Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung beim tariflichen Übergangsgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine tarifliche Regelung, die Frauen, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, um gesetzliche Rente in Anspruch zu nehmen, einen Anspruch auf Übergangsgeld gibt, Männern aber erst dann, wenn sie mit Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheiden, verstößt jedenfalls insoweit gegen Art 119 EG-Vertrag und Art 3 Abs 2 und Abs 3 GG, wie sie Männer vom Bezug des Übergangsgeldes ausschließt, die mit Vollendung des 63. Lebensjahres die gesetzliche Rente in Anspruch nehmen wollen und deshalb aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 119; GG Art. 3 Abs. 2-3; SGB VI §§ 36, 39

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 03.11.1994; Aktenzeichen 7 Sa 77/94)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 04.02.1994; Aktenzeichen 39 Ca 24561/93)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Übergangsgeld nach einem Tarifvertrag zusteht, den die Gewerkschaften ÖTV und DAG am 21. Oktober 1977 mit der Beklagten abgeschlossen haben.

In diesem Firmentarifvertrag heißt es u.a.:

"§ 35

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

durch Erreichung der Altersgrenze

(1) Erreicht der Arbeitnehmer das 65. Lebens-

jahr, endet das Arbeitsverhältnis in dem

darauffolgenden Monat, ohne daß es einer

Kündigung bedarf.

...

§ 36

Übergangsgeld, Voraussetzungen für die Zah-

lung

(1) Der vollbeschäftigte Arbeitnehmer, der am

Tage der Beendigung des Arbeitsverhältnis-

ses

a) das 21. Lebensjahr vollendet hat,

b) in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis

von mindestens 1 Jahr bei der Gesellschaft

gestanden hat,

erhält beim Ausscheiden ein Übergangsgeld.

(2) Das Übergangsgeld wird nicht gewährt, wenn

a) der Arbeitnehmer das Ausscheiden selbst

verschuldet hat,

b) der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat,

c) das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsver-

trag (§ 33 Abs. 5) beendet ist,

d) der Arbeitnehmer eine Abfindung aufgrund

des Kündigungsschutzgesetzes erhält,

e) der Arbeitnehmer aufgrund eines Vergleichs

ausscheidet, in dem vom Arbeitgeber eine

Geldleistung ohne Arbeitsleistung zuge-

billigt wird,

f) sich unmittelbar an das beendete Arbeits-

verhältnis ein neues mit Einkommen verbun-

denes Beschäftigungsverhältnis anschließt,

g) der Arbeitnehmer eine ihm nachgewiesene Ar-

beitsstelle ausgeschlagen hat, deren Annah-

me ihm billigerweise zugemutet werden konn-

te.

(3) Auch in den Fällen des Absatzes 2 b und c

wird Übergangsgeld gewährt, wenn

1. der Arbeitnehmer wegen

a) eines mit Sicherheit erwarteten Personal-

abbaues oder Auflösung der Gesellschaft,

b) einer Körperschädigung, die ihn zur Fort-

setzung des Dienstes unfähig macht,

c) einer in Ausübung oder infolge seiner Ar-

beit erlittenen Gesundheitsschädigung, die

seine Arbeitsfähigkeit für längere Zeit we-

sentlich herabsetzt.

2. die Arbeitnehmerin außerdem wegen

a) Schwangerschaft,

b) Niederkunft in den letzten 3 Monaten,

c) Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezuge

des Altersruhegeldes nach § 25 Abs. 2 AnVG

nach Vollendung des 60. Lebensjahres

selbst gekündigt oder einen Auflösungsver-

trag geschlossen hat.

...

§ 37

Bemessung des Übergangsgeldes

(1) Das Übergangsgeld beträgt nach einer

Dienstzeit bis zu 10 Jahren einschließlich

eine volle Monatsvergütung (Grundvergütung,

örtlicher Sonderzuschlag und Ortszuschlag),

bei einer Dienstzeit von mehr als 10 Jahren

zwei Monatsvergütungen.

..."

Der am 11. Juli 1930 geborene Kläger war seit dem 1. August 1978 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Monatslohn belief sich zuletzt auf 3.730,48 DM. Der Kläger schied zum 31. Juli 1993 bei der Beklagten aus. Die Zahlung eines Übergangsgeldes in Höhe von zwei Monatsgehältern machte er erfolglos geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, selbst wenn er bei der Beklagten aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden sei, müsse die Beklagte das tarifvertraglich vorgesehene Übergangsgeld zahlen. Der Kläger werde andernfalls wegen seines Geschlechtes benachteiligt, weil es eine § 36 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c des Firmentarifvertrages entsprechende Regelung nicht für männliche Arbeitnehmer gebe, welche die gesetzliche Altersrente nach § 36 SGB VI mit Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nähmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.460,96 DM

brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus

ergebenden Nettobetrag seit dem 28. September

1993 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch Auflösungsvertrag beendet worden. Ein tarifvertraglicher Anspruch auf Zahlung des Übergangsgeldes scheitere deshalb an § 36 Abs. 2 Buchst. c des Firmentarifvertrages. Eine Ausnahmeregelung zugunsten des Klägers gebe es nicht. Dies verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Gesetzgeber habe die aus der Doppelbelastung durch Familie und Beruf sich ergebende frühere gesundheitliche Beeinträchtigung von berufstätigen Frauen in Betracht gezogen und dementsprechend unterschiedliche Ruhestandsregelungen getroffen. Diese rechtmäßigen Bestimmungen habe der Firmentarifvertrag aufgegriffen, der in der Tradition der Beklagten stehe, weibliche Mitarbeiter besonders zu schützen und dafür zu sorgen, daß deren Belangen Rechnung getragen werde.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann der Kläger das geltend gemachte Übergangsgeld nach § 36 Abs. 1, § 37 Abs. 1 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Firmentarifvertrages (FTV) verlangen.

I. Nach dem Wortlaut des Firmentarifvertrages hat der Kläger allerdings keinen Anspruch. Er erfüllt zwar die Anspruchsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 FTV, zugleich aber auch einen Ausschlußtatbestand nach § 36 Abs. 2 FTV, ohne daß zu seinen Gunsten eine Rückausnahme nach § 36 Abs. 3 FTV eingreift.

1. Als das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31. Juli 1993 endete, war der Kläger 63 Jahre alt und genau 15 Jahre für die Beklagte tätig gewesen. Ihm steht damit an sich nach § 36 Abs. 1 FTV beim Ausscheiden ein Übergangsgeld zu.

2. Das Übergangsgeld wird dem Kläger jedoch nicht gewährt, weil sein Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag (§ 37 Abs. 2 Buchst. c, § 33 Abs. 5 FTV) und nicht etwa ohne besonderes Rechtsgeschäft wegen Erreichens der Altersgrenze 65 (§ 35 Abs. 1 FTV) geendet hat.

a) Das Erreichen des Lebensalters 63 gab dem Kläger zwar die Möglichkeit, ab August 1993 die gesetzliche Altersrente in Anspruch zu nehmen (§ 36 SGB VI). Der FTV sieht jedoch eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

b) Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger im Juli/August 1992 bei seinem Gespräch in der Personalabteilung der Beklagten mündlich zum 31. Juli 1993 kündigte oder sich nur nach den Fristen erkundigte, die er einhalten mußte, um sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt einseitig zu beenden. Eine etwaige mündliche Kündigung des Klägers wäre in jedem Fall rechtsunwirksam, weil sie formnichtig wäre (§ 125 BGB). § 33 Abs. 4 FTV verlangt für jede Kündigung nach Ablauf der Probezeit die Schriftform und zusätzlich, für die arbeitgeberseitigen Kündigungen, die Angabe des Kündigungsgrundes. Die Schriftform wird dabei erkennbar zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung erhoben.

c) Die Vorinstanzen sind zu Recht vom Abschluß eines nach § 33 Abs. 5 FTV formfrei möglichen Aufhebungsvertrages zum 31. Juli 1993 ausgegangen. Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber dessen angeblichen Beendigungswillen zum 31. Juli 1993 schriftlich bestätigt. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, sondern hat übereinstimmend mit der Beklagten das Arbeitsverhältnis tatsächlich am 31. Juli 1993 beendet.

3. Der sich hieraus ergebende Anspruchsausschluß nach § 36 Abs. 2 Buchst. c FTV ist im Falle des Klägers nicht nach § 36 Abs. 3 FTV aufgehoben. Der Auflösungsvertrag ist weder wegen eines sicher bevorstehenden Personalabbaus noch wegen eingetretener Dienstunfähigkeit noch wegen einer im Dienst erlittenen erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung abgeschlossen worden (§ 36 Abs. 3 Nr. 1 FTV). Die für Arbeitnehmerinnen geltenden weiteren anspruchserhaltenden Tatbestände kann der Kläger nicht erfüllen.

II. § 36 Abs. 2 Buchst. c in Verb. mit Abs. 3 FTV ist jedoch wegen Verstoßes gegen Art. 119 EG-Vertrag und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG rechtsunwirksam, soweit er Arbeitnehmerinnen, die mit Aufhebungsvertrag ausscheiden, weil sie das Rentenalter 60 erreicht haben, den Abfindungsanspruch erhält, für männliche Arbeitnehmer eine vergleichbare Regelung im Hinblick auf das Rentenzugangsalter 63 aber nicht enthält.

