Entscheidungsstichwort (Thema)

Komplementärhaftung Ausschlußfristen und Verjährung im Konkurs. Komplementärhaftung Ausschlußfristen und Verjährung im Konkurs Insolvenz Ausschlußfristen

 

Orientierungssatz

  • Hat eine Bank vor dem 31. Dezember 1987 Arbeitsentgeltansprüche in Höhe des Konkursausfallgeldes vorfinanziert und haben die Arbeitnehmer ihre Ansprüche an die Bank abgetreten, sind die Ansprüche mit der Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld gemäß § 141m Abs. 1 AFG an die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Erst § 141k Abs. 2a AFG in der ab dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung enthält insoweit Einschränkungen hinsichtlich der Vorfinanzierung.
  • Tarifliche Ausschlußfristen sind auf Masseforderungen anzuwenden, gleichgültig, ob diese vor oder nach der Konkurseröffnung entstanden sind.
  • Sind die Arbeitsentgeltansprüche, die zunächst als Masseforderungen bestehen, von Gesetzes wegen gem. § 59 Abs. 2 KO in den Rang einer Konkursforderung zurückgestuft worden und werden sie in die Konkurstabelle eingetragen, verhindert die gem. § 145 Abs. 2 KO eintretende Rechtskraftwirkung eine Berufung auf tarifliche Auschlußfristen, die gegenüber den Masseforderungen möglich gewesen wäre.
  • Die fünfjährige Sonderverjährung gem. § 159 Abs. 1 HGB von Ansprüchen gegen den Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft wird durch die Anmeldung zur Konkurstabelle unterbrochen (§ 209 Abs. 2 BGB aF). Dies folgt aus § 160 HGB (ab dem 26. März 1994: 159 Abs. 4).
 

Normenkette

AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141m; AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141k; AFG i.d.F vom 1. Juli 1983 § 141e; KO § 59 Abs. 1-2, § 145 Abs. 2, § 76 Abs. 1 S. 2; HGB §§ 128, 129 Abs. 1, § 159 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 160; BGB a.F. § 196 Abs. 1 Nrn. 8-9, § 214 Abs. 1, §§ 217, 209 Abs. 2 Nr. 2, §§ 404, 412; MTV für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie (für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen sowie Teilen von Niedersachsen) vom 31. März 1979 § 16 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 15.02.2001; Aktenzeichen 5 Sa 380/00)

ArbG Neumünster (Urteil vom 27.06.2000; Aktenzeichen 2 Ca 1042 d/99)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die klagende Bundesanstalt für Arbeit nimmt den Beklagten nach der Gewährung von Konkursausfallgeld auf Zahlung übergegangener Arbeitsentgeltansprüche in Anspruch.

Der Beklagte war Komplementär der Firma J KG. Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der Firma war der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie (für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen sowie Teilen von Niedersachsen) vom 31. März 1979 anwendbar.

Am 12. November 1982 wurde zur Sicherung des Vermögens der Firma die Sequestration angeordnet und am 1. Februar 1983 über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Ab November 1982 stellte die Firma die Gehaltszahlungen ein. Die Arbeitnehmer der Firma traten für den Konkursausfallgeldzeitraum 1. November 1982 bis 31. Januar 1983 die Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegen die Gewährung eines entsprechenden Darlehens an die Landesbank Schleswig-Holstein ab. Die Landesbank beantragte gegenüber der Klägerin am 29. März 1983 die Zahlung von Konkursausfallgeld in Höhe von 884.992,65 DM. Mit Schreiben vom 2. November 1983 erhöhte sie ihren Erstattungsanspruch auf insgesamt 943.319,46 DM. Dieser Betrag entspricht den Arbeitsentgeltansprüchen im Konkursausfallgeldzeitraum. Die entsprechenden Verdienstbescheinigungen für Konkursausfallgeld nach § 141h AFG wurden vom Konkursverwalter zwischen August und November 1983 erstellt. Die Klägerin kehrte Konkursausfallgeld in der beantragten Höhe aus und meldete mit Schreiben vom 20. November 1983 beim Konkursgericht die übergeleiteten Ansprüche zur Konkurstabelle an. Der Konkursverwalter zahlte an die Klägerin auf die Forderung den sich aus der Konkursquote errechnenden Betrag von insgesamt 642.133,55 DM. Durch Beschluß des Konkursgerichts vom 16. Dezember 1996 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.

