Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßregelungsverbot; Ausschluß von freiwilliger Leistung; Zweckbestimmung einer freiwilligen Leistung; Gratifikation/Sondervergütung; Provision/Umsatzbeteiligung. Maßregelungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Maßregelung iSd. § 612a BGB kann darin liegen, daß der Arbeitgeber den Adressatenkreis einer freiwilligen Leistung um diejenigen Mitarbeiter verringert, die zuvor in zulässiger Weise ihre vertraglichen Rechte ausgeübt haben.

 

Orientierungssatz

  • Arbeitnehmer, die sich der vertraglichen Verlängerung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich widersetzen, üben in zulässiger Weise ihre Rechte aus.
  • Werden sie deshalb aus dem Adressatenkreis einer bereits bestehenden freiwilligen Regelung über Erfolgs- und Umsatzbeteiligungen ausgenommen, die allen anderen Arbeitnehmern zugutekommt, stellt dies eine Maßregelung iSd. § 612a BGB dar.
  • Sie sind so zu stellen, als wäre die Maßregelung nicht erfolgt, dh. sie haben Anspruch auf die Leistung, die ihnen zugestanden hätte, wenn sie zum Adressatenkreis der Regelung gehört hätten.
 

Normenkette

BGB § 612a

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 28.02.2001; Aktenzeichen 3 Sa 1192/00)

ArbG Kempten (Urteil vom 28.09.2000; Aktenzeichen 5 Ca 1232/99 M)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Februar 2001 – 3 Sa 1192/00 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 28. September 2000 – 5 Ca 1232/99 – abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 668,64 Euro nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 211,21 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Oktober 1999, aus dem sich aus 230,42 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Dezember 1999 und aus dem sich aus 227,01 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Februar 2000 zu zahlen.

  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin eine Beteiligung am Umsatz für Januar 1999 bis Juni 1999, am Gewinn für Juli 1998 bis Juni 1999 sowie am Umsatz für Juli 1999 bis Dezember 1999 zusteht.

Die Klägerin ist seit dem 12. Februar 1990 bei der Beklagten als Montiererin beschäftigt. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit beträgt 36 Stunden pro Woche.

Mit “Information für die Betriebsangehörigen” (im Folgenden: Mitarbeiterinfo) Nr. 77/8 hatte die Beklagte 1977 die “Einführung einer Erfolgsbeteiligung” geregelt. Hierin heißt es ua.:

“Ab dem Geschäftsjahr 1977/78, d.h. ab dem 1.7.77, sollen Sie am Erfolg unserer Firma beteiligt werden durch Bezüge, die direkt abhängig sind vom Umsatz (EBU) und Gewinn (EBG).

Diese Bezüge berühren nicht Ihren Lohn oder Ihr Gehalt, sondern sind zusätzlich.

Bitte beachten Sie, daß jeder (im Büro und in der Werkstatt) etwas zur Erzielung einer guten Erfolgsbeteiligung tun kann. Der Umsatz steigt durch zügige, fehlerfreie Arbeit vom Angebot bis zur Auslieferung, der Gewinn ebenso und zusätzlich durch Kostenbewußtsein.

Ihre Leistung führt zur Einkommenssteigerung, leider (und darauf muß hingewiesen werden), kann trotz Ihrer Leistung der Erfolg schlecht sein, wenn die Konjunktur – oder andere Ereignisse – rückläufige Umsätze und Gewinne (wie 1975/76) erzwingt. Dann fällt auch Ihre Erfolgsbeteiligung und Ihre Leistung kann dann nur ein noch stärkeres Abfallen verhindern. (Der Umsatzanteil sorgt aber dafür, daß die EB nicht Null wird.) Diese mögliche Rückläufigkeit können Sie aber in Kauf nehmen, wenn Sie bedenken, daß diese Erfolgsbeteiligung eine zusätzliche, freiwillige Leistung ist.

Die Firma behält sich das Recht des jederzeitigen Widerrufes dieser freiwilligen Einrichtung vor.

