Leitsatz (amtlich)

  • In der Revisionsinstanz ist von Amts wegen und unabhängig davon, ob eine diesbezügliche Prozeßrüge erhoben ist, zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen gegeben ist.
  • In Arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kann die internationale Zuständigkeit durch Vereinbarung geregelt werden, soweit nicht im Einzelfall die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers den Vorrang vor der Vereinbarungsbefugnis der Prozeßparteien hat.
  • Vereinbarungen darüber, ob auf ein Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches materielles Recht anzuwenden ist, begegnen jedenfalls solange keinen Bedenken, wie das betreffende Arbeitsverhältnis in einer sachlichen Beziehung zum Bereich des gewählten Rechts steht.
  • Artikel 3 des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. August 1951 [AHKG 63] (ABl. AHK 1107 = SaBl. 1951, 1055) gilt nicht für den Fall der sogenannten gespaltenen Enteignung einer Forderung.
  • Die Klagesperre aus Teil VI Art. 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrages (Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen [ÜbV]) vom 23. Oktober 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 (BGBl. 1955, II, 301, 405, 439 ff.) will nur diejenigen Personen vor Klagen schützen, die an solchen kriegs- oder nachkriegsbedingten konfiskatorischen Maßnahmen beteiligt waren, die sich gegen Deutsche richteten, sei es, daß sie dabei handelnd oder verfügend mitgewirkt, sei es, daß sie daraus etwas erworben haben.
  • Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung in der Form einer Witwenversorgung zu, so ist das ein Vertrag zugunsten eines Dritten, und nach dem Tode des Arbeitnehmers ist dessen Witwe aus dem Versorgungsversprechen nach § 328 Abs. 1 BGB berechtigt, die zugesagte Versorgung vom Arbeitgeber zu verlangen (BAG 19, 100 [102, 103] = AP Nr. 116 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu I der Gründe]).
  • Wer sich als Erbe eines verstorbenen Arbeitgebers geriert, darf den Arbeitnehmer und Versorgungsberechtigten des Erblassers, die ihn daraufhin als Erben behandeln und für Verpflichtungen des früheren Arbeitgebers in Anspruch nehmen, nicht zumuten, besonders nachzuweisen, daß er Erbe sei.
  • Der Arbeitgeber, der eine Versorgung durch eine rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung (Unterstützungskasse, Pensionskasse) verspricht, haftet regelmäßig für die so begründeten Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers nicht persönlich, sondern genügt seiner Pflicht, wenn er dem Arbeitnehmer die Versorgungseinrichtung als Versorgungsschuldner verschafft hat.
  • Sicherungsverträge anläßlich der Auflösung von Fideikommissen sollten die Ansprüche, welche die Versorgungsberechtigten gegen den Lehnsbesitzer oder seine Rechtsnachfolger hatten, zusätzlich für den Fall absichern, daß die persönliche Haftung des demnächst in der Verfügung über sein Vermögen freien Lehnsbesitzers oder seines Nachfolgers nicht ausreiche und versage.
  • Bei Vertriebenen ist mit der Vertreibung regelmäßig die Lebensgrundlage in so weitgehendem Maße weggefallen, daß man bei ihnen mit einem Neubeginn in bezug auf sämtliche Lebensgewohnheiten rechnen kann.
 

Normenkette

BGB §§ 242, 328 Abs. 1, §§ 1960-1961, 1967; ZPO §§ 38, 287, 325, 561; Bundesvertriebenengesetz §§ 1, 82 ff.; AHKGes. Nr. 63 Art. 3

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 27.02.1969; Aktenzeichen 7 Sa 17/67)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 15.12.1966; Aktenzeichen 2 Ca 2728/65)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. Februar 1969 – 7 Sa 17/67 – teilweise aufgehoben.
  • Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 1966 – 2 Ca 2728/65 – teilweise wie folgt geändert und neu gefaßt:

    • Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.864,– DM (in Worten: Zwölftausendachthundertundvierundsechzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen ab 1. April 1966 zu zahlen.
    • Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab 1. Januar 1967 bis zum Tode der Klägerin ein monatliches Witwengeld in Höhe von 804,– DM (in Worten: Achthundertundvier Deutsche Mark) zu zahlen, und zwar monatlich im voraus bis zum Fünften eines jeden Monats.
    • Der Beklagte wird verurteilt, folgendem zuzustimmen: Der Verein der Beamten-, Ruhegehalts-, Witwen- und Waisengeldempfänger des Thronlehns Fürstentum Sagan (Waldgut Herrschaft Sagan) e. V. in Münster darf über die Ablösungsgutschriften und Barbeträge, welche die Bundesschuldenverwaltung am 14. Oktober 1964 der Deutschen Bank AG, Filiale München, auf den Anmeldungsvorgang Nr. 4014726 Morel nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz zugeteilt hat, nebst den daraus sich ergebenden Verzinsungen und sonstigen Renditen nach folgender Maßgabe verfügen: Er darf aus den genannten Vermögenswerten der Klägerin das ihr ab 1. September 1965 bis zu ihrem Tode zustehende Witwengeld in Höhe von 804,– DM monatlich nebst 4 % Zinsen für die ab 1. September 1965 rückständigen Beträge zukommen lassen; soweit die genannten Vermögenswerte nicht ausreichen, um neben dem Witwengeld der Klägerin solche Versorgungsansprüche zu erfüllen, die anderen Vereinsmitgliedern zustehen, dürfen die genannten Vermögenswerte nur, wie in einem Konkurs, zu einer quotalen Befriedigung der Klägerin und der übrigen Versorgungsberechtigten verwendet werden.
  • Die Berufungen beider Parteien sowie die Revision des Beklagten werden im übrigen zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

1. Der im Jahre 1940 verstorbene Ehemann der Klägerin, Kammerdirektor Egbert von Brünneck, stand vor 1940 viele Jahrzehnte im Dienste der französischen Adelsfamilie Talleyrand-Perigord. Dieser Familie gehörte bis zum Kriegsende 1945 das preußische Thronlehn Fürstentum Sagan (Waldgut Herrschaft Sagan), das der Ehemann der Klägerin als Kammerdirektor bis zu seinem Tode für die Familie Talleyrand-Perigord verwaltete.

Die Familie Talleyrand-Perigord hatte Herrn von Brünneck ein Ruhegeld in Höhe der Pension eines preußischen Regierungspräsidenten zugesagt. Als Herr von Brünneck 1940 starb, erhielt die Klägerin das entsprechende Witwengeld. Nach Kriegsende fiel das Thronlehn an die Volksrepublik Polen, die es verstaatlichte. Die Familie Talleyrand-Perigord zahlte an die Klägerin seit Kriegsende kein Witwengeld mehr.

2. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin vom Beklagten das Witwengeld eines Regierungspräsidenten ab 1. Januar 1963 auf Lebenszeit verlangt. Die Höhe des ihr zustehenden Witwengeldes hat sie nach nordrhein-westfälischem Besoldungsrecht für den 1. Januar 1963 mit 1.654,53 DM beziffert und hiervon ausgehend für die Folgezeiten die Erhöhungen errechnet, die den seitherigen allgemeinen gesetzlichen Besoldungserhöhungen entsprechen.

Der Beklagte ist der testamentarische Erbe des im Jahre 1952 verstorbenen Boson II. Herzog von Talleyrand-Perigord und Herzog von Valencay, des letzten Inhabers des Thronlehns; er ist französischer Staatsangehöriger. Er hat für den Verlust der in Polen belegenen Vermögenswerte, insbesondere des Thronlehns, auf Grund eines polnisch-französischen Abkommens über die Entschädigung der von polnischen Nationalisierungsmaßnahmen betroffenen französischen Staatsbürger eine Entschädigung erhalten, deren Höhe die Parteien streitig darstellen. Nach der Behauptung der Klägerin ist der Beklagte für alle in Sagan erlittenen Verluste mit sechs Millionen Dollar entschädigt worden; der Beklagte hat demgegenüber behauptet, das verloren gegangene Thronlehn habe einen Wert von etwa 25 Millionen RM gehabt und dafür habe er nur eine teilweise, keinesfalls eine volle Entschädigung erhalten. Daß er 4,5 Millionen neue französische Franken als Entschädigung erhalten hat, ist unstreitig.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte müsse ihr das verlangte Witwengeld deshalb zahlen, weil er als Erbe für die entsprechenden Verbindlichkeiten des letzten Inhabers des Thronlehns einzustehen habe.

3. Der Beklagte hat eine Haftung abgelehnt. Er hat geltend gemacht, mit Kriegsende, spätestens mit der Nationalisierung des Thronlehns durch die Volksrepublik Polen, seien alle Versorgungsansprüche von Deutschen gegen den letzten Inhaber des Thronlehns erloschen, so daß er auch als Erbe nichts der Klägerin schulde. Er schulde auch nicht nach den Regeln über die Haftung bei einer Vermögensübernahme; denn die Entschädigung, die er erhalten habe, gleiche seine in Sagan erlittenen Verluste bei weitem nicht aus; außerdem brauche er als französischer Staatsangehöriger für Kriegsfolgen, die die Klägerin treffen, nicht einzustehen.

Allenfalls, so hat der Beklagte geltend gemacht, beschränke sich seine Haftung auf das Vermögen aus dem Fonds, der vor Kriegsende zur Sicherstellung von Versorgungsansprüchen gegen die Familie Talleyrand-Perigord gebildet worden sei und von dem Teile bei Kriegsende in die Bundesrepublik verbracht worden seien. Mit diesem Fondsvermögen verhält es sich im einzelnen wie folgt:

Im Jahre 1914 wurde in Ausführung eines sogenannten Familienschlusses vom 24. September 1908/15. Februar 1909 eine Pensions-Satzung für die Herzoglich Sagan'schen Beamten und deren Hinterbliebene erlassen und eine entsprechende von der Hauptrentkasse Sagan mitverwaltete Pensionskasse gegründet, deren Mittel im wesentlichen durch Zuführung von seiten des Lehnsherrn bis zum vorgesehenen Höchstbetrag von 500.000,– Mark aufzubringen waren.

Als in den Jahren/nach 1933 mit der Auflösung des Thronlehns auf Grund der damaligen Gesetzgebung gerechnet werden mußte, fürchteten die ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer des Thronlehns für den Fall der Lehnsauflösung, daß die Durchsetzung ihrer Ruhegeldansprüche künftig Schaden nehmen könnte. Aus diesem Anlaß wurde im Jahre 1935 der eingetragene Verein der Beamten, Ruhegehalts-, Witwen- und Waisengeldempfänger des Thronlehns Fürstentum Sagan (Waldgut Herrschaft Sagan) in Sagan [künftig: Beamtenverein] mit dem satzungsmäßigen Zweck gegründet, die Gehalts- oder Ruhegeldansprüche seiner Mitglieder gegen den jeweiligen Lehnsbesitzer zu verwirklichen. Zu diesem Zweck waren notfalls die dem einzelnen Mitglied zustehenden Ansprüche an den Verein fiduziarisch abzutreten. Im Zuge der Auflösung des Thronlehns auf Grund der damaligen Gesetzgebung wurde eine erhöhte Sicherung der Ansprüche der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer des Thronlehns gesetzlich gefordert. Deshalb schloß der letzte Inhaber des Thronlehns, Herzog Boson II., mit dem Beamtenverein am 3. November 1936 in notarieller Form einen Vertrag, worin er sich verpflichtete, das Vermögen der Pensionskasse auf 1,5 Mill. Goldmark aufzustocken und den Wertpapierbestand auf rund 650.000,– RM zu erhöhen. Diese Verpflichtung wurde überwiegend durch die Übereignung von Grundstücken und durch die Verpfändung von Wertpapieren erfüllt.

Im Sommer 1944 hatte der vom Verein verwaltete Pensionsfonds ein Vermögen von rund 1.600.000,– RM.

Von dem Wertpapiervermögen hat der Rentmeister des Lehns bei Kriegsende Reichstitel im Nominalwert von 343.000,– RM in die Bundesrepublik verbracht. Nach geschehener Anmeldung dieser Werte hat die Bundesschuldenverwaltung auf Grund der Vorschriften des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes am 14. Oktober 1964 eine Gutschrift von 34.500,– DM als Ablösungsschuld und einen Barbetrag von 12.424,14 DM nebst 4 % Zinsen ab 1. April 1955 und einen Spitzenbetrag zugeteilt. Nach dem unanfechtbar abgeschlossenen Ablösungsverfahren der Bundesschuldenverwaltung können über diese Ablösungswerte, die von der Filiale München der Deutschen Bank AG verwaltet werden, der Beklagte und der Beamtenverein gemeinsam verfügen; die Bundesschuldenverwaltung hat es ihnen überlassen, wie sie sich über die Verwendung der Ablösungswerte einigen. Der Beamtenverein hat 1958 seinen Sitz von Sagan nach Münster verlegt; ihm gehören eine Reihe von Mitgliedern an, die Ansprüche darauf erheben, aus den Ablösungswerten die Altersversorgung zu erhalten, die ihnen von dem Inhaber des Thronlehns Sagan zugesagt war und die sie wegen des Kriegsausganges nicht bzw. nicht mehr erhielten.

