Entscheidungsstichwort (Thema)

Personen- und betriebsbedingte Kündigung. Beweislast für Bestehen eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Zerrüttung einer Ehe als Kündigungsgrund im Ehegatten-Arbeitsverhältnis

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 117 Abs. 1, § 612a; ZPO § 139 Abs. 1, §§ 256, 288, 322 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 26.01.1994; Aktenzeichen 7 (2) Sa 738/93)

ArbG Köln (Urteil vom 02.03.1993; Aktenzeichen 17 Ca 3296/92)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Januar 1994 – 7 (2) Sa 738/93 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung. Die am 15. Dezember 1949 geborene Klägerin gründete im November 1979 zusammen mit ihrem Ehemann die Beklagte zum Betrieb von Läden für Tabakwaren und Zeitschriften mit Lottoannahmestelle. Der Gesellschaftsanteil der Klägerin betrug 5 %. Ihr Ehemann wurde zum Geschäftsführer bestellt. Von den drei Verkaufsstellen der Beklagten wurde 1988 eine geschlossen. Seit Mai 1989 betreibt die Beklagte auch ein Reisebüro. Zum 31. Dezember 1990 hat die Beklagte die Filiale Köln, A. Straße, verkauft.

Unter dem Datum 1. Januar 1981 schlossen die Parteien zwei schriftliche Arbeitsverträge, die sich in § 1 – Einstellung – hinsichtlich der Tätigkeitsbeschreibung unterscheiden. Während es in dem von der Klägerin vorgelegten Exemplar heißt, der Arbeitnehmer werde ab 1. Januar 1981 als Geschäftsführerin eingestellt, sein Aufgabengebiet sei Verkauf – als Springerin in den einzelnen Filialen – Kontrolle der Lottoabrechnungen – Erstellen der Gehälter, er verpflichte sich ferner, jegliche andere zumutbare Tätigkeit in der Firma bzw. einer anderen Niederlassung der Firma am Ort auszuführen, lautet das von der Beklagten vorgelegte Exemplar:

„l. Der Arbeitnehmer wird ab 1. Januar 1981 als Geschäftsführerin in der Filiale Köln, Straße, eingestellt.

2. Der Arbeitnehmer betreibt in dieser Filiale eine Lottoannahmestelle als Annahmestellenleiter. Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Lottogesellschaft und dem Annahmestellenleiter muß voll erfüllt werden.”

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sollte nach beiden Urkunden 30 Stunden betragen, die Vergütung 2.500,– DM. Für Vertragsänderungen war Schriftform vereinbart.

Die vereinbarte Vergütung wurde in Höhe von 1.422,75 DM netto auf das Konto des Ehemannes überwiesen. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge wurden abgeführt. Der Ehemann übergab der Klägerin monatlich 2.000,– DM. Unstreitig hat die Klägerin in der Folgezeit in dem im Einfamilienhaus der Eheleute eingerichteten Büro die Gehaltsabrechnungen für die Arbeitnehmer der Beklagten gemacht. Im übrigen ist streitig, ob und in welchem Umfang die Klägerin Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat.

Im September 1990 trennte sich der Ehemann von der Klägerin und den Kindern und zog aus dem gemeinsamen Wohnhaus aus. Es kam zu Unterhaltsrechtsstreitigkeiten zwischen den Eheleuten und anderen eherechtlichen Auseinandersetzungen. Darüber hinaus forderte die Klägerin mit einer im Dezember 1991 erhobenen Klage von der Beklagten die Bezahlung der vertraglichen Arbeitsvergütung für die Zeit vom August 1990 bis November 1991, welche ihr mit rechtskräftigem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Mai 1993 – 13 Sa 104/93 – in Höhe des Nettobetrages von 22.764,– DM zugesprochen wurde. Zur Begründung verwies das Landesarbeitsgericht zunächst auf das Geständnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, sie behaupte nicht, daß es sich bei dem Arbeitsvertrag um ein Scheingeschäft handele, vielmehr stehe der Klägerin das vereinbarte Gehalt zu; das Landesarbeitsgericht führte weiter aus, der Anspruch der Klägerin sei nicht durch Zahlung an den Ehemann der Klägerin erloschen, weil für diesen Zahlungsweg durch die Trennung der Eheleute die Geschäftsgrundlage entfallen sei; daß die Klägerin im fraglichen Zeitraum keine Arbeitsleistung erbracht haben solle, stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen, weil die Beklagte auf die Arbeitsleistung nach eigenem Vortrag weitgehend verzichtet habe.