Vorstehendes wurde mit dem Betriebsrat durchgesprochen und fand keinen Einwand.”

1997 bemühte sich die Beklagte um die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit derjenigen Mitarbeiter, die nicht im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten, von 36 auf 38 Wochenstunden ohne Gehalts- bzw. Lohnausgleich. Auch die Klägerin wurde mit Schreiben vom 6. November 1997 aufgefordert, einer entsprechenden Verlängerung ihrer Arbeitszeit zuzustimmen. Die Klägerin sowie zuletzt sechs andere Mitarbeiter lehnten dies ab; die übrigen betroffenen Belegschaftsangehörigen (ca. 95 %) vereinbarten mit der Beklagten eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Die Arbeitszeit der Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb blieb unverändert bei 36 Stunden; ihre Schichtzulage wurde aber mit Mitteilung vom 1. Januar 1998 gekürzt.

Im Schreiben vom 6. März 1998 teilte die Beklagte der Klägerin ua. mit:

“es wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß die Erfolgsbeteiligung eine freiwillige Leistung der Firmen M GmbH & Co. KG und E GmbH ist. Die Zahlungen erfolgten freiwillig und unter Ausschluß eines Rechtsanspruchs für künftige Leistungen.

Nachdem Sie sich bisher nicht entschließen konnten, die 38-Std.-Woche ab 01.12.1997 freiwillig anzunehmen, widerrufen wir Ihre Erfolgsbeteiligung (EBU/EBG). Sie sind künftig ab 01.01.1998 nicht mehr in die Regelung Erfolgsbeteiligung mit einbezogen. Wir bitten für unsere Entscheidung um Verständnis, da Sie durch die individuelle Beibehaltung der 36-Std.-Woche weniger zum Betriebserfolg beitragen, als diejenigen Mitarbeiter/innen, welche sich für die 38-Std.-Woche entschieden haben.

Wir geben Ihnen allerdings nochmals Gelegenheit, Ihre Einstellung zur freiwilligen Annahme der 38-Std.-Woche ohne Lohnausgleich zu überdenken und bitten gegebenenfalls um Rückinformation an Ihren zuständigen Meister bzw. im Personalbüro bis 16.03.1998. Erhalten wir von Ihnen keine zustimmende Rückäußerung, entfällt für Sie die Erfolgsbeteiligung wie vorstehend angeführt ersatzlos.”

  • Mit Mitarbeiterinfo 54/98 regelte die Beklagte die Erfolgsbeteiligung ab 1. Januar 1998 wie folgt:
  • Ab 1.1.1998 wird die Erfolgsbeteiligung am Umsatz (EBU) allen Mitarbeiter(inne)n … gewährt.

  • Auszahlungen folgen unmittelbar auf den Leistungszeitraum:

    EB Umsatz 1

    Januar - Juni

    im

    Juli

    EB Gewinn

    Juli -Juni

    im

    September

    EB Umsatz 2

    Juli - Dezember

    im

    Januar

    des Folgejahres

    Wir verweisen wieder auf die Freiwilligkeit. Auch bei wiederholter Zahlung entsteht kein Rechtsanspruch für die Zukunft.

  • Auch heute möchten wir Sie bitten und motivieren, zur Erreichung des Gewinnes von über 5 % vor Steuern beizutragen. Sie können das auch durch Sparsamkeit.

    • Noch wirksamer sind jedoch:
    • Vorausdenken und überlegte Zusammenarbeit,
    • Vermeidung von Fehlern, nicht nur im Produkt, sondern auch bei jeder anderen Leistung.

    Nicht nur Kunden sind Kunden, bereits die nächste Werkstatt, Kollegin und Kollege, Vorgesetzte etc. sind Kunden und wir alle hängen sehr von jedem einzelnen Beitrag und wirksamer Zusammenarbeit ab!!!

