Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressonderzuwendung. Konkludente Vereinbarung einer Vollzeittätigkeit. Parallelsachen (Entscheidungen ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe): 10 AZR 565, 566, 567, 568, 569, 570, 571/02. Tarifauslegung. Gratifikation/Sondervergütung

 

Orientierungssatz

  • Die Höhe der mit Teilzeitbeschäftigten vereinbarten Arbeitszeit iSd. § 13 Abschnitt I Ziffer 3 MTV richtet sich nach der vertraglich vereinbarten Teilzeitquote und nicht nach der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.
  • Aus den Umständen des Zustandekommens einer Teilzeitvereinbarung, dem tatsächlichen Verhalten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Folgezeit, ihrer Interessenlage und der Entwicklung der Verhältnisse kann sich jedoch ergeben, daß stillschweigend wieder die volle tarifliche Arbeitszeit vereinbart worden ist.
 

Normenkette

Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin-Ost vom 11. Mai 1994 § 13 Abschn. I Ziff. 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 31.07.2002; Aktenzeichen 2 Sa 986/01)

ArbG Bautzen (Urteil vom 04.10.2001; Aktenzeichen 6 Ca 6262/01)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 31. Juli 2002 – 2 Sa 986/01 – aufgehoben.
  • Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 4. Oktober 2001 – 6 Ca 6262/01 – abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 384,32 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basisdiskontsatz seit dem 15. Dezember 2000 zu zahlen.

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der der Klägerin für das Jahr 2000 zustehenden tariflichen Jahressonderzuwendung.

Die Beklagte betreibt einen Industriebetrieb, in dem Zwieback hergestellt wird. Die Klägerin ist dort seit dem 6. Dezember 1993 beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 18. März 1994 ist die tarifliche volle Arbeitszeit vereinbart.

Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft beiderseitiger Tarifbindung der am 30. Juni 1994 in Kraft getretene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Süßwarenindustrie in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin-Ost vom 11. Mai 1994, abgeschlossen zwischen dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (im folgenden: MTV) anwendbar. Hierin ist ua. folgendes geregelt:

“§ 2 Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses

2. Die Einstellung eines Arbeitnehmers ist schriftlich zu bestätigen, und zwar unter Angabe der Art der Tätigkeit, der Tarifgruppe sowie der Zusammensetzung des Entgelts. Die Festlegung der Art der Tätigkeit schließt die vorübergehende Beschäftigung mit einer vergleichbaren zumutbaren Tätigkeit nicht aus. Dies gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse, desgleichen entsprechend für Änderungen von Arbeitsverhältnissen.

§ 3 Arbeitszeit

1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen … 39 Stunden an in der Regel 5 Werktagen in der Woche.

2. Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber werden in Betriebsvereinbarungen die regelmäßigen wöchentlichen betrieblichen Arbeitszeiten festgelegt. Dabei kann eine betriebliche Arbeitszeit von bis zu 45 Stunden in der Woche ohne Mehrarbeitszuschläge vereinbart werden. Näheres dazu regeln die Ziff. 3 bis 11.

3. Wird von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit abgewichen, so werden die über die jeweilige tarifliche Arbeitszeit nach Ziff. 1 hinaus tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mehrarbeitszuschlagsfrei einem für jeden Arbeitnehmer zu führenden Arbeitszeitkonto gutgeschrieben.

6. Arbeitszeitguthaben können bis zu einem Umfang angesammelt werden, der einer tariflichen Arbeitszeit von höchstens 3 Monaten (65 Arbeitstagen) entspricht.

§ 4 Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

I. Begriffsbestimmungen

1. Schichtarbeit ist die regelmäßige tägliche vereinbarte Arbeitszeit unabhängig von der zeitlichen Lage.

Wechselschicht liegt vor, wenn ein regelmäßiger Wechsel des Schichtbeginns und damit der zeitlichen Lage der Schicht erfolgt, wobei dieser Rhythmus zusammenhängend mindestens eine volle Arbeitswoche dauert.

2. Mehrarbeit ist die über die jeweils betrieblich festgelegte regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit, soweit es sich nicht um einen zulässigen Ausgleich für ausgefallene Arbeitszeit an einzelnen Werktagen handelt.

Mehrarbeit ist, soweit es nur irgendwie angängig ist, zum Beispiel durch zusätzliche Einstellung von Arbeitnehmern oder durch Einlegung von Schichten nach Maßgabe der betrieblichen und betriebstechnischen Möglichkeiten zu vermeiden. Ist aber Mehrarbeit unvermeidlich, so kann sie über die festgelegte Arbeitszeit hinaus mit dem Betriebsrat vereinbart werden. In dringenden unvorhergesehenen Fällen, in denen der Betriebsrat vorher nicht erreichbar ist, ist er nachträglich zu verständigen.