1. Das Landesarbeitsgericht hat seinen gegenteiligen Standpunkt im wesentlichen gestützt auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 1987 (BVerfGE 74, 163 = AP Nr. 3 zu § 25 AVG = EzA Art. 3 GG Nr. 22 mit Anm. Schlachter). Danach ist es mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar, daß Frauen die gesetzliche Altersrente im Unterschied zu Männern bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen können.

Mit dieser Inbezugnahme wird nicht hinreichend berücksichtigt, daß es dem Kläger nicht darum geht, wie eine Arbeitnehmerin bei einem Ausscheiden durch Eigenkündigung oder aufgrund eines Aufhebungsvertrages mit Vollendung des 60. Lebensjahres das Übergangsgeld zu erhalten. Er strebt vielmehr nur an, ebenso wie eine Arbeitnehmerin die tarifliche Leistung dann beziehen zu können, wenn die erste rechtliche Möglichkeit besteht, aus dem Arbeitsverhältnis in den gesetzlichen Ruhestand zu wechseln, in seinem Fall also mit Vollendung des 63. Lebensjahres (§ 36 SGB VI).

2. Es verstößt als unmittelbare Diskriminierung gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher Arbeit für Männer und Frauen (Art. 119 EG-Vertrag), daß § 36 FTV einen solchen Anspruch nicht einräumt.

a) Beim Übergangsgeld nach §§ 36, 37 FTV, die weitgehend § 62 BAT a.F. nachgebildet sind, handelt es sich um Arbeitsentgelte im Sinne des Art. 119 EG-Vertrag. Der Begriff des Entgeltes im Sinne dieser Vorschrift umfaßt alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gezahlten Vergütungen, vorausgesetzt, daß sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Arbeitsverhältnisses zahlt. Der Umstand, daß bestimmte Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht werden, ändert an deren Entgeltcharakter grundsätzlich nichts. Übergangsgeld, das dem Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gewährt wird, stellt eine Art aufgeschobenes Entgelt dar, auf das der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsverhältnisses Anspruch hat, das ihm aber erst bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, um ihm die Anpassung an die dadurch entstandenen neuen Umstände zu erleichtern (EuGH Urteil vom 27. Juni 1990 - Rs C 33/89 - "Kowalska", EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 19 = AP Nr. 21 zu Art. 119 EWG-Vertrag; ebenso im Zusammenhang mit § 33 SchwBeschG zu § 62 BAT: BAGE 26, 338 = AP Nr. 1 zu § 33 SchwBeschG 1961, mit Anm. Crisolli).

b) § 36 FTV nimmt eine geschlechtsbezogene Gruppenbildung vor. Nach dieser Vorschrift erhält den Anspruch auf Übergangsgeld jeder mindestens 21 Jahre alte Arbeitnehmer der Beklagten, der nach zumindest einjährigem Arbeitsverhältnis aus dem Betrieb ausscheidet. Dies gilt nur dann nicht, wenn er sein Ausscheiden verschuldet, selbst gekündigt oder sich an der Beendigung aktiv durch Zustimmung zu einem Auflösungsvertrag beteiligt hat. § 36 Abs. 2 Buchst. d bis g FTV nennt zwar Fälle, in denen der Tarifvertrag von einem fehlenden Bedürfnis nach Zahlung des Übergangsgeldes aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers ausgeht. Hierzu gehört aber nicht der Bezug der gesetzlichen Rente durch den ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach Tarifvertrag ohne weiteres mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet (§ 35 Abs. 1 FTV), erhält das Übergangsgeld damit ebenso, wie ein Arbeitnehmer, der wegen Eintritts der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ausscheidet (§ 34 FTV). Nehmen Arbeitnehmer demgegenüber eine ihnen gesetzlich eingeräumte Möglichkeit wahr, vorzeitig in den gesetzlichen Ruhestand zu wechseln, was nach den tarifvertraglichen Regelungen nur nach einer Eigenkündigung oder einem Auflösungsvertrag möglich ist, ist die Rechtsfolge nach dem Willen des Tarifvertrages je nach Geschlechtszugehörigkeit des Arbeitnehmers unterschiedlich. Eine Frau, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand wechselt (§ 39 SGB VI), erhält das Übergangsgeld nach § 36 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c FTV). Ein Mann, der diese Möglichkeit ohnehin erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres und nach langjähriger Berufstätigkeit hat, hat diesen Anspruch nicht. Er muß nach dem Wortlaut des Tarifvertrages - insoweit anders als nach § 62 BAT a.F. - bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres im Betrieb bleiben, will er das Übergangsgeld in Anspruch nehmen.

