Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrerin

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 305, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst.q a.F.; TVG § 1 Auslegung

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 05.10.1990; Aktenzeichen 5 (9) Sa 1919/89)

ArbG Dortmund (Urteil vom 09.11.1989; Aktenzeichen 7 Ca 2257/89)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Oktober 1990 – 5 (9) Sa 1919/89 – aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht die Klage in Höhe eines den Betrag von 14.356,28 DM brutto nebst Zinsen übersteigenden Betrages abgewiesen und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 31. August 1988 anteilige Vergütung nach der VergGr. II a BAT zu zahlen.

Die Klägerin ist seit dem Schuljahr 1979/80 als Gymnasiallehrerin für die Fächer Erdkunde und evangelische Religion im Dienste des beklagten Landes beschäftigt. Für das seit 1984 unbefristete Arbeitsverhältnis ist das Schreiben des Schulkollegiums beim Regierungspräsidenten Münster vom 12. Juli 1984 maßgeblich. Darin sind der Klägerin ab 1. August 1984 wöchentlich insgesamt zehn Unterrichtsstunden an zwei verschiedenen Gymnasien der Stadt L. übertragen worden. In dem Schreiben heißt es weiter:

„…

Auf das Dienstverhältnis sind die für Lehrer an Gymnasien im Lande Nordrhein-Westfalen allgemein geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (u.a. die Vorschriften über die Pflicht zur Verschwiegenheit, Teilnahme an Konferenzen); die §§ 8, 9, 10 u. 14 des BAT betreffend die allgemeinen Pflichten der Angestellten im öffentlichen Dienst gelten sinngemäß. Es wird von Ihnen erwartet, daß Sie die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen und jederzeit durch ihr Verhalten für deren Erhaltung eintreten.

…”

Die Klägerin hat eine Vergütung nach Jahreswochenstunden mit einem Stundensatz von zuletzt 35,53 DM erhalten. Diese Vergütung liegt niedriger als der Stundensatz, den das beklagte Land einer vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Lehrkraft zahlt. Die Klägerin sieht in der ihr gewährten anteilig geringeren Vergütung einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und verlangt mit ihrer am 26. Juni 1989 bei Gericht eingereichten Klage die übliche Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB. Sie hat vorgetragen, vergleichbare vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte des beklagten Landes erhielten bei 23 wöchentlichen Unterrichtsstunden Bezüge nach der VergGr. II a BAT. Für die Zeit vom 1. Januar 1987 bis zum 30. April 1989 stehe ihr daher die Differenz zwischen 10/23 der Vergütung nach der VergGr. II a BAT und der tatsächlich gezahlten Vergütung zu. Der Differenzbetrag belaufe sich auf 40.318,88 DM brutto.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 40.318,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 1. März 1988 (mittleres Zinsdatum) zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat seine Verpflichtung zur Zahlung dem Grunde nach anerkannt, jedoch vorgetragen, vollzeitbeschäftigte Lehrer an Gymnasien hätten eine Pflichtstundenzahl von 24 Wochenstunden zu erbringen. Zudem hat es die rechnerische Richtigkeit der Klageforderung bestritten und weiter geltend gemacht, große Teile der Klageforderung seien gemäß § 70 BAT verfallen. Die Klägerin habe erstmals mit Schreiben vom 19. Februar 1989 an den Regierungspräsidenten in Arnsberg gebeten, die Bezüge für ihre Teilzeitbeschäftigung nach Maßgabe der Vergütungsvorschriften des BAT neu zu berechnen. Ansprüche auf Zahlung einer höheren Vergütung für die Vergangenheit habe sie in diesem Schreiben nicht geltend gemacht. Erstmals mit Schreiben vom 10. Mai 1989 habe die Klägerin Ansprüche auf eine zusätzliche Vergütung für den Zeitraum von 1987 bis Anfang 1989 erhoben. Danach seien die Ansprüche der Klägerin größtenteils verfallen. In dem Anstellungsschreiben vom 12. Juli 1984 werde § 70 BAT zwar nicht erwähnt, aus der dort niedergelegten Aufzählung einzelner Normen des BAT könne aber nicht der Gegenschluß gezogen werden, daß die nicht erwähnten Vorschriften des BAT nicht anzuwenden seien. § 70 BAT regele über den Wirkungsbereich des BAT hinaus den Verfall aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Davon sei auch im Fall der Klägerin auszugehen. Jedenfalls aber seien die Ansprüche der Klägerin nach § 242 BGB verwirkt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Landesarbeitsgericht das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 14.356,28 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den aus dem Bruttobetrag sich ergebenden Nettobetrag zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsurteil wird nur von der Klägerin angegriffen. Mit ihrer Revision verfolgt sie die Verurteilung des beklagten Landes zur Zählung von weiteren 25.962,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 15. April 1989.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Es läßt sich gegenwärtig jedoch noch nicht abschließend beurteilen, wie hoch der streitige Restanspruch der Klägerin rein rechnerisch ist. Insoweit bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das macht die Zurückverweisung der Sache an die Berufungsinstanz erforderlich.

