Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanleistung. Einzelvertrag. Verdienstsicherung auf Grund Einzelvertrag entsprechend Sozialplan. Betriebsverfassungsrecht. Prozeßrecht. Arbeitsvertrag, Auslegung

 

Orientierungssatz

Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Auslegung einer einzelvertraglichen Vereinbarung. Unklarheitenregel. Verschlechternde Betriebsvereinbarung. Ablösungsprinzip. Grundsatz der Günstigkeit. Wegfall der Geschäftsgrundlage.

 

Normenkette

BetrVG §§ 112, 76; BGB §§ 133, 157, 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 4 Sa 1419/98)

ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 03.06.1998; Aktenzeichen 1 Ca 319/98)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Reduzierung der dem Kläger gewährten Verdienstsicherung.

Der Kläger ist gemäß dem Arbeitsvertrag vom 29. Januar 1979 seit dem 1. Februar 1979 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der K… AG, als Arbeiter tätig. Die Beklagte beschäftigte in ihren Werken am 31. Dezember 1997 1463 Angestellte und Arbeiter. In jedem Werk besteht ein örtlicher Betriebsrat, ferner ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet, dem die Zuständigkeit für den Abschluß von Sozialplänen obliegt. Der Kläger war im Werk H… freigestelltes Betriebsratsmitglied.

Bis zum 17. Oktober 1993 war der Kläger im Werk H… eingesetzt, für das er auch eingestellt worden war; dieses ist mit Wirkung zum 18. Oktober 1993 stillgelegt worden. Ab 18. Oktober 1993 wurde der Kläger auf dem Arbeitsplatz “1. Glüher/Steuermann Beize” im Werksbereich W… mit einem Stundenlohn von 21,28 DM brutto beschäftigt. Das entsprechende Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 1993, das mit “Arbeitsvertrag” überschrieben und vom Kläger mit “einverstanden” gegengezeichnet worden ist, hatte weiter folgenden Inhalt:

“…

Sie erhalten eine Verdienstsicherung entsprechend der Bestimmungen des derzeit gültigen Sozialplanes. Die Lohnstützung wird auf Basis des errechneten Monatsverdienstes von DM 5.305,51 gewährt. Damit sind sämtliche Verdienstbestandteile aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis abgegolten.

Durch die Verlängerung der Wegezeit zum neuen Arbeitsplatz erhalten Sie für die Dauer von 24 Stunden eine Pauschalzahlung von DM 180,-- brutto/Monat.

Die höheren Fahrtkosten werden ebenfalls ausgeglichen. Für die Dauer von 36 Monaten werden die Zusatzkosten unter Zugrundelegung der günstigsten Tarife der öffentlichen Verkehrs mittel erstattet. Eine Bescheinigung hierfür müßten Sie uns bitte zukommen lassen.

Im übrigen bleibt es bei den bisherigen Vereinbarungen.”

Der in Bezug genommene Sozialplan vom 27. April 1993 (K… 1993) lautete ua. wie folgt:

“Gesamtbetriebsvereinbarung

über den Ausgleich oder die Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den von Stillegungen bzw. Rationalisierungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeitern der K… AG entstehen können.

Im Zusammenhang mit notwendigen Stillegungen und Rationalisierungsmaßnahmen in der Sparte Stahl des F… Konzerns sind einschneidende Personalmaßnahmen erforderlich.

Zur Abwendung und Milderung sozialer Nachteile wird gemäß § 112 BetrVG folgende Regelung vereinbart:

I. Versetzungen

1.1 Grundsatz

Nach wie vor gilt der Grundsatz, allen frei werdenden Mitarbeitern einen angemessenen Arbeitsplatz im Konzern anzubieten

1.2 Einkommenssicherung

Werden Mitarbeiter auf geringer bezahlte Arbeitsplätze versetzt, so wird ein Absicherungsbetrag gezahlt. Der Absicherungsbetrag errechnet sich aus dem Vergleich des am alten Arbeitsplatz erzielten Monatslohnes/-gehaltes zuzüglich des auf die tarifliche Arbeitszeit hoch gerechneten Durchschnitts der letzten 12 Monate vor der Versetzung aus § 20 MTV (ohne Mehrarbeit) mit dem am neuen Arbeitsplatz erzielten Monatslohn/-gehalt zuzüglich gezahlter stahltypischer Zuschläge und Zulagen (einschließlich Prämien).

