Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzugslohn bei Regelungsabrede über Kurzarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine formlose Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Einführung von Kurzarbeit wahrt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG, führt aber nicht zu einer entsprechenden Änderung der Arbeitsverträge der hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Hierzu bedarf es einer vertraglichen Vereinbarung oder einer Änderungskündigung (im Anschluß an BAG Urteil vom 15. Dezember 1961 - 1 AZR 207/59 - AP Nr 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 615; BetrVG §§ 77, 87 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 06.06.1990; Aktenzeichen 5 Sa 281/90)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 13.02.1990; Aktenzeichen 6 Ca 2/89)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit dem Jahre 1982 bei der Beklagten, einem Bauunternehmen, als Bauhilfsarbeiter gegen einen Stundenlohn von zuletzt 14,90 DM beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst zum 30. Juni und später nochmals zum 31. Juli 1988. Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage stellte das Arbeitsgericht durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 1. Dezember 1988 fest, daß das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. Juli 1988 beendet worden ist. Auf eine erneute, zum 30. September 1988 ausgesprochene Kündigung der Beklagten ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin zwischen den Parteien inzwischen unstreitig geworden. Die Beklagte hatte sämtliche Kündigungen auf fehlende Einsatzmöglichkeiten des Klägers wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes gestützt.

In der Zeit von Ende Februar bis Ende März 1988 wurde bei der Beklagten aus Witterungsgründen nicht gearbeitet. Der Kläger erhielt für diesen Zeitraum Schlechtwettergeld.

Unter dem 28. März 1988 zeigte die Beklagte dem Arbeitsamt an, daß die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. April 1988 bis auf weiteres für die Betriebsabteilungen Hochbau, Tiefbau und Bauhof herabgesetzt werde. In dem für die Anzeige verwendeten Formular ist die in Spalte 5 b vorgedruckte Frage:

"Wenn kein TV gilt oder dieser keine Kurzarbeit-

klausel enthält: Wie wurde die Kurzarbeit unter

Beachtung arbeitsrechtlicher Bestimmungen einge-

führt? - z.B. durch Betriebsvereinbarung mit dem

Betriebsrat oder bei Betrieben ohne Betriebsrat

durch Vereinbarung mit den Arbeitnehmern, Ände-

rungskündigung, sonstige Anordnung -"

wie folgt beantwortet:

"Information des Betriebsrats."

Die unter der Unterschrift der Beklagten am Schluß des Formblatts angebrachte Rubrik

"Unterschrift der Betriebsvertretung (Betriebs-

rat), wenn den Angaben zugestimmt wird. Anderen-

falls wird um gesonderte Stellungnahme gebeten"

enthält die Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden.

Auf diese Anzeige bewilligte das Arbeitsamt mit Bescheid vom 24. April 1988 den von dem Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern in den angegebenen Betriebsabteilungen ab 5. April 1988 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen der §§ 63, 64 Abs. 1 AFG, längstens bis 30. September 1988 Kurzarbeitsgeld und verlängerte die Bezugszeit mit Bescheid vom 27. Oktober 1988 bis längstens 31. März 1989.

Der Kläger erschien nach dem Ende der Schlechtwetterperiode Anfang April 1988 bei der Beklagten, um sich vereinbarungsgemäß nach dem Arbeitsbeginn zu erkundigen. Der Personalleiter der Beklagten teilte ihm mit, es sei keine Arbeit vorhanden, deshalb werde kurzgearbeitet und der Kläger sei von dieser Kurzarbeit befreit. Der Kläger ging daraufhin nach Hause und arbeitete in der Folgezeit nicht mehr. Bis zum 30. Juni 1988 erhielt er Kurzarbeitsgeld und vom 1. Juli bis 30. September 1988 Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 3.437,28 DM.