4. Das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht haben der Klägerin einen lebenslänglichen monatlichen Rentenanspruch in Höhe von 804,– DM ab dem 1. Januar 1963 zuerkannt und weitergehende Zahlungsansprüche der Klägerin abgewiesen. Dieser Betrag ist nach den im Verhältnis 1 : 1 umgestellten Bezügen berechnet, die die Klägerin bis zum Kriegsende in Sagan bezogen hat. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis weise keinerlei Beziehungen zu einem in der Bundesrepublik errichteten Nachfolgestaat des ersatzlos weggefallenen Landes Preußen auf; daher könne die Klägerin nicht an das heute in Nordrhein-Westfalen geltende Besoldungsrecht anknüpfen und ihre Ansprüche der Höhe nach nicht in Anlehnung an die Ruhegeldbezüge eines Regierungspräsidenten in diesem Bundesland berechnen.

Gegen dieses Urteil hat nur der Beklagte Revision eingelegt, mit der er das Ziel der völligen Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

A. Zur Zulässigkeit der Klage:

I. Die Vorinstanzen sind ohne weiteres von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ausgegangen. Obwohl keine der Parteien sich gegen diese Annahme gewandt hat, ist noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen und unabhängig davon, ob eine diesbezügliche Prozeßrüge erhoben worden ist, zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen gegeben ist (vgl. BGH AP Nr. 1 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit [zu I 1 der Gründe]; Stein-Jonas-Pohle, ZPO, 19. Aufl., Anm. V 3 vor § 12 ZPO).

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Arbeitssachen ist zu bejahen. Die Parteien haben die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf für den vorliegenden Rechtsstreit vereinbart. Darin liegt nicht nur eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit, sondern darüber hinaus eine Vereinbarung darüber, daß für den Streit der Parteien die deutsche Gerichtsbarkeit überhaupt zuständig sein sowie gleichzeitig deutsches materielles Recht gelten sollen. Daß dies auch der Sinn der Vereinbarung war, ergibt sich aus dem Anlaß des Streits der Parteien und aus den gesamten Umständen. Im Streit sind Versorgungsansprüche und damit arbeitsrechtliche Ansprüche der Klägerin, die sie als Deutsche daraus herleitet, daß ihr Ehemann im Bereich des Deutschen Reiches vor dem Zusammenbruch in einem nach deutschem Recht zu beurteilenden Arbeitsverhältnis zu den Rechtsvorgängern des Beklagten gestanden habe, die, wie der Beklagte, sämtlich französische Staatsangehörige waren und die sich vorwiegend in Frankreich aufhielten, wo der Beklagte, jedenfalls seit dem Zusammenbruch, ebenfalls seinen ständigen Wohnsitz hat. Es liegt somit ein Streitverhältnis vor, das – jedenfalls heute – Auslandsberührung zu Frankreich und zur Volksrepublik Polen aufweist und bei dem nicht eindeutig ist, welche nationale Gerichtsbarkeit für die Streitigkeit zwischen den Parteien zuständig ist. Wenn unter diesen Umständen die Parteien für die Austragung ihres Streites sich auf die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf einigten und in der Folge die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit und auch die Anwendung deutschen Rechts nicht mehr in Frage stellten, so bedeutet das erkennbar für die Prozeßbeteiligten und die angegangenen Gerichte, daß die Parteien damit die deutsche Gerichtsbarkeit und die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben.

Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bestehen keine Bedenken. Es ist in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zulässig, die internationale Zuständigkeit durch Vereinbarung zu regeln, soweit nicht im Einzelfall die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers den Vorrang vor der Vereinbarungsbefugnis der Prozeßparteien hat (BAG 19, 164 [170, 171] = AP Nr. 1 zu § 75 b HGB [zu II der Gründe]; BAG 22, 410 [411 ff.] = AP Nr. 4 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit [zu I der Gründe] mit Anm. von Lorenz und zahlreichen Nachweisen). Die Schutzbedürftigkeit der Klägerin, die ihre Rechte aus einem Arbeitsverhältnis ihres Mannes herleitet, ist durch die Vereinbarung der deutschen Gerichtsbarkeit nicht gefährdet; vielmehr hat der Beklagte ihr gerade dadurch Rechnung getragen, daß er der Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit zustimmte.

Daß Vereinbarungen darüber getroffen werden können, welches materielle Recht auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar ist, begegnet ebenfalls solange keinen Bedenken, wie das betreffende Arbeitsverhältnis in einer sachlichen Beziehung zum Bereich des gewählten Rechts steht (vgl. BAG 16, 215 [221, 222] = AP Nr. 9 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht [zu 1 der Gründe] mit zustimmender Anm. von Gamillscheg und weiteren Nachweisen). Das trifft im vorliegenden Fall zu.

II. Die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob Artikel 3 des Gesetzes Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. August 1951 [AHKG 63] (ABl. AHK 1107 = SaBl. 1951, 1055) der Zulässigkeit der Klage entgegensteht. Diese Prüfung hat von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu erfolgen. Nach Art. 3 AHKG 63 sind Klagen unzulässig, die sich auf die Übertragung, Liquidierung oder Übergabe unter dieses Gesetz fallender Vermögensgegenstände gründen oder beziehen. Man könnte daran denken, die polnische oder französische Kriegs- und Nachkriegsgesetzgebung über die Beschlagnahme, Enteignung und Verstaatlichung deutschen Vermögens habe auch die Versorgungsforderung der Klägerin erfaßt und zum Erlöschen gebracht und sie damit im Sinne des Art. 3 AHKG 63 liquidiert und deshalb seien Klagen, die solche liquidierte Forderungen betreffen, unzulässig. Eine solche Annahme scheide indessen aus.

