zeigt die Revision nicht auf.

II. Auch die hilfsweise gestellten Anträge sind unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber der beklagten Universität kein Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages für eine Dauer von 18 Monaten zu. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Kläger einen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages nicht auf § 44 Abs. 5 BerlHG stützen kann. Diese landesrechtliche Regelung, nach der u.a. die Zeiten einer Zugehörigkeit zu den universitären Fachbereichs- und Institutsräten zur Hälfte auf die jeweilige Dienstzeit nicht angerechnet werden, ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Für Zeiten einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die auf die Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals im Sinne des § 53 HRG nicht anzurechnen sind, enthält die bundesgesetzliche Vorschrift des § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG eine abschließende Regelung.

2. Nach § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG sind für die jeweilige Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses im Sinne der §§ 57 b Abs. 2 - 4 HRG im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter auf die zulässige Höchstdauer unter anderem nicht anzurechnen die Zeiten einer Freistellung zur Wahrnehmung von Aufgaben einer Personal- oder Schwerbehindertenvertretung oder solchen der Frauenförderung, soweit die Freistellung von der regelmäßigen Arbeitszeit mindestens ein Fünftel beträgt und die Dauer von zwei Jahren nicht überschreitet. Der Wortlaut der Vorschrift läßt nicht zwingend die Deutung zu, § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG bestimme abschließend Nichtanrechnungstatbestände ausschließlich für die Wahrnehmung der darin genannten Tatbestände und Funktionen und lasse landesgesetzliche Regelungen für andere Funktionsträger unabhängig vom Ausmaß der damit verbundenen zeitlichen Belastung nicht zu. Doch spricht die systematische Auslegung der Bestimmungen der §§ 57 a ff. HRG, deren Sinnzusammenhang und die Berücksichtigung der Gesetzgebungsmaterialien dafür, in § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG eine bundeseinheitliche und abschließende Regelung mit unmittelbarer Wirkung auch für die Länder zu sehen, die keinen Raum für eine darüber hinausgehende landesgesetzliche Regelung beläßt.

a) Bei den Vorschriften der §§ 57 a ff. HRG handelt es sich um Regelungen des Arbeitsrechts. Ihrem Regelungsgegenstand nach betreffen sie die inhaltliche Gestaltung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen und mit § 57 c Abs. 6 HRG auch die Nichtanrechnung von Zeiten auf eine zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Vertragsdauer (BAG Urteil vom 30. März 1994, aa0, zu III 1 der Gründe; Hailbronner, HRG, Stand November 1995, § 57 c Rz 9; Reich, HRG, 4. Aufl., § 57 c Rz 14; KR-Lipke, 4. Aufl., § 57 c Rz 21). Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte mit den §§ 57 a ff. HRG den Besonderheiten des im Hochschulbereich tätigen wissenschaftlichen Personals, die Angehörige des öffentlichen Dienstes der jeweiligen Länder sind, Rechnung getragen werden. Dadurch wird der arbeitsrechtliche Charakter der Vorschriften nicht beeinträchtigt. Auch die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes beruhen auf einer privatrechtlichen Vereinbarung, die an den Grundsätzen des allgemeinen Arbeitsrechts zu messen ist. Das öffentlich-rechtliche Dienstrecht wird davon ebensowenig berührt wie die hochschulinterne Rechtsstellung der Bediensteten, die ihrerseits landesgesetzlichen hochschulrechtlichen Reglementierungen unterliegen (Maunz/Dürig, GG, Art. 75 Rz 48 ff., 62; Tettinger, RdA 1981, 351, 356).

b) Auch § 44 Abs. 5 BerlHG ist nach seinem Regelungsgehalt dem allgemeinen Arbeitsrecht zuzurechnen. Denn seine Rechtsfolge ist auf den Abschluß eines Arbeitsvertrages gerichtet, um auf diese Weise die Nichtanrechnung bestimmter Zeiten auf eine vereinbarte Vertragsdauer zu erreichen (BAG Urteil vom 30. März 1994, aa0, zu IV 3 a der Gründe). Zwar findet sich diese Vorschrift im Zusammenhang mit Regelungen zur Rechtsstellung der Hochschulmitglieder und damit bei den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Hochschule. Dadurch geht jedoch der arbeitsrechtliche Regelungsgehalt nicht verloren, der unabhängig von dem jeweiligen Anknüpfungspunkt zu beurteilen ist (BVerfGE 68, 319, 327 f.).

