Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Flugkapitäns wegen Nichtbestehens der Überprüfungsflüge. Parallelsache zu BAG 7. Dezember 2000 – 2 AZR 459/99 –

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 4, 6-7; BGB § 162; LuftVG § 4 Abs. 1; LuftPersV §§ 17, 128; LuftBO §§ 40, 42; LuftVZO § 28a; VwGO § 42

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 30.04.1999; Aktenzeichen 13 Sa 1416/96)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.05.1996; Aktenzeichen 11 Ca 8897/95)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. April 1999 – 13 Sa 1416/96 – aufgehoben, soweit es auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. November 1995 zum 30. Juni 1996 erkannt hat.
  • Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 1996 – 11 Ca 8897/95 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sowie die Verpflichtung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am 25. Juli 1947 geborene, verheiratete Kläger wurde von der Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 23. August 1990 seit 1. August 1990 als Flugkapitän auf dem Flugzeugmuster MD-80 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Firmentarifverträge der Beklagten in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 8. November 1995 die aufgrund des Tarifvertrages gem. § 117 Abs. 2 BetrVG gewählte Personalvertretung zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung an, zu deren Begründung sie sich darauf berief, der Kläger verfüge nach nicht bestandenen Überprüfungsflügen im Simulator am 12. September und 3. November 1995 nicht mehr über eine gültige Lizenz.

Nach Zustimmung der Personalvertretung am 13. November 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 14. November 1995, dem Kläger zugegangen am 21. November 1995, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin; nach Berechnung der Beklagten sollte dies der 31. März 1996 sein.

Mit seiner am 24. November 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Die Überprüfungsflüge seien nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften durchgeführt worden. Die Beklagte habe ihre Fürsorgepflicht verletzt. Sie habe mittels der Überprüfungsflüge Personalpolitik betrieben. Er sei von einer Reihe von Co-Piloten, Checkern und Mitgliedern der Flugbetriebsleitung der Beklagten “gemobbt” worden. Etwa ab 1993 seien Schwierigkeiten mit bestimmten bei der Beklagten beschäftigten Co-Piloten, Checkern und der Flugbetriebsleitung aufgetreten, weil er bei der Verteilung der Flugstunden eine gleichmäßige Berücksichtigung aller Mitarbeiter gefordert habe und weil er immer wieder darauf hingewiesen habe, daß er mit der Leistung einiger Co-Piloten nicht zufrieden sei. So habe er am 2. Juli 1994 bei der Vorbereitung eines Fluges festgestellt, daß der ihm zugeteilte Co-Pilot S.… keine ordnungsgemäße Flugvorbereitung durchgeführt habe. Der Co-Pilot habe es versäumt, die Nachrichten für Flugfahrer (notam) durchzuarbeiten. Er habe es daher abgelehnt, den Flug mit dem Co-Piloten durchzuführen. Nach dieser Entscheidung habe der Co-Pilot S…. entgegnet, daß er ohnehin die besseren Freunde bei der Flugbetriebsleitung und bei den von der Beklagten eingesetzten Checkern habe, und wenn man es sonst nicht schaffe, den Kläger loszuwerden, dann eben durch einen nicht bestandenen Überprüfungsflug. Insoweit habe es bei der Beklagten eine Allianz zwischen den Co-Piloten S.…, D.…, W.…, H.…, V.… und den Chekkern B.…, Du.…, K.… und Kr.… sowie der Flugbetriebsleitung in Person der Herren F.… und W.… gegeben.

Der Co-Pilot S.… habe sich dann auch bei Herrn Du.… in seiner Funktion als Checker und Ausbildungsleiter über den Kläger beschwert und die Einleitung von arbeitsrechtlichen Schritten gefordert. Dieser Sachverhalt sei von dem Checker Du.… in das Treffen der Checker Mitte des Jahres 1994 hineingetragen und es sei darauf hingewiesen worden, daß ja keine Abmahnung gegen den Kläger vorliege, man daher im Checkergremium wisse, was in einem solchen Fall zu tun sei. Mit dieser Äußerung sei gemeint gewesen, die Entlassung des Klägers über einen nicht bestandenen Überprüfungsflug zu betreiben. Auf diese von vielen Seiten der Geschäftsleitung mitgeteilten Machenschaften gehe ein Aushang über Mobbing am Schwarzen Brett vom 13. September 1994 zurück.