Mit der am 21. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 1. Oktober 1998 zugestellten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten als Komplementär der Firma die Zahlung des Differenzbetrages, mit dem sie im Konkursverfahren ausgefallen ist. Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 301.185,91 DM zuzüglich 4 % Zinsen p.a. seit dem 2. Oktober 1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, die Ansprüche seien nach § 16 MTV verfallen, da sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht worden seien. Das in der Erteilung der Verdienstbescheinigungen des Konkursverwalters liegende Anerkenntnis der Forderungen sei erst zu einem Zeitpunkt abgegeben worden, als die Forderungen aus dem Anspruchszeitraum bereits verfallen gewesen seien. Der Antrag der Landesbank vom 29. März 1983 auf Gewährung von Konkursausfallgeld habe auf den Lauf der Ausschlußfristen keinen Einfluß gehabt. Bei einer Vorfinanzierung des Konkursausfallgeldes greife der gesetzliche Anspruchsübergang nach § 141 m AFG nicht, so daß die Arbeitsentgeltforderungen nicht zu Konkursforderungen herabgestuft worden seien. Selbst wenn der Antrag der Landesbank nach § 141m AFG iVm. § 59 Abs. 2 KO die Herabstufung der Masseforderungen in den Rang einer Konkursforderung bewirkt und den Lauf der Ausschlußfrist unterbrochen habe, weil tarifliche Ausschlußfristen für Konkursforderungen nicht gelten, seien zu diesem Zeitpunkt jedenfalls Ansprüche aus November 1982 verfallen gewesen.

Die Forderungen seien zudem verjährt. Die nach der Eröffnung des Konkursverfahrens zu Gunsten des Beklagten nach § 159 Abs. 1 HGB angelaufene fünfjährige Sonderverjährung sei nicht durch Anmeldung der Forderung durch die Klägerin zur Konkurstabelle mit Schreiben vom 20. November 1983 unterbrochen worden. Nach § 129 Abs. 1 HGB iVm. §§ 404, 412 BGB stehe ihm die Einrede der Verjährung aus § 159 Abs. 1 HGB in dem Umfang wie vor dem Forderungsübergang zu. Die Klägerin habe den Rechtsvorteil der erleichterten Verjährungsunterbrechung durch Anmeldung zur Konkurstabelle nur durch den Forderungsübergang erlangt, der die Herabstufung der Forderung in den Rang einer Konkursforderung bewirkt habe. Dieser verjährungsunterbrechende Tatbestand, welcher der bisherigen Gläubigerin – der Landesbank – nicht zur Verfügung gestanden habe, könne ohne gesetzliche Sonderregel nicht gegenüber dem Gesellschafter wirken.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

  • Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klägerin mit der Stellung des Antrages auf Konkursausfallgeld nach § 141m Abs. 1 AFG Forderungsinhaberin geworden sei. Die Forderungen seien nicht nach § 16 MTV verfallen, weil die spätere Gemeinschuldnerin ab November 1982 die Zahlung der Vergütungen eingestellt habe. Nach Sinn und Zweck tariflicher Ausschlußfristen seien diese nicht anwendbar, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig sei, da über das Bestehen der Arbeitsentgeltforderungen bei dem Arbeitgeber keine Zweifel aufkommen könnten. Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Die Verjährung der nach § 59 Abs. 2 KO in den Rang einer Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO herabgestuften Ansprüche sei gem. § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch Anmeldung zur Konkurstabelle unterbrochen worden. Nach Aufhebung des Konkursverfahrens am 16. Dezember 1996 sei die Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB erneut in Gang gesetzt worden und zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht verstrichen gewesen.
  • Dem folgt der Senat im Ergebnis und überwiegend in der Begründung.

    • Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten besteht in der rechnerisch unstreitigen Höhe und folgt aus § 611 BGB, § 141m Abs. 1 AFG, § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB.

      • Die Klägerin ist Anspruchsinhaberin. Die Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer der Firma J KG für die Monate November 1982 bis einschließlich Januar 1983 sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zunächst nach § 398 BGB auf die Landesbank Schleswig-Holstein übertragen worden. Nach § 141m Abs. 1 AFG (seit 1. Januar 1998 § 187 SGB III) sind sie sodann mit Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld durch die Landesbank mit Schreiben vom 29. März 1983 auf die Klägerin übergegangen.
      • Dem Forderungserwerb der Klägerin steht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, daß die Arbeitsentgeltansprüche für den streitbefangenen Zeitraum zunächst sicherungshalber an die vorfinanzierende Landesbank abgetreten waren. Nach § 141k Abs. 1 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung stand der Anspruch auf Konkursausfallgeld dem Dritten zu, dem vor Stellung des Antrages auf Konkursausfallgeld die Ansprüche auf Arbeitsentgelt übertragen worden waren. Die Norm enthielt keine Beschränkung des Anspruchs auf Konkursausfallgeld für den Fall der Vorfinanzierung der Entgeltansprüche gegen Abtretung der Arbeitsentgeltansprüche.

        Zwar beschränkte § 141k Abs. 2a AFG in der ab dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung (geändert durch das Achte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 14. Dezember 1987 BGBl. I S 2602) im Fall der Vorfinanzierung den Anspruch auf Konkursausfallgeld. Ein Anspruch bestand danach nur, wenn im Zeitpunkt der Übertragung der neue Gläubiger nicht zugleich Gläubiger des Arbeitgebers war oder an dessen Unternehmen beteiligt war. Nach § 242 h Abs. 14 AFG in der ab dem 1. Januar 1988 geltenden Fassung galt dies jedoch nicht für eine Übertragung, die – wie hier – vor dem 1. Januar 1988 erfolgt ist.

      • Die Landesbank Schleswig-Holstein hat den Antrag innerhalb der Ausschlußfrist des § 141e Abs. 1 Satz 2 AFG (in der Fassung des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981, in Kraft seit dem 1. Januar 1982 BGBl. I S 1497) von zwei Monaten nach der Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt. Der Konkurs wurde am 1. Februar 1983 eröffnet, der Antrag ist am 30. März 1983 beim Arbeitsamt eingegangen.

        Der Antrag konnte der Höhe nach mit Schreiben vom 2. November 1983 von 893.897,49 DM auf 943.319,46 DM berichtigt werden, nachdem der Konkursverwalter mit Schreiben vom 17. Oktober 1983 dem Arbeitsamt Lübeck die endgültige Höhe der vorfinanzierten Beträge mitgeteilt hatte. Maßgeblich ist, ob der Antrag auf Gewährung von Konkursausfallgeld rechtzeitig gestellt worden ist. Die Ermittlung der Höhe des Anspruchs obliegt der Arbeitsverwaltung (§§ 141g bis i AFG). Der Anspruchsteller ist deshalb nicht teilweise von der Gewährung von Konkursausfallgeld ausgeschlossen, wenn sich im Verlauf des Verfahrens ein höherer als der zunächst errechnete Betrag ergibt. Diesbezügliche Rügen hat der Beklagte auch nicht erhoben.

      • Der Anspruch der Klägerin ist nicht gem. § 16 Ziff. 1.1 b) MTV für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie vom 31. März 1979 verfallen. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

        • Ausschlußfristen

          • Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind

            schriftlich innerhalb folgender Ausschlußfristen geltend zu machen:

            • Ansprüche auf Zuschläge aller Art …
            • alle übrigen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit.
          • Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen (Ausschlußfristen gemäß § 4 Ziffer 4 TVG).
        • Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Ausscheiden

          Ist ein Anspruch innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist geltend gemacht und seine Erfüllung schriftlich abgelehnt worden, so muß ein Arbeitnehmer, der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, innerhalb von 3 Monaten vom Zugang der schriftlichen Ablehnung an gerechnet, seinen Anspruch gerichtlich geltend machen, anderenfalls die Geltendmachung ausgeschlossen ist (Ausschlußfrist gemäß § 4 Ziffer 4 TVG).