Bei Tariferhöhungen wird das Monatsentgelt und der Durchschnittswert des § 20 MTV des alten Arbeitsplatzes für den Vergleich entsprechend erhöht.

Lag der Gesamtbetrag am alten Arbeitsplatz höher, ist das am neuen Arbeitsplatz erzielte Einkommen um die Differenz aufzustocken.

Bei mehrfach von Maßnahmen Betroffenen wird für jede Maßnahme eine neue Sicherung auf Basis des zum Zeitpunkt der Maßnahme eingenommenen Arbeitsplatzes ermittelt und entsprechend den vereinbarten Staffeln zu Ende geführt.

Der Absicherungsbetrag wird für folgende Jahre gezahlt:

Betriebszugehörigkeit

Alter bis vollend. Lj.

25.

30.

35.

40.

45.

50.

nach 50.

bis 5 Jahre

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

bis 10 Jahre

2,5

3

3,5

4

4,5

5

5,5

bis 15 Jahre

3,5

4

4,5

5

5,5

Unbegrenzt

bis 20 Jahre

4,5

5

5,5

6

bis 25 Jahre

5,5

6

6,5

bis 30 Jahre

6,5

7

über 30 Jahre

7,5

Nach Ablauf der Sicherungsdauer werden bei Tariferhöhungen 25 % des tariflichen Erhöhungsbetrages auf die Einkommenssicherung angerechnet, das heißt, daß das abgesicherte Einkommen bei den folgenden tariflichen Erhöhungen jeweils nur um 75 % des tariflichen Erhöhungsbetrages angepaßt wird.”

Dieser Sozialplan wurde durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 (Sozialplan 1995) abgelöst. Darin ist die Verdienstsicherung im wesentlichen beibehalten, aber für die Zeit nach Ablauf der Sicherungsdauer der Anrechnungsbetrag bei Tariferhöhungen von 25 % auf 50 % verdoppelt worden. Punkt 1.2 Abs. 8 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 lautet:

“Nach Ablauf der Sicherungsdauer werden bei Tariferhöhungen 50 % des tariflichen Erhöhungsbetrages auf die Einkommenssicherung angerechnet, das heißt, daß das abgesicherte Einkommen bei den folgenden tariflichen Erhöhungen jeweils nur um 50 % des tariflichen Erhöhungsbetrages angepaßt wird.”

Am 1. Mai 1994 wurde der Kläger in das Werk We… versetzt und – nachdem dieses Ende April 1997 geschlossen werden sollte – ab 6. Mai 1996 im Hinblick auf die bevorstehende Schließung auf dem Arbeitsplatz “Anlernen Stangenbetrieb” im Werk Ha… eingesetzt, wo er seit 1. Januar 1998 als “Schleifer Linie 1” arbeitet.

Der Kläger erhielt, weil er seit seiner Versetzung mit Wirkung vom 18. Oktober 1993 auf den ihm jeweils zugewiesenen Arbeitsplätzen den bis dahin im Werk H… erzielten Lohn nicht mehr erreichen konnte, nach dem Sozialplan “K… 1993” bzw. dem “Sozialplan 1995” eine Verdienstsicherung, die im Monatsdurchschnitt bei 2.000,00 DM brutto lag.

Für die Verdienstsicherung von 456 Arbeitnehmern im Unternehmensbereich der Beklagten fielen 1997 bei einem Durchschnittsbetrag von 445,00 DM ca. 2.435.040,00 DM an. Um diese Belastungen zurückzuführen, schlossen die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat am 18. Juli 1997 eine neue Gesamtbetriebsvereinbarung, die an die Stelle der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1995 trat und die Einkommenssicherung der sog. Altfälle – zu denen der Kläger gehörte – um einen mit 20,00 DM beginnenden und sich um 20,00 DM monatlich erhöhenden Betrag reduziert.