Als Ende März 1995 die Verlängerung seiner Lizenz angestanden habe, sei ein durch den Checker Du.…, der als Arbeitnehmer der Beklagten gleichzeitig vom LBA bestellter Sachverständiger sei, am 29. März 1995 im Simulator in Helsinki durchgeführter Check als nicht bestanden bewertet worden, obwohl seine, des Klägers, Leistungen völlig ausreichend gewesen seien. Überdies habe dieser Check nicht in einer ordnungsgemäßen Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit bestanden, sondern sei durchzogen gewesen von völlig undurchführbaren Flugsimulationen, unsinnigen Anweisungen usw. Der anschließende Wortwechsel zwischen ihm und Herrn Du.…, in dessen Verlauf von seiner Seite das Wort “Disziplinierungsmaßnahmen” gefallen sei, sei Anlaß für einen Briefwechsel mit der Flugbetriebsleitung gewesen, in dem diese die Anordnung gab, wenn er sich bis zu dem für den 10. April 1995 geplanten Simulator-Re-Check nicht bei Herrn Du.… entschuldige, werde er trotz eines bestandenen Checkflugs vom Flugeinsatz freigestellt und seine Lizenzverlängerung werde bis zur endgültigen Klärung ausgesetzt.

Der für die weitere Verlängerung seiner Lizenz am 12. September 1995 durch den Checker K.… durchgeführte Check sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Checker K.… habe alles unternommen, um ihn durchfallen zu lassen. So habe der Chekker zB dem Co-Piloten untersagt, ihm bei der Lösung eines im Rahmen des Checks eingegebenen Fehlers zu helfen. Sinngemäß sei die Äußerung gefallen: “M.…, wenn du dem H.… noch einmal versuchst zu helfen, bist du auch durchgefallen, weil der hat ja überhaupt keinen blassen Schimmer”. Nachdem dieser Check als nicht bestanden gewertet worden sei, seien beim Re-Check am 3. November 1995 wiederum seine Leistungen völlig ausreichend gewesen, soweit die Überprüfung den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Eine ordnungsgemäße Durchführung der Überprüfung habe aber schon deshalb nicht erfolgen können, weil der Simulator während der gesamten Prüfung Abnormalitäten gezeigt habe und zu guter Letzt das Computerprogramm abgestürzt sei, so daß Techniker der Finn-air den Simulator erst wieder hätten in Gang setzen müssen. Trotz Anfrage habe er keine schriftlichen Begründungen und keine Simulatorprotokolle für die angeblich nicht bestandenen Überprüfungen erhalten. Beim Re-Check sei von ihm ohne Anlaß eine Wiederholung des Theorietests gefordert worden, obwohl er diesen schon beim ersten Check bestanden habe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die eingesetzten Checker seien gemäß § 20 VwVfG ausgeschlossen gewesen, weil sie zugleich Überprüfungen für die Beklagte durchführten und dafür ein zusätzliches Entgelt erhielten. Die daraus und aus der Überspannung der Anforderungen folgende Rechtswidrigkeit der Überprüfungen sei von den Arbeitsgerichten zu entscheiden. Auch wenn es insoweit um möglicherweise verwaltungsrechtliche Vorfragen gehe, könne er nicht auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen werden. Eine Kündigung sei nicht rechtmäßig, wenn mit der Erneuerung oder Verlängerung der Erlaubnis in absehbarer Zeit gerechnet werden könne. Die Überprüfungen könnten wiederholt werden, bis eine ausreichende fliegerische Leistung attestiert werden könne. Hiermit sei bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Checks zu rechnen, zumal ihm vor Ausspruch der Kündigung seine österreichische Lizenz verlängert worden sei. Zudem habe die auch von seinem Prozeßbevollmächtigten über das ihm gegenüber betriebene Mobbing informierte Beklagte die Nichtverlängerung bzw. Nichtanerkennung für Deutschland zu vertreten. Das LBA sei mit der Verweigerung der Anerkennung seiner österreichischen Lizenz einer Forderung der Beklagten nachgekommen. Nach dem MTV sei diese deshalb nicht zur Kündigung berechtigt.