Mehrarbeit ist zu leisten, soweit ihr nicht berechtigte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen.

§ 5 Kurzarbeit

In Fällen von Arbeitsmangel und zur Vermeidung von Entlassungen kann eine Verkürzung der Arbeitszeit für den ganzen Betrieb oder Betriebsabteilungen unter Mitbestimmung des Betriebsrates eingeführt werden. Es müssen jedoch alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die von der Kurzarbeit bzw. Entlassung bedrohten Arbeitnehmer in von der Kurzarbeit nicht betroffenen Betriebsabteilungen zu beschäftigen.

§ 10 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

1. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.

Abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen bemißt sich das fortzuzahlende Arbeitsentgelt nach dem durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten 3 Monaten erhalten hat.

Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder der Arbeitsunfähigkeit eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. …

§ 12 Urlaub

II. Urlaubsvergütung

Die Urlaubsvergütung bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten 3 Monaten vor Beginn des Urlaubs erhalten hat.

Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen.

Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung der Urlaubsvergütung außer Betracht.

III. Urlaubsgeld

Das Urlaubsgeld ist für das Urlaubsjahr, in dem die Betriebszugehörigkeit gem. Ziffer 1 Absätze 1 und 2 erfüllt ist, anteilig nach den tariflich zustehenden Urlaubstagen für die nach Erfüllung der Betriebszugehörigkeit anfallenden Monate zu zahlen. Mit mehr als 15 Kalendertagen angebrochene Monate gelten als volle Monate.

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten das Urlaubsgeld in einer Höhe, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.

§ 13 Jahres-Sonderzuwendung und Sonderzahlung

I. Jahres-Sonderzuwendung für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer

1. Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tag im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahres-Sonderzuwendung.

Sie beträgt … ab 1. Januar 1998 … 100 %

des tariflichen Monatsentgelts …

2. Der Berechnung ist das jeweils am 1. Dezember geltende tarifliche Monatsentgelt bzw. die monatliche Ausbildungsvergütung ohne Zuschläge und Zulagen zugrunde zu legen.

3. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Jahres-Sonderzuwendung in einer Höhe, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.

…”

Die Klägerin wird als “Linienarbeiterin Rösterei/Bäckerei” eingesetzt. Sie ist entsprechend der Entgelttabelle für die Beschäftigten in Gruppe B Stufe 2 eingruppiert. Danach betrug die monatliche Vergütung bei tariflicher Vollzeitbeschäftigung seit dem 1. Juli 2000 2.257,00 DM.

In § 2 des Arbeitsvertrages vom 18. März 1994 ist geregelt, daß der Beklagten vorbehalten ist, die Klägerin vorübergehend auch zu anderen Arbeiten heranzuziehen, als zu denen, für die sie eingestellt werde. Eine Entgeltminderung sei dabei ausgeschlossen.

Am 5. Januar 1995 vereinbarten die Parteien einen Änderungsvertrag. Hierin heißt es:

“In dem geschlossenen Arbeitsvertrag ist in § 1 für die Firma vorbehalten worden, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuzuweisen, die seinen Kenntnissen entspricht.

Von diesem Recht macht die Firma Gebrauch.

Mit Wirkung vom 16.01.1995 wird dem Arbeitnehmer folgende Arbeit zugewiesen:

*Linienarbeiterin Rösterei/Bäckerei*

in Teilzeitbeschäftigung

zu § 2: Stundenlohn/Arbeitszeit

Die Firma zahlt an den Arbeitnehmer einen Stundenlohn in der

Tarifgruppe B p.g. von brutto 9,14 DM

Die regelmäßige Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt 25,0 Stunden wöchentlich. Beginn und Ende der Arbeitszeit richten sich nach den betrieblichen Erfordernissen.

Montag – Freitag je 5,0 Stunden

…”

Mit mindestens sieben anderen Mitarbeiterinnen wurden zu diesem Zeitpunkt ähnliche Verträge abgeschlossen, in denen die Arbeitszeit teilweise auf 25, teilweise auf 20 Stunden wöchentlich herabgesetzt wurde.

Zuvor hatte der damalige Geschäftsführer der Beklagten, Dr. H…, während einer Betriebsversammlung mitgeteilt, daß die wirtschaftliche Lage des Betriebes unerfreulich sei, so daß Personen entlassen werden müßten. Dies lasse sich nur vermeiden, wenn die Arbeitszeit verringert werde. Falls sich die Lage bessere, könne man auch die Arbeitszeit wieder ändern. Dies habe Vorrang vor der Einstellung neuer Mitarbeiter.