Die Beklagte informierte den Kläger über die Kürzung seiner Einkommenssicherung mit dem Schreiben vom 31. Oktober 1997 wie folgt:

“Aufgrund früherer Sozialplanregelungen erhalten Sie wegen einer erfolgten Umsetzung bzw. wegen veränderter Arbeitsweise eine Einkommenssicherung.

Durch die Gesamtbetriebsvereinbarung (Sozialplan) vom 18. Juli 1997 sind diese “Altfälle” neu geregelt worden.

Im Rahmen dieser Neuregelung bleibt der Einkommenssicherungsbetrag bis zum Ablauf Ihrer am 01.08.1997 geltenden Kündigungsfrist von 6 Monaten erhalten und wird dann ab 01.02.1998 mit DM 20,--/Monat bis zur Unwirksamkeit zurückgeführt.

Wir bitten um entsprechende Kenntnisnahme.”

Der Bruttolohn des Klägers wurde daraufhin wie folgt gekürzt:

Februar 1998

20,00 DM brutto

März 1998

40,00 DM brutto

April 1998

60,00 DM brutto

Mai 1998

80,00 DM brutto

200,00 DM brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kürzungen seien unberechtigt. Auf Grund einzelvertraglicher Zusage im Schreiben vom 8. Oktober 1993 stehe ihm die Verdienstsicherung weiterhin gemäß dem Sozialplan vom 27. April 1993 – also ungekürzt – zu. Nach diesem Schreiben erhalte er die Verdienstsicherung ausdrücklich nach dem “derzeit gültigen” Sozialplan. Diese Einzelzusage sei durch die späteren Betriebsvereinbarungen nicht geändert worden. Im übrigen habe der K… Konzern 1997 einen Gewinn von 698.000.000 DM erwirtschaftet. Außerdem sei an alle Mitarbeiter am 1. Juli 1998 eine Sonderzahlung von 300,00 DM erfolgt, an bestimmte Mitarbeiter seien Musical-Gutscheine in Höhe von 150,00 DM verteilt worden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, die ihm mit Schreiben vom 8. Oktober 1993 zugesagte Verdienstsicherung dahingehend abzuändern, daß ab 1. Februar 1998 der Einkommenssicherungsbetrag mit 20,00 DM bis zur Unwirksamkeit zurückgeführt werde,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,00 DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch das Schreiben vom 8. Oktober 1993 mit dem Verweis auf die Bestimmungen des Sozialplans vom 27. April 1993 keinen einzelvertraglichen Anspruch auf die Verdienstsicherung erworben. Es sei bei ihr unüblich, Arbeitnehmern durch einzelvertragliche Vereinbarungen über die Regelungen in Betriebsvereinbarungen hinausgehende Sonderstellungen zuzusichern. Vielmehr sollten mit der Betriebsvereinbarung für alle Betriebsangehörigen einheitliche Arbeitsbedingungen mit normativer Wirkung geschaffen werden. Hinweise auf bestehende Sozialpläne seien nur deklaratorisch. Außerdem sei die Verweisung auf den Sozialplan in dem Schreiben vom 8. Oktober 1993 nicht als statische, sondern als dynamische Verweisung auf den jeweils gültigen Sozialplan anzusehen. Hiervon seien auch die Partner der nachfolgenden Gesamtbetriebsvereinbarungen ausgegangen. Im übrigen seien die Verschlechterungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18. Juli 1997 wirtschaftlich erforderlich gewesen; insoweit sei auch von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Sozialplans 1993 auszugehen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger hat nach dem Schreiben vom 8. Oktober 1993 einen einzelvertraglichen Anspruch auf Verdienstsicherung entsprechend dem Sozialplan vom 27. April 1993. Zutreffend haben die Vorinstanzen der Klage daher stattgegeben. Soweit dem Landesarbeitsgericht dabei nicht in allen Teilen der Begründung gefolgt werden kann, erweist sich seine Entscheidung aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).