I. Das Landesarbeitsgericht hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats – besonders an das Teilurteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) – den Klaganspruch grundsätzlich bejaht. Davon geht auch das beklagte Land aus. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch weiter ausgeführt, der Anspruch der Klägerin sei, soweit er sich zeitlich bis zum Monat August 1988 erstrecke, gemäß § 70 BAT verfallen. Für die aus dem BAT entnommenen Vergütungsansprüche seien zugleich die weiteren Vorschriften dieses Tarifvertrages anzuwenden, soweit sie für einen daraus hergeleiteten Vergütungsanspruch Bedeutung haben können. Diese Inhaltsnormen des BAT, die üblicherweise im öffentlichen Dienst ohne Rücksicht auf Verbandszugehörigkeit angewendet würden, seien als die Regeln für die übliche Vergütung im öffentlichen Dienst gemäß § 612 Abs. 2 BGB anzusehen. Die Geltendmachung derartiger Gehaltsansprüche sei demnach auch nur in den durch § 70 BAT gezogenen zeitlichen Grenzen für vergangene Anspruchszeiträume möglich.

Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden. Die Ausschlußklausel des § 70 BAT darf vorliegend nicht angewandt werden.

II.1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft ausdrücklich nur „die Höhe der Vergütung”. Nur insoweit darf die übliche tarifliche Vergütung als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 – NZA 1991, 247, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu II 1 der Gründe).

2. Eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT kommt für die streitbefangene Zeit ohne Rücksicht auf Tarifgebundenheit der Parteien nicht in Betracht. § 3 Buchst. q BAT schloß in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung aus. Der Folgetarifvertrag begrenzte den Ausschluß auf Angestellte, die regelmäßig weniger als 18 Stunden wöchentlich tätig sind (59. Änderungs-TV zum BAT). Mit einer wöchentlichen Unterrichtszeit von insgesamt zehn Stunden fiel die Klägerin in der streitbefangenen Zeit mithin in keinem Falle unter die Tarifgeltung des BAT. Die Parteien hätten bei dieser Sachlage daher die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen, wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989 zum Aktenzeichen – 5 AZR 161/88 – (a.a.O.) entschiedenen Rechtsstreit der Fall war. Das ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

3. Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 – a.a.O. zu II 4 der Gründe).

4. Die Klägerin braucht sich weiter nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie kraft Tarifgebundenheit der Vertragspartner gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.

5. Schließlich kann sich das beklagte Land nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört nämlich auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei dazu hat das beklagten Land nichts vorgetragen.

III. Dem Senat ist es jedoch trotz der oben dargestellten Rechtslage nicht möglich, über die Revision abschließend zu erkennen, weil die tatsächlichen Grundlagen des noch streitigen Anspruchs der Klägerin nicht geklärt sind. Die Klägerin hat behauptet, vergleichbare Lehrer müßten 23 Wochenstunden erteilen, das beklagte Land hat sich dagegen stets auf 24 Stunden berufen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 5. Oktober 1990 haben die Parteien übereinstimmend die Pflichtstundenzahl mit 23,5 Stunden pro Woche angegeben. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht auch ausgegangen, jedoch ohne zu berücksichtigen, welche Zahlungen in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Zeitraum an die Klägerin geleistet worden sind. Durch die Änderung des Divisors 23 in 23,5 bei der Pflichtstundenzahl eines vollzeitbeschäftigten Lehrers hat sich die Berechnungsgrundlage für die Klage geändert. Das beklagte Land hat seinerseits eine eigene Berechnung erstellt. Da in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht keine übereinstimmende Angabe der Parteien über die rechnerischen Anspruchsgrundlagen zu erreichen war, mußte der Senat die Sache an die Berufungsinstanz zur weiteren Aufklärung zurückverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Florack, Werner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065182

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