Über die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Zeit von Dezember 1991 bis Juni 1992 und von Juli 1992 bis Juni 1993 sind weitere Klagen rechtshängig.

Mit Schreiben vom 3. April 1992, der Klägerin zugegangen am 7. April 1992, hat die Beklagte der Klägerin die Kündigung „des Arbeitsvertrags” zum 30. September 1992 erklärt.

Die Klägerin hat sich mit ihrer am 28. April 1992 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage gegen diese Kündigung gewandt. Sie hat vorgetragen, die Beklagte beschäftige nach Angaben ihres Ehemannes in den Unterhaltsstreitigkeiten ca. 14 Mitarbeiter. Auf das Arbeitsverhältnis sei also das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Kündigung sei danach sozialwidrig. Ihr Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, vielmehr habe die Beklagte eine Arbeitnehmer in neu eingestellt, die ihre, der Klägerin, Aufgaben übernommen habe. Gegenüber ihren sonstigen Arbeitsleistungen für die Beklagte sei die Tätigkeit in der veräußerten Filiale Köln, A. Straße, als unbedeutend anzusehen. Arbeitsleistungen habe sie bis zur Erteilung eines Hausverbots für die Ladenlokale S. Weg … am 17. November 1992 erbracht. Auch berechtige der Umstand, daß sie die ihr zustehende Vergütung eingeklagt habe, die Beklagte nicht zur Kündigung.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 3. April 1992 nicht aufgelöst ist, sondern über den 30. September 1992 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbestanden hat.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, mit dem Verkauf der Filiale Köln, A. straße, sei der Arbeitsplatz der Klägerin ersatzlos weggefallen. Im Kündigungszeitpunkt seien Frau M. als Verkäuferin und sieben Aushilfen beschäftigt gewesen. Von der Einstellung einer Ersatzkraft für die Klägerin könne keine Rede sein: Frau H. sei lediglich als Teilzeitkraft eingestellt worden, nachdem der Ehemann der Klägerin und Geschäftsführer der Beklagten seine Haupttätigkeit in das Reisebüro verlegt habe; diese Arbeitnehmer in übe keine Tätigkeit aus, welche früher der Klägerin oblegen habe, schon gar nicht vom zeitlichen Umfang her. Die Kündigung sei auch aufgrund der treuwidrigen und mutwilligen Zahlungsklage der Klägerin gerechtfertigt. Im übrigen sei der Arbeitsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden, nämlich aus steuerlichen Gründen, um die für den Familienunterhalt benötigten höheren Entnahmen gegenüber dem Finanzamt als zusätzliche Betriebsausgaben darzustellen. Der Arbeitsvertrag sei nie wirklich durchgeführt worden, die Klägerin sei nie in den Betriebsbereich der Beklagten eingegliedert gewesen. Soweit sie in einzelnen Filialen selten und nur stundenweise Arbeitsleistungen erbracht habe, sei sie gesondert und unmittelbar bar aus der Kasse bezahlt worden. Mit der Trennung der Eheleute sei auch die Geschäftsgrundlage für die Fortsetzung des Arbeitsvertrages entfallen. Nach dem Auszug ihres Ehemannes aus dem gemeinsamen Einfamilienhaus habe die Klägerin keine Tätigkeit mehr für die Beklagte entfaltet. Sie habe zunächst auch keine Gehaltsansprüche geltend gemacht, sondern erstmals mit Schreiben ihrer Anwältin vom 11. Dezember 1990 darauf hinweisen lassen, daß seit August 1990 kein Gehalt bezahlt worden sei. Dieses Thema habe sie dann aber erst durch ihren vierten Anwalt mit der Klage vom 10. Dezember 1991 wieder aufgreifen lassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Kündigungsschutz gemäß § 1 KSchG bestehe nur für Arbeitsverhältnisse, nicht für Arbeitsverträge. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts Köln in dem rechtskräftigen Urteil vom 14. März 1993 – 13 Sa 104/93 – (gemeint ist ersichtlich das Urteil vom 14. Mai 1993), zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis, sei für den vorliegenden Rechtsstreit nicht bindend. Für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig. Vortrag und Beweisantritt der Klägerin seien insoweit unzureichend; es sei nicht ersichtlich, daß die Arbeitsverträge vom 1. Januar 1981 tatsächlich vollzogen worden seien. Die Tätigkeiten der Klägerin für die Beklagte könnten auch Ausfluß ihrer Gesellschafterstellung oder als Mithilfe aufgrund familienrechtlicher Pflichten einzustufen sein. Daß die monatlichen Zahlungen von 2.000,– DM die Arbeitsvergütung dargestellt hätten, sei unwahrscheinlich, weil die Klägerin dann lediglich 581,25 DM Haushaltsgeld erhalten hätte, was als lebensfremd angesehen werden müsse. Im übrigen sei die Kündigung sozial gerechtfertigt, weil aufgrund des Zerwürfnisses der Eheleute dem Geschäftsführer der Beklagten eine Zusammenarbeit gemäß den Arbeitsverträgen unzumutbar sei; die Kündigung sei also durch einen Grund in der Person der Klägerin bedingt, wobei es auf ihr Verschulden nicht ankomme.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Insbesondere beruht das angegriffene Urteil auf einer Verkennung der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Reichweite des Feststellungsantrags nicht geklärt. Daraus, daß die Antragsbegründung von Anfang an bis in die Revision ausschließlich die Frage behandelt, ob die Kündigung vom 3. April 1992 wirksam ist, läßt sich allerdings schließen, daß der Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4,7 KSchG umfassen soll (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt; Urteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.). Dies hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 1995 auch klargestellt. Es bedarf somit keines besonderen Feststellungsinteresses i. S. von § 256 Abs. 1 ZPO für einen weitergehenden Antrag.

2. Zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Rechtskraft des Urteils vom 14. Mai 1993 – 13 Sa 104/93 – zwinge nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses der Parteien auch im vorliegenden Rechtsstreit. Die Rechtskraft erfaßt nur die Entscheidung über den im jeweiligen Rechtsstreit erhobenen Anspruch (§ 322 Abs. 1 ZPO). Die Beurteilung vorgreiflicher Rechtsverhältnisse erwächst dagegen nur dann in Rechtskraft, wenn sie Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO war (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 322 Rz 28 f.).

3. Der Klägerin ist zuzugeben, daß sich ein Geständnis im Sinne von § 288 ZPO auch auf präjudizielle Rechtsverhältnisse beziehen kann (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 288 Rz 1). Gleichwohl muß für den vorliegenden Rechtsstreit nicht als zugestanden erachtet werden, daß die Arbeitsverträge der Parteien vom 1. Januar 1981 nicht zum Schein abgeschlossen wurden. Ein Geständnis im Sinne von § 288 ZPO bindet, wie sich bereits dem Wortlaut der Norm eindeutig entnehmen läßt, nur im jeweiligen Prozeß. Anderenfalls wäre auch die ausdrückliche Regelung der Bindung der Berufungsinstanz (§ 532 ZPO) überflüssig. Die Beklagte konnte sich deshalb im vorliegenden Verfahren ohne Bindung an ein etwaiges gegenteiliges Geständnis im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Köln – 11 a Ca 8546/91 – darauf berufen, bei den Arbeitsverträgen vom 1. Januar 1981 habe es sich mit der Nichtigkeitsfolge um bloße Scheingeschäfte im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB gehandelt.

4. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG bei der Klägerin liegt (vgl. KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 75, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, daß die Klägerin bereits durch Vorlage des Arbeitsvertrages vom 1. Januar 1981, dessen Abschluß die Beklagte nicht in Zweifel gezogen hat, ihrer Darlegungs- und Beweislast genügt hat. Unstreitig hat die Klägerin die Gehaltsabrechnungen für die Beklagte gemacht. Der schriftliche Arbeitsvertrag, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. Palandt/Heinrichs. BGB, 54. Aufl., § 125 Rz 15. m.w.N.) belegt, daß die Klägerin insoweit nicht nur als Gesellschafterin oder als Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, sondern weisungsgebunden als Arbeitnehmer in der Beklagten tätig war. Die rechtliche Einordnung der Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte richtet sich nämlich in erster Linie nach dem erklärten Parteiwillen (vgl. BAG Urteil vom 8. Januar 1970 – 3 AZR 436/67 – BAGE 22, 236 = AP Nr. 14 zu § 528 ZPO; BAG Urteil vom 19. Juli 1973 – 5 AZR 46/73 – AP Nr. 19 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 36 VII, S. 183 f.; KR-Becker, a.a.O., Rz 34, m.w.N.). Zudem wurde auch die vereinbarte Vergütung abgerechnet und – wenn auch auf das Konto des Ehemannes der Klägerin – tatsächlich bezahlt.

Für ihre Behauptung, bei den Arbeitsverträgen vom 1. Januar 1981 habe es sich um Scheingeschäfte im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB gehandelt, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 117 Rz 9, m.w.N.). Gleichfalls wäre die Beklagte ggf. darlegungs- und beweispflichtig für den Einwand, die Arbeitsverträge seien nicht abredegemäß durchgeführt worden, vielmehr sei die Klägerin entgegen diesen Verträgen für die Beklagte lediglich aufgrund ihrer Gesellschafterstellung bzw. aufgrund ihrer eherechtlichen Verpflichtung zur Mitarbeit im Geschäft ihres Gatten (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 54. Aufl., § 1353 Rz 10 und § 1356 Rz 6, m.w.N.) und nur in geringem Umfang tätig geworden. Bis zum Beweis des Gegenteils sprechen die vorgelegten Arbeitsverträge dafür, daß die Klägerin für die Beklagte in einem Arbeitsverhältnis tätig war.

5. Selbst wenn man die Beweiskraft der vorgelegten Arbeitsverträge außer acht ließe, würde die Aufklärungsrüge der Revision durchgreifen: Das Landesarbeitsgericht durfte die Behauptungen der Klägerin zur Erbringung vertragsgemäßer Arbeitsleistungen nicht als im zeitlichen Umfang unzureichend substantiiert ansehen und ihre Beweisangebote als nicht ausreichend spezifiziert unberücksichtigt lassen, ohne der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu ergänzen und die Zuordnung der Beweisangebote zu erläutern.

6. Die Klärung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Kündigung jedenfalls sozial gerechtfertigt wäre.

a) Auch die Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand. Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Scheitern einer Ehe können zwar das für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten, hier zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten, notwendige Vertrauen zerstören. Je nach den Umständen des Einzelfalles können daraus Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers oder in seiner Person erwachsen, die eine Kündigung sozial rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zum einen die gebotene Interessenabwägung nicht vorgenommen und zudem verkannt, daß eine zerrüttete Ehe nicht in jedem Fall Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Eheleuten bzw. auf das Arbeitsverhältnis zwischen einem der Ehegatten und dem Unternehmen, in dem der andere Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, haben muß. Nur wenn sich die ehelichen Auseinandersetzungen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles dergestalt auf das Arbeitsverhältnis auswirken, daß der Arbeitgeber Gründe zu der Annahme hat, der Arbeitnehmer werde seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Sorgfalt und Loyalität erfüllen bzw. es werde im Arbeitsverhältnis zu einer Fortsetzung der ehelichen Streitigkeiten und damit zu einer Störung des Betriebsfriedens kommen, kann eine Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Ohne konkrete nachteilige Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis ist die Zerrüttung bzw. das Scheitern der Ehe für die Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ohne Aussagekraft (so zutreffend ArbG Berlin Urteil vom 20. März 1990 – 27 Ca 14/90 – EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 4; ArbG Siegburg Urteil vom 8. Juli 1986 – 4 Ca 2611/85 – EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