c) Das Arbeitsrecht ist Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Nr. 12 GG. Solange und soweit der Bund auf diesem Gebiet von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat, besitzen die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungszuständigkeit. Einer landesgesetzlichen Regelung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts steht nicht schon das bürgerlich-rechtliche Kodifikationsprinzip entgegen. Das Arbeitsrecht hat sich zu einer selbständigen Rechtsmaterie entwickelt, das landesrechtliche Regelungen unter Wahrung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes gestattet (BVerfGE 77, 308, 329).

d) Mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vom 14. Juni 1985 (BGBl. I S. 1065) hat der Bundesgesetzgeber das Recht der befristeten Arbeitsverhältnisse für den davon betroffenen Personenkreis mittels Aufnahme in das Hochschulrahmengesetz geregelt. Neben der Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs bestimmt § 57 a HRG, daß für den Abschluß von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches Personal an Hochschulen die §§ 57 b bis 57 f HRG gelten und arbeitsrechtliche Vorschriften und Grundsätze nur insoweit anwendbar bleiben sollen, als sie nicht im Widerspruch mit den genannten Regelungen stehen.

§ 57 b Abs. 1 HRG gestattet den Abschluß befristeter Arbeitsverträge, wenn die Befristung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist oder nach allgemeinen Grundsätzen keines sachlichen Grundes bedarf. Im Anschluß daran normiert § 57 b Abs. 2 bis 4 HRG einen Katalog eigenständiger Sachgründe. Regelungen zur Befristungsdauer enthält § 57 c HRG, der die Dauer des Arbeitsverhältnisses einer vertraglichen Vereinbarung überläßt (§ 57 c Abs. 1 HRG), jedoch in Absatz 2 zeitliche Höchstgrenzen für die auf § 57 b Abs. 2 - 4 HRG gestützten Befristungen bestimmt. Darüber hinaus nennt § 57 c Abs. 6 HRG einen Katalog von Zeiten, die mit dem Einverständnis des Mitarbeiters auf eine nach dem HRG vereinbarte Vertragsdauer nicht anzurechnen sind. Dadurch sollen die Beschäftigten vor einem Verlust ihres Beschäftigungsanspruches bei Unterbrechung ihrer Tätigkeiten aus den in Abs. 6 genannten Gründen geschützt werden, da die dort geregelten Unterbrechungszeiten den Ablauf der Vertragszeit nicht hemmen (Lipke, aa0, § 57 c HRG Rz 21; BT-Drucks. 10/2283, S. 12).

Dieses in sich geschlossene Regelungssystem befristeter Arbeitsverhältnisse im Hochschulbereich wurde auf Vorschlag des Bundesrates durch Art. 1 des "Gesetzes über die Verlängerung von befristeten Dienst- und Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal ... vom 15. Dezember 1990" (BGBl. I S. 2806) geringfügig erweitert. Der bisherige § 57 c Abs. 6 Nr. 1 HRG wurde um eine Nichtanrechnungsmöglichkeit auch für Teilzeitbeschäftigte ergänzt und mit § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG für Mitglieder der Personal- und Schwerbehindertenvertretung und solche, die Aufgaben der Frauenförderung wahrnehmen. Ziel des Gesetzes ist die Vermeidung von Nachteilen bei der wissenschaftlichen Weiterqualifizierung von Personen, die jene in § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG genannten Funktionen ausüben, die in aller Regel mit einer Arbeitsbelastung einhergehen, die über die normale Pflicht zur Mitwirkung an der Willensbildung von Hochschulen hinausgeht (BT-Drucks. 11/7984, S. 5). Die weitere Initiative des Bundesrates, es dem Landesgesetzgeber zu überantworten, weitere Nichtanrechnungstatbestände zu schaffen, ist nicht Gesetz geworden. Vielmehr hat der Bund von seiner Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Nr. 12 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG ausdrücklich Gebrauch gemacht (BT-Drucks. 11/7984, S. 7).