          …”

        • Bis zur Stellung des Antrags auf Konkursausfallgeld waren die Arbeitsentgeltansprüche aus den Monaten November 1982 bis einschließlich Januar 1983 nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO Masseforderungen. Mit Antragstellung wurden sie nach § 59 Abs. 2 KO in den Rang einer Konkursforderung nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zurückgestuft.

          Konkursforderungen müssen nach den Vorschriften der Konkursordnung angemeldet werden; tarifliche Ausschlußfristen greifen daneben nicht mehr ein, sofern sie nicht bereits bei Konkurseröffnung abgelaufen waren (BAG 18. Dezember 1984 – 1 AZR 588/82 – BAGE 47, 343; 23. August 1988 – 1 AZR 276/87 – BAGE 59, 242; 5. Oktober 1988 – 5 AZR 648/87 – nv.). Auf Masseforderungen, die nicht nach den Vorschriften der Konkursordnung berichtigt werden, sind demgegenüber die Ausschlußfristen in vollem Umfang anzuwenden (BAG 18. Dezember 1984 – 1 AZR 588/82 – aaO). Es macht dabei keinen Unterschied, ob Masseforderungen wie im Fall des § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO vor Konkurseröffnung begründet worden sind oder nach Konkurseröffnung entstehen. Masseforderungen nehmen grundsätzlich nicht am konkursrechtlichen Verteilungsverfahren teil, sondern sind im Wege der Leistungsklage gegenüber dem Konkursverwalter zu verfolgen. Auch Masseforderungen gem. § 59 Abs. 1 Nr. 3a KO müssen deshalb grundsätzlich innerhalb der einschlägigen Ausschlußfristen geltend gemacht werden.

        • Die zum Monatsende fälligen Vergütungsansprüche für November 1982 hätten deshalb zum 28. Februar 1983, diejenigen für Dezember zum 31. März 1983 und diejenigen für Januar 1983 zum 30. April 1983 geltend gemacht werden müssen. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Gewährung von Konkursausfallgeld beim Arbeitsamt am 30. März 1983 und der dadurch bewirkten Herabstufung der Masseforderungen in den Rang einer Konkursforderung war deshalb die Ausschlußfrist für die Geltendmachung von Arbeitsentgeltansprüchen für November 1982 grundsätzlich abgelaufen.
        • Es kann dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Forderungen – zumindest in Höhe der Bezüge für November 1982 – tatsächlich verfallen waren, oder ob mit dem Landesarbeitsgericht und dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts (8. Juni 1983 – 5 AZR 632/80 – BAGE 43, 71) davon auszugehen ist, daß tarifliche Ausschlußfristen generell nicht mehr greifen, wenn ein Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Gehaltszahlungen an seine Arbeitnehmer einstellt.

          Der Beklagte kann sich nicht auf möglicherweise abgelaufene Ausschlußfristen berufen, weil die streitgegenständlichen Arbeitsentgeltforderungen mit der sich nach § 145 Abs. 2 KO ergebenden Rechtskraftwirkung in die Konkurstabelle eingetragen sind. Damit kann der Beklagte Einwendungen, welche der Gesellschaft gegenüber dem Anspruch zustehen, nach § 129 Abs. 1 HGB nicht mehr geltend machen, wenn er in Anspruch genommen wird.

          • Nach § 128 HGB haften die Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Nach § 161 Abs. 2 HGB gilt die Vorschrift auch für den persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft; die Haftung des Komplementärs stimmt mit derjenigen des OHG-Gesellschafters überein (Schlegelberger/Martens HGB § 161 Rn. 24). Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft läßt die persönliche Haftung der Gesellschafter jedenfalls für Altverbindlichkeiten, die – wie dies hier der Fall ist – im Zeitpunkt der Konkurseröffnung begründet waren, nicht entfallen (BAG 24. März 1992 – 9 AZR 387/90 – BAGE 70, 73; BGH 13. Juli 1967 – II ZR 268/64 – NJW 1967, 2203; Schlegelberger/Karsten Schmidt § 128 Rn. 67 – 69).