Im Jahr 1998 bestand weiterhin eine schwierige wirtschaftliche Lage bei der Beklagten, die in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu einem Sanierungskonzept führte. Da dies nicht ausreichte, vereinbarten die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 folgendes:

“1.

Die Arbeitsverträge der vor dem 01.06.1998 vollbeschäftigt tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werden einvernehmlich mit den einzelnen Mitarbeitern für ein weiteres halbes Jahr (01.12.1998 – 31.05.1999) von 39 Stunden auf 30 Stunden wöchentlich reduziert.

Der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin erhält für diesen Zeitraum auf der Basis 30 Std. wöchentlich sein/ihr Lohn/Gehalt.

Bei einer einvernehmlichen Lösung werden mit den betroffenen Mitarbeitern befristete Änderungsverträge abgeschlossen.

Werden bei einzelnen Mitarbeitern keine einvernehmlichen Lösungen gefunden, wird diesen Mitarbeitern eine Änderungskündigung ausgesprochen.

2.

In jedem Fall muß gesichert sein, daß alle Vollzeitbeschäftigten von der Maßnahme betroffen sein müssen.

3.

Nach Ablauf der Befristung erfolgt für die im Pkt. 1 betroffenen ArbeitnehmerInnen wieder Vollbeschäftigung.

Vollbeschäftigung heißt, daß die wöchentliche Arbeitszeit wieder auf 39 Stunden ausgedehnt wird.

7.

Sollte sich die Absatz-Situation wesentlich verbessern, werden die abgeschlossenen befristeten Arbeitsverhältnisse vorzeitig wieder in Vollzeit-Arbeitsverträge umgewandelt.

8.

Bevor Neu-Einstellungen vorgenommen werden, prüfen die Betriebsparteien, ob MitarbeiterInnen von Teilzeit in Vollzeit übernommen werden können.

…”

Durch Arbeitszeitregelungen vom 4. Januar, 18. Januar, 17. Februar und 18. März 1999 wurde zwischen Betriebsrat und der Beklagten eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden für alle Arbeitnehmer festgesetzt. Auch die Klägerin arbeitete in diesem Umfang, nachdem sie vom Backmeister in die entsprechenden Pläne eingeteilt worden war. Ab März 1999 zog die Produktion bei der Beklagten wieder an. Von April 1999 bis Dezember 2000 arbeitete die Klägerin mit folgenden Stundenzahlen im Verhältnis zur Sollvollzeit bezogen auf die tarifvertraglich vorgesehene Arbeitszeit von 39 Stunden:

Vollzeit-Soll

5,0 Std./Tag Teilzeitsoll

geleistete Stunden

1999

April

171,6

110

125,00

Mai

163,8

105

161,25

Juni

171,6

110

168,25

Juli

171,6

110

202,00

August

171,6

110

183,75

September

171,6

110

137,50

Oktober

163,8

105

165,25

November

171,6

110

142,75

Dezember

179,4

115

145,25

2000

Januar

163,8

105

158,50

Februar

163,8

105

155,25

März

179,4

115

233,90

April

156,0

100

184,20

Mai

179,4

115

179,40

Juni

163,8

105

171,60

Juli

171,6

110

171,05

August

179,4

115

196,40

September

163,8

105

165,80

Oktober

171,6

110

172,20

November

171,6

110

172,60

Dezember

163,8

105

188,85

Für den Monat April 2000 erhielt die Klägerin Überstundenzuschläge für 82,7 Stunden, für Juli 2000 für 15,05 Stunden, für August für 17,0 Stunden, für September für 2,0 Stunden, für Oktober für 0,6 Stunden, für November für 1 Stunde und für Dezember für 23,05 Stunden.

Im April 2000 wurden zwölf Arbeitnehmer neu eingestellt.

Die Klägerin erhielt mit dem Novemberentgelt die am 14. Dezember 2000 fällige Sonderzuwendung in Höhe von 1.446,74 DM brutto. Dies entspricht dem einer 25 Stunden-Woche entsprechenden Anteil von 64,1 % eines Vollzeitbeschäftigten in der Entgeltgruppe der Klägerin. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie darüber hinaus 384,32 Euro (751,69 DM) brutto als Differenzbetrag zu der vollen Sonderzuwendung gem. § 13 Abschnitt I Nr. 1 MTV. Diesen Betrag hat sie mit Schreiben vom 7. März 2001 schriftlich geltend gemacht.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie sei keine Teilzeitbeschäftigte mehr, denn die Parteien hätten seit März 1999 im Wege einer konkludenten Vereinbarung die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wieder auf das tarifliche Niveau von 39 Stunden angehoben. Dies sei auch so von dem früheren Geschäftsführer angekündigt worden. Sie sei ohne gesonderte Überstundenvereinbarung in die vollen Schichtpläne eingeteilt worden und sei immer damit einverstanden gewesen.

