Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag mit einer schwangeren Arbeitnehmerin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannte Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin hindert nicht die Befristung des Arbeitsvertrages.

2. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein freier Dauerarbeitsplatz mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt werden soll, kann allenfalls dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags gegenüber einem auf unbestimmte Zeit einzustellenden Arbeitnehmer vertraglich gebunden hat (Anschluß an BAG Urteil vom 3. Juli 1970 - 2 AZR 380/69 - AP Nr 33 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

 

Normenkette

BAT SR 2; BAT SR 2y; BGB § 620; GG Art. 6 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 27.06.1995; Aktenzeichen 12 Sa 39/95)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.02.1995; Aktenzeichen 91 Ca 31484/94)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis mit dem 31. Dezember 1994 infolge Befristung geendet hat.

Die Klägerin war als Apothekenhelferin im Krankenhaus Z des beklagten Landes als Zeitangestellte zur Vertretung einer langfristig erkrankten Angestellten für die Zeit vom 3. September 1992 bis zum 30. April 1994 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anzuwenden.

Am 14. März 1994 vereinbarten die Parteien, daß das Arbeitsverhältnis spätestens am 31. Dezember 1994 enden sollte, sofern die zu Vertretende nicht zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden sollte. Mit Ablauf des 31. Juli 1994 endete das Arbeitsverhältnis der Vertretenen infolge Rentenbezugs. Daraufhin erklärte das beklagte Land der Klägerin mit Schreiben vom 9. August 1994, das Arbeitsverhältnis sei unter Einhaltung der tarifvertraglichen Auslauffrist zum 30. September 1994 beendet. Anschließend schrieb es diese Stelle für eine Apothekenhelferin zum 1. Oktober 1994 oder einem späteren Zeitpunkt zur unbefristeten Besetzung aus. Neben drei weiteren Interessentinnen bewarb sich auch die Klägerin. Eine bei ihr bestehende Schwangerschaft war dem beklagten Land seit Juni 1994 bekannt. Das beklagte Land beabsichtigte, die Stelle mit einer anderen Bewerberin zu besetzen, die jedoch erst ab dem 1. Januar 1995 zur Verfügung stehen konnte. Daraufhin schlossen die Parteien am 7. Oktober 1994 einen Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin als Zeitangestellte für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1994 auf ihrer bisherigen Stelle weiter beschäftigt wurde.

Die Klägerin hat die Befristung ihres Arbeitsvertrages für unwirksam gehalten. Die Befristung sei wegen ihrer Schwangerschaft erfolgt. Sie habe sich auf dieser Stelle bewährt und könne dort dauerhaft beschäftigt werden.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis nicht

mit dem 31. Dezember 1994 geendet hat, sondern

darüber hinaus fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat vorgetragen, mit der befristeten Beschäftigung der Klägerin habe die Vakanz bis zur Arbeitsaufnahme der künftigen Stelleninhaberin am 1. Januar 1995 überbrückt werden sollen. Diese sollte eingestellt werden, weil sie im Gegensatz zur Klägerin über eine längere Berufserfahrung und zusätzliche Kenntnisse aufgrund vorheriger Tätigkeiten in einem Pharmagroßhandel verfüge. Im übrigen beruhe die Befristung auf einem Wunsch der Klägerin.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1994 geendet hat. Für die Befristung des letzten, allein zu überprüfenden Arbeitsvertrages fehlt es an einem Sachgrund.

1. Die Befristung des Arbeitsvertrags vom 7. Oktober 1994 hat einen Sachgrund verlangt. Die Klägerin konnte durch die Befristung dem durch Kündigungsschutzbestimmungen gewährleisteten Bestandsschutz ihres Arbeitsverhältnisses entzogen werden. Der dafür erforderliche allgemeine Kündigungsschutz stand ihr schon deswegen zu, weil sie aufgrund ihrer vorangegangenen zweijährigen Vertretungstätigkeit die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt hatte.

2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kann das Feststellungsbegehren der Klägerin nicht auf die Protokollnotiz Nr. 4 zur SR 2 y gestützt werden. Danach sind die unter Nr. 1 der SR 2 y BAT fallenden Angestellten bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen zu berücksichtigen, wenn die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Regelung schränkt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 - BAGE 58, 183, 193 = AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985, zu II der Gründe, m.w.N.) das Auswahlermessen des Arbeitgebers bei der Besetzung einer Dauerstelle ein. Eine ermessensfehlerhafte Auswahl gewährt aber allenfalls einen Anspruch auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrags, den die Klägerin nicht geltend gemacht hat. Sie bewirkt nicht, daß eine statt dessen vereinbarte Befristung unwirksam ist.

3. Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 7. Oktober 1994 kann nicht mit einem Wunsch der Klägerin gerechtfertigt werden. Das Bundesarbeitsgericht geht zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß der Wunsch des Arbeitnehmers auf eine befristete Beschäftigung die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann (BAG Urteil vom 26. April 1985 - 7 AZR 316/84 - AP Nr. 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.). Dazu müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers an einer befristeten Beschäftigung folgt. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot des Arbeitgebers auf Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte. Vorliegend fehlt es an objektiven Anhaltspunkten, die den Schluß auf einen Wunsch der Klägerin auf eine befristete Beschäftigung zulassen. Zwar hat sie sich am 28. September 1994 für die ausgeschriebene Stelle befristet bis zum 31. Dezember 1994 beworben. Diese Bewerbung beruhte jedoch auf der Tatsache, daß das beklagte Land sich für eine andere Bewerberin entschieden hatte, die ihre Arbeit nicht vor dem 1. Januar 1995 aufnehmen konnte. Im übrigen hat die Klägerin mit ihrer unmittelbar vorangegangenen Bewerbung auf die externe Stellenausschreibung ihr vorrangiges Interesse an einer dauerhaften Beschäftigung zum Ausdruck gebracht.

4. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrags der Parteien ist nicht allein deshalb unwirksam, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses schwanger gewesen ist.

Eine dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannte Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin hindert nicht von vorneherein die Befristung des Arbeitsvertrages. Aus Art. 6 Abs. 4 GG folgt kein generelles Verbot der Befristung von Arbeitsverhältnissen werdender Mütter. Im Anwendungsbereich des § 620 BGB verlangt diese Grundrechtsnorm jedoch einen wirksamen Schutz der Schwangeren davor, daß der Arbeitgeber die Schwangerschaft zum Anlaß der Befristung und einer darauf beruhenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses nimmt. Art. 6 Abs. 4 GG zwingt bei der im Rahmen der Befristungskontrolle vorzunehmenden Abwägung schutzwürdiger Interessenlagen zwar nicht dazu, die Möglichkeit einer Schwangerschaft allen anderen Gesichtspunkten vorgehen zu lassen (BVerfG Beschluß vom 24. September 1990 - 1 BvR 938/90 - AP Nr. 136a zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Doch ist die Schwangerschaft bei der Bewertung der Interessenlage der Vertragsparteien beim Abschluß befristeter Arbeitsverträge zu berücksichtigen.

5.a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses sachlich gerechtfertigt, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt beschäftigt werden soll, in dem ein Auszubildender des Arbeitgebers seine Berufsausbildung beendet und der Arbeitgeber dessen Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zugesagt oder zumindest konkret beabsichtigt hat (BAG Urteil vom 21. April 1993 - 7 AZR 388/92 - AP Nr. 148 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 4 a der Gründe, m.w.N.). Das Bundesarbeitsgericht erkennt insoweit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer vorübergehenden Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers an, weil er Auszubildende unter erheblichem Aufwand für seine Zwecke ausbildet und für sie bei Ende der Berufsausbildung auch eine Beschäftigungsmöglichkeit zur Verfügung stellt.

b) Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse auch in anderen Fällen anzuerkennen ist, in denen er eine befristete Einstellung vornimmt, um den Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme eines anderen von ihm eingestellten Arbeitnehmers zu überbrücken, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein solches Interesse setzt zumindest voraus, daß sich der Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des befristeten Vertragsschlusses gegenüber dem auf unbestimmte Zeit einzustellenden Arbeitnehmer vertraglich gebunden hat (BAG Urteil vom 3. Juli 1970 - 2 AZR 380/69 - AP Nr. 33 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu 3 b der Gründe). Das hat das beklagte Land nicht vorgetragen. Seine Ausführungen in den Vorinstanzen lassen weder erkennen, ob es mit der von ihm vorgezogenen Bewerberin überhaupt zu einem Vertragsschluß gekommen ist, noch daß die Stelle der Klägerin tatsächlich zum 1. Januar 1995 besetzt worden ist. Diese Anforderungen gelten erst recht, wenn sich der befristet beschäftigte Arbeitnehmer auf dem dauerhaft und arbeitsorganisatorisch unverändert zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz bewährt hat, wie das bei der Klägerin der Fall war. Denn ausweislich des vom beklagten Land erteilten Zeugnisses vom 30. September 1994 hat sie die anfallenden Aufgaben vollständig und zur vollsten Zufriedenheit ihres Arbeitgebers erledigt. Auch ihr durch die bekannte Schwangerschaft erhöhtes Interesse an einer Dauerbeschäftigung erforderte eine endgültige Bindung des Arbeitgebers an die ausgewählte Bewerberin, sollte eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags der Klägerin anstelle der tarifvertraglich bevorzugten Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis sachlich gerechtfertigt sein.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dörner Steckhan Schmidt

Niehues U. Zachert

 

Fundstellen

Haufe-Index 441483

BB 1997, 1797-1798 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

BB 1997, 51 (Kurzwiedergabe)

DB 1996, 2391 (Kurzwiedergabe)

DB 1997, 1927 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 2032 (Kurzwiedergabe)

NJW 1998, 260

BuW 1996, 923 (Kurzwiedergabe)

BuW 1997, 800 (Kurzwiedergabe)

EBE/BAG Beilage 1997, Ls 209/97 (Leitsatz 1-2)

BetrR 1997, 10 (Kurzwiedergabe)

ARST, 283-284 (Kurzwiedergabe)

ASP 1996, Nr 11/12, 55 (Kurzwiedergabe)

JR 1997, 528

NZA 1997, 1222

SAE 1998, 122

ZAP, EN-Nr 675/97 (red. Leitsatz)

AP 00, Nr 00

AP, 0

EzA-SD 1996, Nr 24, 3 (Kurzwiedergabe)

EzA-SD 1997, Nr 17, 5 (Leitsatz 1-2 und Gründe)

PflR 1998, 75

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