Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 19.03.1992; Aktenzeichen 5 Sa 2/92)

ArbG Köln (Urteil vom 05.09.1991; Aktenzeichen 14 Ca 98/91)

 

Tenor

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger, der amerikanischer Staatsbürger ist, war seit dem 4. September 1981 mit einer Unterbrechung wegen Beurlaubung vom 1. August 1986 bis 1. Februar 1988 bei dem beklagten Land als Lehrer im Angestelltenverhältnis beschäftigt, und zwar zuletzt am Gymnasium …. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 5.882,71 DM. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23. Februar 1982 zugrunde.

Am Dienstag, dem 4. Dezember 1990, ereignete sich folgender Vorfall im Rahmen des Englisch-Unterrichts der 10. Klasse, als unter anderem das Thema “Erfinder und ihre Erfindungen” besprochen wurde. Der Kläger äußerte, alle bedeutsamen Erfindungen seien amerikanischer Herkunft, worauf ein Schüler entgegnete, daß z. B. die Pizza keine amerikanische Erfindung sei. Der Kläger erklärte daraufhin, das italienische Pizza-Rezept sei erst nach der Einwanderung der Italiener in die Vereinigten Staaten von den Amerikanern perfektioniert worden. In diesem Zusammenhang erzählte der Kläger dann folgenden “Witz”:

“What's the difference between a pizza and a Jew? If you put a pizza into the stove, it doesn't scream and shout. (Was ist der Unterschied zwischen einer Pizza und einem Juden? Wenn man eine Pizza in den Brennofen schiebt, kreischt und schreit sie nicht.)”

Diesen “Witz” hatte der Kläger zuvor bereits Anfang Oktober 1990 vor den Herbstferien Schülern des Englisch-Grundkurses der Jahrgangsstufe 13 erzählt, was zwar einige Aufregung verursacht hatte, letztlich jedoch – weil der Schulleitung unbekannt – ohne Konsequenzen geblieben war. Aufgrund des Vorfalls vom 4. Dezember 1990 fand ein Gespräch unter anderem mit dem Schuldirektor und den Schülern/innen der Klasse 10e statt, worüber von den Schülern ein Inhaltsprotokoll gefertigt wurde, das von 23 Schülern unterzeichnet ist. Nachdem der Schulleiter den Regierungspräsidenten in Köln informiert hatte, wandte sich dieser mit Schreiben vom 13. Dezember 1990 an den Kläger, informierte ihn über seine Kündigungsabsicht und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme; der Kläger reagierte hierauf nicht. Eine Kopie dieses Anhörungsschreibens, in dem unter anderem der Vorfall vom 4. Dezember 1990 dargestellt ist, händigte der Regierungspräsident dem zuständigen Personalrat aus, der sich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung dahin äußerte, es bestünden keine Einwände, wenn sich die erhobenen Vorwürfe bestätigten. Die vom beklagten Land mit Schreiben vom 18. Dezember 1990 ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist inzwischen rechtskräftig wegen fehlerhafter Anhörung des Personalrats für unwirksam erklärt worden (Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 5. Dezember 1991 – 14 Ca 98/91 –).

Mit einem weiteren Schreiben vom 19. Dezember 1990 hörte der Regierungspräsident den zuständigen Personalrat zu einer außerdem von ihm beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an, der der Personalrat unter dem 20. Dezember 1990 zustimmte. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1990 kündigte daraufhin das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. März 1991 auf.

Der Kläger hat bestritten, am 4. Dezember 1990 selbst über den “Witz” gelacht zu haben, sondern er habe ihn nur als Beispiel für ethnische Vorurteile erzählt, wobei er selbst nur ein bissiges, nachdenklich stimmendes kurzes Lachen angefügt habe, mit dem Zweck, die Schüler zum Nachdenken anzuregen. Auf Rückfrage der Schüler, wie er so etwas erzählen könne, habe er erwidert, nicht er empfinde so etwas als witzig, sondern andere Leute. Richtig sei, daß er schon früher im Englisch-Kurs der Jahrgangsstufe 13 die gleiche Episode erzählt habe, was damals jedoch korrekt eingeordnet worden sei. Der Bericht der Klasse 10e sei in den Einzelheiten so nicht richtig. Es sei auch nicht richtig, daß er in einem Gespräch am 8. Dezember 1990 der Klasse gedroht und das Mitleid der Schüler zu erregen versucht habe. Er habe die Schüler lediglich aufgefordert, über den Sachverhalt nachzudenken und sich insbesondere Gedanken darüber zu machen, ob eine Suspendierung und eine Kündigung aufgrund seines Unterrichts, insbesondere aufgrund der Tatsache, daß er im Unterricht den nunmehr beanstandeten Witz erzählt habe, gerechtfertigt sei; hierbei solle man die Sachzusammenhänge nicht aus den Augen verlieren.