§ 13 Abschnitt I Nr. 3 MTV regele nicht die Voraussetzungen, sondern die Folgen einer Teilzeitbeschäftigung. Der tatsächlich geleistete Beschäftigungsumfang habe im für die Sonderzuwendung entscheidenden Zeitraum von Dezember 1999 bis November 2000 im Durchschnitt 175,52 Stunden monatlich betragen, während die Sollstundenzahl bei voller tariflicher Arbeitszeit 170,3 Stunden betragen habe. Selbst wenn sie aber als Teilzeitbeschäftigte iSv. § 13 Abschnitt I Nr. 3 MTV anzusehen sei, sei abzustellen auf den Umfang der tatsächlichen Beschäftigung. Diese sei dann die individuelle regelmäßige Arbeitszeit. Hierfür spreche auch die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 BeschFG 1985.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 384,32 Euro brutto nebst 5 % Zinsen hierauf über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt zu ihrem Klageabweisungsantrag vor, der Klägerin stehe als Teilzeitbeschäftigte iSd. § 13 Abschnitt I Ziff. 3 MTV nur die gezahlte anteilige Sonderzuwendung zu, die sich aus der schriftlich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit von 25 Stunden wöchentlich errechne. Nur auf diese, nicht auf die darüber hinaus tatsächlich geleistete Arbeitszeit komme es an. Der Tarifvertrag regele auch beim Urlaubsgeld Entsprechendes. Die Klägerin habe sich in der Vergangenheit nicht gegen diese anteilige Zahlung gewehrt. Die tatsächlich höheren Arbeitszeiten von 30 Stunden seien während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 deshalb geleistet worden, weil die Klägerin, wie andere Arbeitnehmer, sich von sich aus bereit erklärt habe, in zusätzlichen nicht vorhersehbaren Bedarfsfällen über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen gegen entsprechende Vergütung zu erbringen. Wegen dieser erklärten Bereitschaft und andererseits des Interesses der Klägerin, dadurch auch mehr verdienen zu können, sei der Backmeister gehalten gewesen, auch die Klägerin in gleichem Maße wie alle anderen Arbeitnehmer einzuteilen. Nach der Einführung des Zweischichtsystems zusammen mit dem Betriebsrat habe die Beklagte der Klägerin kein konkretes Angebot vorgelegt, das dahin gegangen wäre, ab einem bestimmten Tag befristet oder unbefristet 39 Stunden pro Woche oder im Zweischichtsystem 7,8 Stunden täglich zu arbeiten. Nur ein solches Angebot wäre annahmefähig gewesen. Die Beklagte habe vor der Frage gestanden, den zusätzlichen Arbeitskräftebedarf durch Neueinstellungen abzudecken. Sie habe sich statt dessen dazu entschieden, in der Belegschaft die Bereitschaft dafür zu hinterfragen, das erhöhte Arbeitspensum auf der Basis der Freiwilligkeit aus eigener Kraft zu bewältigen, dh. über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Arbeit zu leisten. Davon abhängig hätten die Neueinstellungen sein sollen. Die Klägerin sei auch wegen des Verdienstes bereit gewesen, freiwillig über die arbeitsvertraglich vereinbarte Zeit hinaus entsprechend ihren persönlichen Möglichkeiten zu arbeiten. Selbst wenn darin das Angebot einer vertraglichen Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich gelegen haben sollte, hätte die Klägerin es nicht eindeutig angenommen, da sie unregelmäßig hohe Stundenzahlen erbracht habe.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch zu.

  • Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin iSd. § 13 Abschnitt I Ziff. 3 MTV nur den anteiligen Anspruch auf die Jahressonderzuwendung für das Jahr 2000 habe, der erfüllt worden sei. Diese Vorschrift sei so auszulegen, daß es nur auf die schriftliche eindeutige Vereinbarung ankomme, nicht auf einen Durchschnitt tatsächlich erbrachter Stunden. Die Parteien hätten die Arbeitszeit nicht ausdrücklich heraufgesetzt. Die unregelmäßigen Überschreitungen ließen nicht auf eine Abänderung schließen. Die Klägerin habe vielmehr Überstunden bzw. Mehrarbeit erbracht, die sie nicht geschuldet habe. Solche Mehrarbeit erhöhe auch bei Vollzeitbeschäftigung die vereinbarte Arbeitszeit nicht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die Erhöhung ihrer Arbeitszeit gehabt. Die Erklärung des früheren Geschäftsführers hinsichtlich der Möglichkeit einer späteren Änderung der Arbeitszeit habe unter dem Vorbehalt einer wirtschaftlichen Besserung gestanden, sei zeitlich nicht fixiert und deshalb rechtlich nicht verbindlich. Der MTV sehe keine Berechnung der Sonderzuwendung nach einem Referenzzeitraum vor und könne auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben durch die Beklagte sei nicht erkennbar. Die Klägerin habe die Möglichkeit gehabt, Mehrarbeit gem. § 4 Abschnitt I Ziff. 2 Abs. 4 MTV zu verweigern. Die Beklagte habe auch nicht den Anspruch der Klägerin auf eine höhere Sonderzuwendung vereiteln wollen.
  • Dem folgt der Senat nicht. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachte restliche Jahressonderzuwendung für das Jahr 2000 aus § 13 Abschnitt I Ziff. 1 MTV zu. Sie gehörte am 1. Dezember 2000 dem Betrieb ununterbrochen elf Monate an und befand sich an diesem Tag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis.

    1. Dem Landesarbeitsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß der Anspruch nicht bereits daraus folgt, daß die Klägerin in einem erhöhten Umfang Arbeit geleistet hat und dieser auch bei Teilzeitbeschäftigten der Berechnung nach § 13 Abschnitt I Ziff. 3 MTV zugrunde zu legen wäre. Diese Vorschrift stellt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf den tatsächlichen Umfang der Arbeitsleistung ab, sondern auf den vereinbarten Umfang. Dies folgt auch daraus, daß ein Referenzzeitraum nicht angegeben ist, wie dies bei anderen Leistungen des MTV vorgesehen ist.

    Die tarifliche Regelung ist deshalb vergleichbar mit derjenigen in der Entscheidung des Senats vom 24. April 2002 (– 10 AZR 651/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 84 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 53) nach der das “individuell dem/der Anspruchsberechtigten zustehende monatliche Tarifentgelt”, das der Berechnung der Sonderzuwendung im Einzelhandel Baden-Württembergs zugrunde liegt, bei Teilzeitbeschäftigten nach deren arbeitsvertraglich vereinbartem Umfang der Beschäftigung zu bestimmen ist. Mehrarbeitsstunden sind nicht hinzuzurechnen.

    2. Zum 1. Dezember 2000, dem maßgeblichen Stichtag war zwischen den Parteien jedoch keine Teilzeittätigkeit mehr vereinbart. Die tarifliche Jahressonderzuwendung ist deshalb gem. § 13 Abschnitt I Ziff. 2 MTV nach dem am 1. Dezember 2000 geltenden tariflichen Monatsentgelt ohne Zuschläge und Zulagen zu berechnen. Dieses betrug im Fall der Klägerin 2.257,00 DM brutto als Entgelt für die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Die Klägerin war am 1. Dezember 2000 in Vollzeit tätig, da die Parteien den Änderungsvertrag vom 5. Januar 1995, der die Arbeitszeit auf 25 Stunden wöchentlich begrenzte, wieder auf eine Beschäftigung in Vollzeit abgeändert haben. Dies folgt aus der Auslegung der im tatsächlichen Verhalten der Parteien liegenden Willenserklärungen seit Abschluß des Änderungsvertrages vom 5. Januar 1995.

    a) Das Landesarbeitsgericht hat das tatsächliche Verhalten der Parteien in der Weise gewürdigt, daß keine Vereinbarung über eine Verlängerung der zuvor abgesenkten Arbeitszeit getroffen wurde, da dies nicht ausdrücklich geschehen sei. Der unregelmäßige Umfang des Überschreitens der vereinbarten Arbeitszeit lasse nicht auf deren generelle Heraufsetzung schließen. Es handele sich vielmehr um nicht geschuldete Überstunden bzw. Mehrarbeit. Auch eine betriebliche Übung auf Heraufsetzung der Arbeitszeit sei nicht festzustellen.

