Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiserhebungsverbot bei nicht offenbartem Mithörenlassen eines Telefongesprächs

 

Normenkette

GG Art. 1-2; BGB § 276

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 26.05.1997; Aktenzeichen 19 Sa 66/97)

ArbG Iserlohn (Urteil vom 03.09.1996; Aktenzeichen 2 Ca 2928/95)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Mai 1997–19 Sa 66/97 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert Schadensersatz wegen behaupteten schuldhaften Verhaltens der Beklagten bei Verhandlungen über den Abschluß eines Arbeitsvertrages.

Aufgrund einer Vermittlung durch das Arbeitsamt stellte sich die Klägerin am 1. August 1995 bei dem Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten, Herrn S., vor. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin noch anderweitig beschäftigt. Am 5. und 14. August 1995 kam es zu weiteren Gesprächen, deren Inhalt im wesentlichen streitig ist. Unstreitig ist nur, daß Herr S. der Klägerin am 5. August fernmündlich zum Geburtstag gratulierte. Am 14. August kündigte die Klägerin ihr damaliges Arbeitsverhältnis zum 15. August 1995. Die Kündigung wurde mit Schreiben vom 18. August 1995 zum 15. August bestätigt.

In einem weiteren Gespräch teilte Herr S. der Klägerin mit, daß eine Einstellung nicht erfolgen werde. Seit dem 28. August 1995 ist die Klägerin anderweitig beschäftigt.

Die Klägerin hat zuletzt die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr Schadensersatz in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen ihrem Einkommen bei dem früheren Arbeitgeber und beim jetzigen Arbeitgeber für den Zeitraum vom 28. August 1995 bis zum 26. Mai 1997 zu leisten.

Sie hat behauptet, Herr S. habe ihr in dem Telefonat am 5. August 1995 nicht nur zum Geburtstag, sondern auch „zum neuen Job” gratuliert, wobei sich diese Zusage auf ein Bruttoeinkommen in Höhe von 3.200,– DM bezogen habe. Er habe sie im Verlaufe dieses Telefonats aufgefordert, am folgenden Samstag den Arbeitsvertrag abzuholen. Den Inhalt des Gesprächs hätten ihre Eltern mitangehört. Insofern ist unstreitig, daß die Klägerin Herrn S. vom Mithören nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Am 12. August 1995 habe Herr S. ihr mitgeteilt, der Arbeitsvertrag sei noch nicht fertig. Sie solle bei ihrem Arbeitgeber aber schon kündigen. Als sie Herrn S. in einem weiteren Gespräch am 15. August 1995 über ihre Kündigung informiert habe, habe er ihr gesagt, er wolle sie nicht mehr einstellen. Seit dem 28. August 1995 erziele sie ein Bruttoeinkommen in Höhe von 2.942,– DM. Das Bruttoeinkommen bei dem vorherigen Arbeitgeber habe 3.658,– DM betragen.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.026,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16. September 1995 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den von der Klägerin dargelegten Inhalt des Gesprächs am 5. August 1995 bestritten. Hierzu hat sie behauptet, Herr S. habe der Klägerin mitgeteilt, erwarte noch auf den Eingang weiterer Informationen. Ein weiteres Gespräch sei für den 12. August 1995 vereinbart, jedoch später auf den 14. August 1995 verschoben worden. An diesem Tage habe Herr S. der Klägerin gesagt, er wolle noch ein Gespräch mit ihrem bisherigen Arbeitgeber führen und sich dann noch einmal mit ihr in Verbindung setzen. Erst am 19. August 1995 sei der Klägerin mitgeteilt worden, daß sie nicht eingestellt werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch in Höhe von 14.400,– DM weiter, den sie mit der Forderung von 716,– DM für 21 Monate begründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Vortrag der Klägerin sei schlüssig, sie sei jedoch beweisfällig geblieben. Hinsichtlich ihres Beweisangebots für den Inhalt des Gesprächs am 5. August 1995 bestehe ein Beweiserhebungsverbot, denn die benannten Zeugen hätten den Inhalt des Gesprächs aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erlangt. Eine Abwägung des gegen die Verwertung sprechenden Persönlichkeitsrechts mit dem dafür sprechenden Interesse an der Beweiserhebung führe hierzu einem Beweiserhebungsverbot. Zum einen habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, darauf hinzuweisen, daß ihre Eltern das Gespräch mitverfolgten. Zum anderen wäre es ihr möglich gewesen, um eine schriftliche Bestätigung zu bitten. Für ihre Behauptung, sie sei am 12. August 1995 aufgefordert worden, ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zu kündigen, fehle es bereits an einem Beweisangebot der Klägerin.