Der Kläger meint, es bestünde kein verhaltensbedingter Grund zur Kündigung. Seine Unterrichtsmethode möge umstritten sein, aber er habe die Schüler zu einer kritischen Stellungnahme aufgefordert, wobei er sich drastischer Mittel bedient habe, um Kritik und Widerspruch hervorzurufen. Es dürfte zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit so sein, daß ein deutscher Kollege niemals auch nur daran gedacht hätte, einen solchen Weg zu beschreiten, aber es sei wohl unstreitig, daß Deutsche und Amerikaner hinsichtlich des Themas Judenverfolgung über unterschiedliche Sensibilitäten verfügten. Für ihn als Amerikaner habe dieses Thema keinerlei Tabucharakter. Deshalb – so meint der Kläger – sei statt einer Kündigung nur eine Abmahnung auszusprechen gewesen.

Der Kläger hat ferner die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats bestritten, insbesondere hinsichtlich des pauschalen Vorwurfs andauernder Schlechtleistung.

Der Kläger hat – soweit für die Revisionsinstanz von Belang – beantragt

festzustellen, daß die vom beklagten Land ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 1990 unwirksam ist und daß das Arbeitsverhältnis über den 21. Dezember 1990 hinaus fortbestehe.

Das beklagte Land hat mit dem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, in der ohne jedes pädagogisches Konzept erfolgten “Witz”-Erzählung liege eine Verhöhnung der millionenfachen Opfer des Holocaust; angesichts des erzieherischen Auftrages eines Lehrers deutschen Schülern gegenüber – auch und gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Insbesondere sei es unzutreffend, daß der “Witz” im Zusammenhang mit dem Unterricht bezüglich ethnischer Vorurteile erzählt worden sei. Das bestätige auch das Protokoll der Schüler vom 11. Dezember 1990. Es sei absurd, daß der Kläger “bissig” gelacht habe, sondern er habe am 8. Dezember 1990 die Schüler mit drohender Stimme aufgefordert, darüber nachzudenken, ob er wegen zweier harmloser Witze nie wieder unterrichten dürfe.

Wie die Schüler der Klasse 13 bestätigt hätten, habe der Kläger den gleichen “Witz” auch schon vor den Herbstferien erzählt. Es sei schlicht unerträglich, wenn ein Lehrer im Dienste des Landes solche “Witze” erzähle, was im eklatanten Widerspruch zu seinem erzieherischen Auftrag stehe. Auch handele es sich nicht um eine einmalige Entgleisung; mit derartigen Praktiken könne man nicht provozierend zum Nachdenken anregen, es liege vielmehr ein grundlegend falsches pädagogisches Verständnis vor. Offensichtlich verkenne der Kläger dies auch selbst nicht, wenn er meine, über seine Unterrichtsmethode könne man heftig streiten. Deshalb könne auch nicht von einem Abmahnungserfordernis die Rede sein, zumal der Kläger seit Jahren in Deutschland arbeite und sich deshalb an den hiesigen Anforderungen messen lassen müsse. Auch hätten verschiedene Eltern den Kläger abgelehnt (Schreiben vom 7. Dezember 1990).

Jedenfalls zur ordentlichen Kündigung sei auch der Personalrat unter ausführlicher Erörterung angehört worden, worüber sich der Vermerk des Abteilungsleiters beim Regierungspräsidenten verhalte. Dem Personalrat habe auch das an den Kläger gerichtete Schreiben vom 13. Dezember 1990 vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 5. September 1991 die außerordentliche Kündigung vom 18. Dezember 1990 für unwirksam erklärt, die weitergehende Klage wegen der ordentlichen Kündigung und des Weiterbeschäftigungsanspruchs abgewiesen. Auf die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung für unwirksam erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I. Das Landesarbeitsgericht hat – zusammengefaßt – seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung scheitere nicht an einer fehlerhaften Anhörung des Personalrates, weil diesem der entscheidende Vorfall vom 4. Dezember 1990 bekannt gewesen sei und weil ihm das an den Kläger gerichtete Schreiben vom 13. Dezember 1990 mit einer ins einzelne gehenden Schilderung vorgelegen habe. Wenn dem Kläger vom Personalrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, so beeinträchtige dies die Wirksamkeit der Anhörung nicht.

Über die aus der Sicht des Landes maßgeblichen Kündigungsgründe sei der Personalrat unterrichtet worden, wobei die fehlende Angabe von Unterhaltspflichten mangels einer in der Berufungsinstanz durchgeführten Interessenabwägung unschädlich sei.