3. Damit hat der Gesetzgeber in §§ 57 a ff. HRG den arbeitsrechtlichen Bereich befristeter Dienst- und Arbeitsverhältnisse im Hochschulbereich abschließend und einheitlich geregelt (Hailbronner, aa0, § 57 c Rz 8; Dörner, BGB-RGRK, § 620 Rz 237; KR-Lipke, § 57 c HRG Rz 21). § 57 c HRG ist ebenso wie die weiteren Befristungsregelungen der §§ 57 a ff. HRG nach § 72 Abs. 1 Satz 3 HRG in den einzelnen Bundesländern unmittelbar geltendes Recht (vgl. Hailbronner, § 72 Rz 8; KR-Lipke, § 57 f HRG Rz 2 a). Diese Vorschrift gilt auch für die Vertragsbeziehungen der Parteien, die am 21. November 1991 ihren Arbeitsvertrag geschlossen haben. Denn nach § 57 f Satz 2 HRG ist die hier entscheidungserhebliche Neufassung des § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG erstmals auf die ab dem 22. Dezember 1990 geschlossenen Arbeitsverträge anzuwenden (Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Verlängerung von befristeten Dienst- und Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal ... vom 15. Dezember 1990, aa0).

Beläßt § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG danach keinen Raum für abweichendes Landesrecht, kann sich der Kläger nicht auf die Regelung des § 44 Abs. 5 BerlHG berufen. Denn diese Vorschrift ist als rangniedrigeres Landesrecht mit Bundesrecht unvereinbar (Art. 31 GG) und damit nichtig (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Art. 31 Rz 5; Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, S. 711).

4. Über die Unvereinbarkeit und daran knüpfende Nichtigkeit der landesgesetzlichen Regelung kann der Senat selbst entscheiden, ohne zu einer Vorlage nach Art. 100 GG verpflichtet zu sein. § 44 Abs. 5 BerlHG ist nach § 137 BerlHG am 24. Oktober 1990 in Kraft getreten (GVBl. Berlin vom 23. Oktober 1990, S. 2165). Es ist damit älter als die entgegenstehende bundesrechtliche Regelung des § 57 c Abs. 6 Nr. 5 HRG, die erst am 16. Dezember 1990 in Kraft getreten ist (Art. 3 des Gesetzes über die Verlängerung von befristeten Dienst- und Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal ... vom 15. Dezember 1990, aa0). In diesem Fall ist der Senat befugt, eine aus Art. 31 GG folgende Unvereinbarkeit auch ohne Anrufung des Bundesverfassungsgerichts festzustellen. Denn das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich nicht auf die Feststellung der Unvereinbarkeit von Landesrecht mit späterem Bundesrecht. Bei dieser zeitlichen Abfolge kann dem Landesgesetzgeber nicht vorgehalten werden, er habe durch die Schaffung eigener Regelungen übergeordnetes Bundesrecht verletzt (BVerfGE 10, 124, 128, ständige Rechtsprechung).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Steckhan Schmidt Bepler

Nottelmann Bea

 

Fundstellen

BAGE 82, 173-181 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

BAGE, 173

BB 1996, 1546

BB 1996, 1564 (Leitsatz 1-3)

DB 1996, 2549 (Leitsatz 1-3)

NZA 1996, 1095

NZA 1996, 1095-1098 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

RdA 1996, 32121-322 (Leitsatz 1-, Leitsatz 1-3)

RzK, I 9d Nr 40 (Leitsatz 1-3)

ZTR 1996, 476-477 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

AP § 57c HRG (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 4

AR-Blattei, ES 380 Nr 16 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

ArbuR 1996, 320 (Leitsatz 1-3)

EzA-SD 1996, Nr 15, 7 (Leitsatz 1-3)

EzA § 620 BGB Hochschulen, Nr 4 (Leitsatz 1-3 und Gründe)

EzBAT SR 2y BAT Hochschulen, Forschungseinrichtungen Nr 23(Leitsatz 1-3 und Grün

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