Entscheidungsstichwort (Thema)

Stellvertretung beim Abschluß eines Tarifvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Die Tarifvertragsparteien können sich beim Abschluß eines Tarifvertrages nach den allgemeinen Regeln (§§ 164 ff. BGB) vertreten lassen. Aus der Urkunde muß sich das Handeln als Vertreter zweifelsfrei ergeben.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2; BGB § 164 ff.

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 15.03.1995; Aktenzeichen 6 Sa 713/94)

ArbG Dresden (Urteil vom 18.04.1994; Aktenzeichen 12 Ca 884/94)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. März 1995 – 6 Sa 713/94 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 18. April 1994 – 12 Ca 884/94 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf eine tarifliche Sonderzuwendung für das Jahr 1993 hat.

Der am 12. Januar 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung von Bodenbelägen ist, seit 1. September 1964 als Schlosser beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug 1994 12,57 DM brutto in der Stunde. Der Kläger, der Gewerkschaftsmitglied ist, gehört dem im Betrieb der Beklagten gebildeten fünfköpfigen Betriebsrat an.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich seit dem 1. Januar 1991 nach ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 30. Januar/1. Februar 1991. In diesem ist unter Ziff. 2 u.a. bestimmt, daß sich „die Vergütung … nach den Tarifbestimmungen der Industriegewerkschaft Te-Be-Le in der z.Z. gültigen Fassung” richtet.

Nachdem am 28. November 1990 zahlreiche Verbände der Textilindustrie, darunter der Deutsche Verband der Kunststoffbahnenindustrie e.V. – nachfolgend kurz: DVK –, dem die Beklagte seinerzeit angehörte, mit der Gewerkschaft Textil-Bekleidung – nachfolgend kurz GTB – und der IG Textil-Bekleidung-Leder die Grundsätze einer Regelung über eine Jahressonderzahlung für das zweite Halbjahr 1990 und das Jahr 1991 getroffen und den Abschluß eines Tarifvertrages „über die Jahressonderzahlung 1990 … bis zum 30.11.1990” vereinbart hatten, kam es am 11. Oktober 1991 zum Abschluß des Tarifvertrages über Jahressonderzahlungen für die Beschäftigten der Textilindustrie in den neuen Bundesländern – nachfolgend kurz TV JSZ –; Parteien dieses Tarifvertrages waren auf der Arbeitgeberseite der Verband der Textilindustrie für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt e.V., Chemnitz – nachfolgend kurz: VTI – sowie der Lausitzer Verband der Textil- und Bekleidungsindustrie e.V., Cottbus – nachfolgend kurz LVTBI –, auf Arbeitnehmerseite die GTB. In § 1 TV JSZ, der den Geltungsbereich regelt, ist u.a. bestimmt, daß „tarifgebunden … gemäß § 3 TVG Mitglieder der vertragschließenden Parteien” sind. Nach § 2 dieses Tarifvertrages beträgt die Jahressonderzahlung 60 % eines durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes. Dieser Tarifvertrag ist mit Wirkung vom 1. Juni 1994 durch den Tarifvertrag vom 8. Juli 1994 zwischen dem VTI – inzwischen umbenannt in Verband der Nord-Ostdeutschen Textilindustrie – und der GTB abgelöst worden.

Der DVK löste sich durch Beschluß seiner Mitgliederversammlung vom 9. Dezember 1992 zum 31. Dezember 1992 auf. Die Beklagte ist danach keinem anderen Arbeitgeberverband beigetreten.

Nachdem bei einer Betriebsversammlung der Beklagten am 30. Juni 1993 u.a. die Frage ihrer Tarifgebundenheit Thema war, stellten die Parteien durch Vertrag vom 19. August 1993 ihr Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 1. Juli 1993 auf eine neue rechtliche Grundlage; dieser Arbeitsvertrag enthält im Unterschied zu demjenigen vom 30. Januar/1. Februar 1991 keine Bezugnahme auf eine tarifvertragliche Regelung.

Für das Jahr 1993 erhielt der Kläger von der Beklagten keine Sonderzahlung. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1993 erhob er „Anspruch auf die tarifvertraglich vereinbarte Sonderzahlung für das Jahr 1993”. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 die Erfüllung dieses Anspruchs mit der Begründung ab, der Kläger habe darauf weder einen vertraglichen noch wegen ihrer fehlenden Tarifgebundenheit einen tariflichen Anspruch. Mit seiner Zahlungsklage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter.

