Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf einer Pauschalierungsvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Ist einem Vertragspartner das Recht eingeräumt, einzelne Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, so handelt es sich unabhängig von der gewählten Bezeichnung um einen Widerrufsvorbehalt.

2. Der Personalrat hat nach § 72 Abs 1 Nr 8 PersVG NW kein Mitbestimmungsrecht beim Widerruf eines solchen Vorbehalts.

 

Normenkette

BGB §§ 315, 611; BMT-G § 25 Abs. 5; BMT-G 2 § 25 Abs. 5; PersVG NW § 72 Abs. 1 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.12.1983; Aktenzeichen 10 Sa 521/83)

ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 03.02.1983; Aktenzeichen 5 Ca 2481/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, eine mit dem Kläger getroffene Vereinbarung über die Vergütung der durch Wagenpflegearbeiten verursachten Überstunden ohne Beteiligung des Personalrats zu kündigen und zur tariflichen Abrechnung überzugehen.

Der Kläger ist bei der beklagten Stadt seit 1963 als Kanalarbeiter im Bereich des Tiefbauamtes beschäftigt. Nachdem er den Führerschein der Klasse II (Lkw) erworben hatte, wurde er zusätzlich als Elektrowagenfahrer eingesetzt.

Mit Schreiben vom 16. Januar 1967 bot die Beklagte dem Kläger die Pauschalentschädigung der durch Wartung und Pflege des ihm zugeteilten Fahrzeugs entstehenden Überstunden an. Danach sollte er monatlich insgesamt 22 Überstunden bezahlt erhalten. Das Schreiben, mit dessen Inhalt der Kläger sich einverstanden erklärte, hat im wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Auf Vorschlag Ihres Amtes vom 5.1.1967 gewähre

ich Ihnen hiermit für die Durchführung der notwendigen

und unumgänglichen Wartung und Pflege

des Ihnen zugeteilten Kraftfahrzeuges unter Zugrundelegung

von monatlich 22 Überstunden gemäß

§ 25 (2) des Bundesmanteltarifvertrages (BMT-G II)

vom 31.1.1962 ab 1.1.1967 eine monatliche Pauschalentschädigung

in Höhe von 117,-- DM.

==========

Berechnung der monatlichen Pauschalentschädigung:

-------------------------------------------------

Lohngruppe A II c = DM 4,08 Grundlohn

= 22 Überstunden mtl. x 4,08 DM = 89,76 DM

Zuschläge gem. § 22 (1 e) BMT-G II

= 22 x 30 % von 4,08 DM = 1,224 DM = 26,93 DM

--------insgesamt

116,69 DM

festgesetzt auf 117,-- DM

=========

Die Kündigungsfrist für die Pauschalentschädigung

beträgt 2 Wochen.

Dieses Schreiben gilt als Nachtrag zu Ihrem Arbeitsvertrag

und wird mit Ihrer Anerkennung wirksam."

In gleicher Weise gewährte die Beklagte auch anderen Arbeitnehmern eine Überstundenpauschale zu unterschiedlichen Zeitpunkten und bei den Kraftfahrern in unterschiedlicher Höhe. Vorausgegangen waren jeweils Ermittlungen bei den einzelnen Ämtern über die ständig für Wagenpflegearbeiten anfallenden Überstunden.

Mit Schreiben vom 10. Mai 1982, dem Kläger am 21. Juni 1982 zugegangen, kündigte die Beklagte die Vereinbarung über die Pauschalentschädigung zum 31. August 1982. Dieses Schreiben hat, soweit es hier interessiert, folgenden Wortlaut:

"Fortfall der Pauschalentschädigung für Überstunden;

hier: Kündigung der Nebenabrede zu

Ihrem Arbeitsvertrag

---------------------------------------------

Sehr geehrte(r) Herr B ,

mit Schreiben vom 16.1.1967 wurde - als Nebenabrede

zu Ihrem Arbeitsvertrag - eine pauschalierte

Entschädigung für zu leistende Überstunden

sowie Zeitzuschläge vereinbart, auf der Basis von

monatlich 22 Stunden.

Hiermit kündige ich die pauschale Zahlung termin und

fristgerecht zum 31.8.1982.

Künftig unvermeidbare Überstunden werden - wenn

sie nicht, wie gefordert, bis zum Ablauf der

sechsten Kalenderwoche nach ihrem Entstehen durch

entsprechende Freizeit ausgeglichen werden können nur

noch gegen Einzelnachweis vergütet.

