Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilbetriebsübergang. Kündigung. Betriebsübergang

 

Orientierungssatz

Auch die Verwaltung einer Bohrgesellschaft kann teilbetrieblich organisiert sein, so daß die Übernahme wesentlicher Betriebsmittel des operativen Bereichs allein noch nicht zum Übergang des Verwaltungsbetriebes führen muß.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 17.08.2001; Aktenzeichen 15 Sa 481/01)

ArbG Herne (Urteil vom 28.02.2001; Aktenzeichen 1 Ca 2872/99)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. August 2001 – 15 Sa 481/01 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten zu 1 ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Außerdem begehrt die Klägerin die Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten zu 2.

Die Klägerin war seit dem 1. August 1970 als kaufmännische Angestellte in Unternehmen des Konzerns, dem auch die Beklagte zu 1 angehört und von der sie mit Wirkung zum 1. Januar 1991 im Rahmen einer Fusion unter Anrechnung der Vordienstzeiten übernommen worden ist, zu einem Gehalt von zuletzt 5.877,12 DM brutto pro Monat tätig.

Die Beklagte zu 1 ist ein Unternehmen des Steinkohlebergbaus in H, welches übertägige Explorationsbohrungen durchführte. Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1 ist die Beklagte zu 2, eine Bergbau-Spezialgesellschaft, die überwiegend im deutschen Steinkohlebergbau Aufschlußarbeiten durchführt. Tätigkeiten und Geschäfte der Beklagten zu 1 wurden von der Beklagten zu 2 spätestens ab dem 2. Januar 2000 fortgeführt.

Bereits mit Datum vom 4. November 1998 schloß die Beklagte zu 1 mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan über einen Personalabbau. Am 1. September 1999 vereinbarte die Beklagte zu 1 mit dem Betriebsrat eine sog. Ergänzungsvereinbarung zum Interessenausgleich, in der es unter anderem heißt:

  • Gesellschafter und Geschäftsführer haben daher beschlossen, die Verwaltungstätigkeit am Standort H (einschließlich Versorgung) zum frühestmöglichen Zeitpunkt einzustellen, spätestens zum 31.03.2000, und im Anschluß daran von der D GmbH kostengünstiger mit erledigen zu lassen. Der Standort H wird aufgegeben.

    Der vorgenannte Beschluß hat zur Folge, daß folgende Abteilungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt geschlossen werden:

    • Versorgung (vier Angestellte, zwei Arbeiter)
    • Kaufmännische Verwaltung (sechs Angestellte).
  • Das Unternehmen wird daher den in Anlage 1) genannten Mitarbeitern unter Beachtung der tarif- oder einzelvertraglich vorgesehenen Fristen kündigen.

    Eine soziale Auswahl entfällt, da die o.g. Abteilungen endgültig stillgelegt werden. Die diesen Abteilungen zugeordneten Mitarbeiter können wegen der unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen innerhalb des Unternehmens weder umgesetzt noch versetzt werden.

    Die Gesellschaft wird sich darum bemühen, den operativen Teil einschließlich der Abteilung Maschinentechnik und des technischen Führungspersonals innerhalb oder außerhalb des Unternehmens weiter zu beschäftigen. Nach wie vor werden alle Gelegenheiten zur Kostenreduzierung genutzt, um möglichst viele Arbeitsplätze des operativen Bereichs auf absehbare Zeit zu erhalten.”

Mit Schreiben vom 17. September 1999 kündigte die Beklagte zu 1 das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2000. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 1. Oktober 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten zu 1 am 7. Oktober 1999 zugestellten Feststellungsklage. Der klageerwidernde Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 11. Oktober 1999 und weitere Schriftsätze wurden von dem Prokuristen der Beklagten zu 2 unterzeichnet.