Nachdem er zunächst behauptet hatte, bis auf die fünf Betriebsratsmitglieder hätten die übrigen Arbeitnehmer für 1993 eine Sonderzahlung erhalten, hat er später vorgetragen, besonders der Betriebsrat sei von der Einstellung der Sonderzahlung betroffen gewesen. Er hat weiter geltend gemacht, der DVK sei Mitglied des VTI gewesen. Hiervon sei „auszugehen”, weil anders als bei Abschluß der Vereinbarung vom 28. November 1990 nicht mehr die einzelnen Verbände, sondern auf der Arbeitgeberseite – streitlos – nur noch der VTI und der LVTBI Tarifvertragsparteien des TV JSZ gewesen seien. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages sei nicht der Wille zum Ausdruck gekommen, die tarifvertraglichen Regelungen abzulösen.

Der Kläger hat beantragt

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.164,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenen Nettobetrag seit dem 10. Dezember 1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf die geforderte Jahressonderzahlung zu, denn bei Auflösung einer Tarifvertragspartei ende ein mit dieser geschlossener Tarifvertrag automatisch ohne Kündigung zum Zeitpunkt der ersten Kündigungsmöglichkeit, im vorliegenden Fall mithin am 31. März 1993. Gehe man entgegen dieser Auffassung von der Weitergeltung des TV JSZ aus, scheitere der Anspruch des Klägers daran, daß der Arbeitsvertrag vom 19. August 1993 eine andere Abmachung im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG sei. Dieser enthalte keinerlei Bezug mehr auf tarifvertragliche Regelungen. In der Betriebsversammlung, in der den Mitarbeitern die neuen Arbeitsverträge angeboten worden seien, habe sie diese über die Auflösung des DVK unterrichtet und darauf hingewiesen, die alten Tarifverträge hätten keine Geltung mehr. Durch die neuen Arbeitsverträge nach der Verbandsauflösung hätten die Arbeitsbedingungen für alle Betroffenen überschaubar gestaltet werden sollen. Unzutreffend sei, daß lediglich die fünf Betriebsratsmitglieder von Sonderzahlungen im Jahr 1993 ausgeschlossen seien. Vielmehr hätten nur einige wenige Arbeitnehmer eine Anerkennungsprämie erhalten, die in keinem Fall die Höhe der tariflichen Jahressonderzahlungen erreicht habe.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.

I. Der Kläger kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten die tarifliche Jahressonderzahlung nach dem TV JSZ für das Jahr 1993 in der zwischen den Parteien rechnerisch unstreitigen Höhe von 1.164,75 DM brutto verlangen.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen tariflichen Anspruch auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 1993 nach §§ 2, 3 TV JSZ, denn dieser Tarifvertrag fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels Tarifgebundenheit der Beklagten keine unmittelbare und zwingende Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

1.1 Das Landesarbeitsgericht hat schon für den Kläger keine Tatsachen festgestellt, die die Rechtsfolge seiner Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG begründen. Es beschränkt sich auf die Feststellung, der Kläger sei „Gewerkschaftsmitglied”, ohne die Gewerkschaft zu benennen, der der Kläger angehört, und Angaben zum Beginn der Mitgliedschaft zu machen. Darauf und auf die Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Tarifgebundenheit des Klägers durch den diesbezüglichen ergänzenden Vortrag im Revisionsverfahren von den Parteien unstreitig gestellt worden sind, kommt es indes nicht streitentscheidend an.

1.2 Denn auch für die Tarifgebundenheit der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht keine Tatsachen festgestellt. Nach dem diesbezüglichen ergänzenden Tatsachenvortrag des Klägers im Revisionsverfahren bestand keine Tarifgebundenheit der Beklagten an den TV JSZ.

1.3 Nach § 3 Abs. 1 TVG sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Die Beklagte hat aber weder selbst den TV JSZ abgeschlossen, noch hat sie einem Verband angehört, der diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat.