  • Die Klage ist zulässig. Das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Obwohl der Kläger mit seinem Leistungsantrag inzidenter die Unwirksamkeit der Reduzierung der Verdienstsicherung geltend macht, besteht das Feststellungsinteresse für den weitergehenden Feststellungsantrag, da die begehrte Feststellung den Streit zwischen den Parteien in umfassender Weise klärt (Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 46 Rn. 68 mwN).
  • Die Klage ist auch begründet.

    • In dem Sozialplan vom 27. April 1993 ist die Verdienstsicherung, wie sie vom Kläger geltend gemacht wird, vorgesehen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß insoweit die Voraussetzungen für den Anspruch auf die Verdienstsicherung nach Nr. 1.2 gegeben sind.
    • Die Parteien haben mit dem Schreiben vom 8. Oktober 1993 eine vertragliche Grundlage für die Zahlung der Verdienstsicherung in der Ausgestaltung des Sozialplans 1993 – jedoch neben dem Sozialplan 1993 – geschaffen. Dies folgt – wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben – aus der Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 8. Oktober 1993, mit dem sich der Kläger einverstanden erklärt hat.

      • Die Auslegung solcher nichttypischer einzelvertraglicher Vereinbarungen obliegt den Tatsachengerichten. Das Revisionsgericht kann die Auslegung nur daraufhin überprüfen, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen, §§ 133, 157 BGB, richtig angewandt worden sind (BAG 27. Juni 1963 – 5 AZR 383/62 – AP BGB § 276 Verschulden bei Vertragsabschluß Nr. 5), ob dabei Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig verwertet worden ist (BAG 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP BGB § 133 Nr. 32) oder ob eine gebotene Auslegung unterlassen wurde (BAG 4. März 1961 – 5 AZR 169/60 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 21). Solche Rechtsfehler sind hier nicht ersichtlich.
      • Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, aus dem Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 1993 ergebe sich unter Berücksichtigung der Gegenzeichnung unter dem Stichwort “Einverstanden” durch den Kläger, daß dadurch eine vertragliche Grundlage für die Zahlung der Verdienstsicherung in der Ausgestaltung des Sozialplans 1993 geschaffen werden sollte.

        Maßgeblich ist insoweit der objektive Erklärungsinhalt des Schreibens vom 8. Oktober 1993, der sich aus der Sicht des Empfängers bestimmt (BAG 25. Januar 2000 – 9 AZR 140/99 – AP BGB § 157 Nr. 15 = EzA BGB § 133 Nr. 22, zu I 2 der Gründe). Der Kläger mußte das Schreiben der Beklagten schon deshalb als Vertragsangebot verstehen, weil es mit “Arbeitsvertrag” überschrieben war. Dieses Angebot wollte er auch annehmen. Das zeigt die Gegenzeichnung mit dem Bemerken “Einverstanden”. Der Einwand der Beklagten, es sei bei ihr unüblich, über das Gestaltungsmittel von Betriebsvereinbarungen hinausgehende Sonderstellungen durch einzelvertragliche Vereinbarungen einzuräumen, und Hinweise auf bestehende Sozialpläne seien nur deklaratorisch, greift nicht durch. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung führt trotz Vorhandenseins einer Regelung durch Betriebsvereinbarung zu einem sinnvollen Ergebnis. Der Beklagten mußte nämlich daran gelegen sein, Unruhe in der Belegschaft wegen der über eine längere Zeit laufenden Umstrukturierung zu vermeiden. Hierzu konnte das – im Austausch gegen entsprechende vertragliche Zusagen – erreichte Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer nützlich sein.

