Entscheidungsstichwort (Thema)

Vordienstzeiten und Insolvenzschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Anschluß an Urteil vom 26. September 1989

 

Normenkette

BetrAVG §§ 7, 2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 12.08.1988; Aktenzeichen 9 Sa 470/88)

ArbG Köln (Urteil vom 08.03.1988; Aktenzeichen 4 Ca 9721/87)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. August 1988 – 9 Sa 470/88 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt, daß der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) bei der Berechnung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft Vordienstzeiten berücksichtigt, die er teils bei dem insolvent gewordenen Arbeitgeber, teils bei einem anderen Arbeitgeber erbracht hat.

Der Kläger, geboren am 30. Januar 1940, trat am 27. April 1959 in die Dienste der G. KG. Diese gewährte ihren Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse. § 12 der Kassensatzung bestimmte, daß die Versorgungsanwartschaft erlischt, wenn der Arbeitnehmer vor Eintritt des Versorgungsfalles aus dem Trägerunternehmen ausscheidet.

Am 16. Oktober 1972 schied der Kläger aufgrund einer Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis aus. Anschließend arbeitete er bei der Deutschen Bundesbahn. Am 13. Dezember 1972 trat der Kläger erneut in die Dienste der G. KG. Auf seinen Antrag faßte der Vorstand der Unterstützungskasse am 4. März 1974 den Beschluß, die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses solle dem Kläger im Unterstützungsfall keine Nachteile bringen; die Unterbrechung von acht Wochen werde voll angerechnet, wenn der Kläger umgehend für diese Zeit einen Betrag von 8,– DM an die Unterstützungskasse zahle. Der Kläger zahlte diesen Betrag am 18. März 1974 ein.

Über das Vermögen der G. KG wurde am 22. Dezember 1983 das Konkursverfahren eröffnet. In dem am 16. Juli 1986 ausgestellten Anwartschaftsausweis berücksichtigte der beklagte PSV für die Berechnung der Anwartschaft nur die Dienstzeit vom 13. Dezember 1972 bis zum 22. Dezember 1983; die Anrechnung der Zeit vom 27. April 1959 bis zum 12. Dezember 1972 lehnte er ab, da das Arbeitsverhältnis vom 16. Oktober bis zum 22. Dezember 1972 unterbrochen gewesen sei. Die auf dieser Grundlage berechnete Versorgungsanwartschaft des Klägers beträgt 17,20 DM monatlich.

Der Kläger ist mit dieser Berechnung nicht einverstanden. Er will eine Dienstzeit vom 27. April 1959 bis zum Insolvenzfall zugrunde gelegt haben. Durch die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom 16. Oktober bis zum 12. Dezember 1972 sei seine Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse nicht erloschen, da er aufgrund der vertraglichen Anrechnung dieser Zeit durch den Kassenvorstand so zu stellen sei, als wäre er nie ausgeschieden.

Diese Anrechnung wirke auch für den gesetzlichen Insolvenzschutz, da seine erste Dienstzeit bei der G. KG von einer Versorgungszusage begleitet gewesen und die kurze Dauer der Unterbrechung unbeachtlich sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Zeit vom 27. April 1959 bis 12. Dezember 1972 als anzuerkennende Vordienstzeit des Klägers bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf Versorgungsleistung heranzuziehen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die bis zum 15. Oktober 1972 erworbene Anwartschaft des Klägers sei von gesetzeswegen verfallen. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise eine vertragliche Anrechnung einer Vordienstzeit auch für den gesetzlichen Insolvenzschutz wirke, lägen nicht vor. Beide Arbeitsverhältnisse des Klägers hätten nicht unmittelbar aneinander angeschlossen. Auch sei die Zeit der Unterbrechung, in der der Kläger für die Deutsche Bundesbahn gearbeitet habe, nicht von einer Versorgungszusage begleitet gewesen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der beklagte PSV braucht die in den Jahren von 1959 bis 1972 in den Diensten der G. KG und anschließend bei der Bundesbahn zurückgelegten Vordienstzeiten bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit des Klägers nicht zu berücksichtigten.

