Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzuwendung für wissenschaftliche Mitarbeiter

 

Leitsatz (amtlich)

Es verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz an den Hochschulen, wenn beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern mit abgeschlossener Hochschulbildung eine jährliche Sonderzuwendung nach dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung gewährt wird, den wissenschaftlichen Mitarbeitern ohne abgeschlossene Hochschulbildung – den studentischen Hilfskräften – jedoch nicht.

 

Normenkette

BGB § 242; Runderlaß des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 3. November 1986 (Nds. MBl. 1986 S. 1057) II Nr. 16

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 16.06.1992; Aktenzeichen 11 Sa 198/92)

ArbG Hannover (Urteil vom 12.12.1991; Aktenzeichen 10 Ca 458/91)

 

Tenor

  • Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Juni 1992 – 11 Sa 198/92 – wird zurückgewiesen.
  • Das beklagte Land trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Sonderzuwendung.

Die Klägerin war seit mehreren Jahren an der Universität H… als “wissenschaftliche Hilfskraft ohne abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung” (im folgenden: studentische Hilfskraft) beschäftigt.

Grundlage ihrer Tätigkeit waren jeweils unmittelbar aneinander anschließende befristete Arbeitsverhältnisse.

In den jeweiligen Arbeitsverträgen heißt es formularmäßig gleichlautend:

“Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen in Abschn. II des Runderlasses des MWK vom 3. November 1986 (Nds. MBl. S. 1057) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung; dies gilt insbesondere auch für die Vergütung.”

Der Runderlaß (RE) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

“Beschäftigung von wissenschaftlichen Hilfskräften

  • Personenkreis, Aufgaben, Einstellungsvoraussetzungen

    • An den wissenschaftlichen und künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschulen können für Dienstleistungen in der Forschung und in der Lehre wissenschaftliche Hilfskräfte nebenberuflich beschäftigt werden. Sie unterstützen Professoren, Hochschulassistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter bei ihren Aufgaben in Forschung und Lehre. Die ihnen übertragenen Tätigkeiten sollen zugleich der eigenen wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung dienen. …
  • Arbeitsverhältnis

    • Die Arbeitszeit darf höchstens 83 Stunden monatlich oder 19 Stunden wöchentlich betragen.
    • Die Vergütung ist für den Kalendermonat zu berechnen und in Monatsbeträgen bis zum 15. des folgenden Kalendermonats zu zahlen. …
    • Wissenschaftliche Hilfskräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und einer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit von mindestens 42 Stunden monatlich oder 10 Stunden wöchentlich erhalten eine Zuwendung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung i.d.F. des Artikels VI. Nr. 2 des Gesetzes vom 23. Mai 1975 (BGBl. I S. 1173), zuletzt geändert durch § 33 des Gesetzes vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2154). Der Grundbetrag der Zuwendung (§ 6 Abs. 1 des Gesetzes) vermindert sich für jeden Kalendermonat, in dem die Arbeitszeit weniger als 42 Stunden monatlich oder 10 Stunden wöchentlich betragen hat, um ein Zwölftel.
    • …”

Die Klägerin ist der Ansicht, der Ausschluß der studentischen Hilfskräfte vom Bezug der Sonderzuwendung verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit ihrer Klage verlangt sie die Zahlung der Sonderzahlung für das Jahr 1990 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 645,84 DM brutto.

Sie hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 645,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Dezember 1990 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es macht u.a. geltend, mit der Regelung in Nr. 16 RE sollten die wissenschaftlichen Hilfskräfte mit Hochschulabschluß wegen ihrer vergleichbaren Tätigkeit den wissenschaftlichen Mitarbeitern an den Hochschulen gleichgestellt werden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Abweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung der begehrten Sonderzuwendung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Klägerin habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Zahlung der Sonderzuwendung für 1990, weil der Ausschluß der studentischen Hilfskräfte in Nr. 16 RE vom Bezug der Zuwendung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße und deshalb gemäß § 134 BGB nichtig sei. Einen sachlichen Grund für die Benachteiligung der studentischen Hilfskräfte gegenüber den wissenschaftlichen Hilfskräften mit Hochschulabschluß habe das beklagte Land nicht anführen können. Diese Begründung ist zutreffend.