Die Beklagte zu 1 informierte im September 1999 ihre Lieferanten darüber, daß sie sich in Liquidation befinde und das operative Geschäft auf die Beklagte zu 2 übertragen worden sei, an die ab 1. Oktober 1999 auch die Rechnungen übersandt werden sollten. Im Oktober 1999 übertrug die Beklagte zu 1 Maschinen und maschinelle Anlagen im Wert von etwa 2,5 Mio. DM, Teile des Fuhrparks im Wert von 80.000,00 DM und Bauten auf fremden Grundstücken im Wert von ca. 100.000,00 DM sowie Teile des Magazins im Wert von 2 Mio. DM an die Beklagte zu 2. Von den bei der Beklagten zu 1 beschäftigten 68 Mitarbeitern sind 56 von der Beklagten zu 2 übernommen worden, wobei die übernommenen Arbeitnehmer von der Beklagten zu 2 neue Arbeitsverträge zum 1. Oktober 1999 erhielten. Mit Schreiben vom 2. April 2000 teilte die Beklagte zu 1 ihren Kunden mit, daß der operative Bereich über eine Zweigniederlassung der Beklagten zu 2 fortgeführt werde.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2000, der am 3. Juli 2000 beim Arbeitsgericht Herne eingegangen und der Beklagten zu 2 am 6. Juli 2000 zugestellt worden ist, hat die Klägerin klageerweiternd die Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2 ab dem 1. Oktober 1999 begehrt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil sie wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Der operative Teil des Unternehmens der Beklagten zu 1 einschließlich der Abteilung Maschinentechnik werde unter Weiterbeschäftigung des technischen Führungspersonals und unter Fortführung der der Beklagten zu 1 erteilten Explorationsbohraufträge von der Beklagten zu 2 unter der Bezeichnung “B – Zweigniederlassung der D GmbH” weitergeführt; Aufträge, Geschäftsbeziehungen und der Kundenstamm seien auf die Beklagte zu 2 übertragen worden. Daher sei auch ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Sie gehöre zwar zur Verwaltung, auf Grund Ziffer 2 der Ergänzungsvereinbarung vom 1. September 1999 sei aber auch die kaufmännische Verwaltung auf die Beklagte übergegangen. Die Bereiche “kaufmännische Verwaltung” und “Versorgung” stellten eine notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung des Gesamtbetriebs dar. Dieser Aufgabenbereich sei durch die Betriebsübernahme nicht entfallen, sondern habe nur durch eigenes, bereits bei der Beklagten zu 2 vorhandenes Personal fortgeführt werden sollen. Die Klägerin hat behauptet, es sei keineswegs allen Mitarbeitern aus dem Verwaltungsbereich gekündigt worden, fünf Verwaltungsmitarbeiter seien von der Beklagten zu 2 übernommen worden.

Außerdem habe sie in der Vergangenheit immer für das technische Führungspersonal und damit im technischen Bereich gearbeitet, was nicht zuletzt das von der Beklagten zu 1 unter dem 2. April 2000 erteilte Zeugnis verdeutliche. Sie habe nach dem 1. Oktober 1999 ihre angestammten Tätigkeiten innerhalb der Abteilung Technik weiter durchgeführt. Ihr Vorgesetzter, der Zeuge B, sei in seiner Funktion als Leiter der Technik der Beklagten zu 1 in Personalunion als Leiter des Berg- und Schachtbaus der Beklagten zu 2 erhalten geblieben. Zusätzlich habe sie Restarbeiten für die in Liquidation befindliche Beklagte zu 1 ausführen müssen. Bis zu ihrem Ausscheiden im März 2000 habe sich an ihrer Arbeitssituation nichts geändert.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte zu 2 könne sich nicht auf Fristversäumung oder Verwirkung berufen, soweit die Klageerweiterung infrage stehe. Sie habe bereits in der Klageschrift vom 30. September 1999 die Unwirksamkeit der Kündigung mit dem Hinweis auf den Betriebsübergang geltend gemacht; die Klageerwiderung sei von demjenigen Handlungsbevollmächtigten unterzeichnet worden, der später auch für die Beklagte zu 2 als Prokurist unterzeichnet habe.