Vorliegend hat die Beklagte tatsächliche Umstände der genannten Art nicht vorgetragen. Die vorgelegten Schriftsätze zu den ehe- und familienrechtlichen Auseinandersetzungen sind durch sachliche, nicht übertrieben emotionale Argumentation gekennzeichnet und lassen Komprißbereitschaft erkennen. Der Umstand, daß die Klägerin die ihrer Ansicht nach berechtigten Gehaltsrückstände eingeklagt hat, kann schon wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB die Kündigung nicht begründen, zumal Art und Umfang der Tätigkeit der Klägerin für die Beklagte bislang ungeklärt sind, die materielle Berechtigung der Ansprüche also – von der rechtskräftigen Zuerkennung eines Teils einmal ganz abgesehen – möglich erscheint. Würde die Wahrnehmung berechtigter Interessen, d.h. die Geltendmachung (möglicherweise) berechtigter Ansprüche als eine die Kündigung rechtfertigende Belastung des Arbeitsverhältnisses angesehen, könnte der Arbeitgeber den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers jederzeit problemlos dadurch unterlaufen, daß er seine Arbeitgeberpflichten verletzt und damit den Arbeitnehmer entweder zum Rechtsverzicht oder zur Schaffung eines Kündigungsgrundes zwingt.

b) Das Scheitern der Ehe der Klägerin vermag die Kündigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) zu rechtfertigen. Die Kündigungsvorschriften des § 1 KSchG gehen insoweit vor und verdrängen das genannte Rechtsinstitut (vgl. KR-Wolf, 3. Aufl., Grunds. Rz 208, m.w.N.).

c) Die Kündigung ist ebensowenig durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, jedenfalls lassen sich solche Erfordernisse dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Die Argumentation der Beklagten, mit dem Verkauf der Filiale in der A. Straße sei der Arbeitsplatz der Klägerin weggefallen, ist unschlüssig, wenn sie zugleich behauptet, die Klägerin habe dort niemals gearbeitet. Zudem ist ungeklärt, ob und in welchem Umfang der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag durchgeführt wurde. Wenn man, was revisionsrechtlich zu unterstellen ist, davon ausgeht, daß die Klägerin in erheblichem Umfang für alle Betriebsstätten der Beklagten tätig war, so würde zudem der Verkauf der Filiale in der A. straße keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens stellt sich deshalb auch nicht die Frage, ob die Kündigung gemäß § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam sein könnte und ob die Klägerin dies in einem Rechtsstreit mit der Beklagten geltend machen könnte (vgl. zur Passivlegitimation des Veräußerers des Betriebes bzw. des Betriebsteils BAGE 43, 13 = AP Nr. 34 zu § 613 a BGB und BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB).

7. Träfe der Sachvortrag der Beklagten zu, die Klägerin habe von Anfang an mit einem Zeitaufwand von nur ca. 45 Minuten im Monat in dem im Einfamilienhaus der Eheleute untergebrachten Büro der Beklagten lediglich die Gehaltsabrechnungen getätigt und sei für ganz seltene stundenweise Einsätze in den Filialen gesondert bar vergütet worden, so spräche dies hinsichtlich der Arbeitsverträge vom 1. Januar 1981 für das Vorliegen nichtiger Scheingeschäfte im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht wird die entsprechenden Behauptungen der Beklagten ebenso aufzuklären haben wie die von der Beklagten angesichts des Vorbringens der Klägerin in der Revisionsinstanz näher zu erläuternde, ebenfalls für bloße Scheingeschäfte sprechende Behauptung, aus der gewählten Vertragsgestaltung hätten die Eheleute Steuer- und abgabenrechtliche Vorteile gezogen. Sollte das Landesarbeitsgericht danach zu der Feststellung kommen, bei den Arbeitsverträgen vom 1. Januar 1981 habe es sich um Scheingeschäfte gehandelt und auch faktisch sei die Klägerin nicht als Arbeitnehmer in der Beklagten tätig geworden oder sollte die gebotene weitere Aufklärung ergeben, daß die als wirksam anzusehenden Arbeitsverträge von den Parteien bei der tatsächlichen Durchführung einverständlich in Richtung einer bloßen Mitarbeit der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin bzw. als Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten oder in Richtung auf ein freies Dienstverhältnis geändert wurden, könnte es bei der Klageabweisung bleiben. Anderenfalls wäre unter Beachtung der oben zu II. 6. dargelegten Grundsätze erneut zu prüfen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war.

 

Unterschriften

Etzel, Bröhl, Fischermeier, Dr. Bächle, Bobke

 

Fundstellen

Haufe-Index 1093187

NJW 1996, 1299

NZA 1996, 249

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