II. 1. Zur näheren Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, “insbesondere auch für die Vergütung” der Dienste der Klägerin, haben die Parteien in den Arbeitsverträgen die Anwendung der Bestimmungen im Abschnitt II RE vereinbart. Dort ist in Nr. 16 Satz 1 vorgesehen, daß wissenschaftliche Hilfskräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung bei monatlich mindestens 42 oder wöchentlich mindestens 10 Stunden arbeitsvertraglicher Arbeitszeit eine Zuwendung in entsprechender Anwendung des SZG erhalten.

Die Klägerin erfüllt mit ihren vertraglich vereinbarten 46 Arbeitsstunden monatlich die arbeitszeitlichen Voraussetzungen für die Zahlung der Sonderzuwendung. Sie stand auch seit dem ersten nicht allgemein freien Tag des Monats Oktober 1990 sowie am Stichtag 1. Dezember 1990 zu dem beklagten Land in einem Arbeitsverhältnis und verblieb darin auch über den 31. März 1991 hinaus.

2. Soweit die Klägerin als studentische Hilfskraft die in Nr. 16 Satz 1 RE geforderte Bezugsvoraussetzung einer “abgeschlossenen” wissenschaftlichen Hochschulbildung demgegenüber nicht erfüllt, kommt es darauf für die Berechtigung des erhobenen Anspruchs nicht an. Das Erfordernis eines Hochschulabschlusses verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung:

a) Die Regelung in Nr. 16 RE betrifft eine freiwillige Leistung des beklagten Landes. Da die wissenschaftlichen Hilfskräfte zu ihm in keinem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Dienstverhältnis stehen und wegen ihres Ausschlusses aus dem persönlichen Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) in § 3 Buchst. g BAT nicht dem “Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte” vom 12. Oktober 1973 unterfallen, besteht keine Rechtspflicht des Landes, seinen wissenschaftlichen Hilfskräften eine Sonderzuwendung zu zahlen. Entschließt sich das Land gleichwohl dazu, so hat es bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises sachwidrige Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Auf dem Gebiet freiwilliger Leistungen ist der Arbeitgeber jedenfalls dann an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn es – wie hier – um die Gewährung von Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip geht, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG Urteil vom 23. Januar 1992 – 6 AZR 538/89 – ZTR 1993, 80; BAGE 63, 181 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG; Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen (BAGE 49, 346 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 86 = AP Nr. 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Er muß die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, daß kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (ständige Rechtsprechung, BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).

3. Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigt, die Sonderzahlung wissenschaftlichen Hilfskräften mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung zu gewähren, den studentischen Hilfskräften jedoch zu versagen, ist nicht ersichtlich und vom beklagten Land nicht dargetan worden.

a) Soweit das beklagte Land sich dafür auf einen “qualitativ anderen Aufgabenbereich” der wissenschaftlichen Hilfskräfte mit Hochschulabschluß berufen hat, ist dies kein sachbezogener Grund dafür, die studentischen Mitarbeiter vom Bezug der Sonderzuwendung auszuschließen. Ob der Ausschluß von einer Leistung i.S. des Gleichbehandlungsgrundsatzes sachgerecht ist, richtet sich nach dem Zweck der Leistung (BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 66 = AP Nr. 66 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 76 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 45, 86 = AP Nr. 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Die Sonderzahlung ist ihrem Zweck nach kein Entgelt für Tätigkeiten bestimmter Art und Qualität, sie wird vielmehr allen Bediensteten unabhängig von der Art ihrer jeweiligen Tätigkeit gezahlt.