Mit der Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst Verzugslohn für Juli 1988 und mit Schriftsatz vom 26. Januar 1989 Verzugslohn für die Monate August und September 1988 in Höhe von zuletzt 7.876,20 DM brutto abzüglich 3.437,20 DM Arbeitslosengeld gefordert. Die am 2. Januar 1989 bei Gericht eingegangene Klageschrift ist der Beklagten am 5. Januar 1989, der am 26. Januar 1989 bei Gericht eingegangene Schriftsatz vom selben Tag am 1. Februar 1989 zugestellt worden.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe sich in den Monaten Juli bis September 1988 in Verzug der Annahme seiner Dienste befunden. Sie schulde ihm den vollen Lohn, weil sein Arbeitsvertrag hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsentgelts nicht geändert worden sei. Über die Einführung von Kurzarbeit liege weder eine formelle Betriebsvereinbarung vor, noch sei er mit einer dahingehenden Vertragsänderung einverstanden gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 7.867,20 DM brutto

abzüglich 3.437,28 DM netto an ihn zu verurtei-

len.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat sich darauf berufen, daß zwischen ihr und dem Betriebsrat eine Regelungsabrede über die Einführung von Kurzarbeit in dem in der Anzeige an das Arbeitsamt dargestellten Umfang zustande gekommen sei. Da der Kläger von der Kurzarbeit betroffen sei, könne er keinen Lohn, sondern nur das an ihn ausgezahlte Kurzarbeitergeld beanspruchen. Hierfür hat sie sich auf ein in einem zwischen einem anderen Arbeiter und ihr anhängig gewesenen Rechtsstreit ergangenes Urteil der Zweiten Kammer des Berufungsgerichts vom 11. Oktober 1989 - 2 Sa 424/89 - berufen, in dem ebenfalls um Verzugslohn eines von der Kurzarbeit betroffenen und zum 30. September 1988 ausgeschiedenen Arbeiters der Beklagten für die Zeit ab 1. Juli 1988 gestritten worden war. Die Beklagte hatte in jenem Verfahren dieselben Einwendungen erhoben, der Kläger ein Einverständnis sowie das Bestehen einer Regelungsabrede bestritten. Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Es hatte eine Regelungsabrede zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat auch für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1988 für nachgewiesen angesehen und angenommen, hierdurch sei für die von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend wirksam verkürzt worden. Die Beklagte sei deshalb zur Annahme weitergehender Dienstleistungen der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer nicht verpflichtet. Es sei ferner bewiesen, daß der Kläger wegen der Kurzarbeit in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1988 nicht zum Einsatz gekommen wäre, wenn die Beklagte gewußt hätte, daß er wegen Unwirksamkeit der zum 30. Juni 1988 ausgesprochenen Kündigung noch ihr Arbeitnehmer gewesen sei. Er hätte nur Anspruch auf Kurzarbeitergeld erworben, das niedriger sei als das von ihm bezogene Arbeitslosengeld.

Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren weiter vorgetragen, mit dem Kläger sei eine Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit getroffen worden. Entsprechend der Handhabung und Übung in früheren Kurzarbeitsperioden habe die Erklärung ihres Personalleiters Anfang April 1988 auch das Angebot an den Kläger enthalten, daß die Arbeitsvergütung auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes herabgesetzt sei. Dieses Angebot habe der Kläger stillschweigend angenommen, indem er nicht gearbeitet und sich mit dem Kurzarbeitergeld zufriedengegeben habe. An diesen Verhältnissen habe sich auch in der Zeit ab 1. Juli 1988 nichts geändert. Die Vereinbarung habe nicht unter dem Vorbehalt gestanden, daß die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld weiter bestünden. Im übrigen seien die Voraussetzungen auch nicht im Hinblick auf die dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen weggefallen, da auch gekündigten Arbeitnehmern bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Kurzarbeitergeld weitergewährt werde.

Der Kläger hat erwidert, allein durch die Regelungsabrede mit dem Betriebsrat sei nur das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gewahrt, nicht aber der Arbeitsvertrag geändert worden. Hierzu bedürfe es einer Vereinbarung oder einer Änderungskündigung. Er habe sich mit einer entsprechenden Vertragsänderung weder ausdrücklich noch stillschweigend einverstanden erklärt. Er habe bis zum 30. Juni 1988 die Kurzarbeit hingenommen, weil sie der Erhaltung seines Arbeitsplatzes dienen sollte. Ab Juli 1988 sei für ihn jedoch klar gewesen, daß die Beklagte seinen Arbeitsplatz nicht mehr sichern wolle. Damit seien die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Kurzarbeitergeldes entfallen. Deshalb sei der Erklärungswert der Entgegennahme des Kurzarbeitergeldes von diesem Zeitpunkt an nicht mehr derselbe wie zuvor. Die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld seien auch Vertragsinhalt geworden. Die Beklagte handele zudem treuewidrig, wenn sie sich auf den Zweck des Kurzarbeitergeldes, die Erhaltung von Arbeitsplätzen berufe, ihm aber den Arbeitsplatz nicht erhalte.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, steht dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1988 der geltend gemachte Lohn aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu.

I. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 615 Satz 1 BGB. Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Arbeitnehmer für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat im Anspruchszeitraum (1. Juli bis 30. September 1988) fortbestanden, wie unstreitig ist.

Lohnzahlung kann der Arbeitnehmer jedoch nur verlangen, wenn und soweit er Dienste zu leisten und die hierfür vereinbarte Vergütung zu erhalten hatte und hieran nur durch das Verhalten des Arbeitgebers gehindert war. Der Verzug des Arbeitgebers muß ursächlich für die Nichtleistung gewesen sein. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht geprüft, ob die Beklagte im Anspruchszeitraum die Dienste des Klägers annehmen mußte und die volle Vergütung schuldete, oder ob diese vertraglichen Verpflichtungen weggefallen oder eingeschränkt waren.

II. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung nur aufgrund einer Vereinbarung kollektiv oder einzelvertraglichen Charakters, nicht aber aufgrund seines Direktionsrechts einführen. Anderenfalls bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung (BAG Urteil vom 15. Dezember 1961 - 1 AZR 207/59 - AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit).

III. Eine tarifliche Regelung, die die Beklagte zur Einführung von Kurzarbeit berechtigte, besteht nicht. Der hier in Betracht kommende allgemeinverbindliche BRTV-Bau enthält, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, keine derartige Bestimmung.

IV. Eine betriebsverfassungsrechtliche Regelung, durch die unmittelbar auch der Arbeitsvertrag für die Kurzarbeitsperiode hinsichtlich der Arbeits- und Lohnzahlungspflicht abgeändert wurde, liegt ebenfalls nicht vor.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Hierunter fällt die Einführung von Kurzarbeit, und zwar auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, hierdurch nicht nur an einzelnen Tagen die Lage der Arbeitszeit geändert wird, sondern auch dann, wenn Tage oder Wochen endgültig ausfallen und damit die Dauer der Arbeitszeit berührt wird (BAGE 26, 60, 64 f. = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit, zu II 5 a der Gründe).

2. § 87 Abs. 1 BetrVG schreibt für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in den dort aufgeführten Angelegenheiten keine Formen vor. Es kommt allein darauf an, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats verwirklicht, d.h. eine Angelegenheit nicht ohne vorheriges Einverständnis des Betriebsrats geregelt wird. Hierzu bedarf es deshalb keiner förmlichen Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG. Vielmehr genügt eine formlose Betriebsabsprache (Regelungsabrede). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. BAG Großer Senat BAGE 53, 42, 75 f. = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C IV 3 der Gründe; BAG Urteil vom 9. Juli 1985 - 3 AZR 546/82 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG , § 77 Rz 18; Wiese, GK-BetrVG , § 87 Rz 64, m.w.N.).

3. Eine Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer kann jedoch nur durch eine förmliche Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG herbeigeführt werden. Nur sie wirkt gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse ein (vgl. BAG Beschluß vom 21. November 1978 - 1 ABR 67/76 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu III 4 der Gründe). Die Wirkung der formlosen Regelungsabrede erschöpft sich dagegen in der Aufhebung der betriebsverfassungsrechtlichen Beschränkung der Rechte des Arbeitgebers, begründet aber keine Rechte im Verhältnis zu den Arbeitnehmern. Kann die beschlossene Regelung vom Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern nicht im Wege des Direktionsrechts durchgesetzt werden, bedarf es zur wirksamen Änderung der Arbeitsverträge einer vertraglichen Vereinbarung oder einer Änderungskündigung (allg. Meinung; vgl. nur Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 160, § 87 Rz 63; Fitting/Auffarth/ Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 77 Rz 91, § 87 Rz 27; Wiese, aao, § 87 Rz 66, 251, 270).

4. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß der Arbeitsvertrag der Parteien aufgrund einer Vereinbarung der Betriebsparteien hinsichtlich der Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechender Lohnkürzung auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes nicht geändert worden ist.

a) Die nach dem als unstreitig und deshalb gemäß § 561 Abs. 1 ZPO für das Revisionsgericht bindend festgestellten Sachverhalt von den Betriebsparteien getroffene formlose Regelungsabrede konnte diese Wirkung, wie ausgeführt, nicht herbeiführen. Zu Unrecht beruft sich die Zweite Kammer des Berufungsgerichts in dem im Parallelverfahren - 2 Sa 424/89 - ergangenen Urteil vom 11. Oktober 1989 für seine gegenteilige Ansicht auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Dezember 1961 (aaO). Darin heißt es zwar zutreffend, daß es zur Verkürzung der Arbeitszeit und der damit verbundenen Lohnminderung grundsätzlich einer Vereinbarung bedürfe und diese gesamt- oder einzelvertraglich getroffen werden könne. Geprüft wurde auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene jedoch nur, ob eine förmliche Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit zustande gekommen war, und der Rechtsstreit wurde zurückverwiesen, weil noch offen war, ob der von mehreren Betriebsratsmitgliedern unterzeichneten Zustimmungserklärung ein wirksamer Beschluß des Betriebsrats zugrunde lag. Zu einer formlosen Regelungsabrede verhält sich das Urteil nicht. Ihm kann somit nur entnommen werden, daß durch eine wirksame förmliche Betriebsvereinbarung eine entsprechende Änderung der Arbeitsverhältnisse herbeigeführt werden kann.

b) Eine förmliche Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit liegt nicht vor. Die Würdigung des Berufungsgerichts, in der Unterzeichnung der Anzeige an das Arbeitsamt vom 28. März 1988 durch die Betriebsparteien sei kein Abschluß einer Betriebsvereinbarung zu sehen, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Wie sich aus der Urkunde eindeutig ergibt, war der Wille der Betriebsparteien nur auf die Abgabe einer den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes für die Bewilligung von Kurzarbeitergeld entsprechenden Erklärung ausgerichtet, nicht aber auf den Abschluß einer die Einführung von Kurzarbeit regelnden Betriebsvereinbarung. Das wird, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, durch die Antwort der Beklagten auf die in der Spalte 5 b des Anzeigeformulars gestellte Frage deutlich. Wenn dort u.a. gefragt wird, ob die Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung eingeführt worden sei, so ist dem Hinweis der Beklagten auf eine Information des Betriebsrats zu entnehmen, daß eben keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Ferner kann der Unterzeichnung des unter diese Frage vorgedruckten Textes durch den Betriebsratsvorsitzenden lediglich der Inhalt beigemessen werden, daß den Angaben der Beklagten in der Anzeige zugestimmt und damit eine Tatsachenerklärung abgegeben werde, nicht aber einer betriebsverfassungsrechtlichen Vereinbarung zugestimmt werden sollte.

V. Zu Recht hat das Berufungsgericht somit geprüft, ob zwischen den Parteien eine vertragliche Vereinbarung über die Änderung des Arbeitsvertrages für die Dauer der Kurzarbeitsperiode mit dem Inhalt zustande gekommen ist, daß die Arbeitspflicht entfiel und der Lohn auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes gemindert wurde. Es hat dies verneint und hierzu im wesentlichen ausgeführt:

Es fehle schon an einem schlüssigen Angebot der Beklagten. Die von ihr vorgetragene Erklärung ihres Personalleiters (April 1988) könne auch nicht unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Handhabung in den Fällen der Kurzarbeit in der Vergangenheit als Angebot ausgelegt werden, das Arbeitsverhältnis solle hinsichtlich des Umfangs der Arbeits- und Vergütungspflicht vorübergehend geändert werden. Der Kläger habe ihr zwar entnehmen können, daß die Beklagte ihm nicht die volle Vergütung, sondern nur das Kurzarbeitergeld zahlen werde und er zur Arbeitsleistung nicht verpflichtet sei. Dies bedeute aber noch nicht, daß die Beklagte auch das Einverständnis des Klägers mit einer entsprechenden Vertragsänderung habe einholen wollen. Die Beklagte könne sich vielmehr aufgrund der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat oder der Bewilligung von Kurzarbeitergeld durch das Arbeitsamt für berechtigt gehalten haben, ohne vertragliche Vereinbarungen mit dem Kläger die Kurzarbeit einzuführen.