Für durch Freizeit ausgeglichene Überstunden

werden lediglich die Zeitzuschläge gezahlt."

Die Stadt und der Personalrat konnten sich nicht über die Frage einigen, ob die Kündigung der Pauschalvereinbarung dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats unterliegt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe rechtlich eine Teilkündigung in Form einer Änderungskündigung seines Arbeitsvertrages ausgesprochen. Diese sei jedoch ohne wirksame Beteiligung des Personalrats unwirksam. Die Kündigung sei auch sozialwidrig, da sie allein zum Ziel habe, den Anspruch des Klägers auf eine übertarifliche Vergütung zu beenden. Die Pauschale habe nämlich dazu gedient, ihm eine übertarifliche Vergütung zu gewähren, weil er nach dem tariflichen Lohngruppenverzeichnis nicht höher habe eingestuft werden können. Die Pauschalabgeltung sei Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden, die nicht ohne Begründung und nur unter Beteiligung des Personalrats habe entzogen werden können.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die fristgerechte

Änderungskündigung vom 10. Mai 1982,

zugegangen am 26. Juni 1982, sozialwidrig

ist, und daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien zu unveränderten Arbeitsbedingungen

fortbesteht,

hilfsweise,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien zu den alten Bedingungen,

die bis zum 31. August 1982 gegolten

haben, fortbesteht.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, sie habe eine Änderungskündigung weder beabsichtigt noch ausgesprochen. Sie habe vielmehr mit dem Schreiben vom 10. Mai 1982 von einem zulässigerweise vorbehaltenen Widerrufsrecht hinsichtlich der Pauschalvereinbarung Gebrauch gemacht. Diese habe auch bei keinem Arbeitnehmer dazu gedient, eine übertarifliche Vergütung zu gewähren, sondern lediglich dazu, das zeitaufwendige Verfahren der Erfassung und Abrechnung individueller Überstunden nach dem Tarifvertrag zu vereinfachen und abzukürzen. Nach Einführung der elektronischen Datenverarbeitung bestehe hierzu kein Anlaß mehr. Die Pauschale sei auch - unstreitig - jeweils nur auf Anforderung der einzelnen Ämter für ganz bestimmte Arbeitnehmer gewährt worden, bei denen Überstunden regelmäßig angefallen seien. So sei es auch beim Kläger gewesen, weil das ihm zugewiesene Kraftfahrzeug einer Kolonne als Arbeitsgerät gedient und deshalb an der Arbeitsstelle während der Arbeitszeit nicht gewartet und gepflegt werden konnte. Im übrigen bestehe insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats, da die Fragen des Überstundenentgelts abschließend und vollständig im Tarif geregelt seien. Sie halte sich innerhalb des Tarifs, wenn sie von einer Pauschalentlohnung der anfallenden Überstunden auf deren genaue Abrechnung übergehe. Damit ändere sie allein das Abrechnungsverfahren.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die beklagte Stadt hat die Pauschalvergütungsvereinbarung in zulässiger Weise ohne Verletzung eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats widerrufen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe mit ihrer Erklärung vom 10. Mai 1982 keine Änderungskündigung ausgesprochen, sondern lediglich das vertraglich vorbehaltene, fristgebundene Widerrufsrecht hinsichtlich der Pauschalvergütungsvereinbarung ausgeübt. Der Widerruf habe weder gegen Gesetze oder Tarifverträge noch gegen Dienstvereinbarungen verstoßen. Die dadurch herbeigeführten Veränderungen der Arbeitsbedingungen seien auch nicht derart, daß sie dem Kläger nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) nicht mehr zugemutet werden könnten. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 74 Abs. 1 Nr. 8 LPVG-NW entfalle schon deshalb, weil die Beklagte keine Änderungskündigung ausgesprochen, sondern den vertraglich vorbehaltenen Widerruf der Pauschalabgeltung von Überstunden ausgeübt habe. Der Personalrat habe insoweit auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 3 Nr. 2 LPVG-NW, da durch die Maßnahme der Beklagten keine generelle Regelung zum Ausgleich von Mehrarbeit getroffen worden sei. Sie sei nur von der vereinfachenden Pauschalierungsabrede auf die im Tarifvertrag vorgesehene Entlohnungsform der konkreten Einzelabrechnung übergegangen. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats entfalle auch deshalb, weil die Vergütung von Mehrarbeit in den §§ 17 und 25 Abs. 5 BMT-G II abschließend und aus sich heraus praktisch handhabbar geregelt sei. Eine Öffnungsklausel für eine Dienstvereinbarung sei zwischen den zuständigen Tarifvertragsparteien nicht vereinbart worden.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, das rechtlich unbedenklich von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen ist (BAG Urteil vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT; BAGE 38, 69 = AP Nr. 7 zu § 17 BAT), halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis und in der Begründung stand.

1. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 10. Mai 1982 keine Teilkündigung des Arbeitsvertrages ausgesprochen, sondern lediglich den vertraglich vorbehaltenen Widerruf der Vereinbarung vom 16. Januar 1967 über die Pauschalabrechnung etwa anfallender Überstunden ausgeübt.

a) Das Schreiben vom 10. Mai 1982 ist zwar, nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien, in gleichem oder ähnlichem Wortlaut mehr als 50 Arbeitnehmern der Beklagten übersandt worden. Gleichwohl handelt es sich dabei um sogenannte nicht typische Willenserklärungen, deren Auslegung durch den Tatrichter seitens des Revisionsgerichts nur dahin überprüft werden kann, ob dieser dabei die Vorschriften des materiellen Rechts, insbesondere die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB beachtet hat, ob er gegen Gesetze der Logik oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat und ob bei der Auslegung alle dafür wesentlichen Begleitumstände berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 22, 424 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB). Solche Mängel sind hier weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen worden.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt vieler BAGE 40, 199, 206 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung) ist entscheidendes Merkmal der Teilkündigung - wie bei jeder Kündigung des Arbeitsverhältnisses - die einseitige Veränderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei. Gegenüber der Kündigung unterscheidet sich die Teilkündigung lediglich dadurch, daß die Kündigung das Arbeitsverhältnis in seinem ganzen Bestand erfaßt, mit der Teilkündigung dagegen eine Vertragspartei sich unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im übrigen nur von einzelnen Rechten oder Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis lösen will. Eine solche Teilkündigung ist grundsätzlich unzulässig, weil durch sie das von den Parteien vereinbarte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge gestört wird und sie nicht darauf Rücksicht nimmt, daß Rechte und Pflichten der Parteien in vielfachen inneren Beziehungen stehen; durch die Teilkündigung entzieht sich somit eine Vertragspartei der Vertragsbindung, ohne gleichzeitig auf ihre Rechte aus der Bindung der anderen Partei zu verzichten. Ist hingegen - wie vorliegend - einem Vertragspartner das Recht eingeräumt, einzelne Vertragsbedingungen einseitig zu ändern, so handelt es sich unabhängig von der gewählten Bezeichnung um einen Widerrufsvorbehalt. Dieser kann seine Rechtsgrundlage im Arbeitsvertrag selbst, aber auch in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag haben. Die Vereinbarung eines solchen Widerrufsvorbehaltes ist auch grundsätzlich rechtlich zulässig. Sie ist nur dann gemäß § 134 BGB nichtig, wenn sie zur Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes führt. Das wird in aller Regel der Fall sein, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wird. Die Ausübung des vereinbarten Widerrufs hat gemäß § 315 BGB allerdings nach billigem Ermessen zu erfolgen (BAG Urteil vom 7. Januar 1971 - 5 AZR 92/70 - AP Nr. 12 zu § 315 BGB).

c) Vorliegend haben sich die Arbeitsvertragsparteien in der Pauschalvereinbarung ausdrücklich - unter Einhaltung einer Frist - das Recht zu deren "Kündigung" vorbehalten. Die Pauschale ist jedoch, wie der unstreitige Sachverhalt ergibt, in einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit festgelegt worden. Durch den "Kündigungsvorbehalt" sollte danach ersichtlich der weiteren Entwicklung in der Zukunft Raum gelassen werden, so daß Veränderungen berücksichtigt werden können, ohne jeweils das Arbeitsverhältnis insgesamt in Frage zu stellen. Damit liegt hier aber in Wahrheit der Vorbehalt eines Widerrufs einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vor.