II. Der Klägerin steht der geltend gemachte Betrag aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Verschuldens bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) nicht vor. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis für die behauptete Zusage nicht geführt. Die Vernehmung der Eltern der Klägerin ist vom Berufungsgericht zu Recht unterlassen worden. Es besteht ein Beweiserhebungsverbot. Denn die Klägerin hat durch das heimliche Mithörenlassen das Persönlichkeitsrecht des Ehemannes der Geschäftsführerin der Beklagten verletzt.

1. Das heimliche Mithörenlassen von Gesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder Vorgesetzten ist im Grundsatz unzulässig. Das hierdurch heimlich erlangte Wissen darf im Regelfall nicht im gerichtlichen Verfahren verwertet werden. Denn auch bei Telefonaten im geschäftlichen Bereich besteht eine Offenbarungspflicht desjenigen, der Dritte mithören lassen will. Auch bei Dienstgesprächen ist die Vertraulichkeit des Wortes nicht ausgeschlossen. Im Regelfall hat der Gesprächspartner, der einen Dritten mithören lassen will, auch im dienstlichen Bereich keinen anerkennenswerten Grund, dies heimlich zu tun, weil es ihm regelmäßig auch ohne Gefährdung seiner Interessen möglich ist, dem Gesprächspartner mitzuteilen, daß eine dritte Person mithört (BAG Urteil vom 29. Oktober 1997–5 AZR 508/96 – AP Nr. 27 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

Das von einer Partei rechtswidrig erlangte Beweismittel darf grundsätzlich nicht zu ihren Gunsten verwertet werden. In der gerichtlichen Verwertung von Kenntnissen und Beweismitteln, die unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht erlangt sind, liegt regelmäßig ein erneuter Eingriff in das durch Art. 1, 2 GG geschützte Persönlichkeitsrecht (BVerfG Beschluß vom 19. Dezember 1991 – 1 BvR 382/85 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht = NJW 1992, 815, zu II 2 a der Gründe). Es entspricht einem allgemeinen Rechtsprinzip, die Ausnutzung eines rechtswidrig herbeigeführten Zustandes zu versagen und diesen Zustand zu beseitigen (§§ 12, 862, 1004 BGB analog). Hätten die Gerichte die unzulässig erlangten Beweismittel zu beachten, bliebe der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des heimlich abgehörten Gesprächspartners im wesentlichen ohne rechtlichen Schutz (BAG Urteil vom 2. Juni 1982 – 2 AZR 1237/79 – BAGE 41, 37 = AP Nr. 3 zu § 284 ZPO). Nur in Ausnahmefällen kann die Abwägung ergeben, daß die Verwertung eines unter Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners erworbenen Beweismittels zulässig ist (BAG Urteil vom 29. Oktober 1997, a.a.O., zu IV der Gründe).

2. Das Berufungsgericht ist zu dem Abwägungsergebnis gelangt, daß die Klägerin das rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht verwerten darf. Diese Abwägung begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht hat die wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Klägerin hat keinen triftigen Grund vorgetragen, der es hätte rechtfertigen können, den Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten nicht darüber zu informieren, daß ihre Eltern mithörten. Jedenfalls genügt allein bloßes Vergessen nicht als rechtfertigender Grund. Zudem hätte die Klägerin ohne weiteres um eine schriftliche Bestätigung bitten können, was im Hinblick auf eine erforderliche Kündigung ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses auch nahegelegen hätte.

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. E. Vesper, P. Knospe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254613

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