Die Klägerin hat beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten zu 1 durch die Kündigung vom 17. September 1999 nicht zum 31. März 2000 aufgelöst worden ist,
  • festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis ab dem 1. Oktober 1999 mit der Beklagten zu 2 fortbesteht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben zunächst ausdrücklich eingeräumt, daß die Geschäfte der Beklagten zu 1 von der Beklagten zu 2 weitergeführt worden sind, später jedoch behauptet, die Beklagte zu 2 habe nur die Maschinen übernommen, die für die eine verbliebene Anlage S nötig gewesen seien, die restlichen Maschinen seien verkauft oder stillgelegt worden. Sie haben vorgetragen, die Maschinen seien deshalb überwiegend nicht zum Zwecke der Betriebsfortführung, sondern zum Zwecke der Liquidation übertragen worden. Da die Beklagte zu 2 bereits Sicherungseigentümerin der Maschinen gewesen sei, scheide die Übertragung der Maschinen als Kriterium iSd. § 613a BGB aus.

Die Beklagten haben behauptet, Grund für die Kündigung der Klägerin sei der in der Ergänzungsvereinbarung vom 1. September 1999 genannte unternehmerische Entschluß gewesen, aus den Verwaltungsbereichen die Versorgung und die kaufmännische Verwaltung zur Rettung der unter dem Oberbegriff “operativer Bereich” zusammengefaßten Betriebsteile zu schließen. Im Zuge der Umsetzung der Rationalisierungsmaßnahme sei der Betrieb der Beklagten zu 1 am Standort H aufgelöst worden. Nur die verbleibenden Restaktivitäten würden durch die Beklagte zu 2 durchgeführt. Einen Arbeitsplatz, wie er in dem Zeugnis der Klägerin vom 2. April 2000 beschrieben sei, gebe es bei der Beklagten zu 2 nicht mehr. Der Klägerin sei deshalb auf Grund einer Teilbetriebsstillegung gekündigt worden. Bei der Beklagten zu 1 habe auch ein selbständiger Betriebsteil “kaufmännische Verwaltung” bestanden. In dieser Abteilung sei abgrenzbar gegenüber den Betriebsteilen “Vertrieb” und “Produktion” die kaufmännische Verwaltung des Gesamtbetriebes mit Angebotsbearbeitung, Fakturierung, Buchhaltung, Erledigung des gesamten Schriftverkehrs und des Zahlungsverkehrs usw. erfolgt. Die Arbeiten seien in einer räumlich getrennten Abteilung im Erdgeschoß des Betriebsgebäudes mit eigenen Betriebsmitteln ausgeübt worden. Die Abteilung “Technik” habe sich im Obergeschoß bzw. in einem angrenzenden Werkstattgebäude befunden. Der Bereich der kaufmännischen Verwaltung, in der die Klägerin beschäftigt gewesen sei, sei nicht dem Betriebsteil “Produktion” bzw. “Technik” zuzuordnen gewesen. Die sich auf Grund der Verwaltung der Abteilung “Technik” ergebenden Arbeiten seien zwar zwangsläufige Folge bzw. notwendige Vorbereitungsarbeiten gewesen, soweit zu dem Bereich der kaufmännischen Abteilung auch die Verwaltung der Abteilung “Vertrieb” gehört habe. Aus dieser Abteilung sei ebenfalls Arbeit angefallen; das ändere aber nichts an der Selbständigkeit des Betriebsteils Verwaltung und dem Entschluß, diese Abteilung stillzulegen. Sämtlichen Mitarbeitern dieser Abteilung sei gekündigt worden, die Betriebsräume seien geräumt worden. Von den von der Klägerin genannten fünf angeblich übernommenen Verwaltungsmitarbeitern seien zwei ausgeschieden. Die übrigen seien als Techniker dem operativen Bereich zuzuordnen. Die Beklagte zu 2 habe keine Verwaltungsmitarbeiter von der Beklagten zu 1 übernommen, genauso wenig wie Betriebsmittel.

Die von der Klägerin bislang erbrachten Arbeiten würden wie geplant nunmehr durch Mitarbeiter der Beklagten zu 2 mit erledigt. Daß auch die Beklagte zu 2 kaufmännische Arbeiten für das operative Geschäft erledige, stelle eine reine Funktionsnachfolge dar. Aus dem der Klägerin erteilten Zeugnis vom 2. April 2000 folge auch nicht, daß es keine eigenständige Abteilung “kaufmännische Verwaltung” bei der Beklagten zu 1 gegeben habe. Wenn in dem Zeugnis ausgeführt werde, daß die Klägerin für den technischen Geschäftsführer sowie zusätzlich für die Abteilung Technik tätig gewesen sei, habe es sich insoweit nur um eine Tätigkeit für die Abteilung Technik innerhalb der Abteilung “kaufmännische Verwaltung” gehandelt.