Schließlich seien sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Fehlens einer erforderlichen vorherigen Abmahnung und auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte keine vorübergehende oder dauerhafte anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers am Boden geprüft habe. Die Beklagte könne ihn zumindest für eine Übergangszeit in der Verwaltung (Flugbetrieb und Einsatzplanung) einsetzen, weil dort freie Stellen vorhanden seien. Dies habe sie auch nach dem ersten, angeblich nicht bestandenen Überprüfungsflug getan.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. November 1995 nicht aufgelöst worden ist;
  • die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 23. August 1990 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Kapitän weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die österreichische Lizenz des Klägers habe das LBA deshalb nicht anerkannt, weil dafür die Verlängerung/Erneuerung der entsprechenden Erlaubnis nach der LuftPersV verlangt werde, nicht dagegen wegen eines fehlenden Flugstundennachweises oder einer entsprechenden Aufforderung ihrerseits. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, denn es gehe im Streitfall nicht um einen verhaltens-, sondern um einen personenbedingten Kündigungsgrund. Soweit der Kläger die Korrektheit der Überprüfungen anzweifele, sei allein das Verwaltungsgericht zuständig. Die Checker handelten nicht als ihre Angestellten, sondern als öffentlich-rechtlich bestellte Sachverständige des LBA. In dieser Funktion seien sie von Weisungen der Beklagten unabhängig. Sie selbst könne deshalb den diesbezüglichen Vortrag des Klägers nur mit Nichtwissen bestreiten und verfüge aus eigener Kenntnis über keine Informationen. Eine schriftliche Begründung für das Nichtbestehen der Checks sei nicht vorgeschrieben und in allen deutschen Luftfahrtunternehmen unüblich. Fürsorgepflichten habe sie, die Beklagte, nicht verletzt. Das Mobbingschreiben vom 13. September 1994 sei nicht auf den Kläger gemünzt gewesen. Gemäß § 128 LuftPersV sei eine zweite Wiederholung der nicht bestandenen Überprüfung nur mit Zustimmung der Erlaubnisbehörde zulässig; eine solche habe der Kläger nicht beantragt.

Ihr sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne entsprechende Arbeitsleistung des Klägers als Flugzeugführer unzumutbar. Bei Ausfall eines Piloten wegen Lizenzverlusts bestehe wegen der gesetzlichen Flug- bzw. Flugdienstzeitenbeschränkung nicht die Möglichkeit, diesen Ausfall durch Überstunden bzw. Mehrflugstunden zu kompensieren. Vielmehr müsse in diesem Fall ein neuer Pilot eingestellt werden, was auch dessen kostenträchtige Schulung auf dem entsprechenden Flugzeugmuster erforderlich mache. Dafür entstünden Ausbildungskosten iHv. ca. 100.000 DM. Eine freie Arbeitsstelle im Bodenbereich sei nicht vorhanden, der Kläger würde eine solche Tätigkeit auch nicht akzeptieren. Im übrigen habe sich der Kläger innerhalb der Klagefrist nur gegen die fristlose Kündigung gewandt, so daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die ordentliche Kündigung beendet worden sei.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Feststellungsantrag des Klägers erkannt, seinen Weiterbeschäftigungsantrag hat es abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung, jedoch durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden, allerdings erst mit Wirkung zum 30. Juni 1996. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 14. November 1995 überhaupt nicht aufgelöst worden, sowie die Verurteilung der Beklagten zu seiner Weiterbeschäftigung als verantwortlicher Flugzeugführer gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 23. August 1990.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. November 1995 nicht aufgelöst worden (§ 1 KSchG).

