Entscheidungsstichwort (Thema)

Lebensversicherung für eine Übergangszeit

 

Leitsatz (amtlich)

  • Eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) setzt voraus, daß die Lebensversicherung von dem Arbeitgeber auf das Beben des Arbeitnehmers abgeschlossen wurde. Der Arbeitgeber muß Versicherungsnehmer sein. Schließt der Arbeitnehmer die Lebensversicherung im eigenen Namen ab, so liegt keine Direktversicherung vor. Auf eine solche Versicherung findet das Betriebsrentengesetz keine Anwendung. Dies gilt auch, wenn die Versicherung im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages abgeschlossen wird.
  • Die Regelung des § 4 Abs. 3 bis 5 des Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Bordpersonal der LTU, nach der der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein unwiderrufliches Kündigungs- und Bezugsrecht der Versicherung einräumt, falls der Arbeitnehmer vor Vollendung des 55. Lebensjahres kündigt, ist wirksam. Sie verstößt weder gegen das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 GG) noch gegen zwingende Vorschriften des Kündigungsrechts (§ 622 Abs. 5 BGB).
 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1, 2 S. 1, § 17 Abs. 3 S. 3; GG Art. 12; BGB § 622 Abs. 5; Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Bordpersonal der LTU vom 22. September 1986

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 29.01.1991; Aktenzeichen 8 Sa 1372/89)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 04.10.1989; Aktenzeichen 3 Ca 3103/89)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 1991 – 8 Sa 1372/89 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Leistungen aus einer Lebensversicherung dem Kläger oder der Beklagten zustehen.

Der am 8. Mai 1936 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, seit 1968, zuletzt als Verkehrsflugzeugführer mit Kapitänsvergütung, beschäftigt. Aufgrund eigener ordentlicher Kündigung schied er im Alter von 52 Jahren mit Ablauf des 31. Dezember 1988 aus.

Auf das Arbeitsverhältnis waren die Tarifverträge, die zwischen der Deutschen Angestelltengewerkschaft und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrtunternehmen für das Bordpersonal abgeschlossen worden sind, anzuwenden. Nach § 47 des Manteltarifvertrages Nr. 3 für das Bordpersonal der LTU vom 1. Oktober 1985 (MTV) endet das Arbeitsverhältnis dieser Arbeitnehmer mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat.

Für die Zeit zwischen dem Beginn des 61. und der Vollendung des 65. bzw. 63. Lebensjahres haben die Tarifvertragsparteien eine Übergangsversorgung eingerichtet. Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages Übergangsversorgung für das Bordpersonal der LTU vom 22. September 1986 (TV-ÜV) können die Arbeitnehmer der Beklagten im Rahmen eines zwischen der Beklagten und der Magdeburger Lebensversicherungs AG abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages eine Versicherung für den Erlebensfall mit Beitragsrückgewähr im Todesfall abschließen. Die Prämie zahlt der Arbeitgeber. Den Arbeitnehmern werden die hierauf fälligen Steuern und Sozialabgaben einbehalten. Gemäß § 9 Satz 1 TV-ÜV werden für den Zeitraum von 10 Jahren 37 % der jährlichen Versicherungsprämien mit den Gehaltstarifabschlüssen des folgenden Kalenderjahres kostenneutral verrechnet. Nach § 4 TV-ÜV ist dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein unwiderrufliches Bezugs- und Kündigungsrecht einzuräumen. Die Vorschrift lautet, soweit hier von Bedeutung:

  • “…
  • Bei Abschluß des Versicherungsvertrages räumt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein unwiderrufliches Bezugs- und Kündigungsrecht nach folgender Maßgabe ein:

    Der Arbeitgeber hat für den Rückkaufsfall ein unwiderrufliches Bezugsrecht in Höhe von 63 % des Rückkaufswertes. Das Bezugsrecht des Arbeitgebers bezieht sich auch auf die entsprechenden Gewinnanteile. Für den aufgrund dieses Bezugsrechts auf den Arbeitgeber entfallenden Teil des Rückkaufswertes einschließlich der entsprechenden Gewinnanteile hat der Arbeitgeber ein eigenes Kündigungsrecht.