1.3.1 Den Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, daß die Beklagte als Mitglied einer der Parteien des TV JSZ auf der Arbeitgeberseite an diesen als Mitglied nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden war, was das Landesarbeitsgericht annimmt. Im Tatbestand des Berufungsurteils ist diesbezüglich ausgeführt: „Die Beklagte war im Deutschen Verband der Kunststoffbahnenindustrie e.V. organisiert, der mit den tarifschließenden Arbeitgeberverbänden der Textilindustrie eine Tarifgemeinschaft bildete”. Dies führt für die Frage ihrer Gebundenheit an den TV JSZ nicht weiter, denn unter den Parteien dieses Vertrages auf der Arbeitgeberseite war keine „Tarifgemeinschaft”, sondern Tarifvertragsparteien arbeitgeberseits waren neben dem VTI noch der LVTBI. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils nimmt das Landesarbeitsgericht dann an, der DVK sei „Mitglied einer der tarifvertragschließenden Parteien” gewesen; damit kann nur dessen Mitgliedschaft im VTI gemeint sein, denn die Mitgliedschaft des DVK im LVTBI steht nach dem Sachverhalt nicht zur Diskussion.

Bei der Annahme des Landesarbeitsgerichts, der DVK sei Mitglied des VTI gewesen, handelt es sich um eine Wertung, deren tatsächliche Grundlagen im Berufungsurteil weder dargestellt noch der Prozeßakte zu entnehmen sind. Der Kläger hat lediglich als Ergebnis einer Schlußfolgerung ausgeführt, es sei „davon auszugehen”, daß der DVK und die übrigen Textilverbände sich zu dem VTI zusammengeschlossen hätten. Die Beklagte hat demgegenüber ausdrücklich in Abrede gestellt, der DVK sei jemals Mitglied des VTI gewesen.

1.3.2 Letzteres ist nach dem diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers, von ihm belegt durch Vorlage der Satzung des VTI vom 8. Juli 1991 und der „Vereinbarung über die Zusammenarbeit in Tarif-, Sozial- und Arbeitsrechtsaufgaben” zwischen dem VTI und dem DVK, letzterer handelnd für seine Tarifgemeinschaft (TG-DVK) vom 20. August 1991 – nachfolgend kurz: Vereinbarung vom 20. August 1991 – zutreffend.

Die Satzung des VTI vom 8. Juli 1991 hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, folgenden Wortlaut:

㤠5

Mitgliedschaft

3. Über die Aufnahme eines Mitgliedes entscheidet der Vorsitzende des Vorstandes gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer auf der Grundlage eines entsprechenden Antrages. Eine Ablehnung bedarf der Entscheidung der Mitgliederversammlung.

4. Die Mitgliedschaft endet durch Kündigung seitens des Mitgliedes oder durch Ausschluß aus dem Verband oder durch Beendigung der Rechtsfähigkeit eines Mitgliedes.

5. Die Kündigung der Mitgliedschaft bedarf einer schriftlichen Erklärung mittels eingeschriebenen Briefes gegenüber der Geschäftsführung. Sie hat jeweils bis zum 30.6. mit Wirkung zum Ende des laufenden Kalenderjahres zu erfolgen.

6. Der Vorstand kann den Ausschluß eines Mitgliedes beschließen, wenn es seine Pflichten gegenüber dem Verband gröblich verletzt. Gegen einen solchen Beschluß steht dem Mitglied das Recht der Beschwerde gegenüber der Mitgliederversammlung zu.

§ 6

Rechte und Pflichten der Mitglieder

6. Die Mitglieder haben regelmäßig den Beitrag entsprechend der von der Mitgliederversammlung beschlossenen Beitragsordnung an den Verband zu entrichten.

§ 13

Finanzierung

1. Der Verband finanziert seine Tätigkeit der Interessenvertretung und Beratung der Mitglieder aus den Beiträgen der Mitglieder und ggf. aus Umlagen.

…”

Die Vereinbarung vom 20. August 1991 zwischen dem VTI und dem DVK lautet auszugsweise wie folgt:

Zwischen dem

Verband der Textilindustrie für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, Sitz Chemnitz (nachfolgend VTI genannt)

und dem

Deutschen Verband der Kunststoffbahnenindustrie e.V., Sitz Leipzig, für seine Tarifgemeinschaft (nachfolgend TG-DVK genannt)

wird, ausgehend davon,

daß die Tarifpolitik in der Region Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt für die Textilindustrie und gleichgelagerte Branchen einheitlich zu gestalten ist,

die Zusammenarbeit bei der Gestaltung der Tarif- und Sozialpolitik sowie beim Tarifabschluß wie folgt vereinbart:

㤠1

2. Die tarif- und sozialpolitischen Belange der TG-DVK werden durch die Mitgliedschaft im Tarif- und Sozialausschuß des VTI und die dadurch gesicherte Mitwirkung bei der Beschlußfassung gewahrt. Diese Beschlüsse bilden die Grundlage für das Auftreten des VTI als Tarifpartner gegenüber den Gewerkschaften und für den Abschluß tarifvertraglicher Regelungen.