    Der gegenwärtige Geschäftsgang lässt für dieses (und möglicherweise auch für das folgende) Geschäftsjahr mehr EBU und einen nennenswerten Beitrag aus der EB-Gewinn erwarten.”

Am 4. Februar 1999 schrieb die Beklagte an die Klägerin unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 6. März 1998:

“…

Mitarbeiter/-innen, welche die Annahmeerklärung zur 38-Std.-Woche per 01. Dezember 1997 nicht unterschrieben haben, wurde mit Schreiben vom 06. März 1998 mitgeteilt, daß sie ab 01. Januar 1998 nicht mehr in die Regelung Erfolgsbeteiligung einbezogen sind.

Der Ordnung halber machen wir Sie darauf aufmerksam, daß Sie aufgrund der unveränderten Situation auch weiterhin von der Regelung Erfolgsbeteiligung ausgeschlossen sind.

Wir geben Ihnen allerdings nochmals Gelegenheit, Ihre Einstellung zur freiwilligen Annahme der 38-Std.-Woche ohne Lohnausgleich zu überdenken und bitten gegebenenfalls um Rückinformation an Ihren zuständigen Meister bzw. im Personalbüro bis 19. Februar 1999. Erhalten wir von Ihnen keine zustimmende Rückäußerung, bleibt die Erfolgsbeteiligung für Sie gestrichen.”

Die Klägerin sowie andere betroffene Arbeitnehmer klagten gegen diesen Ausschluß von der Erfolgsbeteiligung 1998. Das Arbeitsgericht Kempten verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 28. Oktober 1999 rechtskräftig zur Zahlung der Erfolgsbeteiligung für das Jahr 1998. Daraufhin zahlte die Beklagte für das Jahr 1998 allen betroffenen Mitarbeitern – so auch der Klägerin – die Erfolgsbeteiligung aus.

Im April 1999 verteilte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer, darunter auch die Klägerin, die Mitarbeiterinfo Nr. 59/99, die folgenden Inhalt hatte:

“Erfolgsbeteiligung Umsatz und Gewinn (EBU/G)

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

die Erfolgsbeteiligung ist – wie bekannt – 1977/8 “freiwillig und jederzeit widerruflich” und ohne Anerkennung eines Rechtsanspruches auch bei wiederholter Zahlung gewährt worden. Die EBG(ewinn) ist – mangels Gewinn – gelegentlich ausgefallen. 1982/83 mußten wir sogar die EBU(msatz) in einem schwierigen Moment aussetzen.

Eine große Mehrheit bietet 1999 unserer Solidaritätsgemeinschaft besonderen Einsatz im Drei-Schicht-Betrieb oder mit 38 Stunden pro Woche. Dafür bekommen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 1999 die Leistungen aus der freiwilligen Erfolgsbeteiligung wie geregelt.

Die Firma widerruft diese Regelung zum 01. Januar 2000. Eine eventuelle Neuregelung hängt von der weiteren Entwicklung ab. Wir werden Sie rechtzeitig informieren.

…”

Die Beklagte zahlte der Klägerin wie auch den anderen Mitarbeitern, die der Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf 38 Stunden pro Woche nicht zugestimmt hatten, die Erfolgsbeteiligung nicht aus.