Eine dahingehende polnische oder französische Gesetzgebung kann Forderungen nur insoweit enteignen und damit liquidieren, wie die Gesetzgebung wirkt; eine Enteignungsgesetzgebung wirkt und gilt aber dort nicht mehr, wo ihr territorialer Geltungsbereich aufhört [Territorialitätsprinzip]. Deshalb ist die Forderung eines in der Bundesrepublik lebenden Deutschen der Enteignung durch einen anderen Staat insoweit entzogen, wie die fremde Enteignungsgesetzgebung nicht gilt. Wenn also der im enteignenden Schuldnerland (hier Polen oder Frankreich) enteignete deutsche Gläubiger (hier die Klägerin) in der Bundesrepublik wohnt und außerhalb des Schuldnerlandes einen weiteren Schuldner hat oder außerhalb des enteignenden Schuldnerlandes eine haftende Vermögensmasse vorfindet, ist insoweit die Forderung nicht enteignet (BAG AP Nr. 2 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht [zu II der Gründe] mit insoweit zustimmender Anmerkung von Beitzke; BGHZ 5, 35 [38]; BGHZ 23, 333 [336]; BGH NJW 1952, 420; vgl. auch Kegel in Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., Vorbem. 537 bis 543 vor Art. 7 EGBGB; derselbe in: Probleme des internationalen Enteignungs- und Währungsrechts, 1956 [Heft 40 der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften], S. 17 ff.; Palandt – Lauterbach, BGB, 31. Aufl., Vorbem. 14 g vor Art. 7 EGBGB; Raape, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., § 67 I S. 674 ff.). Nur ein solcher Fall der sogenannten gespaltenen Enteignung einer Forderung ist aber hier im Streit, weil die in der Bundesrepublik wohnende Klägerin eine Forderung gegen einen Schuldner geltend macht, die innerhalb der Bundesrepublik von einer etwaigen Enteignungsgesetzgebung Polens oder Frankreichs nicht erfaßt sein kann; die Klägerin findet auch in der Bundesrepublik eine ihr haftende Vermögensmasse vor, nämlich die Rechte, die dem Beklagten an den Ablösungswerten zustehen, die die Bundesschuldenverwaltung zugeteilt hat. Für einen solchen Fall gilt die Klagesperre des Art. 3 AHKG 63 deshalb nicht, weil insoweit keine Liquidationsmaßnahme im Sinne von Art. 3 AHKG 63 vorliegt (vgl. BAG AP Nr. 2 zu Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht [zu II der Gründe]).

III. Aus ähnlichen Gründen, wie soeben zu A II erörtert, greift auch die ebenfalls von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende Klagesperre aus Teil VI Art. 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrages (Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen [ÜbV]) vom 23. Oktober 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. März 1955 (BGBl. 1955, II, 301, 405, 439 ff.) nicht ein. Sie verbietet Klagen gegen solche Personen, die auf Grund der in Abs. 1 und Abs. 2 dieses Artikels näher bezeichneten kriegs- und nachkriegsbedingten konfiskatorischen Maßnahmen, die sich gegen deutsches Auslandsvermögen oder sonstiges Vermögen richteten, “Eigentum erworben oder übertragen haben, sowie Ansprüche und Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben”. Diese Vorschrift will die Personen vor Klagen schützen, die an solchen kriegs- oder nachkriegsbedingten konfiskatorischen Maßnahmen beteiligt waren, die sich gegen Deutsche richteten, sei es, daß sie dabei handelnd oder verfügend mitgewirkt, sei es, daß sie daraus etwas erworben haben (vgl. BGH LM Nr. 19 zu Überleitungsvertrag; dazu ferner umfassend Kegel bei Soergel-Siebert, aaO, Vorbem. 604 ff. vor Art. 7 EGBGB mit vielen Nachweisen).

Zu diesem vor Klagen geschützten Personenkreis gehört der Beklagte nicht. Er hat nicht an konfiskatorischen Maßnahmen gegen deutsches Vermögen – handelnd oder verfügend – mitgewirkt oder aus den Konfiskationen etwas erworben; er ist im Gegenteil als französischer Staatsangehöriger von den polnischen Konfiskations- und Verstaatlichungsmaßnahmen im Grunde ähnlich betroffen wie deutsche Staatsangehörige, weil die polnische Gesetzgebung ihm das ehemalige Thronlehn genommen hat. Er unterscheidet sich von den in ähnlicher Weise enteigneten Deutschen dadurch, daß die polnische und französische Gesetzgebung ihm dafür als Ausgleich eine – in der Höhe streitige – Entschädigung durch den französischen Staat gewähren. Diese Entschädigung ist keine Gegenleistung für die Enteignung und Konfiskation deutschen Vermögens; sie ist auch kein Erwerb deutschen Vermögens. Deshalb greift der Schutz des ÜbV zugunsten des Beklagten nicht ein, und er ist deshalb nicht davor bewahrt, daß ihn in der Bundesrepublik die Gläubiger seiner Rechtsvorgänger in Anspruch nehmen können.

B. Zur materiellen Rechtslage:

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne die mit der Klage verfolgte Altersversorgung im eigenen Namen deshalb geltend machen, weil ihr diese Forderung aus dem Versorgungsversprechen zustehe, das die Rechtsvorgänger des Beklagten dem Ehemann der Klägerin erteilt haben. Das läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung in der Form einer Witwenversorgung zu, so ist das ein Vertrag zugunsten eines Dritten, und nach dem Tode des Arbeitnehmers ist dessen Witwe aus dem Versorgungsversprechen nach § 328 Abs. 1 BGB berechtigt, die zugesagte Versorgung vom Arbeitgeber zu verlangen (BAG 19, 100 [102, 103] = AP Nr. 116 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu I der Gründe]).

Zu Unrecht stellt die Revision die Gläubigerstellung und damit die Anspruchsberechtigung der Klägerin mit der Begründung in Frage, daß nicht sie, sondern nur der Beamtenverein zur Geltendmachung der Witwengeldansprüche berechtigt sei. Nach § 1 Nr. 1 Abs. 1 der Vereinssatzung sind zwar die Mitglieder berechtigt, diesen mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu betrauen; sie müssen ihre Ansprüche fiduziarisch an den Vereinabtreten, soweit dieser sie benötigte, um die für die Versorgungsansprüche bestellten Sicherungsrechte zu realisieren.

Diese Vereinssatzung regelt jedoch nur mitgliedschaftsrechtliche und damit nur schuldrechtliche Pflichten, die sich im Verhältnis zwischen dem Beamtenverein und seinen Mitgliedern ergeben. Solange das einzelne Mitglied seinen Versorgungsanspruch an den Verein nicht abgetreten hat, bleibt es – gleichgültig ob es damit satzungsgerecht oder satzungswidrig handelt – Gläubiger des Versorgungsanspruchs ebenso wie in dem Fall, daß der Verein eine ihm abgetretene Forderung dem Mitglied wieder zurücküberträgt.

Daß die Klägerin dem Verein ihre im vorliegenden Rechtsstreit streitigen Versorgungsansprüche abgetreten habe, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Da hiergegen keine Revisionsrüge erhoben ist, muß die Revisionsinstanz davon ausgehen, daß die streitige Forderung an den Verein nicht abgetreten worden und die Klägerin nach wie vor deren Gläubigerin geblieben ist (§ 561 Abs. 1 ZPO).

II. 1. Der Beklagte stellt seine Haftung für die Forderung der Klägerin mit der Begründung in Frage, daß noch nicht endgültig feststehe, ob er Erbe des letzten Inhabers von Sagan sei oder nicht. Sein Erbe werde ihm von der Gräfin de Pourtales geborene Prinzessin Talleyrand-Perigord in zwei vor französischen Gerichten anhängigen Prozessen streitig gemacht, in denen es u. a. um die Frage gehe, ob die Entschädigung für die von Polen in Sagan vorgenommenen Nationalisierungsmaßnahmen dem Beklagten oder der Gräfin de Pourtales zustehe. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese beiden Klagen sei die Passivlegitimation des Beklagten für den vorliegend streitigen Anspruch der Klägerin zu verneinen; es müsse ein Nachlaßpfleger nach § 1960 BGB bestellt werden, an den sich die Klägerin halten müsse.