            Nach § 129 Abs. 1 HGB kann der Gesellschafter, der wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen wird, Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie von der Gesellschaft erhoben werden können. Grundsätzlich kann der Gesellschafter bei der Inanspruchnahme nach § 129 Abs. 1 HGB alle der Gesellschaft zustehenden Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art erheben (Ebenroth/Boujong/Joost/Hillmann HGB § 129 Rn. 3; Schlegelberger/Karsten Schmidt HGB § 129 Rn. 4), soweit sie der Gesellschaft im Zeitpunkt der Geltendmachung durch ihn zustehen (Fischer in Großkommentar HGB § 129 Anm. 6). Dies beruht auf der Akzessorietät von Gesellschafts- und Gesellschafterschuld. Ist die Gesellschaft rechtskräftig verurteilt, so kann der Gesellschafter Einwendungen aus dem Recht der Gesellschaft nur noch in den Grenzen von § 767 Abs. 2 ZPO bzw. nach Maßgabe von § 826 BGB geltend machen, sich aber nicht mehr darauf berufen, die Forderung habe nicht oder nicht mehr bestanden (BGH 13. Juli 1970 – VIII ZR 230/68 – BGHZ 54, 251, 255; Schlegelberger/Karsten Schmidt HGB § 129 Rn. 13).

            Nach § 145 Abs. 2 KO hat die Eintragung einer Forderung in die Konkurstabelle die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils gegenüber allen Konkursgläubigern. Die Rechtskraft des Tabelleneintrags wirkt nach § 129 Abs. 1 HGB auch gegenüber dem Gesellschafter (Fischer in Großkommentar HGB § 129 Anm. 7; BGH 8. Februar 1982 – II ZR 236/81 – ZIP 1982, 576; BGH 30. Januar 1961 – II ZR 98/59 – BB 1961, 426). Wird die Forderung ohne Widerspruch zur Konkurstabelle festgestellt, sind deshalb sowohl der Gesellschaft als auch nach § 129 Abs. 1 HGB dem Gesellschafter Einwendungen, in denen auch der Verfall des Anspruchs nach Ablauf einer Ausschlußfrist gehört, abgeschnitten (vgl. zur Einrede der Verjährung BGH 8. Februar 1982 – II ZR 236/81 – aaO).

          • Daß die streitgegenständliche Forderung zur Konkurstabelle festgestellt worden ist, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Konkursverwalter hat die Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle, die Quote von 68,0717 % und die Höhe des ausgekehrten Betrages mit Schreiben vom 16. September 1998 bestätigt.

            Der Beklagte kann sich auf einen etwaigen Verfall der Ansprüche deshalb nicht mehr berufen.

      • Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.

        • Der Beklagte kann sich nach § 129 Abs. 1 HGB auch nicht darauf berufen, daß die gegenüber der Gesellschaft bestehende Forderung verjährt ist.

          Die Arbeitsentgeltforderungen sind im Jahre 1982 bzw. 1983 entstanden. Sie unterlagen zunächst der zweijährigen Verjährung des § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB aF und wären deshalb mit dem 31. Dezember 1984 bzw. 31. Dezember 1985 verjährt gewesen. Durch Anmeldung der nach § 59 Abs. 2 KO zu einer Konkursforderung herabgestuften Forderung zur Konkurstabelle mit Schreiben vom 20. November 1983 wurde der Lauf der Verjährung nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF unterbrochen. Nach § 214 Abs. 1 BGB aF, § 205, § 76 Abs. 1 Satz 2 KO dauerte die Unterbrechung fort bis zur öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses des Konkursgerichts vom 16. Dezember 1996 über die Aufhebung des Konkurses. Nach § 217 BGB aF begann die Verjährung sodann erneut, allerdings entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit einer Frist von zwei Jahren. Ein zur Konkurstabelle festgestellter Anspruch verjährte, auch wenn er an sich einer kürzeren Verjährung unterlag, nach § 218 Abs. 1 Satz 2 BGB aF in 30 Jahren.