Die Klägerin meint, sie habe auch für das Jahr 1999 Anspruch auf die Erfolgsbeteiligung aus Umsatz und Gewinn. Die Beklagte habe den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, indem sie ihr diese Ansprüche verweigert und damit sachwidrig differenziert habe. Der Zweck der Leistung, nämlich die Beteiligung der Arbeitnehmer an Umsatz und Gewinn, sei erhalten geblieben; es sei allenfalls mit der Mitarbeiterinfo 59/99 ein weiterer Zweck hinzugefügt worden. An der Entwicklung von Umsatz und Gewinn sei auch sie beteiligt gewesen, ebenso wie die Mitarbeiter, die ebenfalls 36 Stunden wöchentlich – wenn auch im Drei-Schicht-Betrieb – gearbeitet und Leistungen erhalten hätten. Die Beklagte verstoße außerdem gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Ihr, der Klägerin, werde die Leistung vorenthalten, weil sie nicht bereit sei, über ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinaus länger zu arbeiten. Schließlich sei die Maßnahme unwirksam, weil der Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG mitbestimmt habe.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.307,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 413,09 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Oktober 1999, aus dem sich aus 450,66 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Dezember 1999 und aus dem sich aus 444,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit 1. Februar 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, denn ausweislich der Mitarbeiterinfo Nr. 59/99 seien die Ansprüche auf Erfolgsbeteiligung ausschließlich auf die Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb bzw. die Mitarbeiter in einer 38-Stunden-Woche beschränkt. Das sei sachlich gerechtfertigt, da auf Grund der für die Arbeitnehmer nachteiligen Vertragsänderungen dieser Personenkreis im Vergleich zu den Mitarbeitern mit einer 36-Stunden-Woche ohne Schichtarbeit größere Nachteile habe hinnehmen müssen. Gegenüber den Mitarbeitern im Drei-Schicht-Betrieb solle die Gewährung der Erfolgsbeteiligung außerdem einen gewissen Ausgleich für die besonders hohe Belastung und den Wegfall der freiwilligen Schichtzulage im Frühjahr 1998 darstellen. Im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Differenzierung sei auch das Maßregelungsverbot nicht verletzt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehe nicht, da sowohl die Einführung als auch die Abschaffung freiwilliger Leistungen mitbestimmungsfrei sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben und auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern. Die Klage ist begründet.

  • Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Ein Anspruch aus der Mitarbeiterinfo 59/99 bestehe nicht. Damit sei die Klägerin vielmehr von der Leistung ausgeschlossen worden. Im Hinblick auf den Freiwilligkeitsvorbehalt sei dies auch zulässig. Eine unabhängig davon bestehende Gesamtzusage habe die Klägerin nicht vorgetragen. Die Mitarbeiterinfo 77/8 enthalte andere Bedingungen. Die Klägerin habe ihren Anspruch aus der Mitarbeiterinfo 54/98 errechnet. Dies sei die aktuelle Ausgestaltung der Zusage vor der ausdrücklichen Beschränkung in der Mitarbeiterinfo 59/99 gewesen. Eine betriebliche Übung sei durch das Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit nicht begründet worden. Wegen des in den Vorjahren erklärten Freiwilligkeitsvorbehalts habe die Beklagte in jedem Jahr erneut eine Entscheidung darüber treffen können, ob, unter welchen Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer die freiwillige Leistung gezahlt werden solle. Sie habe den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Den Zweck der Leistung habe sie mit der Mitarbeiterinfo 59/99 dahingehend definiert, daß mit den Erfolgsbeteiligungen der “besondere Einsatz im Dreischichtbetrieb oder mit 38 Stunden pro Woche” honoriert werden solle. Die Bezeichnung als “Erfolgsbeteiligung Umsatz und Gewinn” kennzeichne die Zwecksetzung aber nur unzureichend, da auch die Klägerin mit ihrer in 36 Stunden pro Woche geleisteten Arbeit zum Erfolg des Unternehmens beitrage. Der nunmehrige Zweck der Leistung ergebe sich nicht aus dem Begriff “Erfolgsbeteiligung” oder aus der Berechnung der Leistung aus Umsatz und Gewinn, sondern in erster Linie aus dem Ausgleich der Mehrbelastung im Drei-Schicht-Betrieb bzw. in der 38-Stunden-Woche. Hierfür bestehe ein Sachgrund.

    Gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB habe die Beklagte nicht verstoßen. Der Entzug von Vorteilen sei keine unmittelbare Sanktion auf die an sich zulässige Weigerung der Klägerin, ihre Arbeitszeit zu verlängern. Die Beklagte habe diese Rechtsausübung lediglich zum Anlaß genommen, einen neuen Zweck der Leistung zu bestimmen, nämlich die Mehrbelastungen auszugleichen. Daß die Verweigerung der Arbeitszeitverlängerung tragendes Motiv einer unmittelbaren Maßregelung gewesen sei, habe die Klägerin nicht dargelegt. Ein Anscheinsbeweis komme ihr nicht zugute.