1. Die Versorgungsanwartschaft des Klägers ist gegen die Insolvenz seines Arbeitgebers geschützt.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG erhalten Personen, die bei Eintritt eines Sicherungsfalles eine nach § 1 BetrAVG unverfallbare Versorgungsanwartschaft haben, bei Eintritt des Versorgungsfalles einen Anspruch gegen den Pensions-Sicherungs-Verein. Das gilt entsprechend für Personen, die zum Kreis der Begünstigten einer Unterstützungskasse gehören, wenn der Sicherungsfall bei einem Trägerunternehmen eingetreten ist (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG).

Der Sicherungsfall ist am 22. Dezember 1983 eingetreten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG). Über das Vermögen des Arbeitgebers als Träger der Unterstützungskasse ist an diesem Tage das Konkursverfahren eröffnet worden.

Bei Eintritt des Sicherungsfalles war die Versorgungsanwartschaft des Klägers nach § 1 BetrAVG unverfallbar. Unverfallbarkeit tritt ein, wenn der Arbeitnehmer das 35. Lebensjahr vollendet hat und entweder die Versorgungszuage für ihn mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat. Der Kläger war bei Eröffnung des Konkursverfahrens 43 Jahre alt. Er hatte, unabhängig von der Vordienstzeit in der Zeit vom 13. Dezember 1972 bis zum 22. Dezember 1983 eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. In dieser Zeit bestand die Versorgungszusage länger als zehn Jahre.

2. Der Wert der gegen die Insolvenz gesicherten Versorgungsanwartschaft richtet sich nach dem Teil der nach der Versorgungsregelung vorgesehen Versorgung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht (§ 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG). Für die Insolvenzsicherung wird die Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalles berechnet (§ 7 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG). Das ist die Zeit bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 22. Dezember 1983.

a) Für die Berechnung des Zeitwertfaktors (Dauer der Betriebszugehörigkeit bis zum Eintritt des Sicherungsfalles) ist auf die Zeit ab 13. Dezember 1972 abzustellen. Die von der Unterstützungskasse zugesagte Anrechnung der vorhergehenden Dienstzeiten (1959 bis 12. Dezember 1972) ist für die gesetzliche Insolvenzsicherung ohne Bedeutung. Der Umfang des Insolvenzschutzes ist gesetzlich geregelt. Die Berücksichtigung vertraglich angerechneter Vordienstzeiten hat nur ausnahmsweise Wirkung für den gesetzlichen Insolvenzschutz:

Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG kommt es auf den Beginn der Betriebszugehörigkeit an. Der Wert der Versorgungsanwartschaft ergibt sich aus dem Verhältnis der zurückgelegten Betriebszugehörigkeit zur möglichen Betriebszugehörigkeit. Damit soll die im Betrieb erbrachte Betriebstreue abgegolten werden mit einem Wert, der dem Verhältnis zur möglichen Betriebstreue entspricht. Gemeint ist damit die Betriebstreue im letzten Arbeitsverhältnis (BAG Urteil vom 26. September 1989 – 3 AZR 814/87 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

Auch § 1 Abs. 1 BetrAVG stellt auf den Beginn der Betriebszugehörigkeit im letzten Arbeitsverhältnis ab. Die Unverfallbarkeitsfrist errechnet sich von dem Zeitpunkt an, von dem an die Versorgungszusage im vorzeitig beendeten Arbeitsverhältnis erteilt worden ist. Nur Zusagen im letzten Arbeitsverhältnis können – im Grundsatz – unverfallbar werden. Hiernach ist anzunehmen, daß sowohl in § 1 Abs. 1 Satz 2 als auch in § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG als Beginn der Betriebszugehörigkeit derselbe Zeitpunkt zu verstehen ist.

Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes; Die Vorschriften über die Insolvenzsicherung waren in dem ursprünglichen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 28. September 1973 (BR-Drucks. 590/73) noch nicht enthalten. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde ein Gutachten über „Die Insolvenzsicherung von Ruhegeldansprüchen auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung” eingeholt. In diesem Gutachten wurde vorgeschlagen, sowohl fällige Versorgungsansprüche als auch unverfallbare Versorgungsanwartschaften gegen Insolvenz zu sichern. Dabei sollte sich die Unverfallbarkeit nach den Bestimmungen der Pensionszusagen, mindestens nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften richten. Der Gesetzgeber ist diesem Vorschlag jedoch nicht gefolgt. Es heißt in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 22. November 1974 (BT-Drucks. 7/2843, S. 8), durch (später) § 7 Abs. 2 BetrAVG seien auch diejenigen Personen in den Insolvenzschutz einbezogen worden, die bei Eintritt des Sicherungsfalles noch keine betriebliche Altersversorgung erhielten, sondern lediglich Versorgungsanwartschaften erworben hätten. Dabei sollten sich Umfang und Höhe der zu sichernden Anwartschaften nach den Voraussetzungen und Berechnungen für die Unverfallbarkeit richten (BAG Urteil vom 26. September 1989, aaO).