d) Soweit die Revision geltend macht, die Vereinbarung stelle keine arbeitsvertragliche Nebenabrede, sondern eine Änderung/Ergänzung des Arbeitsvertrages selbst dar, weil der Kläger neue, zusätzliche Arbeitspflichten übernommen habe, übersieht sie, daß die Vereinbarung vom 16. Januar 1967 sich nicht über den Umfang der Arbeitspflichten verhält, sondern lediglich über eine nach dem Tarifvertrag (§ 25 Abs. 5 BMT-G II, § 7 BZT-G/NRW zu § 25 Abs. 5 BMT-G II) zulässige Vereinbarung, anfallende Überstunden pauschal zu vergüten. Diese Vereinbarung begründet also keine neuen Arbeitspflichten des Klägers, insbesondere verpflichtet sie ihn nicht Überstunden zu leisten, sondern setzt diese gerade voraus und ersetzt das langwierige Abrechnungsverfahren im Interesse beider Parteien durch eine auf den Erfahrungswerten der Vergangenheit beruhenden Pauschalregelung. Gegen die Auffassung der Revision spricht auch § 7 BZT-G/NRW zu § 25 Abs. 5 BMT-G II, wonach wegen der Verschiedenartigkeit der betrieblichen Verhältnisse zwar von einer bezirklichen Regelung abgesehen wird, die Einzelheiten aber betrieblich oder durch Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vereinbart werden können. Daraus folgt somit eindeutig, daß die Tarifvertragsparteien die Regelung der Einzelheiten der Pauschalabrechnung von Überstunden einer arbeitsvertraglichen Nebenabrede zugewiesen haben.

e) Auch soweit die Revision darauf abstellt, durch den Widerruf der Vereinbarung vom 16. Januar 1967 habe die Beklagte insgesamt ihre Pflicht zur Zahlung der pauschalen Vergütung unter gleichzeitigem Wegfall der korrespondierenden Arbeitsverpflichtung des Klägers beseitigt, kann ihr nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat nämlich nicht etwa den Kläger von der Pflege und Wartung des ihm anvertrauten Kraftfahrzeuges entbunden, sondern rechnet lediglich die dadurch tatsächlich anfallenden Überstunden nach dem im Tarifvertrag in erster Linie vorgesehenen Verfahren ab, nämlich durch Freizeitausgleich zuzüglich Zeitzuschlägen.

2. Gegen den Vorbehalt des Widerrufs bestehen im Streitfall auch sonst keine rechtlichen Bedenken. Soweit keine zwingende gesetzliche oder tarifliche Norm entgegensteht, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre vertraglichen Beziehungen in gegenseitigem Einvernehmen regeln. Solche entgegenstehenden Normen sind vorliegend nicht vorhanden, insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 138 BGB vor. Es mag zwar richtig sein, daß der Kläger, wie die Revision ausführt, im Laufe der Zeit unabhängig davon, ob er tatsächlich durchschnittlich 22 Überstunden geleistet hat, mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe der Pauschalvergütung gerechnet hat. Es ist deshalb aber nicht sittenwidrig, wenn die Parteien sich vorbehalten, die pauschale Vergütung der Überstunden widerrufen zu können, um zu der tarifvertraglich in erster Linie vorgesehenen konkreten Abrechnung überzugehen. Der Widerrufsvorbehalt dient auch nicht der Umgehung des zwingenden Kündigungsschutzes (§ 134 BGB). Seine Ausübung entzieht dem Kläger schließlich nicht die Vergütung für von ihm geleistete Überstunden, sondern führt lediglich zu deren tarifgemäßer Vergütung durch Freizeit und Zeitzuschläge oder, soweit Freizeit nicht innerhalb der tariflichen Sechs-Wochen-Frist (§ 17 Abs. 4 BMT-G II) gewährt werden kann, zur tariflichen Überstundenvergütung.

3. Schließlich widerspricht der von der Beklagten ausgesprochene Widerruf der Pauschalierungsvereinbarung auch nicht billigem Ermessen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG Urteil vom 7. Januar 1971 - 5 AZR 92/70 - AP Nr. 12 zu § 315 BGB; BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAGE 40, 199, 207 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung, jeweils m. w. N.) hat die Ausübung eines zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarten Widerrufs gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Ob eine Maßnahme billigem Ermessen entspricht, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles, nicht aber hypothetisch untersucht werden. Die beiderseitige Interessenlage ist gegeneinander abzuwägen, d.h. der widerrufende Arbeitgeber darf nicht nur seine eigenen Interessen im Auge haben (vgl. BAG Urteil vom 7. September 1972 - 5 AZR 12/72 - AP Nr. 2 zu § 767 ZPO; BAG Urteil vom 15. Dezember 1976 - 5 AZR 600/75 - AP Nr. 3 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag = EzA § 613 a BGB Nr. 10).