In dem Verhalten des Klägers nach der Erklärung des Personalleiters könne keine Zustimmung zu einer solchen Vertragsänderung gesehen werden. Bloßes Schweigen sei nicht als Annahme eines entsprechenden, die Arbeitsbedingungen verschlechternden Angebots auszulegen. Ein "beredtes" Schweigen sei in dem Verhalten des Klägers auch nicht unter Berücksichtigung der Handhabung in der Vergangenheit zu erblicken.

1. Die von der Beklagten gegen diese Würdigung erhobene Rüge der Verletzung der § 138 Abs. 3, 286 ZPO greift nicht durch.

Die Revision beanstandet zu Unrecht, das Berufungsgericht habe unstreitigen Sachvortrag der Beklagten in drei Schriftsätzen nicht vollständig berücksichtigt und sei deshalb zu der unzutreffenden Ansicht gelangt, eine Vertragsänderung sei nicht zustandegekommen.

Das Verhalten des Klägers ab Februar 1988 wird im unstreitigen, der Vortrag zur Handhabung der Kurzarbeit in der Vergangenheit im streitigen Teil des Tatbestandes geschildert. Soweit die Revision von einer Vereinbarung über die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers spricht, trägt sie keine unstreitigen Tatsachen, sondern die Schlußfolgerung aus den vorgetragenen und weitgehend unstreitigen Tatsachen, nämlich das Zustandekommen einer Vertragsänderung vor. Eine dahingehende Willensübereinstimmung ist aber streitig gewesen. Die Revision vermengt hier den Vortrag des Auslegungsstoffs und den Rechtsvortrag zur Auslegung. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und aus der Revisionsbegründung im übrigen ergibt sich, daß das Berufungsgericht die von der Revision vorgetragenen Tatsachen berücksichtigt und nur nach ihrer Ansicht unzutreffende rechtliche Folgerungen daraus gezogen hat. Dies gilt auch für die von der Beklagten vorgetragene Handhabung in früheren Kurzarbeitsperioden. Das Berufungsgericht erwähnt sie ausdrücklich, kommt dann aber aus den anschließend dargelegten Erwägungen zu dem Ergebnis, auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes könne dem Verhalten der Beklagten Anfang April 1988 nicht der Erklärungswert eines Vertragsangebotes beigemessen werden. Ob dies zutrifft, ist eine Frage der richtigen Auslegung einer Willenserklärung, nicht aber eines verfahrensfehlerhaften Übergehens von Tatsachenvortrag.

2. Auch die materiell-rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts enthält keine revisiblen Rechtsfehler.

a) Bei der Frage, ob zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits eine Vereinbarung über die Änderung des Arbeitsvertrages zustande gekommen ist, handelt es sich um die Auslegung nicht typischer Willenserklärungen, da das Berufungsgericht auf die Fallumstände abstellt. Das Revisionsgericht kann seine Auslegung deshalb nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt und dadurch gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verstoßen hat (BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.

b) Das Berufungsgericht prüft zunächst im Ausgangspunkt zutreffend, ob die Erklärungen des Personalleiters Anfang April 1988 gegenüber dem Kläger als Angebot zum Abschluß einer Vereinbarung über die Änderung des Arbeitsvertrages hinsichtlich der Arbeits- und Vergütungspflicht auszulegen sind. Es vermißt eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten mit diesem Inhalt, die von der Beklagten auch nicht behauptet wird, und prüft dann weiter, ob den Erklärungen des Personalleiters ein stillschweigendes Angebot dieses Inhalts zu entnehmen ist. Soweit es für die Ermittlung des Erklärungsinhalts auf die Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger abstellt, entspricht dies der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auch dann gilt, wenn es um die Feststellung geht, ob eine Äußerung überhaupt als Willenserklärung gemeint ist (BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Dahingehende Erwägungen enthält die Würdigung des Berufungsgerichts, soweit es untersucht, ob die Äußerungen des Personalleiters als Vertragsänderungsangebot oder als Mitteilung der sich aus der Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder der Bewilligung von Kurzarbeitsgeld durch das Arbeitsamt nach seiner Ansicht ergebenden Rechtsfolge aufgefaßt werden konnte.