In der zweiten Instanz haben die Beklagten zuletzt erläuternd vorgetragen, die Klägerin sei in dem Sekretariat Geschäftsführung tätig gewesen. Zuvor sei sie Sekretärin des zum 31. Mai 1998 ausgeschiedenen technischen Geschäftsführers gewesen. Dessen Stelle sei nicht neu besetzt worden, sondern an zwei Tagen in der Woche durch den Zeugen B wahrgenommen worden. Bereits seit dem 1. Juni 1998 sei das Kerngeschäft auf den Betrieb von zwei Anlagen zurückgefahren worden. Ende 2000 sei ein Geschäftsführersekretariat gar nicht mehr unterhalten worden. Es gebe keinen eigenen Geschäftsführer mehr für den Betrieb der Beklagten zu 1. Die Büroarbeit für die letztlich verbliebene eine Anlage werde von dem betreuenden Ingenieur W mit verrichtet. Einen weiteren Arbeitsplatz in der kaufmännischen Verwaltung gebe es nicht mehr. Die Klägerin habe nur noch Abwicklungsarbeiten erbracht.

Letztlich meint die Beklagte zu 2, daß die Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2 verspätet geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehren die Beklagten die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Bereich der kaufmännischen Verwaltung, in dem die Klägerin beschäftigt gewesen sei, auf die Beklagte zu 2 übergegangen sei. Es sei unstreitig, daß zumindest der operative Teil des Betriebes der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 übertragen worden sei. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten im Bereich der Verwaltung seien nach dem Vorbringen der Beklagten aber notwendige Vorbereitungsarbeiten bzw. zwangsläufige Folge der Tätigkeiten im operativen Bereich. Angesichts dessen sei ein Übergang des gesamten Betriebes anzunehmen, die Verwaltung sei nur als unselbständiger Annex des operativen Teils anzusehen. Die Klage gegen die Beklagte zu 2 hält das Landesarbeitsgericht nicht für verwirkt.

    Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

    • Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zutreffend angenommen, daß die Klage gegen die Beklagte zu 2 nicht verwirkt ist.

      • Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Geltendmachung eines Betriebsübergangs durch den Arbeitnehmer wie jeder andere Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis verwirkt werden. Der Anspruch ist verwirkt, wenn der Anspruchsberechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmoment). Hierbei muß das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, daß ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (BAG 27. Januar 2000 – 8 AZR 106/99 – nv.; 20. Mai 1988 – 2 AZR 711/87 – AP BGB § 242 Prozeßverwirkung Nr. 5 = EzA BGB § 242 Prozeßverwirkung Nr. 1).

        Im Streitfall kann dahinstehen, ob das Zeitmoment erfüllt ist. Hierfür könnte sprechen, das die Klageerweiterung, mit der die Klägerin die Beklagte zu 2 erstmals in Anspruch nahm, indem sie die Feststellung des Arbeitsverhältnisses gegen die Beklagte zu 2 geltend machte, der Beklagten zu 2 erst am 6. Juli 2000 zugestellt worden ist. Der Betriebsübergang ist nach dem Vorbringen der Klägerin aber bereits im Oktober 1999 eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte zu 2 nicht darauf vertrauen konnte, die Klägerin würde sich nicht auf einen Übergang des Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB berufen. Die Klägerin machte diesen Umstand bereits bei der Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 2 am 1. Oktober 1999 geltend. Die Beklagte zu 2, insoweit vertreten durch ihren Prokuristen, der zuvor bereits für die Beklagte zu 1 als Handlungsbevollmächtigter aufgetreten war, hatte hiervon seit Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1 Kenntnis. Angesichts dessen konnte die Beklagte zu 2 nicht darauf vertrauen, daß die Klägerin das Ende ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2000 hinnimmt. Sie hat überdies auch nicht vorgetragen, daß sie wegen dieses Vertrauens irgendwelche Dispositionen vorgenommen oder unterlassen hat.