b) Im Streitfall war die im ersten Arbeitsverhältnis des Klägers erworbene Versorgungsanwartschaft beim Ausscheiden erloschen. Bei Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der G. KG war das Betriebsrentengesetz noch nicht in Kraft (§§ 26, 32 BetrAVG). In der Rechtsprechung wurde erstmals im Urteil des Senats vom 10. März 1972 angenommen, daß Versorgungsanwartschaften unverfallbar werden können, sofern der Arbeitnehmer eine ununterbrochene Betriebstreue von 20 Jahren erbracht hat (BAGE 24, 177 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger nicht. Bis zu seinem Ausscheiden am 16. Oktober 1972 hatte er erst rund 13 Jahre bei der G. KG zurückgelegt.

3. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise Vordienstzeiten im Rahmen des Insolvenzschutzes berücksichtigt werden müssen, sind im Streitfall nicht erfüllt.

a) Der Senat hat sich wiederholt mit der Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Rahmen des Insolvenzschutzes befaßt. Danach können vertragliche Anrechnungsklauseln den gesetzlichen Insolvenzschutz nur herbeiführen, wenn die angerechnete Vordienstzeit von einer Versorgungszusage begleitet war und an die insolvenzgeschützte Versorgungszusage im letzten Arbeitsverhältnis heranreichte (BAGE 31, 45 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrAVG; 44, 1 = AP Nr. 17 zu § 7 BetrAVG, zu II 2 a der Gründe). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es hier. Das erste Arbeitsverhältnis des Klägers reichte nicht an das Arbeitsverhältnis heran, auf dem die insolvenzgeschützte Zusage beruht.

Es trifft auch nicht zu, wie der Kläger meint, daß die Dauer der Unterbrechung, gemessen an der insgesamt erbrachten Betriebstreue, unerheblich sei. Die Unterbrechung hatte ungeachtet ihrer Dauer das Erlöschen der bisher erdienten Versorgungsanwartschaft zur Folge. Davon geht, wie ausgeführt, das Betriebsrentengesetz in den §§ 1, 2 und 7 aus. Allenfalls dann, wenn sich ein Arbeitsverhältnis nahtlos an das andere anschließt und so der neue Arbeitgeber gleichsam nur als Schuldner der Versorgungszusage ausgewechselt wird, kann die vom Arbeitnehmer insgesamt erbrachte Betriebstreue als Einheit angesehen und für den Insolvenzschutz wirksam werden.

b) Zu einer weibergehenden Fortbildung des geltenden Rechts besteht kein Anlaß. Zwar können nach der Rechtsprechung des Senats sogar solche Vordienstzeiten berücksichtigt werden, die der begünstigte Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber zurückgelegt hat, sofern nur die von Versorgungszusagen begleiteten Arbeitsverhältnisse nahtlos aneinander anschließen. Es ist aber nicht unbillig, wenn eine vor einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber verbrachte Dienstzeit nicht mit Wirkung für den gesetzlichen Insolvenzschutz berücksichtigt wird. Eine richterliche Rechtsfortbildung würde voraussetzen, daß das Gesetz eine vom Gesetzgeber nicht erkannte Regelungslücke enthielte. Das ist nicht der Fall. Die gesetzliche Regelung knüpft an die Dauer des Arbeitsverhältnisses an und sie ist insoweit bewußt hinter den Vorschlägen des Gutachtens zur Insolvenzsicherung zurückgeblieben.

c) Die gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Betriebsrentengesetz gewährt bei der Insolvenzsicherung nur einen Mindestschutz. Es ist nicht willkürlich, diesen Schutz nur insoweit zu gewähren, wie dies für den Eintritt der Unverfallbarkeit kraft Gesetzes und für die Berechnung der Versorgungsanwartschaft vorgesehen ist.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Bächle, Oberhofer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951831

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