    Der Arbeitgeber ist berechtigt, dieses Kündigungsrecht in folgenden Fällen auszuüben:

    • bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf Grund einer Kündigung des Arbeitnehmers;
    • bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf Grund einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) bzw. einer in diesem Zusammenhang hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, sofern die Kündigung durch rechtskräftiges Urteil bestätigt ist. Bei Obsiegen des Arbeitgebers in der 1. Instanz ruht die Versicherung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens, hat er die Prämien für den Zeitpunkt des Ruhens der Versicherung nachzuentrichten;
  • Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, von dem in § 4, Abs. 3 eingeräumten Bezugs- und Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahres endet.
  • Im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages wird der Rückkaufswert einschließlich der Gewinnanteile zu 63 % an den Arbeitgeber und zu 37 % an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Der Arbeitnehmer kann jedoch mit dem Versicherer die Fortführung des Versicherungsvertrages vereinbaren.
  • …”

Nach § 6 Abs. 2 des zwischen der Beklagten und der Magdeburger Lebensversicherungs AG abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bei Abschluß der Versicherung ein § 4 Abs. 3 bis 5 TV-ÜV entsprechendes Bezugsund Kündigungsrecht einzuräumen.

Der Kläger machte von der Möglichkeit der Übergangsversorgung Gebrauch und schloß am 24. September 1986 rückwirkend zum 1. Januar 1986 eine entsprechende Lebensversicherung im Rahmen des Gruppenversicherungsvertrages ab.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1988 teilte die Magdeburger Lebensversicherungs AG dem Kläger mit Schreiben vom 31. Januar 1989 mit, daß die Beklagte unter Berufung auf § 6 Abs. 2 des Gruppenversicherungsvertrages 63 % des Wertes der Versicherung beanspruche. Der Beklagten wurden der Teilrückkaufswert in Höhe von 29.643,40 DM sowie anteilige Überschußanteile in Höhe 2819,-- DM gutgeschrieben. Der Kläger führte die Versicherung als Einzelversicherung weiter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihr Bezugsrecht nicht ausüben dürfen. Die Anwartschaft des Klägers auf Leistungen aus der Lebensversicherungs sei nach § 1 Abs. 1 und 2 BetrAVG unverfallbar geworden. Die tarifvertragliche Regelung und die Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages über das Bezugs- und Kündigungsrecht des Arbeitgebers seien deshalb nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG unwirksam. Im übrigen enthielten diese Regelungen eine unzulässige Kündigungserschwerung.

Der Kläger hat seinen durch die seiner Meinung nach unberechtigte Ausübung des Bezugsrechts durch die Beklagte entstandenen Schaden wie folgt berechnet: Die Versicherungssumme für Kapitäne von 200.000,-- DM müsse mit dem Unverfallbarkeitsfaktor von 20/28 (tatsächliche Betriebszugehörigkeit: 20 Jahre, erreichbare Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres: 28 Jahre) multipliziert werden. Zu dem so errechneten Betrag von 142.857,-- DM seien die Gewinnanteile hinzuzurechnen und der von der Versicherung anerkannnte Betrag von 75.259,-- DM abzuziehen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte ihm aus dem Übergangsversorgungstarifvertrag vom 22. September 1986 in Verbindung mit dem Lebensversicherungsvertrag mit der Magdeburger Lebensversicherungs AG Hannover unverfallbar die versicherungsvertragsgemäßen Leistungen von DM 142.857,-- zuzüglich der dem Kläger zustehenden Gewinnanteile und abzüglich der unstreitigen und von der Magdeburger Lebensversicherungs AG dem Kläger gegenüber anerkannten Deckung von DM 75.259,-- schuldet.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, § 1 Abs. 2 BetrAVG sei nur dann anwendbar, wenn eine Lebensversicherung durch den Arbeitgeber auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossen worden sei. Außerdem laufe die Zusage des Arbeitgebers auf eine Art Treueprämie hinaus. Von Anfang an seien dem Arbeitnehmer nur 37 % der Versicherungsleistung fest zugesagt worden, während die übrigen 63 % nur unter besonderen Bedingungen an den Arbeitnehmer weitergegeben werden sollten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten keinen Ersatz für Versicherungsleistungen verlangen, die ihm dadurch entgangen sind, daß die Beklagte ihr Kündigungs- und Bezugsrecht ausgeübt hat. Ein hierauf zielender Anspruch kommt als Schadenersatz wegen positiver Vertragsverletzung (§§ 280, 286, 249 BGB) oder, soweit die Beklagte Versicherungsleistungen erhalten hat, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Betracht. Beide Ansprüche setzen voraus, daß die Beklagte das Kündigungs- und Bezugsrecht nicht ausüben durfte. Das ist jedoch nicht der Fall; die Beklagte handelte rechtmäßig.