  • Dem folgt der Senat weder im Ergebnis noch in der Begründung. Die Klägerin hat einen Anspruch auf den geltend gemachten Betrag. Die Beklagte hätte die Klägerin nicht aus dem Kreis der Empfänger einer Erfolgsbeteiligung ausschließen dürfen.

    • Der Anspruch der Klägerin beruht auf den Mitarbeiterinformationen 54/98 und 59/99. Diese enthalten Zusagen auf Teilnahme an einer Erfolgsbeteiligung. Soweit die Beklagte in der Mitarbeiterinfo 59/99 die Klägerin aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausschließt, verletzt sie das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

      • Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Damit verbietet § 612a BGB jede Benachteiligung des Arbeitnehmers. Ein Verstoß gegen § 612a BGB liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, dh. wenn sich seine Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, welche der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, wenn diese entsprechende Rechte nicht ausgeübt haben (BAG 23. Februar 2000 – 10 AZR 1/99 – BAGE 94, 11 ff. mwN). Dies gilt auch im Bereich freiwilliger Leistungen (BAG 28. Juli 1992 – 1 AZR 87/92 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 123 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 106, zu II der Gründe).
      • Die Klägerin hat in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt, als sie sich einer Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit widersetzte. Auch wenn 95 % der mit ihr vergleichbaren Arbeitnehmer einer Arbeitszeitverlängerung zustimmten, war sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, dies auch zu tun.
      • Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Rechtsausübung. Dabei muß die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, daß die Rechtsausübung nur den äußeren Anlaß für die Maßnahme bietet (ErfK-Preis 2. Aufl. § 612a BGB Rn. 11).

        Die Maßnahme der Beklagten lag darin, solche Arbeitnehmer vom Bezug der Erfolgsbeteiligung auszuschließen, die einer vertraglichen Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich nicht zugestimmt hatten. Allein zur Erreichung dieses Ziels diente die Ergänzung der Zweckbestimmung der Leistung “Erfolgsbeteiligung Umsatz und Gewinn” um den Gesichtspunkt “Ausgleich der Mehrbelastung im Drei-Schicht-Betrieb bzw. in der 38-Stunden-Woche”. Durch die neue Zweckbestimmung sollten gerade die Arbeitnehmer aus dem Kreis der Begünstigten der Erfolgsbeteiligung herausgenommen werden, die in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt hatten. Die Beklagte wollte die in der Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich liegende Entgeltreduzierung auch bei den Mitarbeitern durchsetzen, bei denen ihr dies auf arbeitsvertraglichem Wege einvernehmlich nicht gelungen war.

        Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte in der Mitarbeiterinfo 59/99 nicht eine völlig anders geartete freiwillige Leistung versprochen, die mit derjenigen aus der Mitarbeiterinfo 54/98 nicht mehr vergleichbar war. Schon dem Wortlaut nach wird der Zweck der Leistung sowohl in der Überschrift als auch im Text als “Erfolgsbeteiligung Umsatz und Gewinn” ausgewiesen. Die Beklagte nimmt weiterhin Bezug auf die zuvor in der Mitarbeiterinfo 54/98 allen Arbeitnehmern zugesagte Leistung. Dies ergibt sich aus der Formulierung, daß der von ihr bestimmte Adressatenkreis im Jahr 1999 “die Leistungen aus der freiwilligen Erfolgsbeteiligung” bekomme, und zwar “wie geregelt”. Damit wird nicht nur eine Berechnungsgrundlage wiedergegeben, sondern eine bisher bestehende Gesamtregelung einschließlich deren Zwecksetzung weitergeführt, allerdings unter Ausschluß von wenigen Arbeitnehmern, darunter der Klägerin. Die Zwecksetzung besteht, wie aus der Ziffer 3 der Mitarbeiterinfo 54/98 hervorgeht, in einem Anreiz, durch effektive, zügige, fehlerfreie Zusammenarbeit und durch Kostenbewußtsein und Sparsamkeit Umsatz und Gewinn zu steigern. Für eine Bezugnahme auf die vorher bestehende Regelung spricht weiterhin der letzte Absatz der Mitarbeiterinfo 59/99. Nachdem die Beklagte die “Leistungen aus der freiwilligen Erfolgsbeteiligung wie geregelt” zugesagt hatte, widerruft sie im Absatz darauf “diese Regelung” zum 1. Januar 2000 und führt aus, daß “eine eventuelle Neuregelung” von der weiteren Entwicklung abhänge. Aus allem wird deutlich, daß der bisherige Zweck eines Leistungsanreizes durch Beteiligung der Arbeitnehmer am Umsatz und Gewinn nicht aufgegeben worden ist.

        Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Ausschluß der Klägerin von der Leistung und der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte geht weiterhin aus den Schreiben der Beklagten vom 6. März 1998 und vom 4. Februar 1999 hervor. In beiden Schreiben stellt die Beklagte klar, daß die Klägerin die Erfolgsbeteiligung erhalten werde, sobald sie der Verlängerung der Arbeitszeit zustimme. Die Beklagte selbst stellt im Schreiben vom 6. März 1998 den Zusammenhang zwischen der “individuellen Beibehaltung der 36-Stundenwoche” und dem ihrer Ansicht nach geringeren “Beitrag zum Betriebserfolg” her. Der Klägerin wird im Schreiben vom 4. Februar 1999 Gelegenheit gegeben, ihre Einstellung zur freiwilligen Annahme der 38-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich zu überdenken. Weiter heißt es: “Erhalten wir von Ihnen keine zustimmende Rückäußerung, bleibt die Erfolgsbeteiligung für Sie gestrichen.” Die danach ausgehängte Mitarbeiterinfo 59/99 vom 15. April 1999 stellt die unmittelbare Reaktion auf die ausgebliebene zustimmende Rückäußerung dar. Nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb oder mit 38 Stunden pro Woche sollten nunmehr die Leistungen aus der freiwilligen Erfolgsbeteiligung wie geregelt bekommen. Die Zielsetzung dieser Maßnahme ist damit offensichtlich.

    • Auf Grund der Verletzung des Maßregelungsverbots ist die Klägerin so zu stellen, als wäre die verbotene Maßregelung nicht erfolgt. Die rechtswidrige Benachteiligung durch die Beklagte ist zu beseitigen (BAG 23. Februar 2000 – 10 AZR 1/99 – BAGE 94,11 ff., zu II 6 der Gründe, mwN).

      Damit hätte die Klägerin nicht aus dem Kreis der Adressaten der in der Mitarbeiterinfo 54/98 näher geregelten Erfolgsbeteiligung ausgenommen werden dürfen. Hätte die Beklagte die Klägerin nicht in unzulässiger Weise benachteiligt, hätte diese den Anspruch in der rechnerisch unstreitigen Höhe erworben.

  • Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre

 

Fundstellen

Haufe-Index 788765

BAGE 2003, 312

BB 2002, 2073

DB 2002, 2223

NJW 2003, 772

NWB 2002, 3685

BuW 2002, 1053

EBE/BAG 2002, 150

ARST 2003, 25

FA 2002, 328

FA 2002, 348

FA 2002, 357

NZA 2002, 1389

RdA 2003, 119

SAE 2003, 202

ZAP 2002, 1212

ZTR 2003, 39

AP, 0

AuA 2002, 521

EzA-SD 2002, 3

EzA

MDR 2002, 1319

PERSONAL 2002, 50

AUR 2002, 397

ArbRB 2002, 293

RdW 2003, 23

BAGReport 2002, 364

PP 2002, 22

SPA 2002, 7

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