In der Sache selbst könne es keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger durch das Erzählen des “Witzes” seine arbeitsvertraglichen Pflichten in gravierender Weise schuldhaft verletzt habe. Eine solche Äußerung könne schon bei “normalen” Arbeitnehmern kaum oder gar nicht ohne Konsequenzen hingenommen werden, um so mehr gelte dies für den Kläger. Dieser habe seinem erzieherischen Auftrag zuwider in nicht entschuldbarer Weise gehandelt, ohne dafür einen rechtfertigenden oder wenigstens entschuldbaren Zusammenhang zu haben. Seinem erzieherischen Auftrag könne der Kläger als Lehrer nicht gerecht werden, wenn er selber als Multiplikator solch eines “Witzes” auftrete; er habe vielmehr eine kritische Distanz erkennen lassen müssen. Vorliegend habe der Kläger einen thematischen Zusammenhang jedoch nicht hergestellt bzw. nicht substantiiert dargelegt. Mit dem Thema “Erfinder und deren Erfindungen” habe die Erzählung nichts zu tun gehabt; es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern dadurch Vorurteile hätten abgebaut werden sollen. So wie der Kläger den “Witz” erzählt habe, baue er eher Vorurteile auf als ab. Der Kläger habe auch als amerikanischer Staatsbürger ohne weiteres die Ungeeignetheit seines Vorgehens erkennen können und müssen.

Gleichwohl habe die Kündigung keinen Bestand, weil das beklagte Land den Kläger als milderes Mittel zunächst hätte abmahnen müssen. Zugunsten des Klägers sei davon auszugehen, daß er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens nicht erkannt habe, auch wenn man annehmen könne, daß er sie bei pflichtgemäßer sorgfältiger Anspannung seines Gewissens hätte erkennen können. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers sei der erstmalige Vorfall in der Klasse 13 ohne Konsequenzen geblieben, da sich die Gemüter der Beteiligten nach längerer Diskussion wieder beruhigt hätten. Zwar habe der Kläger hieraus nicht den Schluß ziehen können, sein Verhalten werde vom beklagten Land oder von der Schulleitung gebilligt, denn unstreitig habe die Schulleitung von dem Vorfall keine Kenntnis gehabt. Andererseits habe der Kläger nicht den Schluß ziehen müssen, sein Verhalten werde derart mißbilligt, daß es vertragswidrig und kündigungsrelevant werden würde. Dem Kläger müsse auch zugute gehalten werden, daß er als amerikanischer Staatsangehöriger hinsichtlich des Themas Judenverfolgung über eine unterschiedliche Sensibilität verfüge. Wenn ein deutscher Lehrer mit derartigen auf die Judenvernichtung anspielenden “Judenwitzen” im Unterricht vor Schülern im Alter von 15 bis 16 Jahren zwar gravierend gegen seine Pflichten als Lehrer verstoße, so daß seine pädagogische Eignung überhaupt in Frage gestellt sei, so verhalte sich dies doch anders bei einem Amerikaner als Staatsbürger eines Landes, das den Juden in der Zeit ihrer Verfolgung und Vernichtung in Deutschland Zuflucht gewährt habe und in dem Witze, die die Juden als Volk oder Minderheit diskriminierten, auch bei Anspielung auf die grausame Realität der millionenfachen Vernichtung von Juden keine wesentlich andere Qualität hätten als Witze über andere der in den Vereinigten Staaten lebenden zahlreichen Bevölkerungsgruppen. Es sei deshalb von der Unkenntnis des Klägers bezüglich der Vertragswidrigkeit seines Verhaltens auszugehen.

Auf angebliche Schlechtleistungen könne die ordentliche Kündigung nicht gestützt werden, weil der Kläger wegen Mängeln im Leistungsbereich nie in einer den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Form abgemahnt worden sei.

II. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Revision rügt zu Recht eine in sich widersprüchliche Argumentation des Berufungsgerichts; die Vorinstanz ist im übrigen zu Unrecht vom Erfordernis einer Abmahnung ausgegangen.

1. Gegenstand der Revisionsentscheidung ist nur noch die Kündigungsschutzklage betreffend die ordentliche Kündigung vom 21. Dezember 1990 zum 31. März 1991 und der allgemeine Fortbestandsantrag, da der Kläger wegen des vom Arbeitsgericht abgewiesenen Weiterbeschäftigungsanspruchs keine Berufung eingelegt hat.

Er hat im übrigen klarstellend erklärt, dem mit der Kündigungsschutzklage verbundenen allgemeinen Fortbestandsantrag komme keine selbständige Bedeutung zu.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtssprechung des BAG; vgl. z. B. Urteil vom 18. November 1986 – 7 AZR 674/84 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu I der Gründe und Senatsurteil vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – AP Nr. 25, aaO, zu II 1 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angegriffene Urteil nicht stand.