1. Der Beklagten stand ein Kündigungs- und Bezugsrecht zu.

a) Die Beklagte war nach § 4 Abs. 3 bis 5 TV-ÜV gegenüber dem Kläger berechtigt, das Kündigungsrecht hinsichtlich des ihr unwiderruflich eingeräumten Bezugsrechtes in Höhe von 63 % des Rückkaufwertes auszuüben; denn das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung des Klägers vor Vollendung seines 55. Lebensjahres.

b) Die Befugnis der Beklagten ergibt sich mit Wirkung gegenüber dem Kläger auch aus dessen Versicherungsvertrag. Dieser wurde zu den Bedingungen des Gruppenversicherungsvertrags abgeschlossen.

2. Diese Vereinbarungen verstoßen nicht gegen zwingende Grundsätze des Betriebsrentengesetzes. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis richtig entschieden.

a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer mindestens das 35. Lebensjahr vollendet hat und entweder die Versorgungszusage für ihn mindestens 10 Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens 12 Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage mindestens 3 Jahre bestanden hat. Ist für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung abgeschlossen und sind der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt (Direktversicherung), so ist der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG verpflichtet, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen das Bezugsrecht nicht mehr zu widerrufen. Diese Grundsätze über die Unverfallbarkeit gemäß § 1 BetrAVG enthalten Mindestbedingungen und sind zwingendes Recht. Von ihnen kann zu Ungunsten des Arbeitsnehmers weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich abgewichen werden (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG).

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Betriebsrentengesetz sei nicht anwendbar. Die Beklagte habe keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zugesagt. Zweck der vorliegenden Lebensversicherung sei nicht die Versorgung im Alter, bei Invalidität oder Tod, sondern eine Versorgung während der Übergangszeit zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der gesetzlichen Altersrente bzw. der vorgezogen Altersrente.

Gegen diese Auffassung besgehen Bedenken. Der Senat kann aber offenlassen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft.

Welche Leistungen des Arbeitgebers solche der betrieblichen Altersversorgung sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Hiernach sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die wegen eines Arbeitsverhältnisses zugesagt werden. Zum Begriff der betrieblichen Altersversorgung gehören mithin das Versprechen einer Leistung zum Zweck der Versorgung, ein die Versorgungsleistung auslösendes biologisches Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod, sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses. Das ist ständige Rechtsprechung des Senats (vgl. BAGE 34, 242, 245 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG, zu I 1 der Gründe; Urteil des Senats vom 26. April 1988 – 3 AZR 411/86 – AP Nr. 45 zu § 7 BetrAVG, zu I 1a der Gründe, m.w.N.; zuletzt Urteil vom 26. Juni 1990, BAGE 65, 215, 219 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung, zu I 1 der Gründe).