      • Zu Unrecht verweist die Revision in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Senats vom 12. November 1998 (– 8 AZR 265/97 – BAGE 90, 153 = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 5). Nach dieser Entscheidung hat der Arbeitnehmer, dem wirksam betriebsbedingt gekündigt worden war, nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen (zB durch nachträgliche Einstellung der organisierten Hauptbelegschaft) sein Fortsetzungsverlangen gegenüber dem Betriebserwerber “unverzüglich” geltend zu machen. Der Sachverhalt liegt aber hier anders, denn im Streitfall wäre das Arbeitsverhältnis wegen unwirksamer Kündigung rechtswirksam auf Grund § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen.
    • Dem Landesarbeitsgericht ist auch insoweit zu folgen, als es einen Übergang des operativen Geschäfts von der Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 nach § 613a BGB bejaht hat.

      • Ein Betriebsübergang iSd. § 613a BGB liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt. Ob ein im wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit “Betrieb” bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (st. Rspr. des Senats im Anschluß an EuGH 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 (Ayse Süzen); vgl. nur 25. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – BAGE 95, 1 = AP BGB § 613a Nr. 209, zu II 1a der Gründe; 26. August 1999 – 8 AZR 827/98 – BAGE 92, 251 = AP BGB § 613a Nr. 197, zu I 3 a, c der Gründe mwN). Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, daß die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt (BAG 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – AP BGB § 613a Nr. 196 = EzA BGB § 613a Nr. 185, zu B II 1 der Gründe). Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebs. Es muß sich um eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Das Merkmal des Teilzwecks dient dabei zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit. Im Teilbetrieb müssen nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden (BAG 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – aaO; 14. Dezember 2000 – 8 AZR 220/00 – nv.; Soergel/Raab BGB 12. Aufl. § 613a Rn. 20; Staudinger/Richardi/Annuß BGB 13. Bearbeitung § 613a Rn. 51). Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muß es sich um eine organisatorische Untergliederung handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. § 613a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang voraus, daß die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten (Senat 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 – NZA 1998, 253, zu II 2b aa der Gründe; 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 277 f. = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16, zu B 3b der Gründe; 13. November 1997 – 8 AZR 52/96 – EzA BGB § 613a Nr. 166, zu B I 2a der Gründe; 11. Dezember 1997 – 8 AZR 729/96 – BAGE 87, 303, 305 ff. = AP BGB § 613a Nr. 172, zu B I 2a der Gründe; 26. August 1999 – 8 AZR 718/98 – aaO; 25. Mai 2000 – 8 AZR 335/99 – nv.).

        Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist es möglich, nur einen Teilbetrieb zu übernehmen und dabei andere Betriebsteile auszunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob der verbleibende Restbetrieb fortgesetzt werden könnte oder noch lebensfähig ist. Der Betriebsübergang folgt aus der Wahrung der Identität des Betriebs beim Erwerber und nicht aus dem Untergang der früheren Identität des Gesamtbetriebs (BAG 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120 = AP BGB § 613a Nr. 170, zu II 2 g der Gründe; 24. Februar 2000 – 8 AZR 162/99 – nv.; Erman/Hanau BGB 10. Aufl. § 613a Rn. 15; Staudinger/Richardi/Annuß aaO § 613a Rn. 52; ErfK/Preis 2. Aufl. § 613a Rn. 9).

        Betriebsteile wie zB ein Verwaltungsbereich gehen damit nur dann über, wenn dessen sächliche oder immaterielle Betriebsmittel übertragen worden sind oder der nach Zahl und Sachkunde wesentliche Teil des dort beschäftigten Personals. Eine bloße Wahrnehmung der gleichen Funktion beim Erwerber mit dessen eigenem Personal reicht für den Betriebsübergang nicht aus. Voraussetzung ist, daß der Verwaltungsbereich bei dem Veräußerer also organisatorisch verselbständigt ist (Annuß ZInsO 2001, 49, 53; Staudinger/Richardi/Annuß aaO § 613a Rn. 114). Der Senat hat im Urteil vom 23. September 1999 (– 8 AZR 650/98 – nv.) zwar festgestellt, daß der Verwaltung eines Unternehmens gegenüber anderen Bereichen nicht in jedem Falle die erforderliche Eigenständigkeit zukommt, um einen selbständig übergangsfähigen Betriebsteil annehmen zu können. Im dortigen Fall hat er die Frage der teilbetrieblichen Organisation offengelassen. Die Frage der teilbetrieblichen Organisation muß im Bestreitensfall jedoch nach wie vor positiv festgestellt werden (vgl. auch BAG 18. April 2002 – 8 AZR 346/01 – zur Veröffentlichung vorgesehen ≪zVv.≫).