a) Das beklagte Land rügt mit Recht eine widersprüchliche Argumentation, wenn das Landesarbeitsgericht auf der einen Seite (Entscheidungsgründe Seite 11 letzter Abs.) hinsichtlich der subjektiven Kenntnis vom Fehlverhalten des Klägers argumentiert, wenn schon eine solche Äußerung – wie der “Witz” betreffend die Vergleichbarkeit von Pizza und Juden – bei einem normalen Arbeitnehmer kaum oder gar nicht ohne Konsequenzen hingenommen werden könne, dann erst recht nicht für den Kläger als Lehrer, der gegenüber den ihm anvertrauten Schülern eine besondere Verantwortung übernommen habe, so daß er diesem erzieherischen Auftrag zuwider in nicht entschuldbarer Weise gehandelt habe. Auf der anderen Seite habe sich für den Kläger (Entscheidungsgründe Seite 19) als Amerikaner trotz seines langjährigen Aufenthaltes in Deutschland die Unzulässigkeit derartiger Witze in einer deutschen Schule nicht derart aufgedrängt, daß ohne weiteres auf seine Kenntnis von der Vertragswidrigkeit seines Verhaltens geschlossen werden müsse. Damit geht das Gericht im Zusammenhang mit dem Abmahnungserfordernis möglicherweise davon aus, das Kennenmüssen sei als Fahrlässigkeitsvorwurf nicht zu berücksichtigen. Das würde dann aber auch eine verschuldete Vertragswidrigkeit, von der das Landesarbeitsgericht kurz zuvor noch ausgeht, ausschließen. Zumindest ist das Urteil in diesem Punkt unklar.

b) Im Rahmen dieser Argumentationskette fehlt außerdem ein Beleg für die gewagte und äußerst mißverständliche Anmerkung, die pädagogische Eignung sei bei einem Amerikaner als Staatsbürger eines Landes weniger in Frage gestellt, das den Juden in der Zeit ihrer Verfolgung und Vernichtung in Deutschland Zuflucht gewährt habe und in dem Witze, die die Juden als Volk oder Minderheit diskriminierten, auch bei Anspielung auf die grausame Realität der millionenfachen Vernichtung von Juden keine wesentlich andere Qualität hätten als Witze über andere der in den Vereinigten Staaten lebenden zahlreichen Bevölkerungsgruppen. Woher das Landesarbeitsgericht diese Kenntnis – noch dazu in dieser Allgemeinheit – nimmt, wird nicht ausgeführt. Sie kann daher keine tatsächlich die Entscheidung rechtfertigende Grundlage bilden.

c) Schließlich berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht den gesamten unstreitigen Sachverhalt, nämlich daß bereits die Reaktion der Schüler der Klasse 13 vorlag, in der der Kläger den gleichen “Witz” Anfang Oktober 1990 bereits einmal erzählt hatte, was nach seinem eigenen Sachvortrag seinerzeit bereits Widerspruch und Empörung (!) hervorgerufen hatte. Selbst wenn man mit dem Kläger und ihm folgend dem Landesarbeitsgericht davon ausginge, das Thema Judenverfolgung habe “für einen Amerikaner keinerlei Tabucharakter” (sind hierin auch die amerikanischen Juden eingeschlossen?) – eine Bemerkung, von der der Senat sich ausdrücklich distanziert –, so mußte dem Kläger spätestens aus der Reaktion der Oberklasse bewußt sein, daß ein derartiger “Witz” in einer deutschen Schule – noch dazu in einer, was Vorurteile angeht, möglicherweise weniger gefestigten 10. Schulklasse – absolut verfehlt war.

Ferner ist das Landesarbeitsgericht nicht auf den erstinstanzlichen Sachvortrag des beklagten Landes eingegangen, der Kläger habe sich am 8. Dezember 1990, also wenige Tage nach dem Vorfall, der nunmehr Recherchen der Schulleitung ausgelöst hatte, bei der Klasse 10e zornig darüber beklagt, daß möglicherweise für immer kein Unterricht mehr durch ihn stattfinde, und dies nur wegen zwei Witzchen (gemeint war ein zweiter Witz betreffend Neger), und die Schüler mit drohender Stimme aufgefordert, darüber nachzudenken, ob er wegen zweier harmloser Witze nie wieder unterrichten dürfe. Diese Darstellung beruhte auf einem von 23 Schülern unterzeichneten Protokoll, zu dem der Kläger – in dem hier entscheidenden Punkt – nur ausweichend Stellung genommen hat. Er hat dazu ausgeführt, er habe die Schüler lediglich aufgefordert, über den Sachverhalt nachzudenken und sich insbesondere Gedanken darüber zu machen, ob eine Suspendierung und eine Kündigung aufgrund seines Unterrichtes, insbesondere aufgrund der Tatsache, daß er im Unterricht den nunmehr beanstandeten Witz erzählt habe, gerechtfertigt sei; hierbei solle man die Sachzusammenhänge nicht aus den Augen verlieren. Der Kläger umgeht insoweit geflissentlich eine deutliche Stellungnahme zu dem Vorwurf, den zu beanstandenden “Witz” auch nachträglich noch als “Witzchen” bzw. “harmlosen Witz” eingestuft zu haben. Die vorstehende Einlassung kann nicht als ausdrückliches Bestreiten i. S. des § 138 Abs. 3 ZPO gewertet werden. Ist diese Sachdarstellung des beklagten Landes aber unstreitig, so sind aus dieser Einschätzung des Klägers weitere negative Rückschlüsse auf seine Kenntnis von der Vertragswidrigkeit zu ziehen.