    Damit hat das Landesarbeitsgericht eine Auslegung der ausdrücklichen Erklärungen und des Verhaltens der Parteien vorgenommen, die nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt, wenn es sich um nichttypische Erklärungen handelt. Die Auslegung solcher Erklärungen ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich ist sie nur eingeschränkt dahin zu überprüfen, ob die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt worden sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder Umstände, die für die Auslegung von Bedeutung sein können, außer Betracht gelassen worden sind (st. Rspr. vgl. BAG 22. September 1992 – 9 AZR 385/91 – AP BGB § 117 Nr. 2 = EzA BGB § 117 Nr. 3).

    Anders verhält es sich bei sog. typischen Verträgen oder Klauseln, die in gleicher Form vielfach verwendet zu werden pflegen. Deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht ist vom Revisionsgericht voll nachprüfbar. Dies kann insoweit eine Rolle spielen, als das Landesarbeitsgericht das Verhalten der Beklagten, das gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern gleichförmig erfolgte, unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung gewürdigt hat. Dieses Verhalten kann als Gesamtzusage interpretiert werden und unterläge als solche einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung.

    Die Frage kann jedoch dahinstehen, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts auch dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand hält, der bei einer nichttypischen Willenserklärung zugrunde zu legen ist.

    b) Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Das gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt (BAG 9. November 1999 – 9 AZR 922/98 –). Das Gericht muß die von den Parteien für und gegen die Auslegung geltend gemachten Umstände abwägen. Im Urteil ist nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht zu seinem Ergebnis gelangt ist. Der in der auszulegenden Erklärung oder in dem auszulegenden Verhalten verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Läßt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen oder das Verhalten der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und mußte. Bei dieser Auslegung sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluß, ihre Interessen und der Zweck einer Abmachung. Auch für konkludente Willenserklärungen ist entscheidend, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verstehen mußte. Konkludente Willenserklärungen setzen in der Regel das Bewußtsein des Handelnden voraus, daß eine Willenserklärung wenigstens möglicherweise erforderlich ist. Da das Erklärungsbewußtsein kein notwendiger Bestand der Willenserklärung ist, kann schlüssiges Verhalten auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat. Voraussetzung ist jedoch, daß der Handelnde bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, daß sein Verhalten als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte und der andere Teil es auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 133 Rn. 3 – 11).

    Diesen Grundsätzen entspricht die vom Landesarbeitsgericht getroffene Auslegung nicht.

    c) Das Landesarbeitsgericht hat den Tatsachenstoff insoweit unzureichend gewürdigt, als es nur unvollkommen berücksichtigt hat, warum und unter welchen Umständen der Änderungsvertrag zustande kam, wie sich die Verhältnisse entwickelt und die Parteien sich danach verhalten haben. Dies gilt insbesondere für die Erklärung des früheren Geschäftsführers der Beklagten vor Abschluß des Änderungsvertrages, das Verhalten der Parteien während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998, das Verhalten nach deren Ablauf, den Umstand, daß betriebsverfassungsrechtlich die Einteilung der Klägerin in die vollen Schichtpläne nicht als Überstunden bzw. Mehrarbeit abgewickelt worden ist. Ferner ist nicht hinreichend berücksichtigt worden, daß angesichts der tarifvertraglichen Regelung die in unregelmäßigem Umfang erhöhte tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin kein zwingendes Indiz gegen eine einvernehmliche Heraufsetzung darstellt, daß in den Abrechnungen im Fall der bezahlten Nichtarbeit durchgängig von 7,8 Stunden ausgegangen worden ist und daß tatsächlich im Betrieb neue Arbeitnehmer eingestellt wurden.

    d) Die Sache ist dennoch nicht an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da der hierfür erforderliche Sachverhalt festgestellt und weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien nicht zu erwarten ist. Dies gilt auch, soweit Erklärungen oder Verhaltensweisen der Parteien auszulegen sind (BAG 28. Februar 1991 – 8 AZR 89/90 – BAGE 67, 279).

    e) Die einvernehmlich herabgesetzte Arbeitszeit im Änderungsvertrag vom 5. Januar 1995 ist von den Parteien stillschweigend wieder auf die tarifvertraglich geregelte volle Arbeitszeit heraufgesetzt worden. Das dieses entsprechende Monatsentgelt und nicht das der Klägerin “als Teilzeitkraft” berechnete Monatsentgelt, ist der Jahressonderzuwendung zugrunde zu legen.

    aa) Dem Landesarbeitsgericht und der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß es sich bei der Abänderung im Jahr 1995 um eine echte vertragliche Abmachung handelte, nicht um einen Fall des § 5 MTV, wonach Kurzarbeit unter bestimmten Voraussetzungen festgesetzt werden kann.