      • Die Beklagte zu 2 hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wesentliche Betriebsmittel des operativen Bereichs, die Aufträge und von 68 Mitarbeitern 56 übernommen. Daß sie ggf. an einigen Maschinen schon zuvor Sicherungseigentum hatte, ist unerheblich, denn es kommt auf die Überlassung der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit an. Letztere bestand vor Oktober 1999 nicht. Die Beklagte zu 1 informierte ihre Kunden und Lieferanten auch über die Übernahme des operativen Geschäfts. Soweit die Beklagten in der Revision einwenden, daß die Maschinen nicht zum Zwecke der Betriebsfortführung, sondern zum Zwecke der Liquidation übertragen worden sind, entspricht dies nicht den das Bundesarbeitsgericht bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO). Zwar erlaubt die bloße Möglichkeit, den Betrieb selbst unverändert fortführen zu können, noch nicht die Annahme eines Betriebsübergangs (EuGH 10. Dezember 1998 – verb. Rs C-173/96 ua. Rs C-127/96 ua. – EuGHE I 1998, 8237; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189; 23. September 1999 – 8 AZR 750/98 – nv.). Die Beklagte zu 2 hat den Betrieb aber nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt tatsächlich fortgeführt. Die Beklagten haben eingeräumt, daß von den Bohranlagen nach wie vor eine in Betrieb ist. Zudem haben sie im Schriftsatz vom 11. Oktober 1999 dargelegt, daß “in Zukunft” nur noch zwei Anlagen betrieben werden könnten, dh. daß im Oktober 1999 noch mehr als zwei Anlagen in Betrieb waren. Zudem hat die Beklagte zu 2 den Betrieb der Beklagten zu 1 unstreitig als Zweigniederlassung fortgeführt und über diese Fortführung auch ihre Kunden informiert.

        Zweifel an der Identität des übernommenen Betriebes bestehen auch nicht auf Grund einer von vornherein auf Dauer eingeschränkten und anders organisierten Betriebstätigkeit. Diese ist zwar ebenfalls bei der Prüfung des Übergangs eines Produktionsbetriebes zu würdigen (vgl. Senat 25. Mai 2000 – 8 AZR 335/99 – nv.; 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 274 ff. = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16, zu B 2 der Gründe; 18. März 1999 – 8 AZR 159/98 – BAGE 91, 121 = AP BGB § 613a Nr. 189, zu II 3, 4 der Gründe; 23. September 1999 – 8 AZR 750/98 – nv., zu 2 der Gründe mwN). Die Beklagten tragen insoweit aber nur vor, daß die notwendigen Verwaltungstätigkeiten von Kräften der Beklagten zu 2 mit erledigt wurden. Hierin liegt noch keine einer Identität des operativen Geschäfts entgegenstehende Änderung einer Betriebsorganisation. Genausowenig steht die für einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft beabsichtigte Stillegung einzelner Anlagen der Wahrung der Identität entgegen.

    • Soweit das Landesarbeitsgericht einen Übergang des Arbeitsverhältnisses bejaht hat, weil die Verwaltungstätigkeit notwendige Folge des operativen Geschäfts sei, ist seine Begründung aber rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind zur Beurteilung der Frage, ob gerade das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte übergegangen ist, nicht ausreichend.