Das Landesarbeitsgericht ist dieser Verteidigung des Beklagten zu Recht nicht gefolgt. Im einzelnen gilt folgendes:

2. Der Cassationshof in Paris hat in einem Rechtsstreit zwischen der Gräfin de Pourtales und dem Beklagten rechtskräftig festgestellt, daß der Beklagte der rechtmäßige Erbe des Herzogs Boson II. ist. Wenn auch das Urteil des Cassationshofes nach § 325 ZPO keine Rechtskraftwirkungen für die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits hat, so kommt ihm dennoch für die Rechtsfindung im vorliegenden Rechtsstreit eine große Bedeutung zu. Der Beklagte hat keinen Grund vorgetragen, wonach die Entscheidung des Cassationshofs unrichtig und der Beklagte nicht Erbe sein könne. Er hat auch nicht der Annahme des Arbeitsgerichts widersprochen, die jetzt noch vor französischen Gerichten gegen ihn von der Gräfin de Pourtales angestrengten Prozesse bezögen sich nicht auf die Frage, inwieweit er Erbe von Herzog Boson II. sei, sondern nur auf die davon zu unterscheidende Frage, inwieweit er, gerade weil er testamentarischer Erbe sei, den gesetzlichen Erben noch etwas schulde.

Hinzu kommt folgendes: Der Beklagte selbst tritt gegenüber dem französischen und polnischen Staat wegen der Entschädigung, die er wegen der Enteignung des Thronlehns beansprucht, und auch gegenüber der Bundesschuldenverwaltung wegen der von dieser anerkannten Ablösungswerte als Erbe von Herzog Boson II. auf.

3. Unter diesen Umständen muß nach allen dem Senat möglichen rechtlichen Überlegungen der Beklagte als Erbe von Herzog Boson II. gelten; zum mindesten muß er sich nach seinem Gesamtverhalten aus Gründen des Verkehrs- und Vertrauensschutzes als der Erbe und Rechtsnachfolger von Herzog Boson II. im Verhältnis zu dessen Arbeitnehmern und Versorgungsberechtigten behandeln lassen. Denn wer sich so ernsthaft und so nachdrücklich, wie der Beklagte das getan hat und noch tut, als Erbe eines verstorbenen Arbeitgebers geriert, darf den Arbeitnehmern und Versorgungsberechtigten des Erblassers, die ihn daraufhin als Erben behandeln und für Verpflichtungen des früheren Arbeitgebers in Anspruch nehmen, nicht zumuten, besonders nachzuweisen, daß er Erbe sei.

4. Es bedarf daher, entgegen der Ansicht der Revision, auch nicht der Bestellung eines Nachlaßpflegers nach § 1960 BGB. Denn wenn der Beklagte Erbe von Herzog Boson II. ist oder sich als solcher behandeln lassen muß, besteht weder für die Sicherung des Nachlasses durch einen Pfleger ein Bedürfnis, noch ist der Erbe unbekannt, so daß für einen Nachlaßpfleger im Sinne des § 1960 BGB kein Raum ist.

III. 1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für die Versorgungsansprüche der Klägerin habe zuletzt Herzog Boson II. persönlich gehaftet und der Beklagte als dessen Erbe hafte daher nach § 1967 BGB dafür ebenfalls persönlich.

2. Die Revision macht demgegenüber geltend, für den Versorgungsanspruch der Klägerin habe der Inhaber des Thronlehns nicht unbeschränkt gehaftet, vielmehr sei seine Haftung auf das Lehn und den Pensionsfonds beschränkt gewesen; dementsprechend sei nach der Enteignung des Lehns die Haftung des Beklagten auf die Reste des Pensionsfonds beschränkt. Diese Ansicht der Revision ist nicht richtig.

3. Es trifft zwar zu, daß der Arbeitgeber, der eine Versorgung durch eine rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung (Unterstützungskasse, Pensionskasse) verspricht, regelmäßig für die so begründeten Versorgungsansprüche des Arbeitnehmers nicht persönlich haftet, sondern seiner Pflicht genügt, wenn er dem Arbeitnehmer die Versorgungseinrichtung als Versorgungsschuldner verschafft hat (vgl. Urteil des Senats vom 12. Februar 1971 – 3 AZR 83/70 – AP Nr. 3 zu § 242 BGB Ruhegehalt – Unterstützungskassen [zu 3 der Gründe] mit weiteren Nachweiser aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). Es ist aber nicht festzustellen, daß die Haftung der Rechtsvorgänger des Beklagten in vergleichbarer Weise beschränkt gewesen sei. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Mit ihrer Ansicht, daß für den Versorgungsanspruch der Klägerin nur das Lehn und der Pensionsfonds hafte, stellt die Revision offensichtlich darauf ab, daß bei Familiengütern, zu denen auch das Thronlehn Sagan gehörte, zwischen Familiengutschulden und Allodschulden unterschieden wurde. Die ersteren waren Schulden des Familienguts, somit Schulden eines Sondervermögens; die letzteren betrafen die sonstigen Schulden des Familiengutinhabers, für die er mit seinem sonstigen nicht zum Familiengut gehörigen Vermögen haftete (vgl. § 102 des preuß. Zwangsauflösungs-Gesetzes vom 22. April 1930 – GS 1930, 136 –; Seelmann-Klässel, Das Recht der Familienfideikommisse und anderen Familiengütern, Berlin, 1920, S. 177 f.; Seelmann-Eggebert, Familiengütergesetz vom 22. April 1930, Berlin, 1931, S. 166; Klässel-Koehler, Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Erster Teil, 1932, S. 104 ff.; Koehler-Heinemann, Das Erlöschen der Familienfideikommisse, 1940, S. 72 ff.).

b) Es kann dahinstehen, ob die Versorgungszusage, als sie dem Ehemann der Klägerin erteilt wurde, zunächst eine Familiengutschuld oder eine Allodschuld oder beides zugleich war. Denn sie ist jedenfalls zu einer persönlichen Verpflichtung des Herzog Boson II. geworden, als dieser am 3. November 1936 mit dem Beamtenverein den notariellen Vertrag schloß.

c) Dieser Vertrag bezweckte, die Versorgungsberechtigten vor den Gefahren zu schützen, die ihnen drohten, wenn das Thronlehn aufgelöst wurde. Während vorher der Lehnsinhaber über das zum Lehn gehörige Vermögen nur in ganz beschränktem Umfange verfügen konnte, wurde mit der Auflösung des Lehns das Lehnsvermögen freies Vermögen des Lehnsinhabers, das keinen besonderen Verfügungsbeschränkungen mehr unterlag und über das er genauso verfügen konnte wie jeder andere Vermögensinhaber über sein Vermögen. Einen Unterschied zwischen Familiengüter- und Allodschulden gab es – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – dann nicht mehr (vgl. § 193 Abs. 1 des preuß. Zwangsauflösungsgesetzes vom 22. April 1930 – GS 1930, 136; vgl. zum Ganzen auch Koehler-Heinemann, aaO, § 12 FidErlG Anm. 3 S. 250 ff.).