b) Im Streitfall ist ein Verstoß gegen diese aufgezeigten Grundsätze nicht erkennbar. Vor allem kann nicht übersehen werden, daß die Beklagte die pauschale Vergütung der Überstunden nicht mit sofortiger Wirkung oder nur unter Einhaltung der Mindestfrist widerrufen hat, sondern mit einer Auslauffrist von über einem Monat. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger gar keinen Anspruch auf Leistung von Überstunden in einem bestimmten Umfang hat und die Pauschalvereinbarung auch keine verdeckte Lohnerhöhung ohne Gegenleistung darstellte. Entgegen der Auffassung der Revision gibt die Vereinbarung vom 16. Januar 1967 dem Kläger nämlich keinen Anspruch auf Mehrarbeit/Überstunden, sondern setzt diese voraus und regelt lediglich deren Abrechnung im Einklang mit den tariflichen Vorgaben. Wie die durch die Eigenart der übertragenen Aufgaben entstehenden Überstunden abgerechnet werden, hat der Tarifvertrag (§ 7 S. 2 BZT-G/NRW) ausdrücklich einer betrieblichen Vereinbarung oder einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag überlassen. Hier haben die Arbeitsvertragsparteien eine solche Nebenabrede getroffen mit ausdrücklichem befristeten Widerrufsvorbehalt. Auch aus dem Wortlaut des Schreibens vom 16. Januar 1967 und den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß die Beklagte mit der Pauschalierungsabrede nicht nur von ihren Rechten nach § 25 Abs. 5 BMT-G II, § 7 BZT-G/NRW Gebrauch machen wollte, sondern dem Kläger eine verdeckte Lohnerhöhung gewährte. Ob die Beklagte die Wartungs- und Pflegeleistungen außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit, also in Überstunden, erbringen läßt oder die Zahl der Überstunden zu vermindern sucht, steht weitgehend in ihrem Ermessen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, für diese Arbeiten Überstunden leisten zu können, besteht nicht. Die Tarifvertragsparteien haben im Gegenteil durch § 17 Abs. 1 BMT-G II, wonach Überstunden auf dringende Fälle zu beschränken sind, deutlich gemacht, daß derartige Mehrarbeiten nur in Ausnahmefällen geleistet werden sollen (vgl. auch Scheuring/Lang, Kommentar zum BMT-G II, Stand 1. Oktober 1986, § 17 Erl. 2). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur erwarten kann, die jeweils im Tarifvertrag verpflichtend festgelegten Leistungen zu erhalten (vgl. statt vieler Urteil des Senats vom 13. November 1986 - 6 AZR 567/83 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, m. w. N.).

4. Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beklagte bei dem Widerruf der Pauschalvereinbarung ohne Mitwirkung des Personalrats auch nicht dessen Mitbestimmungsrechte verletzt.

a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, entfällt ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 72 Abs. 1 Nr. 8 LPVG NW, da es sich hier nicht um eine "ordentliche Kündigung" der Pauschalvereinbarung handelt, sondern, wie bereits ausgeführt, um deren Widerruf. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 8 LPVG-NW hat der Personalrat in Personalangelegenheiten bei einer ordentlichen Kündigung mitzubestimmen. Kündigung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch nur die vom Arbeitgeber fristgerecht ausgesprochene Kündigung mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder dessen Fortsetzung zu veränderten Bedingungen (vgl. Havers, Landespersonalvertretungsgesetz NW, 5. Aufl. 1982, § 72 Erl. 18; Krieg/Orth/Welkoborsky, Landespersonalvertretungsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1982, § 72 Erl. 17). Es ist zwar richtig, daß der Kläger möglicherweise durch den Übergang von der Pauschalabgeltung zur konkreten im Tarifvertrag vorgesehenen Abrechnung der Mehrarbeit hierfür weniger "Entgelt" erhält, weil die Tarifvertragsparteien in erster Linie Freizeitausgleich vorgesehen haben. Die Revision übersieht jedoch, daß Wartungs- und Pflegearbeiten in Zukunft nicht entfallen, vielmehr weiterhin vom Kläger wahrgenommen werden müssen. Es geht mithin nicht um die Änderung des Leistungsumfangs, sondern um die Rückkehr zu dem tarifvertraglich in erster Linie vorgesehenen Abrechnungsverfahren für die nach wie vor vom Kläger zu erbringende Leistung.