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung fristlos aufgelöst worden, die ordentliche Kündigung sei aber aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, weil der Kläger nicht über eine gültige Fluglizenz verfüge, aufgrund derer er als Flugzeugführer eingesetzt werden könne. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Auch habe im Kündigungszeitpunkt mit der Verlängerung bzw. Erneuerung seiner Fluglizenz in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden können. Ob die Überprüfungen durch die als Sachverständige des LBA tätig gewordenen Checker korrekt verlaufen seien, und ob das LBA zur Verlängerung der Lizenz bzw. zur Anerkennung der österreichischen Lizenz des Klägers verpflichtet sei, könne nur ein verwaltungsgerichtliches Verfahren klären, das der Kläger jedoch nicht angestrengt habe. Daran ändere auch die Pflicht der Beklagten aus dem MTV nichts, dem Kläger kostenlos die Gelegenheit zu lizenzerhaltenden Maßnahmen zu verschaffen. Insoweit gehe es nur um die Organisation der äußeren Rahmenbedingungen für die Durchführung der Erneuerungs-Checks. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen, weshalb sie die Nichtverlängerung der Fluglizenz des Klägers nicht zu vertreten habe. Da die Kündigung allein auf dem personenbedingten Kündigungsgrund des Wegfalls einer für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlichen behördlichen Erlaubnis beruhe, habe es keiner vorherigen Abmahnung bedurft. Ob die ordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der Klagefrist als sozial gerechtfertigt gelte, könne nach all dem dahinstehen.
  • Dem folgt der Senat zwar zum Teil in der Begründung, nicht aber im Ergebnis.

    • Daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht schon durch die außerordentliche Kündigung fristlos aufgelöst wurde, steht aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig fest. Die vom Landesarbeitsgericht offengelassene Frage der Einhaltung der Klagefrist des § 4 KSchG hinsichtlich der hilfsweisen ordentlichen Kündigung ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu bejahen. Die Beklagte hat mit demselben Kündigungsschreiben vom 14. November 1995 beide Kündigungen erklärt. Der Klageantrag im Schriftsatz vom 22. November 1995 greift undifferenziert “die Kündigung vom 14. November 1995” an. Zwar wird in der Klagebegründung nur die außerordentliche, nicht dagegen die ordentliche Kündigung erwähnt. Die Auslegung ergibt jedoch eindeutig, daß sich das Klagebegehren auch gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung richtet. Dies folgt zum einen aus dem noch in der Klageschrift enthaltenen Antragszusatz “und fortbesteht”, zum anderen auch aus dem Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung; der Kläger konnte nicht davon ausgehen, ein rechtskräftiger Abschluß des Rechtsstreits werde noch vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgen, und für eine Beschränkung des Weiterbeschäftigungsverlangens auf die Zeit der Kündigungsfrist fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Selbst wenn man dies außer Acht ließe, hätte der Kläger spätestens im Schriftsatz vom 1. April 1996 klargestellt, daß er auch die Sozialwidrigkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung geltend mache. Damit hätte er jedenfalls die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 KSchG gewahrt(vgl. BAG 16. November 1970 – 2 AZR 33/70 – AP KSchG § 3 Nr. 38 = EzA KSchG § 3 Nr. 2; KR-Friedrich 5. Aufl. § 6 KSchG Rn. 17 mwN). Aus § 7 KSchG läßt sich somit entgegen der Ansicht der Beklagten die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung nicht ableiten.
    • Gemäß § 4 Abs. 1 LuftVG bedarf der Kläger zum Führen eines Verkehrsflugzeugs einer Erlaubnis des LBA, die gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV nur befristet mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten erteilt wird. Gem. § 17 Abs. 2 LuftPersV kann die Erlaubnis verlängert bzw. erneuert werden, wenn der Verkehrsflugzeugführer ua. in den letzten drei Monaten vor Ablauf der Gültigkeit oder vor Stellung des Antrags auf Erneuerung einen Überprüfungsflug nach den Instrumentenflugregeln mit einem vom LBA anerkannten Sachverständigen nachweist. Gem. § 128 Abs. 6 iVm. Abs. 10 LuftPersV wird das Überprüfungsergebnis mit “Bestanden” oder “Nicht bestanden” beurteilt. Bei Nichtbestehen ist eine einmalige Wiederholung zulässig. Eine weitere Wiederholung ist nur mit Zustimmung des LBA zulässig.