Aufgrund aller dieser Umstände kann das Urteil keinen Bestand haben: Es ist in sich widersprüchlich, geht von nicht begründeten zu allgemeinen Erwägungen aus und berücksichtigt wesentliches Parteivorbringen nicht. Auf das vom Landesarbeitsgericht postulierte Abmahnungserfordernis braucht daher in diesem Zusammenhang nicht mehr eingegangen zu werden.

3. Der Senat kann jedoch abschließend in der Sache selbst entscheiden, § 565 Abs. 3 ZPO.

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Personalrat sei ordnungsgemäß nach § 72 Abs. 1 Nr. 9 LPVG NW vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt (§ 561 ZPO), das beklagte Land habe der Personalvertretung eine schriftliche Vorlage mit den Kündigungsgründen und einzelnen Sozialdaten, unter anderem Alter und Betriebszugehörigkeit übermittelt. Soweit im Anhörungsschreiben die Unterhaltspflichten des Klägers (verheiratet, zwei Kinder) keine Erwähnung finden – laut dem Revisionsvorbringen soll dies dem Personalrat bekannt sein – schadet dies nicht, weil kein konkreter Bezug zwischen dem Kündigungsgrund (vgl. dazu noch unter II 3d) und den ausschließlich dem Lebensbereich des Klägers zuzurechnenden Unterhaltspflichten besteht; diese können allenfalls dann für die Interessenabwägung von Bedeutung sein, wenn das bestimmende Motiv für das Verhalten des Klägers bzw. bei einem personenbedingten Grund für seine Persönlichkeitsstruktur mit den Unterhaltspflichten in Zusammenhang stünde (vgl. Senatsurteile vom 2. März 1989 – 2 AZR 280/88 – AP Nr. 101 zu § 626 BGB, zu I 2b der Gründe und vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu III der Gründe). Ein derartiger Zusammenhang ist hier nicht erkennbar.

bb) Was den aus der Sicht des Landes maßgeblichen Kündigungsgrund angehe – so argumentiert das Landesarbeitsgericht –, sei der Personalrat durch den schriftlichen Anhörungsbogen, der auf vorgelegte Unterlagen Bezug nehme, ausreichend unterrichtet worden; der entscheidende Vorfall vom 4. Dezember 1990 sei dem Personalrat aus dem ihm bereits vorliegenden Schreiben des beklagten Landes an den Kläger vom 13. Dezember 1990 bekannt gewesen; bei dieser Sachlage hätte es dem Kläger oblegen, substantiiert darzulegen, warum es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats fehlen solle. Es komme auch nicht darauf an, daß dem Kläger vom Personalrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei, weil eine zwingende Anhörung des von einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit i. S. der §§ 72 ff. LPVG NW Betroffenen durch den Personalrat das Gesetz nicht vorsehe. Diese Ausführungen zur Auslegung des Anhörungsvorbringens, die ohnehin nur beschränkt nachprüfbar waren (Senatsurteil vom 2. März 1989, AP, aaO, zu I 2a der Gründe) sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine konkrete Gegenrüge des Klägers liegt insoweit auch nicht vor. Auf seine familiäre Situation betreffend die Unterhaltspflichten kommt es aus den zuvor erörterten Gründen nicht an.

cc) Was schließlich die zusätzliche Kündigungsbegründung in Form der ursprünglich vom beklagten Land behaupteten Schlechtleistungen angeht, erübrigen sich Ausführungen zur Frage der insoweit zweifelhaften ordnungsgemäßen Personalratsanhörung, weil das beklagte Land nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu dieser Kündigungsbegründung in der Berufungsinstanz nichts mehr vorgetragen hat und die Revision hierzu auch keine Einwendungen vorbringt. Auf diese Begründung wird daher die Kündigung ersichtlich nicht mehr gestützt.