b) Entgegen der Auffassung der Revision besteht auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 72 Abs. 3 Nr. 2 und 5 LPVG-NW.

aa) In den Fällen des § 72 Abs. 3 LPVG-NW hat der Personalrat mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dem insoweit gleichlautenden § 87 Abs. 1 BetrVG ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für die dort geregelten Mitbestimmungstatbestände insoweit ausgeschlossen, als die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung getroffen haben, nicht aber dann, wenn der Tarifvertrag insgesamt oder in einzelnen Punkten nur ergänzungsbedürftige Rahmenvorschriften gibt oder die Mitbestimmung des Betriebsrats zur weiteren Durchführung einer von den Tarifvertragsparteien geregelten Angelegenheit vorsieht (vgl. BAGE 36, 148, 156 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; BAG Beschluß vom 3. April 1979 - 6 ABR 29/77 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 18. März 1976 - 3 ABR 32/75 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG Altersversorgung). Ob die Tarifvertragsparteien Raum für ergänzende betriebliche Regelungen lassen wollten, muß aus den einschlägigen tariflichen Regelungen unmißverständlich zu entnehmen sein, wenn nicht der Tarifvertrag einen ausdrücklichen Hinweis gibt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist danach ausgeschlossen wegen des vom Gesetzgeber gewollten Tarifvorrangs, wenn die tarifliche Regelung einigermaßen vollständig ist (vgl. BAG Urteil vom 6. Juli 1962 - 1 AZR 488/60 - AP Nr. 7 zu § 37 BetrVG = AR-Blattei, Betriebsverfassung X, Entscheidung Nr. 12). Es genügt, wenn sie aus sich heraus praktisch handhabbar ist (BAG Urteil vom 8. Februar 1963 - 1 AZR 543/61 - AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG Akkord; BAGE 16, 31, 35, 36 = AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG Akkord; BAGE 36, 148, 156 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, jeweils m. w. N.).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat in § 17 BMT-G II zutreffend eine abschließende Regelung der mit der Anordnung, Leistung und Vergütung von Überstunden verbundenen Fragen gesehen.

Die dort vereinbarten Regelungen sind vollständig und erfassen, insbesondere wenn man die dazu ergangenen Protokollerklärungen einbezieht, alle denkbaren, bei der Abwicklung von erforderlichen Überstunden auftretenden Fragen, auch solche im Bereich der Vergütung. Zwar können nach § 25 Abs. 5 BMT-G II die Löhne für Überstunden, Mehrarbeit und Arbeitsbereitschaft sowie die Lohnzuschläge bezirklich, betrieblich oder durch Einzelarbeitsvertrag pauschaliert werden. Diese Regelung stellt jedoch keine Öffnungsklausel für betriebliche Regelungen im vorgenannten, Mitbestimmungsrechte auslösenden Sinne dar. Für den Geltungsbereich des Landes Nordrhein-Westfalen haben die Tarifvertragsparteien in § 7 des BZT-G/NRW zwar ausdrücklich von bezirklichen Regelungen nach § 25 Abs. 5 BMT-G II abgesehen. Wie sich jedoch aus § 62 BMT-G II, der dazu vereinbarten Protokollerklärung sowie aus § 14 Abs. 3 BZT-G/NRW ergibt, können solche betrieblichen Regelungen aber nicht in Form von Dienstvereinbarungen, also zwischen Personalrat und Arbeitgeber abgeschlossen werden, sondern nur zwischen den Tarifvertragsparteien. Die Tarifvertragsparteien haben mithin hinsichtlich der Abrechnung von Mehrarbeit (entweder in konkreter Form oder in Form einer Pauschalvereinbarung) eine abschließende, nicht ergänzungsbedürftige Regelung getroffen; sie haben es den Arbeitsvertragsparteien überlassen, welche Gestaltungsform sie wählen wollen. Für die Mitbestimmung des Personalrats ist dann aber kein Raum mehr.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Hohnheit Ziegenhagen

 

Fundstellen

Haufe-Index 440622

EzBAT § 35 BAT, Nr 3 (ST1-2)

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