      Da die Überprüfungsflüge des Klägers am 12. September und 3. November 1995 jeweils mit “Nicht bestanden” gewertet worden waren, war seine Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 LuftVG, § 17 Abs. 1 Nr. 1 LuftPersV) durch Fristablauf ungültig geworden. Gem. §§ 40, 42 Abs. 3 LuftBO durfte die Beklagte ihn nicht mehr als Flugkapitän einsetzen. Auch die österreichische Lizenz des Klägers änderte daran nichts; ohne Anerkennung durch das LBA gem. § 28a LuftVZO konnte diese eine Erlaubnis nach deutschem Recht nicht ersetzen, und die Anerkennung hatte das LBA abgelehnt. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß dem Kläger damit das Erbringen seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung rechtlich unmöglich geworden war und daß dieser personenbedingte Umstand an sich geeignet war, eine ordentliche Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung weder mit einer Erneuerung der Erlaubnis in absehbarer Zeit zu rechnen noch eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich war(vgl. BAG 31. Januar 1996 – 2 AZR 68/95 – BAGE 82, 139, 148 f.).

    • Dem Landesarbeitsgericht ist ferner darin beizupflichten, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit das LBA als zuständige Erlaubnisbehörde nicht zur Verlängerung oder Erneuerung der Lizenz des Klägers verpflichten kann. Verlängerung und Erneuerung sind ebenso wie die Anerkennung der österreichischen Lizenz des Klägers gem. § 28a LuftVZO und die Zustimmung des LBA zu einer weiteren Wiederholung der nicht bestandenen Überprüfung gem. § 128 Abs. 6 iVm. Abs. 10 LuftPersV den Kläger begünstigende Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG, § 42 VwGO. Wenn die Erlaubnisbehörde einen solchen Verwaltungsakt, aus welchen Gründen auch immer, verweigert, kann der Kläger hiergegen nur im verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg mittels Verpflichtungs- bzw. Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO vorgehen. In diesem Verfahren ist dann gegebenenfalls auch zu prüfen, ob bei der Beklagten angestellte Piloten, wie der Kläger moniert, als Sachverständige im Überprüfungsverfahren gem. § 20 VwVfG ausgeschlossen sind und ob die Verlängerungs-/Erneuerungs-Checks im übrigen rechtmäßig abliefen bzw. zu Unrecht als nicht bestanden gewertet wurden. Es handelt sich hierbei um Gutachten von der Erlaubnisbehörde verwaltungsrechtlich anerkannter, den Weisungen des Arbeitgebers insoweit nicht unterliegender Prüfungssachverständiger, die nur unselbständiger Bestandteil der noch zu treffenden Verwaltungsentscheidung über die Verlängerung bzw. Erneuerung der Fluglizenz sind (BAG 31. Januar 1996 aaO, 150; VG Braunschweig 23. März 1994 – 10 A 10239/93 –; Hofmann/Grabherr LuftVG § 4 Rn. 33; vgl. auch zur fliegerärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung VGH Baden-Württemberg 25. September 1997 – 8 S 907/97 – NZV 1998, 87). Daraus folgt dann aber, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, zugleich, daß der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß grundsätzlich nichts zur Korrektheit der Überprüfungsflüge vorzutragen braucht. Selbst wenn die Arbeitsgerichtsbarkeit den Prüfungsablauf oder das Prüfungsergebnis für rechtswidrig befinden würde, würde dies an dem Fehlen einer gültigen Lizenz des Piloten und dem sich aus §§ 40, 42 Abs. 3 LuftBO ergebenden Verbot seiner Beschäftigung als Verkehrsflugzeugführer nichts ändern. Auch können die angeblichen fliegerischen Leistungsmängel in einem rechtsstaatlichen, eben dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden, dem Piloten wird somit ein effektiver Rechtsschutz nicht versagt. Soweit der Senat im Urteil vom 31. Januar 1996 (aaO, 154 f.) eine abweichende Auffassung vertreten hat, gibt er sie auf, wobei offen bleiben kann, wie die Rechtslage bei den gem. § 42 Abs. 3 LuftBO durchzuführenden, nicht zugleich der Verlängerung bzw. Erneuerung der Lizenz dienenden Überprüfungsflüge wäre.
    • Die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung folgt auch nicht schon daraus, daß die Beklagte die Sachverständigen in unzulässiger Weise bewegt hätte, den Kläger “auszuchecken”, so daß sie sich gegebenenfalls gem. § 162 BGB nicht auf das Fehlen einer gültigen Lizenz berufen dürfte. Eine solche Einflußnahme seitens der Beklagten läßt sich den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Der “Mobbingaushang” der Beklagten vom 13. September 1994 spricht sogar für das Gegenteil. Soweit sich der Kläger also darauf beruft, er sei Opfer eines von den Checkern gegen ihn betriebenen Mobbings geworden, ist dem Landesarbeitsgericht aus den oben zu II.3 dargelegten Gründen darin zu folgen, daß sich ein solches Fehlverhalten als nicht der Beklagten zuzurechnender Mißbrauch ihrer Position als Sachverständige des LBA darstellen würde und ggf. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden müßte.
    • Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts läßt sich jedoch dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit einer Erneuerung der Erlaubnis des Klägers in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte. Die Kündigung war zum damaligen Zeitpunkt nicht schon das mildeste Mittel (ultima ratio), mit dem die Beklagte auf die entstandene Situation reagieren konnte. Vielmehr konnte und mußte die Beklagte dem Kläger zunächst Gelegenheit geben, binnen angemessener Frist die Zustimmung des LBA gem. § 128 Abs. 6 iVm. Abs. 10 LuftPersV zu einer weiteren Wiederholung der Prüfung einzuholen. Ein entsprechender Versuch des Klägers, notfalls im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO, wäre bei entsprechendem Sachvortrag des Klägers wie im vorliegenden Rechtsstreit nicht etwa aussichtslos, sondern durchaus erfolgversprechend gewesen. Davon geht auch die Beklagte aus (Revisionserwiderung vom 10. November 1999 S 5 Abs. 2). Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger diesen Weg nicht beschritten hätte, hätte die Beklagte, statt sogleich zu kündigen, ihn hierauf verwiesen. Es kann ferner nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger auch eine dritte, rechtsfehlerfrei durchgeführte Überprüfung nicht bestanden hätte. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung dessen, daß die österreichische Lizenz des Klägers aufgrund eines erfolgreichen Checks kürzlich verlängert worden war, nicht hinreichend substantiiert behauptet, das fliegerische Niveau des Klägers habe sich derart verschlechtert gehabt, daß eine erfolgreiche Absolvierung des weiteren Checks nicht zu erwarten gewesen wäre.