b) Im Ansatz zutreffend hat das Landesarbeitsgericht geprüft, ob das Erzählen des “Witzes” als verhaltensbedingter Grund die Kündigung sozial rechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Auch das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 20. September 1984 – 2 AZR 233/88 – AP Nr. 13 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 1 der Gründe; vom 13. März 1987 – 7 AZR 601/85 – AP Nr. 18, aaO, zu II 2 der Gründe; vom 24. September 1987 – 2 AZR 26/87 – AP Nr. 19, aaO, zu II 2 der Gründe und vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – AP Nr. 25, aaO, zu II 2a der Gründe) die Auffassung vertreten, es liege ein die Kündigung rechtfertigender Grund vor, wenn es um das vorwerfbare Verhalten oder die Einstellung eines Arbeitnehmers gehe, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt werde, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich oder sonst im Unternehmensbereich.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat dazu zunächst zutreffend ausgeführt, es könne keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger durch das Erzählen des “Witzes” seine arbeitsvertraglichen Pflichten als Pädagoge schuldhaft verletzt habe. Die vom beklagten Land zu Recht beanstandete Äußerung sei nicht nur äußerst geschmacklos, sie verhöhne darüber hinaus in menschenverachtender Art die millionenfachen Opfer des Holocaust. Könne eine solche Äußerung schon bei einem normalen Arbeitnehmer kaum oder gar nicht ohne Konsequenzen hingenommen werden, so gelte dies erst recht für den Kläger. Dieser habe als Lehrer eine besondere Verantwortung dafür übernommen, den ihm anvertrauten Schülern nicht nur den notwendigen Lernstoff zu vermitteln, sondern sie im Sinne eines humanen, die Würde des Individiums achtenden Weltbildes zu erziehen. Diesem erzieherischen Auftrag habe der Kläger in nicht entschuldbarer Weise zuwider gehandelt. Ein Rechtfertigungsgrund für seine Erzählung liege nicht vor. Selbst wenn ein Witz unter bestimmten Voraussetzungen und in einem bestimmten Zusammenhang Gegenstand schulischen Unterrichts sein könne, müsse es pädagogisches Ziel sein, den Schülern das menschenverachtende an solchen “Witzen” aufzuzeigen und sie zu einem kritischen Umgang mit solchen “Witzen” anzuleiten. Diesem Ziel könne der Lehrer in der Regel nur gerecht werden, wenn er nicht selbst als Multiplikator des “Witzes” auftrete, sondern zum einen eine kritische Distanz erkennen lasse und zum anderen durch die Art seiner Unterrichtsvorbereitung einen kritischen Zugang der Schüler zu dem “Witz” überhaupt erst ermögliche. Einen solchen thematischen Zusammenhang habe der Kläger nicht hergestellt, sondern er sei zufällig über das Thema “Pizza” zu dem “Witz” gelangt. Es sei auch nicht erkennbar, wie der Kläger zum Abbau von Vorurteilen habe beitragen wollen; im Gegenteil: Die Art und Weise, wie der Kläger den Witz erzählt habe, erscheine eher geeignet, eine kritiklose Übernahme des Inhalts der Äußerung gerade bei den Schülern zu bewirken, die bereits Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen hätten. So wie der Kläger den “Witz” erzählte, habe er eher Vorurteile auf- als abgebaut. Auch als amerikanischer Staatsbürger und Pädagoge habe der Kläger ohne weiteres die Ungeeignetheit seines Vorgehens für den von ihm dargelegten Zweck erkennen können und müssen.

bb) Diese Darlegungen hat der Kläger hinsichtlich ihrer tatsächlichen Grundlagen (kein thematischer Zusammenhang mit dem Unterrichtsziel) nicht mit einer erheblichen Gegenrüge angegriffen. Soweit der Kläger unter pauschalem Hinweis auf sein Berufungsvorbringen nach wie vor lediglich die Darstellung des beklagten Landes bestreitet, sein beanstandetes Verhalten habe nicht im sachlichen Zusammenhang mit einem konkreten Unterrichtsthema gestanden, genügt dies den an eine Revisionsgegenrüge zu stellenden Anforderungen nicht, § 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hätte sich im einzelnen mit der gegenteiligen, für ihn insoweit nachteiligen Begründung des Landesarbeitsgerichts auseinandersetzen müssen; er hätte darlegen müssen, was er daran zu beanstanden hatte und warum er die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts, wonach der “Witz” nicht in einem thematischen Zusammenhang stand, sondern zusammenhangslos erzählt auch noch zur Verstärkung von Vorurteilen beitrug, nicht für zutreffend halte (BAG Urteil vom 4. September 1975 – 3 AZR 230/75 – AP Nr. 15 zu § 554 ZPO, m. w. N.). Mangels einer solchen formell ausreichenden Rüge sind die diesbezüglichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den Senat bindend (§ 561 ZPO).

Dem ist lediglich ergänzend hinzuzufügen, daß der Senat es auch für pädagogisch verfehlt hält, den angeblich notwendigen Diskussionsanreiz gerade in einer 10. Klasse orientierungslos in den Raum zu stellen, ohne selbst vorher als Lehrender deutlich Stellung zu beziehen. Wenn der Kläger der Witzerzählung ein bissiges, nachdenklich stimmendes Lachen angefügt haben will, so zeigt die Reaktion der Schüler, nämlich ihre berechtigte Empörung und Distanzierung, wie sie nach der eigenen Darstellung des Klägers auch schon bei der vorhergegangenen Erzählung in der 13. Klasse die Folge war, daß dies nur mißverstanden werden konnte. Schon das Landesarbeitsgericht hat es dem Kläger nicht abgenommen, mit dem bei Gelegenheit erzählten “Witz” zum Abbau von Vorurteilen beigetragen zu haben, ja daß es ihm überhaupt darum ging. Es spricht vielmehr alles dafür, daß der Kläger sich auf Kosten anderer (Juden, Neger usw.) einen geschmacklosen, indiskutablen Witz erlauben, zumindest daß er sich eine endgültige Reaktion seinerseits offen halten wollte. Auch das Protokoll der Schüler vom 11. Dezember 1990 gibt keine eindeutige Stellungnahme des Klägers zur Ablehnung der im “Witz” erkennbaren Tendenz wieder. Dem Landesarbeitsgericht ist daher darin zu folgen, daß der Kläger in nicht entschuldbarer Weise seinem erzieherischen Auftrag zuwider, also vertragswidrig gehandelt hat.