Diese Überführung vom Lehnsvermögen in freies Vermögen und dessen Haftung für alle Schulden des Inhabers konnte für die Versorgugusberechtigten die Gefahr begründen, daß der in der Verfügung über sein Lehnsvermögen frei gewordene Lehnsinhaber über sein Vermögen verfügte und sich damit außerstande setzte, seine Versorgungspflichten zu erfüllen. Deshalb sah die Gesetzgebung über die Auflösung von Familiengütern seit jeher vor, daß die Auflösungsbehörde die Arbeitnehmer und Versorgungsberechtigten vorher sichern könne, ehe das Familiengut durch Erteilung des Auflösungsscheines endgültig aufgelöst und freies Vermögen wurde (vgl. § 22 Abs. 5 der preuß. Verordnung über die Zwangsauflösung der Familiengüter und Hausvermögen [Zwangsaufl.VO] vom 19. November 1920 – GS 1920, 463; § 116 Abs. 1 des die Zwangsaufl.VO ablösenden Preußischen Zwangsauflösungsgesetzes vom 22. April 1930 – GS 1930, 136; § 6 Abs. 4 des Reichsgesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 – RGBl. I, 825 –; vgl. auch RAG ARS 32, 248 [255]).

d) Der Vertrag vom 3. November 1936 war somit ein Sicherungsvertrag, der nicht von einer künftigen beschränkten Haftung des bisherigen Lehnsinhabers und von einer bloßen Haftung des Pensionsfonds ausging, sondern gerade im Gegenteil von der unbeschränkten Haftung des Lehnsinhabers, die zudem noch der Absicherung bedürfe. Das kommt in dem Vertrag auch ausdrücklich zum Ausdruck; denn in § 2 Abs. 1 des Vertrages ist ausdrücklich von den Verpflichtungen des Lehnsbesitzers und seiner Rechtsnachfolger gegenüber den Versorgungsberechtigten die Rede, und der Gesamtsinn des Vertrages ist, die Ansprüche, welche die Versorgungsberechtigten gegen den damaligen Lehnsbesitzer oder seine Rechtsnachfolger hatten, zusätzlich für den Fall abzusichern, daß die persönliche Haftung des demnächst in der Verfügung über sein Vermögen freien Lehnsbesitzers oder seines Nachfolgers nicht ausreiche und versage. Da der Ehemann der Klägerin bei dem Abschluß des Vertrages vom 3. November 1936 als Vertreter des Beamtenvereins auftrat, muß angenommen werden, daß er ebenso wie die anderen durch den Beamtenverein repräsentierten Versorgungsberechtigten für den Vertreter des Herzogs Boson II. erkennbar für die Zukunft eine persönliche Versorgungsforderung gegen Herzog Boson II. erhalten sollte und erhalten hat, die ebenso abgesichert war, wie das der Vertrag vom 3. November 1936 für die übrigen Versorgungsberechtigten vorsah.

4. Nach allem ergibt sich, daß sich der Versorgungsanspruch des Ehemannes der Klägerin und damit auch der Versorgungsanspruch der Klägerin gegen Herzog Boson II. persönlich und dessen Rechtsnachfolger richtete und damit gemäß § 1967 BGB auch gegen den Beklagten richtet, und daß für den Versorgungsanspruch nicht nur eine beschränkte Vermögensmasse vorgesehen war.

IV. 1. Gegenüber der auch vom Landesarbeitsgericht angenommenen persönlich unbeschränkten Haftung des Beklagten hat die Revision geltend gemacht, mit der Nationalisierung des Lehns Sagan durch Polen sei die Geschäftsgrundlage für die vorher erteilten Versorgungszusagen weggefallen. Bei der damit gebotenen Billigkeitserwägung, ob und inwieweit der Beklagte dennoch weiterhafte, stünden seiner Haftung zwei Umstände besonders entgegen: Zum einen spreche gegen seine Haftung, daß er für das Lehn, das einen Wert von mehr als 25 Millionen RM gehabt habe, nur geringfügig entschädigt worden sei; zum anderen sei es nicht gerecht, daß er als französischer Staatsangehöriger im Ergebnis für Auswirkungen des Kriegsausganges in Anspruch genommen werde; diese Kriegsfolgen zu regeln sei Aufgabe der Deutschen und damit der Bundesrepublik.

2. An dieser Argumentation der Revision ist richtig, daß sich mit dem Ausgang des Krieges und den Folgen, die sich daraus für das ehemalige Thronlehn ergeben haben, für die bei Kriegsausgang bestehenden Versorgungsansprüche die bis dahin gegebene Geschäftsgrundlage wesentlich verändert hat und möglicherweise weggefallen ist. Die Berechtigung einer dahingehenden Annahme der Änderung oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat der deutsche Gesetzgeber in § 82 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt (Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge [Bundesvertriebenengesetz – BVFG] vom 19. Mai 1953 – BGBl. I, 201 – in der Fassung vom 3. September 1971 – BGBl. I, 1565). Wäre Herzog Boson II. deutscher Staatsangehöriger gewesen und aus Sagan vertrieben worden, so könnte er gemäß § 82 BVFG für solche Verbindlichkeiten nicht in Anspruch genommen werden, die vor der Vertreibung begründet worden sind. Es müßte dann ein Vertragshilfeverfahren stattfinden (§§ 83 ff. BVFG). Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß Versorgungsansprüche, bei denen – wie im Fall des Herrn von Brünneck – der Versorgungsfall vor der Vertreibung eingetreten war, zu den Verbindlichkeiten gehören, deretwegen ein Vertriebener nicht in Anspruch genommen werden darf (BAG AP Nr. 1 zu § 82 BundesvertriebenenG, [zu III der Gründe]; vgl. auch BAG AP Nr. 4 zu § 82 BundesvertriebenenG und BGH AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegehalt [zu III der Gründe]). Diese Regelung läßt sich nur damit erklären, daß der Gesetzgeber für solche Vertreibungsfälle generell von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage durch den Kriegsausgang und seine Folgen ausgeht (vgl. Straßmann-Nitsche, Bundesvertriebenengesetz, 2. Aufl., 1958, § 82 Anm. 1 und den dort erwähnten schriftlichen Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene des Deutschen Bundestages vom 11. Februar 1953: “Bei Vertriebenen ist … mit der Vertreibung regelmäßig die Lebensgrundlage in so weitgehendem Maße weggefallen, daß man bei ihnen mit einem Neubeginn in bezug auf sämtliche Lebensgewohnheiten rechnen kann.” ähnlich: Leitreiter, Bundesvertriebenengesetz, 2. Aufl., 1953, § 82 Anm. vor a).