c) Das Berufungsgericht hat ohne revisiblen Auslegungsfehler in den Erklärungen des Personalleiters kein Vertragsänderungsangebot gesehen. Soweit die Revision zunächst vorträgt, den Äußerungen des Personalleiters sei der Erklärungswert eines Vertragsänderungsangebots beizumessen, nimmt sie eine eigene Auslegung des Tatsachenstoffs vor. Einen Auslegungsfehler versucht sie erst in den folgenden Ausführungen darzulegen, das Berufungsgericht habe die Handhabung der Einführung von Kurzarbeit in der Vergangenheit nicht berücksichtigt. Das Berufungsgericht hat jedoch, wie die Revision im übrigen auch einräumt, ausdrücklich die Handhabung der Kurzarbeit in der Vergangenheit in seine Würdigung einbezogen.

In der Sache beanstandet die Revision indessen auch nicht die fehlende, sondern die unzutreffende Berücksichtigung dieses Umstandes durch das Berufungsgericht, indem sie ihm vorwirft, die von ihm angestellte Erwägung, die Beklagte habe sich bereits aufgrund einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder einer behördlichen Genehmigung der Einführung von Kurzarbeit berechtigt halten können, beruhe nicht auf Tatsachen, sondern sei reine Spekulation. Dieser Vorwurf ist jedoch unberechtigt. Wie sich aus dem Vortrag der Beklagten in den Vorinstanzen und in dem zu seiner Untermauerung vorgelegten Urteil der Zweiten Kammer des Berufungsgerichts im Parallelprozeß ergibt, ging die Beklagte noch in der Vorinstanz von der auch in dem vorgelegten Urteil gebilligten Rechtsmeinung aus, allein durch die Regelungsabrede mit dem Betriebsrat sei wirksam Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung eingeführt worden. Das Berufungsgericht hat somit den in den Vorinstanzen in den Prozeß eingeführten Auslegungsstoff verwertet und methodisch zutreffend geprüft, ob im Hinblick darauf den Äußerungen des Personalleiters ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert im Sinne eines konstitutiven Vertragsänderungsangebots und damit einer Willenserklärung oder nur eines Hinweises auf sich aus betriebsverfassungsrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gründen ergebenden Rechtsfolgen beizumessen ist. Diese Auslegung ist möglich und deshalb im Hinblick auf den eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts nicht zu beanstanden.

Fehlt es an einem Angebot der Beklagten, dann ist schon deshalb keine Vertragsänderung zustande gekommen. Auf die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, das Verhalten des Klägers könne auch nicht als Annahme eines entsprechenden Angebots der Beklagten ausgelegt werden, kommt es deshalb nicht mehr an.

VI. Bestand der Arbeitsvertrag auch hinsichtlich der Arbeits- und Lohnzahlungspflicht unverändert fort, so steht dem Kläger der geltend gemachte Verzugslohn zu. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zum Annahmeverzug und zur Wahrung der tariflichen Ausschlußfristen lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.

Hillebrecht Triebfürst Bitter

Dr. Bensinger N. Holst

 

Fundstellen

Haufe-Index 437890

BB 1991, 2017

BB 1991, 2017-2018 (LT1)

DB 1991, 1990-1991 (LT1)

BuW 1991, 252 (K)

BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 3 (3) (LT1)

NZA 1991, 607-609 (LT1)

RdA 1991, 192

RzK, I 7a 22 (LT1)

AP § 615 BGB Kurzarbeit (LT1), Nr 4

AR-Blattei, ES 1040 Nr 8 (LT1)

AR-Blattei, Kurzarbeit Entsch 8 (LT1)

AuA 1991, 312 (LT1)

DBlR 3800a, AFG/§ 63 (LT1)

EzA § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit, Nr 1 (LT1)

VersR 1991, 835 (L)

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