cc) Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob auch ein personenbedingter Kündigungsgrund in Form von pädagogischer Ungeeignetheit vorliegt (vgl. dazu KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 205, 207; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 737). Eignungsmängel dieser Art könnten grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen (so BAG Urteil vom 29. Juli 1976 – 3 AZR 50/75 – AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, m. w. N.). Feststellungen dazu, ob der Kläger überhaupt nicht (mehr) als Pädagoge geeignet ist, z. B. bei erwiesener antisemitischer Haltung, hat das Landesarbeitsgericht aber nicht getroffen. Es hat vielmehr ausgeführt, das beklagte Land habe nicht vorgetragen, eine dem erzählten “Witz” zugrunde liegende Tendenz beruhe auf einer bestimmten, nicht beeinflußbaren Persönlichkeitsstruktur oder antisemitischen Gesinnung. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger mit einer Unterbrechung von 1 1/2 Jahren nahezu neun Jahre pädagogisch tätig gewesen ist, läßt sich demnach nicht schlußfolgern, er sei nach dieser Äußerung pädagogisch völlig ungeeignet. Abgesehen von der mangelnden Substantiierung des beklagten Landes dürfte es insoweit auch an einer ausreichenden Information des Personalrats fehlen.

c) Wegen des vorstehend unter II 2b gekennzeichneten vertragswidrigen Verhaltens bedurfte es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung vom 21. Dezember 1990. Zwar entspricht es in der Tat ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur Senatsurteil vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2c der Gründe, m. w. N.), daß nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit eine verhaltensbedingte Kündigung bei vertragswidrigem Verhalten im allgemeinen einer vorherigen vergeblichen Abmahnung bedarf. Dies gilt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil eine irreparable Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht berücksichtigt, wonach bei Störungen im Vertrauensbereich grundsätzlich eine Abmahnung nicht erforderlich ist (BAGE 19, 351, 354 = AP Nr. 1 zu § 124 GewO, zu II der Gründe; BAGE 26, 116, 127 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, zu V 2 der Gründe und BAG Urteil vom 30. Juni 1983 – 2 AZR 524/81 – AP Nr. 15 zu Art. 140 GG, zu IV 1 der Gründe); eine Ausnahme wird lediglich dann gemacht, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (Senatsurteil vom 30. Juni 1983 AP, aaO).

Aufgrund der auch noch einmal wiederholten “Witz”-Erzählung ist, wie auch der Ausspruch der lediglich aus formellen Gründen unwirksamen außerordentlichen Kündigung zeigt, das Vertrauen des beklagten Landes in den Kläger im Kernbereich zerstört. Der Kläger hat sich auch nach dem erstmaligen Erzählen in der Klasse 13, bei dem sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Gemüter erst nach längerer Diskussion wieder beruhigt hatten, nicht davon abhalten lassen, den “Witz” ohne pädagogischen Zusammenhang in der Mittelstufe (Klasse 10) kurz darauf erneut aufzulegen. Seine Einstellung, wegen solcher “Witzchen” dürfe seine berufliche Laufbahn nicht tangiert werden (s. o. zu II 2c), belegt zusätzlich, daß das beklagte Land berechtigt befürchten durfte, der Kläger sei in diesem für deutsche Schüler sensiblen Punkt unempfindlich und uneinsichtig. Die Reaktion der Schüler aus der Klasse 10e, wie er so etwas als Lehrer überhaupt erzählen könne, machen auch deutlich, daß der Kläger nicht mit vertretbaren Gründen davon ausgehen konnte, sein Verhalten stehe nicht in diametralem Gegensatz zu seinem pädagogischen Auftrag. Gerade wenn der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, es dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit so sein, daß ein deutscher Kollege niemals auch nur daran gedacht hätte, einen solchen (Unterrichts-) Weg zu beschreiten, so zeigt dies ebenfalls, daß der Kläger sich der Gratwanderung bewußt war, die er unternahm. Er durfte deshalb nicht damit rechnen, das beklagte Land werde nur, weil er als Amerikaner unterrichte, anders als geschehen reagieren. Entscheidend ist insofern nicht die Tatsache, daß der Kläger Amerikaner ist, sondern daß er vor deutschen Schülern der Mittelstufe unterrichtete, bei denen eine unzweideutige Orientierung zum Thema Antisemitismus aufgrund der – auch für Deutschland – leidvollen Erfahrungen und Folgen des Rassenhasses besonders gefragt war. Wenn der Kläger schon glaubte, einem deutschen Kollegen werde ein solcher Unterrichtsweg, wovon schon begrifflich nach den vorstehenden Erwägungen nicht die Rede sein kann, nicht in den Sinn kommen, so hätte er wenigstens nach der ersten Reaktion in der Klasse 13 mit einem solchen Kollegen Rücksprache nehmen müssen, um seine angebliche “Methode”, Vorurteile kritisch aufzuarbeiten (inwiefern gehörte das überhaupt zum Englisch-Unterricht?), auf ihre Brauchbarkeit zu überprüfen.