3. Da Herzog Boson II. kein deutscher Staatsangehöriger war und auch der Beklagte kein solcher ist, können beide nach § 1 Abs. 1 des BVFG deshalb nicht als Vertriebene im Sinne des BVFG gelten, weil dazu nach dem Gesetz die deutsche Staats- oder deutsche Volkszugehörigkeit Voraussetzung ist. Das erklärt sich daraus, daß die Vertreibungen Nichtdeutscher seltener stattfanden und der deutsche Gesetzgeber deshalb keinen Anlaß sah, für trotzdem geschehene Vertreibungen eine Regelung zu treffen. Wenn dem vertriebenen Ausländer durch vertreibende oder konfiskatorische Maßnahmen Schäden entstanden, konnte der deutsche Staat mit einem gewissen Recht davon ausgehen, der Schutz des Ausländers gegenüber dem vertreibenden und enteignenden Staat sei Sache des Heimatstaates des betroffenen Ausländers. Daß diese Überlegungen angebracht sind, ergibt sich für den vorliegenden Fall daraus, daß Frankreich mit Polen einen Vertrag über die Regulierung der Schäden geschlossen hat, die Polen französischen Staatsangehörigen durch konfiskatorische Maßnahmen zugefügt hat.

4. Dennoch muß auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten der Sache nach ähnlich verfahren werden, wie wenn der Arbeitgeber des Ehemannes der Klägerin ein Deutscher gewesen wäre. Es kann zwischen ihnen nicht unberücksichtigt bleiben, daß durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse dem Herzog Boson II. und damit dem Beklagten das Thronlehn Sagan entzogen worden ist. Es ist ganz allgemein anerkannt, daß insbesondere bei der oben zu A II bereits erörterten “Spaltung” einer Forderung infolge ausländischer Konfiskationsmaßnahmen innerhalb des konfiskationsfreien Bereichs zugunsten des Schuldners zu bewerten ist, wenn auch er von Konfiskationsmaßnahmen betroffen wurde, wie das hier bei Herzog Boson II. und damit dem Beklagten hinsichtlich des Thronlehns Sagan der Fall ist (vgl. BGH NJW 1952, 420; Kegel in Soergel-Siebert, Vorbem. 541, 575 – 578, 581 vor Art. 7 EGBGB; Kegel, Probleme des internationalen Enteignungs- und Währungsrechts in Heft 40 der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften, 1956, S. 24 f.; Palandt-Lauterbach, aaO, Vorbem. 14 g vor Art. 7 EGBGB). Ob man das aus dem Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (so Kegel, aaO) oder aus Erwägungen der Billigkeit annimmt (so Palandt-Lauterbach, aaO), ist eine rechtstheoretische und für den vorliegenden Rechtsstreit nicht interessierende Frage. Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestimmt sich in seinen Voraussetzungen und Folgen nach Erwägungen der Zumutbarkeit und damit der Billigkeit, so daß eine Grenzziehung zwischen den beiden Ansichten ohnehin sehr schwer ist und sich nicht auswirkt, wenn es um die praktische Anwendung geht (vgl. Siebert in Soergel-Siebert, BGB, 9. Aufl., § 242 Rdz. 230).

5. Wägt man die Bedeutung der durch Krieg und Nachkriegsverhältnisse für die den Beteiligten entstandenen Schäden und Beschwerungen gegeneinander ab, so kann der Beklagte sicher vier entscheidende Gründe dafür anführen, daß man ihn nach der Enteignung Sagans nicht unverändert an dem früher erteilten Versorgungsversprechen festhält.

(1) Er kann geltend machen, daß das Versorgungsversprechen vom Thronlehn wirtschaftlich und finanziell getragen werden sollte und es jetzt an diesen tragfähigen Grundlagen fehlt, nachdem Sagan enteignet worden ist. Soweit er für Sagan eine Entschädigung bekommen hat, kann für die hier vorzunehmende Billigkeitsabwägung nur von einer Entschädigung von rund 4,5 neuen französischen Franken ausgegangen werden, da etwas anderes nicht festgestellt ist (§ 561 ZPO); demgegenüber muß das Thronlehn Sagan mit ca. 25 Millionen DM bewertet und als Verlust des Beklagten angesetzt werden.

(2) Der Beklagte kann im Rahmen der gebotenen Billigkeits- und Zumutbarkeitsabwägungen weiter geltend machen, daß Herzog Boson II. auf Grund des Vertrages vom 3. November 1936 die Versorgungsansprüche seiner Arbeitnehmer in einer Weise sichergestellt hatte, daß bei normalen Verhältnissen er und seine Nachfolger nicht damit zu rechnen brauchten, sie müßten für die Erfüllung des Versorgungsanspruchs mehr hingeben als den Wert desjenigen, was sie dem Beamtenverein bereits zur Sicherheit gegeben hatten.

(3) Der Beklagte kann weiter mit einem gewissen Recht geltend machen, daß die Forderung der Klägerin aus kriegsbedingten Gründen Not leidet und er als französischer Staatsangehöriger nicht dazu berufen ist, diese Rechtsnot zu beheben.

(4) Er kann sich schließlich darauf berufen, daß die nachträgliche Entwirrung der komplizierten Rechtslage ihn nicht nachträglich für die Vergangenheit mit Versorgungsansprüchen belasten darf, mit denen er bisher nicht zu rechnen brauchte.

6. Dem stehen drei Gründe gegenüber, die zugunsten der Klägerin im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung Beachtung verdienen.

(1) Der Ehemann der Klägerin hat ein Menschenleben lang den Rechtsvorgängern des Beklagten an verantwortlicher Stelle nicht nur gedient, sondern ihnen die Treue gehalten und durch seine Arbeit zu ihrem Lebensstandard beigetragen; er konnte erwarten, daß seine Witwe entsprechend der Zusage seinem Stand angemessen versorgt werde. Das Lehn Sagan gehört seit mehr als 100 Jahren als preußisches Thronlehn der französischen Familie Talleyrand-Perigord, so daß im Verhältnis zwischen den französischen Arbeitgebern und den deutschen Arbeitnehmern des Thronlehns die verschiedenen Staatsangehörigkeiten der Arbeitsvertragsparteien und der am Versorgungswerk Beteiligten keine allzu große Rolle gespielt haben können.