    bb) An eine konkludente einvernehmliche Änderung von Arbeitsbedingungen sind hohe Anforderungen zu stellen. Die bloße Hinnahme einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Neuorganisation reicht idR nicht aus. Es muß aus dem Verhalten des Arbeitnehmers eindeutig geschlossen werden können, daß er mit der Änderung einverstanden ist (BAG 11. Mai 1999 – 3 AZR 10/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 224 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 96). Die widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit durch den Arbeitnehmer nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers gem. §§ 133, 157 BGB kann dann als Annahme der Vertragsänderung angesehen werden, wenn diese sich unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt (BAG 1. August 2001 – 4 AZR 129/00 – BAGE 98, 293). Dies war der Fall.

    cc) Über den Zeitablauf hinaus liegen hier besondere Umstände vor, aus denen auf den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, den Arbeitsvertrag wieder in eine Vollzeittätigkeit zu ändern, geschlossen werden kann.

    (1) Als die Parteien den Änderungsvertrag vom 5. Januar 1995 abschlossen, war der Beklagten erkennbar, daß die Klägerin mit ihrer Bereitschaft, die Arbeitszeit von einer Vollzeitstelle auf 25 Stunden wöchentlich zu reduzieren, nicht persönlichen Interessen nachkam, sondern im Gegenteil den Interessen der Beklagten, der es wirtschaftlich schlecht ging und die eine eingearbeitete Arbeitnehmerschaft erhalten wollte. Beide Parteien wollten die Arbeitsplätze trotz der schlechten wirtschaftlichen Situation erhalten. Dies wird insbesondere aus der Erklärung des früheren Geschäftsführers der Beklagten deutlich, wonach die Herabsetzung der Arbeitszeit im Interesse der Erhaltung der Arbeitsplätze wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeit der Beklagten notwendig sei und eine spätere Änderung bei einer besseren Geschäftslage infrage komme. Dem Landesarbeitsgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß hierin mangels Bestimmtheit keine konkrete Zusage auf eine spätere Erhöhung der vereinbarten Arbeitszeit liegt, die Erklärung ist jedoch dennoch als Ausdruck der übereinstimmenden Interessenlage der Parteien zu würdigen, auf deren Grundlage das spätere Verhalten zu bewerten ist. Auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten geht hervor, daß sie wußte, daß die Klägerin in möglichst hohem Umfang bis zur Vollzeittätigkeit arbeiten wollte, um mehr zu verdienen, und persönlich auch dazu in der Lage war.

    (2) Bereits durch Einteilung der Klägerin in die Dienstpläne mit einer 30-Stunden-Woche während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 ist die arbeitsvertragliche Verpflichtung auf dieses Maß einverständlich heraufgesetzt worden. Wenn nach dem Vortrag der Beklagten der Backmeister “gehalten” war, auch die Klägerin in diesem Maß einzuteilen, weil ihm bewußt war, daß diese gern mehr arbeiten und damit mehr verdienen wollte, so spricht dies dafür, daß sich die Beklagte ihrer Verpflichtung bewußt war, den bekannten Interessen der Klägerin entgegenzukommen und sich ihrerseits interessengerecht zu verhalten. Immerhin verdienten zahlreiche Mitarbeiter bei 30 Wochenstunden erheblich weniger als bei einer vollen Arbeitszeit, was zumindest teilweise hätte vermieden werden können, wenn die Beklagte die zuvor durch die Änderungsverträge herabgesetzten Arbeitszeiten von 25 bzw. 20 Stunden wöchentlich weiterhin in Anspruch genommen hätte. Deren Heraufsetzung hat bereits rechtsgeschäftlich relevanten Aussagewert. Daher ist davon auszugehen, daß die betriebsverfassungsrechtlich vorgesehene Arbeitszeit auch individualrechtlich umgesetzt wurde.

    Danach kehrte die Klägerin niemals auf die zuvor vereinbarten 25 Stunden mit einer Arbeitszeit von fünf Stunden montags bis freitags zurück, sondern wurde sodann, wie die anderen betroffenen Arbeitnehmer, in dem dargestellten Umfang in die Schichtpläne eingeteilt. Die Beklagte hat damit ausgedrückt, daß sie die Klägerin nicht anders behandelt hat, als die unter den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 fallenden Mitarbeiter, die nach Ablauf der Befristung wieder voll beschäftigt werden sollten.