Wie bereits ausgeführt worden ist, handelt es sich bei der “Witz”-Erzählung vom 4. Dezember 1990 nicht um einen einmaligen Vorgang. Der Kläger ist trotz Empörung der Schüler der Klasse 13 bei seinem verfehlten Konzept, wenn ein solches ihm überhaupt abzunehmen ist, verblieben und hat anschließend seinen mißglückten Vergleich noch als “Witzchen” eingestuft. Das dokumentiert eine derartig uneinsichtige Einstellung, daß schlechterdings eine Abmahnung nicht verlangt werden kann. Das beklagte Land lief nämlich Gefahr, bei einer zu weichen Reaktion seinerseits mißverstanden zu werden. Es mußte im Interesse seiner Glaubwürdigkeit, Eltern, Schülern und Lehrern gegenüber die deutliche Konsequenz einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ziehen.

d) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Wertung eines verständig denkenden Arbeitgebers als billig und angemessen anzusehen (ständige Rechtsprechung: BAGE 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; BAGE 1, 117 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; BAG Urteile vom 10. Dezember 1956 – 2 AZR 288/54 – und vom 23. Januar 1958 – 2 AZR 206/55 – AP Nr. 21 und 50 zu § 1 KSchG und Urteil vom 21. Oktober 1965 – 2 AZR 2/65 – AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

Diese an sich der Tatsacheninstanz obliegende Prüfung kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht bindend festgestellten Tatsachen (§ 561 ZPO) ausnahmsweise selbst durchführen, zumal wegen der rechtlich verfehlten Beurteilung des Landesarbeitsgerichts zur Erforderlichkeit einer Abmahnung nur das Ergebnis der erstinstanzlich vorgenommenen Interessenabwägung wiederherzustellen ist. Angesichts der Tatsache, daß auch noch unstreitig vorliegende betriebliche Auswirkungen (Diskussionen in der Schule, Recherchen der Schulleitung, Befragungen der Schüler, Beschwerdebrief von Eltern – der Kläger weist selbst auf massive Beschwerden einiger Eltern bei der Schulleitung hin –) zu Lasten des Klägers zu werten sind (so Senatsurteil vom 17. Januar 1991 – 2 AZR 375/90 – AP, aaO, Leitsatz 2), kann das Bestandsschutzinteresse des Klägers nach knapp 10-jähriger Betriebszugehörigkeit, wovon 1 1/2 Jahre wegen der Fortsetzung des Studiums in den USA nicht auf die Beschäftigungszeit angerechnet werden sollten (so die Feststellung im Urteil des Arbeitsgerichts) nicht das Interesse des beklagten Landes aufwiegen, sich um der Glaubwürdigkeit seiner durch die Lehrer zu vermittelnden Lehrinhalte und Lernziele willen von einem Lehrer zu trennen, der in dieser gravierenden Weise ohne eindeutiges pädagogisches Konzept durch seine “Lehrmethode” Zweifel an seiner unbedingten Einstellung zu humaner Erziehung hat aufkommen lassen. Der Kläger war zur Zeit der Kündigung 44 Jahre alt; er verfügt über eine zusätzliche Ausbildung als Psychologe. Es müßte ihm daher möglich sein – nicht zuletzt im Hinblick auf seine Fremdsprachenkenntnisse –, eine anderweitige Beschäftigung zu finden. Seine Unterhaltspflichten sind, weil mit dem Kündigungsgrund nicht in Zusammenhang stehend (s. oben zu II 3a aa) im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Nach der Behauptung des beklagten Landes soll das Arbeitsverhältnis auch in der Vergangenheit nicht ungestört verlaufen sein, wie die – allerdings dem Personalrat nicht näher erläuterte – weitere Kündigungsbegründung andauernder Schlechtleistung belegen soll. Dies kann – weil unaufgeklärt – nicht zu Lasten des Klägers gewertet werden. Andererseits hat der Kläger nicht seinerseits einen unbeanstandeten Verlauf des Arbeitsverhältnisses behauptet. Auch wenn man dies auf sich beruhen läßt, wiegt die relativ kurze Beschäftigungszeit nicht das erhebliche Interesse des beklagten Landes an der Trennung vom Kläger auf. Der Kläger hat einerseits vor Aussprache der Kündigung nicht die ihm gebotene Gelegenheit zur Stellungnahme genutzt, etwa um sein angebliches pädagogisches Konzept glaubwürdig zu erläutern, andererseits hat er noch in der Revisionserwiderung ein vertragswidriges Verhalten geleugnet. Die Entscheidung des beklagten Landes erweist sich nach alledem nicht als unangemessen.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Schulze, Dr. Engelmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI846729

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