      Mit der Übertragung des operativen Geschäfts steht noch nicht fest, daß hiervon auch die Verwaltung erfaßt ist. Das Landesarbeitsgericht hat die mit Einzeltatsachen belegte und unter Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, das es sich bei dem Bereich der kaufmännischen Verwaltung um einen teilbetrieblich organisierten Betriebsteil, dh. um eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit im Betrieb der Schuldnerin handelte, die einen selbständigen Teilbetriebszweck erfüllte und von der Beklagten zu 2 nicht übernommen worden ist, nicht aufgeklärt. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, daß die kaufmännische Verwaltung als Annex des operativen Teils übergegangen sei, beruht auf einer rechtlichen Wertung und nicht auf einer Feststellung und ist damit entgegen der Ansicht der Klägerin mit der Revision überprüfbar. Das Landesarbeitsgericht zieht aus der Tatsache, daß auch die Beklagte zu 2 im Zusammenhang mit dem operativen Geschäft, welches ursprünglich bei der Beklagten zu 1 durchgeführt wurde, notwendige Verwaltungsaufgaben verrichtet und daß diese Voraussetzung für das operative Geschäft seien, lediglich den rechtlichen Schluß, daß der Bereich der Verwaltung bei der Beklagten zu 1 ein unselbständiger Annex des operativen Geschäfts war.

      Dieser rechtliche Schluß ist unzutreffend. Denn von der Notwendigkeit der Durchführung einer Aufgabe zur Erreichung des Gesamtbetriebszwecks kann nicht auf die Art der tatsächlichen Organisation eines Betriebs geschlossen werden. Die Verwaltung ist immer notwendige Voraussetzung oder Folge eines (Produktions)betriebes, dennoch ist eine teilbetriebliche Organisation dieses Bereiches denkbar und möglich (vgl. auch Senat 23. September 1999 – 8 AZR 650/98 – nv. und 14. Dezember 2000 – 8 AZR 220/00 – nv.).

      Sollte sich der Vortrag der Beklagten zur teilbetrieblichen Organisation der Verwaltung bestätigen, wird das Landesarbeitsgericht aufzuklären haben, ob die Beklagte zu 2 insoweit wesentliche Betriebsmittel übernommen hat. Hiergegen spricht, daß die Klägerin selbst vorgetragen hat – wie bereits in der Ergänzungsvereinbarung zwischen der Beklagten zu 1 und dem Betriebsrat festgeschrieben –, die Beklagte zu 2 habe diese Aufgaben mit eigenem Personal erledigt und ihre eigene bereits bestehende Verwaltungsorganisation zur kaufmännischen und verwaltungsmäßigen Betreuung des operativen Geschäfts eingesetzt (vgl. Senat 23. September 1999 – 8 AZR 650/98 – nv.). Soweit die Klägerin anfänglich behauptet hat, die Beklagte zu 2 habe fünf Verwaltungsmitarbeiter übernommen, ist unklar, ob dies ein wesentlicher Teil des Personals war, außerdem haben die Beklagten den Vortrag im einzelnen bestritten.

    • Führt die weitere Tatsachenfeststellung zur Annahme einer teilbetrieblichen Organisation der Verwaltung, wird das Landesarbeitsgericht sodann auch die Zuordnung der Klägerin zu prüfen haben.

      Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, daß der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil zuzuordnen ist. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht ausreichend, daß er, ohne dem Betriebsteil anzugehören, als Beschäftigter einer Verwaltungsabteilung des Unternehmens Tätigkeiten für den übertragenen Teil des Unternehmens verrichtet (BAG 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 277 = AP EWG-Richtlinie 77/187 Nr. 16, zu B 3a der Gründe; 13. November 1997 – 8 AZR 375/96 – BAGE 87, 120, 128 = AP BGB § 613a Nr. 170, zu II 3 der Gründe; 21. Januar 1999 – 8 AZR 298/98 – nv., zu II 1b aa der Gründe; 23. September 1999 – 8 AZR 650/98 – nv.; EuGH 7. Februar 1985 – Rs 186/83 – EuGHE 1985, 524, 528 (Botzen), zu Nr. 16 der Gründe; 12. November 1992 – Rs C-209/91 – EuGHE I 1992, 5773 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 5 (Rask), zu Nr. 16 der Gründe).

      War die Klägerin hiernach im Bereich der Verwaltung tätig, ist es unerheblich, ob sie innerhalb dieses Bereiches Aufgaben für die Technik verrichtete.

  • Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
 

Unterschriften

Hauck, Laux, Morsch, R. Iskra

Richter Wittek ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 840633

ARST 2003, 89

NZA 2003, 315

EzA-SD 2002, 13

EzA

ZInsO 2003, 99

ArbRB 2002, 356

PP 2002, 33

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