§ 5

1. Für die Leistungen des VTI zahlt die TG-DVK an den VTI jährlich eine Unkostenvergütung in Höhe von

DM

die in zwei Raten per 31.03. und per 30.09. fällig sind.

§ 6

Schlußbestimmungen

1. Die Vereinbarung tritt am 1.7.1991 in Kraft Sie ist beiderseits jeweils zum Ende des Kalenderjahres mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten schriftlich kündbar.

1.3.3 Die Satzung des VTI und die Vereinbarung vom 20. August 1991 belegen mit aller Eindeutigkeit, daß der DVK nicht Mitglied des VTI gewesen ist.

1.3.3.1 Zunächst einmal betrifft die Vereinbarung vom 20. August 1991 nicht den DVK insgesamt, sondern nur dessen Tarifgemeinschaft, die TG-DVK. Der Vertragspartner des VTI wird dementsprechend im Vertragstext mit dieser Abkürzung bezeichnet. Der Kläger hat dies nicht gesehen und dementsprechend nichts dazu gesagt, ob die Beklagte der TG-DVK überhaupt angehörte.

1.3.3.2 Selbst wenn dies aber der Fall war, bestand keine Tarifgebundenheit der Beklagten kraft einer aus der Vereinbarung vom 20. August 1991 abzuleitenden Mitgliedschaft der TG-DVK im VTI.

VTI und TG-DVK haben am 20. August 1991 eine „Vereinbarung” getroffen; die TG-DVK hat also nicht nach § 5 Ziff. 3 der Satzung des VTI bei diesem einen Antrag auf Aufnahme als Mitglied gestellt. Die Vereinbarung sieht in § 1 Ziff. 2 lediglich die Mitgliedschaft der TG-DVK im Tarif- und Sozialausschuß des VTI vor, nicht jedoch im VTI selbst. Damit verfügte die TG-DVK nicht über die wesentlichen Mitgliedschaftsrechte, nämlich das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung (§ 8 der Satzung des VTI) sowie über das aktive und passive Wahlrecht (BAG Urteil vom 16. Februar 1962 – 1 AZR 167/61 – AP Nr. 12 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit). Die TG-DVK entrichtete an den VTI keine Beiträge entsprechend der von der Mitgliederversammlung des VTI beschlossenen Beitragsordnung (§ 6 Ziff. 6, § 13 Ziff. 1 der Satzung des VTI), sondern zahlte nach § 5 Ziff. 1 der Vereinbarung vom 20. August 1991 „an den VTI jährlich eine Unkostenvergütung”. Die Vereinbarung vom 20. August 1991 war beiderseits kündbar mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende des Kalenderjahres (§ 6 Ziff. 1 der Vereinbarung); hingegen sieht die Satzung des VTI in § 5 Ziff. 5 eine Kündigung durch das Mitglied „jeweils bis zum 30.6. mit Wirkung zum Ende des laufenden Kalenderjahres” vor, während der VTI kein Kündigungsrecht gegenüber dem Mitglied hat, sondern lediglich bei grober Pflichtverletzung des Mitglieds gegenüber dem Verband dessen Ausschluß beschließen kann (§ 5 Ziff. 4 und 6 der Satzung).

1.3.4 Die Vereinbarung vom 20. August 1991 belegt daher nicht die Mitgliedschaft des DVK bzw. der TG-DVK im VTI, sondern vielmehr deren Nichtbestehen.

1.4 Die Entstehung der Tarifgebundenheit der Beklagten an den TV JSZ ist auch nicht damit zu begründen, der VTI, bevollmächtigt vom DVK durch die Vereinbarung vom 20. August 1991, habe den TV JSZ als dessen Vertreter abgeschlossen.

1.4.1 Die Tarifvertragspartei kann sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 164 ff. BGB) beim Abschluß eines Tarifvertrages vertreten lassen (Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 Rz 352). Daß dies in § 2 Abs. 2 TVG besonders hervorgehoben ist, hat Bedeutung in den Fällen, in denen der Spitzenverband nicht rechtsfähig ist. Würde § 2 Abs. 2 TVG fehlen, so könnten nur rechtsfähige Personen dem allgemeinen Recht entsprechend Vollmachtsträger werden (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 213; Nikisch, Arbeitsrecht, II. Band, 2. Aufl., § 70 IV 1, S. 257).