c) Die Ungleichbehandlung der männlichen und weiblichen Arbeitnehmer beim Anspruch auf Übergangsgeld ist eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Entgelts für gleiche Arbeit. Männer und Frauen erhalten unabhängig von ihrer konkreten Aufgabe ein nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit geringfügig gestaffeltes Übergangsgeld von einem oder zwei Monatsverdiensten. Von Männern, die das Übergangsgeld zum Ausgleich für ihr Mindereinkommen als Rentner in Anspruch nehmen wollen, wird jedoch zusätzlich verlangt, daß sie auf das ihnen von Gesetzes wegen zustehende Recht verzichten, die gesetzliche Rente vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Von Männern wird damit für dasselbe Übergangsgeld eine fünf Jahre längere Betriebstreue verlangt.

d) Eine solche unmittelbar an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlung beim Arbeitsentgelt steht im Widerspruch zu Art. 119 EG-Vertrag. Sie kann europarechtlich auch nicht mit der von der Beklagten angesprochenen Absicht gerechtfertigt werden, in der Geschlechtsrolle liegende biographische Nachteile durch anderweitige Vorteile auszugleichen.

Der Europäische Gerichtshof hat diesem ihm als mögliche Differenzierungsrechtfertigung vorgetragenen Gesichtspunkt in seiner bisherigen Rechtsprechung keine Bedeutung beigemessen. Er hat eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung beim Entgelt auch dann als europarechtswidrig angesehen, wenn sie an eine differenzierende nationale gesetzliche Regelung zum Rentenzugangsalter anknüpfte, die dem Ausgleich biographischer Nachteile zu dienen bestimmt war (EuGH Urteil vom 14. Dezember 1993 - Rs C 110/91 - "Moroni", EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 26 = AP Nr. 16 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung).

Es besteht kein Anlaß, diesen Gesichtspunkt dem Europäischen Gerichtshof anläßlich des vorliegenden Rechtsstreits erneut zu unterbreiten. § 36 FTV greift nicht nur die nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für sich schon europarechtswidrige (EuGH Urteil vom 17. Mai 1990 - Rs C 262/88 - "Barber", EuGH Slg. 1990, 1889 = EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 18 = AP Nr. 20 zu Art. 119 EWG-Vertrag) gesetzliche Differenzierung auf. Der Tarifvertrag verstärkt die Ungleichbehandlung, indem er Männern nicht einmal anläßlich ihrer - ohnehin späteren - ersten Möglichkeit, in den gesetzlichen Ruhestand zu wechseln, den Anspruch auf Übergangsgeld einräumt.

3. Für eine solche Differenzierung gibt es auch im nationalen Recht keine ausreichende Rechtfertigung. Die Regelung in § 36 FTV verstößt deshalb auch gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die dafür sprechen, die Rollenvorteile der Männer bei der Zahlung des Übergangsgeldes in stärkerem Umfang zu berücksichtigen, als dies der Gesetzgeber beim Rentenzugangsalter tut.

III. Die rechtswidrige tarifliche Regelung entspricht nur dann dem Gleichheitsgebot, wenn sie den Anspruch auf Übergangsgeld auch Männern einräumt, die auf eigenen Wunsch ausscheiden, um von dem ihnen zustehenden Recht auf vorzeitige gesetzliche Altersrente Gebrauch machen zu können. Es muß eine "Anpassung nach oben" erfolgen (ebenso für das Übergangsgeld bei Teilzeitkräften nach § 62 BAT a.F.: EuGH Urteil vom 27. Juni 1990 - Rs C 33/89 - "Kowalska", EAS EG-Vertrag Art. 119 Nr. 19 = AP Nr. 21 zu Art. 119 EWG-Vertrag).

IV. Der sich hieraus für den Kläger ergebende Zahlungsanspruch über 7.460,96 DM brutto ist zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig. Die Beklagte schuldet die vom Kläger geltend gemachte Verzinsung mit dem gesetzlichen Zinssatz seit dem 28. September 1993 nach §§ 288, 291 BGB.

Kremhelmer Böck Bepler

Kaiser Hofmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 438310

BB 1996, 436

BB 1997, 264-266 (LT1)

DB 1996, 941-942 (LT1)

NJW 1996, 2118

NJW 1996, 2118 (L1)

BuW 1997, 160 (T)

EBE/BAG 1996, 38-40 (LT1)

FamRZ 1996, 729 (L)

WiB 1996, 533 (L)

ASP 1996, Nr 5/6, 60 (K)

ArbN 1997, 68 (K)

BetrAV 1996, 291 (L1)

NZA 1996, 653

NZA 1996, 653-655 (LT1)

Quelle 1996, Nr 7/8, 24 (K)

AP, (LT1)

AR-Blattei, ES 800 Nr 116 (LT1)

EuroAS 1996, 137-138 (K)

EzA, (LT1)

JZ 1996, 273-274 (LT1)

NJ 1996, 273-274 (LT)

RiA 1996, 213 (L1)

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