    (3) Ein Rückschluß auf den rechtsgeschäftlichen Willen der Beklagten, der Klägerin wieder eine Vollzeitbeschäftigung anzubieten, ist auch aus der Tatsache zu ziehen, daß tatsächlich neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Nach dem zuvor erklärten Willen sollte dies erst geschehen, wenn intern die Möglichkeiten der zusätzlichen Arbeitsleistung durch die vorhandenen Arbeitnehmer ausgeschöpft waren. Die Beklagte hat dies nicht durch Inanspruchnahme von Überstunden erreicht, sondern durch die regelmäßige Einteilung ua. der Klägerin als Vollzeitkraft. Dies entspricht ebenfalls der in Ziff. 8 der Betriebsvereinbarung vom 15. Dezember 1998 erklärten Absicht.

    (4) Die unregelmäßige Stundenzahl in den verschiedenen Monaten spricht nicht gegen die Eindeutigkeit der als Angebot und Annahme zu wertenden Verhaltensweisen der Parteien, da auch bei vereinbarter Vollzeit unterschiedlich hohe Stundenzahlen monatlich geleistet werden können. Dies ist nach § 3 MTV möglich. Die sich aus den vorhandenen Abrechnungen ergebenden tatsächlich geleisteten Zuschläge haben keinen nachvollziehbaren Aussagewert. Aus ihnen läßt sich jedenfalls nicht erkennen, daß nur 25 Stunden wöchentlich als Regelarbeitszeit angesehen worden wären. Vielmehr spricht der Umstand, daß in den Abrechnungen für Urlaubs- und Feiertage 7,8 Stunden angesetzt wurden, ebenfalls dafür, daß die volle Arbeitszeit von der Beklagten als die regelmäßig zu leistende angesehen wurde. Nach § 10 Ziffer 1 Unterabs. 3 und § 12 Abschnitt II MTV sind Verdiensterhöhungen “nicht nur vorübergehender Natur”, die während des dreimonatigen Berechnungszeitraumes oder der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Urlaubs eintreten, der Berechnung der Vergütung zugrunde zu legen. Auch die Beklagte ist damit davon ausgegangen, daß die Erhöhung der Arbeitszeit konstant sein sollte.

    (5) Schließlich läßt sich aus dem Verhalten der Beklagten dem Betriebsrat gegenüber ein Rückschluß auf ihren rechtsgeschäftlichen Willen ziehen, die Klägerin wieder in Vollzeit beschäftigen zu wollen. Mit dem Betriebsrat ist nach § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG zwar nicht die Dauer, sondern nur die Lage der täglichen Arbeitszeit sowie deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage zu vereinbaren, dies setzt jedoch voraus, daß die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit hinsichtlich ihres Umfangs individualrechtlich zulässig ist. Die Beklagte hat ab Mitte 1999 niemals mehr eine Arbeitszeit von montags bis freitags von jeweils fünf Stunden für die Klägerin dem Betriebsrat gegenüber zugrunde gelegt, sondern hat in steigendem Umfang die Klägerin spätestens ab März 2000 mit der vollen tariflichen Arbeitszeit eingeteilt. Überstunden, die der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG und § 4 Abschnitt I Ziff. 2 MTV genehmigt hätte, hat sie nicht beantragt. Auch dies spricht dafür, daß die Betriebsparteien keine vorübergehenden Regelungen getroffen haben, sondern von einer vereinbarten, wieder auf Vollzeit erhöhten, regelmäßigen Arbeitszeit ausgingen.

    (6) Formelle Bedenken gegen die konkludente Heraufsetzung der Arbeitszeit bestehen nicht. Der Tarifvertrag sieht hinsichtlich der Dauer der vereinbarten Tätigkeit keine Schriftform vor. Eine möglicherweise bestehende vertragliche Schriftformabrede hätte ebenfalls konkludent aufgehoben werden können (vgl. BAG 28. Oktober 1987 – 5 AZR 518/85 – AP AVR Caritasverband § 7 Nr. 1 = EzA BGB § 125 Nr. 10). Es kann auch dahinstehen, ab welchem Zeitpunkt die Vollzeittätigkeit wieder vereinbart wurde. Die tarifliche Regelung in § 13 Abschnitt I Ziff. 1 und 2 MTV verlangt nicht, daß das der Berechnung der Jahressonderzuwendung zugrundezulegende tarifliche Monatsentgelt eine bestimmte Zeit geschuldet wurde, sondern bezieht die Berechnung lediglich auf das am 1. Dezember geltende tarifliche Monatsentgelt.

    3. Die Höhe des Anspruchs haben die Parteien unstreitig gestellt.

  • Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
 

Unterschriften

Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Bacher, Böhlo

 

Fundstellen

Haufe-Index 1064340

DB 2004, 192

FA 2004, 90

NZA 2004, 1184

BAGReport 2004, 307

NJOZ 2004, 3681

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