      • Inhalt des so zustande gekommenen Vertrages ist nach Abs. 2 des Schreibens der Beklagten vom 8. Oktober 1993 die Zahlung einer Verdienstsicherung an den Kläger entsprechend den Bestimmungen des “derzeit gültigen Sozialplans”. Daraus folgt, daß die Verdienstsicherung im Rahmen dieser statischen Verweisung in der Ausgestaltung, wie sie im Sozialplan vom 27. April 1993 vorgesehen ist, zu erfolgen hat. “Derzeit gültiger Sozialplan” war im Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 8. Oktober 1993 und der Gegenzeichnung des Klägers mit dem Bemerken “Einverstanden” der Sozialplan vom 27. April 1993. Dafür, daß auch spätere Änderungen dieses Sozialplans in Bezug genommen sein sollten, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.
      • Selbst wenn in dem Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 1993 und der Gegenzeichnung durch den Kläger ein typischer Vertrag zu sehen sein sollte, würde dies am Ergebnis nichts ändern. Der Senat kann die Vereinbarung dann selbst auslegen (BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 573/96 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19, zu II 2 der Gründe). Die Passage im Schreiben der Beklagten vom 8. Oktober 1993, wonach der Kläger eine Verdienstsicherung entsprechend den Bestimmungen des derzeit gültigen Sozialplans erhalten soll, ist unter dem Aspekt, daß der Kläger dieses Schreiben mit dem Bemerken “Einverstanden” gegengezeichnet hat, als einzelvertragliche Vereinbarung der Zahlung einer Verdienstsicherung nach den Bestimmungen des am 8. Oktober gültigen Sozialplans (vom 27. April 1993) anzusehen.

        Bestätigt wird diese Auslegung dadurch, daß im Rahmen der “Unklarheitenregel” die Beklagte als Ausstellerin des Schreibens vom 8. Oktober 1993 eventuelle Unklarheiten gegen sich gelten lassen müßte. Diese Regel besagt nämlich, daß Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Aufstellers gehen. Auch wenn das AGBG nach seinem § 23 Abs. 1 auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung findet, ist die Geltung dieses Grundsatzes auch für die Auslegung vom Arbeitgeber geschaffener Arbeitsvertragsklauseln in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt (BAG 16. Oktober 1991 – 5 AZR 35/91 – AP BErzGG § 19 Nr. 1 = EzA BErzGG § 19 Nr. 1, zu II 2b der Gründe; 14. Juni 1995 – 10 AZR 25/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 176 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 127, zu II 2a der Gründe; 18. August 1998 – 1 AZR 589/97 – NZA 1999, 659, zu II 1c der Gründe; MünchKommBGB/Müller-Glöge 3. Aufl. § 611 Rn. 234).

    • Die späteren Gesamtbetriebsvereinbarungen vom 15. Dezember 1995 und vom 18. Juli 1997 haben danach den Anspruch des Klägers nicht verändert. Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen können durch Betriebsvereinbarungen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden.

      Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zB BAG 21. September 1989 – 1 AZR 454/88 – BAGE 62, 360, zu III der Gründe), daß im Verhältnis von einzelvertraglichen Ansprüchen gegenüber Betriebsvereinbarungen der Grundsatz der Günstigkeit gilt. Günstigere einzelvertragliche Abreden gehen verschlechternden Betriebsvereinbarungen vor.

    • Ein möglicher Wegfall der Geschäftsgrundlage des Sozialplans vom 27. April 1993 ist für den Anspruch des Klägers ohne Bedeutung. Da der Anspruch aus einer einzelvertraglichen Abrede herrührt, müßte diese auf individualrechtlichem Wege beseitigt worden sein. Das könnte zwar – neben einer Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung – auch auf Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen. Dafür, daß im Verhältnis der Beklagten zum Kläger und im Bezug auf die Vereinbarung auf Grund des Schreibens vom 8. Oktober 1993 die Geschäftsgrundlage weggefallen wäre, sind jedoch Anhaltspunkte nicht gegeben. Daß der Beklagten ein Festhalten an der einzelvertraglichen Einkommenssicherung unzumutbar wäre, ist nicht ersichtlich.
 

Unterschriften

Wißmann, Rost, Hauck, Gnade, Gentz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI892419

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