Daß auch das Land in der Art und Qualität der Arbeit der wissenschaftlichen Hilfskräfte kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal erblickt, ergibt auch Nr. 1 Satz 2 RE. Danach unterstützen die wissenschaftlichen Hilfskräfte – mit und ohne Hochschulabschluß – in gleicher Weise die Professoren, Hochschulassistenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter bei ihren Aufgaben in Forschung und Lehre.

b) Verfehlt sind auch die Überlegungen des beklagten Landes, wonach studentische Mitarbeiter ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft “mit den wechselnden Erfordernissen ihres Studiums in Einklang bringen” müßten und sich “daher nicht auf längere Zeit arbeitsvertraglich binden” könnten, so daß die Gewährung der Sonderzuwendung in ihrem Fall auch nicht deren Leistungszweck entspräche, insbesondere “künftige Betriebstreue zu honorieren”.

Daran ist zwar richtig, daß studentische Hilfskräfte ihre Erwerbsarbeit mit den Belangen ihres Studiums in Einklang bringen müssen. Das unterscheidet sie aber allenfalls graduell von den wissenschaftlichen Hilfskräften mit Hochschulabschluß. Auch diese müssen auf ihre Aus- und Weiterbildungsbelange achten. Dem trägt der Erlaß ausdrücklich Rechnung. Nr. 1 Satz 3 RE bestimmt, daß die den wissenschaftlichen Hilfskräften – mit oder ohne Hochschulabschluß – übertragenen Tätigkeiten “zugleich der eigenen wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung dienen” sollen. Nr. 1 Satz 1 RE erklärt daher auch die Beschäftigung der wissenschaftlichen Hilfskräfte unterschiedslos für “nebenberuflich” und legt in Nr. 8 die Arbeitszeit der Hilfskräfte gleichfalls einheitlich auf äußerstenfalls “83 Stunden monatlich oder 19 Stunden wöchentlich” fest.

§ 3 Abs. 1 Nr. 3 SZG verlangt darüber hinaus auch keine absolute oder dauernde Betriebstreue. Die Vorschrift setzt lediglich voraus, daß der Zuwendungsempfänger dem Betrieb noch am 31. März des Folgejahres angehört. Zu einer Betriebstreue so beschränkten Umfanges sind aber auch studentische Hilfskräfte fähig, wie gerade der Fall der Klägerin zeigt, deren Vertrag vom 26. Oktober 1990 bis zum 30. September 1991 läuft.

c) Soweit das beklagte Land in der Revisionsinstanz erstmals geltend gemacht hat, wissenschaftliche Mitarbeiter mit Hochschulabschluß seien wesentlich schwieriger zu gewinnen als studentische Hilfskräfte, so daß diesen mit der Zahlung der Sonderzuwendung ein zusätzlicher Anreiz geboten werden müsse, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das nach § 561 ZPO vom Senat nicht mehr berücksichtigt werden kann. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob diese Behauptung zutrifft und bejahendenfalls die unterschiedliche Behandlung der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit und ohne Hochschulabschluß rechtfertigen könnte.

Ist danach der Ausschluß der studentischen Hilfskräfte vom Bezug der Sonderzuwendung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren, so kann die Klägerin Gleichstellung mit der unzulässig bevorzugten Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit abgeschlossener Hochschulbildung verlangen (BAGE 63, 181 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG).

III. Verzugszinsen kann die Klägerin erst vom 16. Januar 1991 an verlangen. Die Sonderzuwendung ist mit den laufenden Bezügen für den Monat Dezember zu zahlen. Die Bezüge der wissenschaftlichen Mitarbeiter für den Monat Dezember sind nach Nr. 14 RE bis zum 15. des folgenden Kalendermonates zu zahlen. Damit befand sich das beklagte Land nach § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB erst mit dem 16. Januar 1991 in Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Böck, Prof. Dr. Hromadka, Rosendahl

 

Fundstellen

Haufe-Index 845942

BB 1994, 76

NZA 1994, 257

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