Diese Voraussetzungen erfüllt ein Übergangsgeld in der Regel nicht, das für den Verlust eines Arbeitsplatzes “übergangsweise” bis zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses oder zur Erleichterung des Übergangs in den Ruhestand gezahlt wird (vgl. BAG Urteil vom 5. Februar 1981 – 3 AZR 748/79 – AP Nr. 188 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I der Gründe; BAG Urteil vom 26. April 1988 – 3 AZR 411/86 –, aaO, zu I 1b der Gründe). Ein solches Übergangsgeld dient nicht der Versorgung im Alter.

Die Besonderheit der vorliegenden Übergangsversorgung ist allerdings, daß für das Bordpersonal das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 60. Lebensjahres endet (§ 47 MTV). Die Bordpersonalangehörigen der Beklagten können mit 60 Jahren auch bei einem anderen Luftfahrtunternehmen keine Anstellung mehr finden. Denn nach § 41 Abs. 1 Satz 2 der “Betriebsordnung für Luftfahrtgerät” vom 4. März 1970 (BGBl I S. 262) sollen Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 Jahre nicht mehr eingesetzt werden. Damit beginnt für Bordpersonalangehörige allgemein mit 60 Jahren eine Art “vorgezogener Ruhestand”. Die Übergangsversorgung für das Bordpersonal der Beklagten könnte daher auch eine Versorgung im Alter bezwecken.

c) Das Betriebsrentengesetz ist aus anderen Gründen nicht anwendbar. Es handelt sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung. Die Lebensversicherung wurde nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossen.

Von den im Betriebsrentengesetz geschützten Formen der betrieblichen Altersversorgung kommt vorliegend nur die Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 BetrAVG in Betracht. Nach dieser Vorschrift liegt eine Direktversicherung vor, wenn eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Danach muß die Lebensversicherung vom Arbeitgeber abgeschlossen werden; er muß Versicherungsnehmer sein. Nur dann handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung. Ist die Lebensversicherung von dem Arbeitnehmer im eigenen Namen abgeschlossen worden, so liegt keine Direktversicherung vor. Auf eine solche Lebensversicherung ist das Betriebsrentengesetz nicht anwendbar (vgl. Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., Band I, § 1 Rz 279; Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 235).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Versicherungsvertrag abgeschlossen. Er ist Versicherungsnehmer geworden. Dem steht nicht entgegen, daß der Arbeitgeber den Gruppenversicherungsvertrag mit dem Versicherer abgeschlossen hat. Der Gruppenversicherungsvertrag ist lediglich der Rahmen, der die Bedingungen für das Zustandekommen der einzelnen Versicherungen vorgibt. Im übrigen bestimmt § 6 Abs. 1 des Gruppenversicherungsvertrages ausdrücklich, daß die versicherte Person (und damit der Arbeitnehmer) Versicherungsnehmer ist. Unerheblich ist weiterhin, daß die Beklagte die Versicherungsbeiträge bezahlt hat. Insofern ist nur das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen; Schuldner und damit Versicherungsnehmer bleibt der Arbeitnehmer (vgl. Blomeyer/Otto, aaO).

Einer erweiterten Anwendung des § 1 Abs. 2 BetrAVG auf eine vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer auf Grund eines Gruppenversicherungsvertrages des Arbeitgebers abgeschlossene Lebensversicherung steht der Zweck der Vorschrift entgegen. Eine Lebensversicherung soll als betriebliche Alterversorgung nur möglich sein, wenn der Arbeitgeber sie als Versicherungsnehmer abgeschlossen hat. Der Arbeitnehmer soll nicht vor Eintritt des Versicherungsfalls über die Versicherung verfügen können. Andernfalls würde der Zweck einer betrieblichen Altersversorgung verfehlt werden.

3. Die tarifvertragliche Vereinbarung über das Bezugsrecht der Beklagten ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere bewirkt sie keine unzulässige Bindung des Klägers an den Arbeitsplatz und verstößt daher weder gegen das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 GG) noch gegen zwingende Vorschriften des Kündigungsrechts (§ 622 Abs. 5 BGB).