        • Die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten sind auch nicht nach § 159 Abs. 1 HGB verjährt.

          • Unabhängig von Einwendungen der Gesellschaft gegenüber dem geltend gemachten Anspruch, die nach § 129 Abs. 1 HGB auch der Gesellschafter gegenüber seiner Inanspruchnahme erheben kann, können dem Gesellschafter Einwendungen zustehen, die in seiner Person begründet sind. Zu dieser Gruppe gehört die Verjährung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 159 Abs. 1 HGB innerhalb von fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegenüber der Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt.
          • Nach § 161 Abs. 2, § 131 Nr. 3 HGB wurde die Gesellschaft durch Eröffnung des Konkursverfahrens am 1. Februar 1983 kraft Gesetzes aufgelöst. Nach § 159 Abs. 2 HGB beginnt die Verjährung mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird. Nach dem Vortrag des Beklagten in der Revisionsinstanz wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens am 28. Februar 1983 ins Handelsregister des Amtsgerichts Lübeck zu HRA 2664 eingetragen. Feststellungen zum Zeitpunkt der Eintragung hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen, der konkrete Zeitpunkt kann aber dahinstehen.
          • Selbst wenn zugunsten des Beklagten unterstellt wird, daß die Verjährung der Ansprüche ihm gegenüber nach § 159 Abs. 1 HGB am 28. Februar 1983 (oder zu einem früheren Zeitpunkt) begann, sind die Ansprüche nicht verjährt.

            Mit der durch Anmeldung zur Konkurstabelle mit Schreiben vom 20. November 1983 nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB aF bewirkten Unterbrechung der Verjährung wurde nach § 160 HGB in der bis zum 25. März 1994 geltenden Fassung (wortgleich in § 159 Abs. 4 HGB übernommen durch das Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern vom 18. März 1994 [BGBl. I S 560], in Kraft seit dem 26. März 1994, im Wortlaut geändert durch Art. 5 (16) Nr. 4 des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts m.W. zum 1. Januar 2002) auch die Verjährung gegenüber den zum Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft ihr angehörenden Gesellschaftern unterbrochen. § 160 HGB aF war auch im Konkurs der Gesellschaft – zumindest sinngemäß – anwendbar (Schlegelberger/Karsten Schmidt HGB § 160 Rn. 6; BGH 8. Februar 1982 – II ZR 236/81 – ZIP 1982, 576). Die Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle unterbricht gegenüber dem Gesellschafter die Sonderverjährung des § 159 Abs. 1 HGB nur dann nicht, wenn die Forderung gegenüber der Gesellschaft bereits verjährt war. Dies war nicht der Fall.

            Nach § 214 Abs. 1 BGB aF dauerte die Unterbrechung fort bis zur Beendigung des Konkursverfahrens im Dezember 1996. Sodann begann nach § 217 BGB aF eine erneute Verjährung der Ansprüche gegen den Kläger von fünf Jahren nach § 159 Abs. 1 HGB. Mit der am 21. September 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin den Anspruch rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.

          • Der Einwand des Beklagten, er müsse die Unterbrechung der Verjährung durch die Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle durch die Klägerin nach § 404, § 412 BGB iVm. § 129 Abs. 1 HGB nicht gegen sich gelten lassen, weil die Klägerin “den Rechtsvorteil der erleichterten Verjährungsunterbrechung durch Anmeldung zur Konkurstabelle” nur durch den Forderungsübergang nach § 141m AFG und die daraus nach § 59 Abs. 2 KO resultierende Herabstufung der Masseforderungen in den Rang einer Konkursforderung erlangt habe, ist nicht erheblich.

            Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt die Berufung darauf, daß die Unterbrechung der Verjährung bei einer Masseschuld nur durch Erhebung einer Klage nach § 209 Abs. 1 BGB aF (oder durch Zustellung eines Mahnbescheides nach § 209 Abs. 2 Satz 1 BGB aF), nicht aber durch Anmeldung zur Konkurstabelle erfolgen kann, keine “Einwendung” im Sinne von § 404, § 412 BGB dar. Zwar darf sich der Forderungsinhalt bei einer Abtretung oder einem gesetzlichen Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Schuldners verändern (vgl. BGH 2. März 1982 – VI ZR 245/79 – NJW 1982, 1761). Dies ist bei einem Anspruchsübergang nach § 141m AFG aber nicht der Fall. Rechtserhebliche Einrede im Sinne von § 404 BGB, die der Schuldner auch bei einem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 141m AFG dem neuen Gläubiger gegenüber erheben kann, ist die Einrede der Verjährung. Diese wird dem Schuldner bei einem Anspruchsübergang nach § 141m AFG nicht abgeschnitten (Schönefelder/Kranz/Wanka AFG-Kommentar III § 141m [Stand Mai 1990] Rn. 3); auch der Rechtsnachfolger muß verstrichene Verjährungsfristen gegen sich gelten lassen (BGH 2. März 1982 – VI ZR 245/79 – aaO).

            Welche Handlung der Zessionar nach einem Anspruchsübergang vornehmen muß, um die Unterbrechung der Verjährung im Konkurs zu bewirken, zB Klage oder Mahnbescheid bei Masseforderungen, Anmeldung zur Konkurstabelle bei Konkursforderungen, ergab sich aus der gesetzlichen Zuordnung der Forderungen im Konkurs des Schuldners durch die KO. In beiden Fällen wirkte die Unterbrechung der Verjährung nach § 160 HGB aF auch gegenüber dem haftenden Gesellschafter. Die Klägerin hatte nach der Herabstufung der Forderungen nach § 141m AFG, § 59 Abs. 2 KO nur noch die Möglichkeit, ihre Forderung gegenüber der Gesellschaft durch Anmeldung zur Tabelle zu verfolgen. Eine auf eine Konkursforderung gerichtete Leistungsklage wäre unzulässig gewesen. Deshalb liegt entgegen der Auffassung des Beklagten auch keine “Ausweitung” um einen verjährungsunterbrechenden Tatbestand zum Nachteil des Schuldners vor, sondern ein “Austausch” entsprechend der Zuordnung der Forderung im Konkurs nach den Regeln der Konkursordnung. Darin liegt weder eine Veränderung des Forderungsinhaltes zu Lasten des Schuldners noch eine “Einwendung” im Sinne von § 404 BGB, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte überhaupt “Schuldner” iSd. §§ 404, 412 BGB ist (Schlegelberger/Karsten Schmidt HGB § 128 Rn. 1).

            Schließlich kann auch keine restriktive Auslegung von § 160 HGB aF in dem Sinne erfolgen, daß die Verjährungsunterbrechung durch Anmeldung zur Konkurstabelle keine Wirkung gegenüber dem Gesellschafter hat. Der eindeutige Wortlaut der Norm läßt dies nicht zu. Es ergibt auch keinen Sinn, bei der Durchsetzung einer Masseforderung gegenüber der Gesellschaft durch Leistungsklage oder Mahnbescheid auch im Verhältnis zum Gesellschafter nach § 160 HGB aF Verjährungsunterbrechung anzunehmen, nicht aber bei der Anmeldung einer nach § 59 Abs. 2 KO zu einer Konkursforderung herabgestuften Verbindlichkeit zur Konkurstabelle. Bereits aus Kostengesichtspunkten (auch aus Sicht des Gesellschafters) ist es nicht sinnvoll, den Gläubiger bei drohender Sonderverjährung nach § 159 Abs. 1 HGB dazu zu zwingen, neben der Anmeldung der Forderung zur Konkurstabelle ein weiteres gerichtliches Verfahren einzuleiten.

    • Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
  • Der Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Thiel, Tirre

 

Fundstellen

ARST 2003, 44

FA 2003, 88

KTS 2003, 315

NZA 2002, 1175

EzA

ZInsO 2002, 1156

NJOZ 2003, 1506

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