Die Bevollmächtigung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Sie bedarf keiner Form (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 214). Beim Abschluß des Tarifvertrages muß klargestellt werden, daß der Spitzenverband als Vertreter, also im Namen des Vertretenen handelt. Während Herschel (Das Tarifvertragsgesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, ArbBl 1949, 22, 23) es für notwendig hält, daß die vertretenen Verbände namentlich in der Urkunde aufgeführt werden, ist die herrschende Meinung zu dieser Frage weniger streng. Nach ihr genügt es, wenn die Spitzenorganisation mit ihrem Namen unterzeichnet, und wenn sich nur zweifelsfrei aus dem Inhalt der Urkunde ergibt, daß sie als Vertreter im Sinne des § 2 Abs. 2 TVG handelt (z.B. Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 214; Nikisch, aaO, m.w.N., unter Fußnote 105).

1.4.2 Aus dem Inhalt des TV JSZ ergibt sich nichts dafür, daß der VTI – auch – im Namen der TG-DVK gehandelt hat. Zum fachlichen Geltungsbereich bestimmt § 1 Satz 1 Buchst. b lediglich, daß der Tarifvertrag fachlich „für die zur Textilindustrie gehörenden Betriebe und selbständigen Betriebsabteilungen, einschließlich Verkaufseinrichtungen” gilt. Es sind also nicht etwa die Betriebe der Kunststoffbahnenindustrie besonders genannt.

Im letzten Satz des § 1 ist zudem ausdrücklich bestimmt, daß „tarifgebunden … gemäß § 3 TVG nur die Mitglieder der vertragschließenden Parteien” sind, auf Arbeitgeberseite also nicht auch Mitglieder von den vertragschließenden Parteien vertretener anderer Verbände. Und schließlich steht dem Erfolg der Klage mit dieser Begründung ebenfalls der Umstand im Wege, daß der Kläger selbst nicht die Mitgliedschaft der Beklagten in der TV-DVK behauptet hat.

Es kann daher letztlich auf sich beruhen, ob die Vereinbarung vom 20. August 1991 die Bevollmächtigung des VTI durch die TG-DVK zum Abschluß von Tarifverträgen in ihrem Namen enthält.

1.5 Ein anderer rechtlicher Gesichtspunkt, der geeignet wäre, aus der Vereinbarung vom 20. August 1991 die Tarifgebundenheit der Mitglieder des DVK – genauer: der TG-DVK – an den TV JSZ zu begründen, ist nicht ersichtlich.

1.6 Mangels einer entstandenen Tarifgebundenheit der Beklagten an den TV JSZ stellt sich weder die Frage des Fortbestandes dieser Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 3 TVG nach der Auflösung des DVK noch die der Nachwirkung seiner Normen nach § 4 Abs. 5 TVG.

2. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf die geforderte Sonderzahlung ist nicht zur Entstehung gelangt. Schon bei der Bezugnahmeklausel in Ziff. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 30. Januar 1991/1. Februar 1991 handelt es sich um eine partielle Verweisung, nicht um eine Globalverweisung; verwiesen worden ist auf die Tarifbestimmungen der „Industriegewerkschaft Te-Be-Le” lediglich wegen der „Vergütung” des Klägers. Zudem ist diese partielle Bezugnahmeklausel in den Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. August 1993 nicht mehr aufgenommen worden. In diesem fehlt vielmehr jede Verweisung auf Tarifrecht.

3. Der Kläger kann auch nicht kraft des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes von der Beklagten die tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 1993 verlangen. Zwar kann der Gleichbehandlungsgrundsatz zu einem Anspruch auf eine Sonderzahlung führen. Er gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Er enthält zum einen das Verbot willkürlicher Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Zum anderen wird eine sachfremde Gruppenbildung untersagt (BAG Urteil vom 6. Oktober 1993 – 10 AZR 450/92 – AP Nr. 107 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Abgesehen davon daß der Kläger seine Behauptung, die Beklagte habe ausschließlich den Betriebsratsmitgliedern keine Sonderzahlung gewährt, im Berufungsrechtszug dahin relativiert hat, „besonders” der Betriebsrat sei von den von der Beklagten eingestellten Veränderungen – gemeint: bezüglich der Sonderzahlung – betroffen, hat der Kläger, der für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen die Beweislast trägt, für die von ihm vorgetragene Ungleichbehandlung in den Tatsacheninstanzen keinen Beweis angetreten.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Bott, Fieberg, Jürgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 439307

NZA 1997, 1064

AP, 0

AuA 1999, 38

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