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß tarifliche Bestimmungen keiner Billigkeitskontrolle unterliegen. Die Gerichte für Arbeitssachen überprüfen Tarifverträge nur, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts vorstoßen (vgl. BAGE 22, 252, 266 f. = AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu B IV 3b der Gründe).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind tarifvertragliche Regelungen, die zu einer faktischen Einschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers führen, nur dann als zulässig anzusehen, wenn sie bei Abwägung aller Einzelumstände dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sind und vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen (BAGE 13, 168 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG; BAG Urteil vom 24. Januar 1963 – 5 AZR 100/62 – AP Nr. 29 zu Art. 12 GG; BAGE 24, 377 = AP Nr. 75 zu § 611 BGB Gratifikation). Das folgt aus der Einwirkung des Art. 12 GG auf das Arbeitsrecht und aus § 622 Abs. 5 BGB. Nach dieser Bestimmung dürfen die Kündigungsbedingungen für Arbeitnehmer nicht ungünstiger sein als für Arbeitgeber. So können Rückzahlungsklauseln, die den Arbeitsnehmer verpflichten, Gratifikationen, Urlaubsgeld, Ausbildungskosten, Umzugskosten oder Prämien zurückzuzahlen, wenn er vor einem bestimmen Zeitpunkt kündigt, unwirksam sein. Sie sind z.B. unwirksam, wenn sie eine unangemessen lange Betriebsbindung bezwecken oder die Kündigung nur unter unzumutbaren Bedingungen ermöglichen (vgl. KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 622 BGB Anm. 46, m.w.N.).

c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen gegen die vorliegende Bezugsrechtsregelung keine durchgreifenden Bedenken.

Die Übergangsversorgung für das Bordpersonal wurde eingeführt, um das Flugpersonal, das mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, wirtschaftlich zu sichern. Die tarifvertragliche Altersgrenze für das Flugpersonal hat das Bundesarbeitsgericht gerade auch im Hinblick auf die ausreichende Versorgungsregelung gebilligt (BAG Urteil vom 6. März 1986 – 2 AZR 262/85 – AP Nr. 1 zu § 620 BGB Altersgrenze). Die Übergangsversorgung für das Bordpersonal hat eine erhebliche soziale Bedeutung. Sie soll den Bordpersonalangehörigen vor dem sozialen Abstieg in eine erzwungene Arbeitslosigkeit schützen. Die Übergangsversorgung ist dem Arbeitnehmer aber nur für eine bebestimmte persönliche und berufliche Situation versprochen, nämlich dem notwendigen Ausscheiden im Alter von 60 Jahren. Zu dieser Lebenssituation kommt es aber nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst vorher freiwillig kündigt. Er kann in einem solchen Fall noch ein Arbeitsverhältnis eingehen, das keiner zeitlichen Beschränkung unterliegt. Es ist dem Arbeitnehmer daher zumutbar, ihm für diesen Fall seine Übergangsversorgung zu versagen. Andererseits besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, die Übergangsversorgung ihrem Zweck entsprechend auf diejenigen Arbeitnehmer zu beschränken, die mit 60 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen.

Zudem ist die Regelung des Kündigungs- und Bezugsrechts im Tarifvertrag maßvoll und ausgewogen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist beachtet. Die Regelung führt zu keiner Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers. Das bei der Versicherung angesammelte Kapital wird nach Ausübung des Bezugsrechts lediglich im selben Verhältnis aufgeteilt (63:37), in dem die Parteien zur Finanzierung der Versicherung beigetragen haben. Der Arbeitnehmer kann dann die Versicherung mit dem von ihm selbst finanzierten Anteil als Eigenversicherung fortführen. Außerdem greift die Bezugsrechtsregelung nur ein, wenn der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Damit werden für rentennahe Jahrgänge Härtefälle vermieden.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Hoppe, Paul

 

Fundstellen

Haufe-Index 838562

NZA 1993, 25

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