      Die Beklagte kann sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht darauf berufen, daß der Kläger tatsächlich keine Zustimmung des LBA zu einer weiteren Überprüfung beantragt hat. Die organisatorische Vorbereitung der Überprüfungsflüge zur Verlängerung bzw. Erneuerung der Erlaubnis zum Führen eines Verkehrsflugzeugs hatte stets die Beklagte übernommen. Der Kläger ging ersichtlich davon aus, hinsichtlich der prinzipiell möglichen weiteren Überprüfung werde dies nicht anders sein. Hätte die Beklagte dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung klargemacht, daß er selbst sich um die alsbaldige Zustimmung des LBA bemühen müsse, so wäre der Kläger sicher nicht untätig geblieben; jedenfalls besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger bereits resigniert hatte oder sich aus anderen Gründen nicht mehr um die Erneuerung seiner Erlaubnis bemüht hätte. Die Kündigung war somit (noch) nicht das mildeste Mittel, um auf die entstandene Situation zu reagieren.

      Entsprechendes gilt für das Betreiben der Anerkennung der österreichischen Lizenz des Klägers durch das LBA. Auch dafür hätte die Beklagte dem Kläger Gelegenheit geben müssen, bevor sie zum letzten Mittel der Kündigung griff. Auch insoweit kann nicht angenommen werden, entsprechende Bemühungen des Klägers, notfalls im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren, hätten keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

    • Entgegen dem angefochtenen Urteil ist somit auch die ordentliche Kündigung unwirksam. Mit der rechtskräftigen Entscheidung der Kündigungsschutzklage ist zugleich der auf eine vorläufige Weiterbeschäftigung gerichtete Antrag des Klägers erledigt.
 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Fischermeier, Dr. Roeckl, Lenz

 

Fundstellen

Haufe-Index 892421

NZA 2001, 607

AP, 0

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