(2) Die Klägerin ist z. Zt.… arm; sie bezieht von ihrem Ehemann her eine Militärpension, die ausweislich des in erster Instanz im Jahre 1966 vorgelegten Zeugnisses zur Erlangung des Armenrechts 324,– DM monatlich ausmachte; sie beansprucht im vorliegenden Prozeß nur noch weitere 804,– DM monatlich. Dieser Betrag entspricht der auf dem Stand von 1945 festgehaltenen Pension der Witwe eines preußischen Regierungspräsidenten; das ist, auch wenn man die Militärpension der Klägerin hinzurechnet, bei weitem nicht das, was heute die Witwe eines Regierungspräsidenten bezieht, sondern liegt insgesamt noch unterhalb dessen, was heute, im Jahre 1972, durchschnittlich ein Arbeiter verdient; im Januar 1972 belief sich der Bruttomonatsverdienst eines männlichen Arbeiters in der Bundesrepublik im Durchschnitt auf 1.408,– DM, wie den vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen “Sozialpolitischen Informationen” vom 7. Juli 1972 (S. 79) zu entnehmen ist.

(3) Der Beklagte seinerseits ist – nach dem Akteninhalt unwidersprochen – einer der reichsten Männer Frankreichs. Nach dem bisherigen Akteninhalt muß er aus dem Bereich des ehemaligen Lehns Sagan nur noch mit Versorgungsansprüchen von rund 15 weiteren Personen rechnen, die sich in der Bundesrepublik befinden. Die in Sagan verbliebenen Versorgungsberechtigten erheben gegen ihn keine Ansprüche; ihre Versorgung regelt der polnische Staat. Außerdem ist in der Bundesrepublik ein Restposten des Vermögens vorhanden, das seinerzeit Herzog Boson II. zur Sicherung der Versorgungsansprüche dem Beamtenverein übertragen bzw. verpfändet hatte. Dieses Vermögen ist seit dem 14. Oktober 1964 von der Bundesschuldenverwaltung rechtskräftig dem Beklagten und dem Beamtenverein gutgeschrieben, und ihnen ist anheimgegeben, sich über die Verwendung der Ablösungswerte zu einigen. Dieser Vermögenswert war zweckgebunden und für die Erfüllung der von Herzog Boson II. eingegangenen Versorgungsverpflichtungen bestimmt, falls die Versorgungsansprüche von Herzog Boson II. und seinen Nachfolgern nicht persönlich erfüllt wurden; die Preisgabe dieser Werte für die Erfüllung von Versorgungspflichten ist daher dem Beklagten in jedem Fall zuzumuten.

7. Das Gewicht der einzelnen Gründe, die für und gegen eine Belastung des Beklagten mit den Versorgungsansprüchen sprechen, ist nur mit groben Maßstäben zu erfassen. Der Senat kann das Für und Wider nur in entsprechender Anwendung von § 287 ZPO daraufhin abwägen, was im vorliegenden Fall billig und angemessen ist. Der Senat kann weiter dabei in entsprechender Anwendung von §§ 83 ff. BVFG eine Art Vertragshilfe und damit eine entsprechende Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Parteien vornehmen. Alle anderen Maßstäbe und Überlegungen versagen gegenüber den Katastrophenfolgen des Krieges und gegenüber der Aufgabe, aus der Konkursmasse des Krieges im vorliegenden Fall das Übriggebliebene gerecht zu verteilen.

8. Unter Anlegung dieser Maßstäbe läßt sich der Senat bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten:

(a) Eine erdiente Versorgung hat für die im Jahre 1891 geborene und nicht angemessen anderweitig versorgte Klägerin, die sich keine eigenen neuen Werte mehr schaffen kann, ein sehr bedeutendes Gewicht.

(b) Dem Beklagten drohen, soweit sich das schätzungsweise beurteilen läßt, wegen der verhältnismäßig wenigen Personen, die noch Versorgungsansprüche erheben könnten, angesichts seines großen Vermögens und wegen des noch vorhandenen Restes des Pensionsfonds keine unangemessenen Belastungen. Im deutschen Recht haben alle Bürger, mittelbar oder unmittelbar, zum kriegsbedingten Lastenausgleich beitragen müssen. Die Familie Talleyrand-Perigord war mit ihrem Thronlehn Sagan derart in das deutsche Arbeitsleben eingefügt, daß sie sich nach dem Kriege wenigstens an der Versorgung ihrer ehemaligen Arbeitnehmer in zumutbarem Umfange beteiligen mußte; diese Pflicht trifft den Beklagten als Erben ebenfalls.

(c) Zugunsten des Beklagten sind vornehmlich die großen Verluste zu berücksichtigen, die er in Sagan erlitten hat.

Zusätzlich ist anzusetzen, daß die Rechtslage schwer zu entwirren war. Der vorliegende Rechtsstreit hat im August 1965 begonnen. Der Senat hat lange forschen und grübeln müssen, ehe er das erfaßte, was für die Entscheidung erheblich erschien.

Der Senat hat geschwankt, ob er überhaupt zugunsten der Klägerin entscheiden könne, und hat das noch Mitte 1971 auch den Parteien gegenüber zum Ausdruck gebracht. Es wäre daher unangemessen und unbillig, wollte man den Beklagten mit Zahlungen für die Zeit belasten, die vor der Rechtshängigkeit dieser Klage liegt.

Die vorliegende Klage ist am 31. August 1965 erhoben. In dem vorangegangenen Verfahren Voigt ./. Morel – 2 Ca 2937/64 Arbeitsgericht Düsseldorf –, in dem es ebenfalls um Versorgungsansprüche eines Arbeitnehmers des Thronlehns ging, haben sich die Prozeßparteien verglichen. Demnach hatte der Beklagte erst ab Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage Anlaß, sich darauf einzurichten, daß er Versorgung an ehemalige Arbeitnehmer des Thronlehns oder deren Hinterbliebene zahlen müsse. Vor dem 1. September 1965 brauchte der Beklagte nicht damit zu rechnen, daß er zahlen müsse. Insoweit greift im Rahmen der gebotenen Billigkeits- und Zumutbarkeitsabwägung zugunsten des Beklagten die allgemeine Maxime des Unterhaltsrechts durch, daß für die Vergangenheit, die gelebt worden ist, Versorgung nur bei Rechtshängigkeit oder bei Verzug des Schuldners verlangt werden kann (§ 1613 Abs. 1 BGB). Diese Maxime ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Billigkeits- und Zumutbarkeitsabwägung auch für das Versorgungsrecht anzuwenden. Eine Rechtshängigkeit des Anspruchs der Klägerin lag vor dem 1. September 1965 nicht vor; die Annahme eines Verzuges ist deshalb nicht möglich, weil Verzug Verschulden voraussetzt (§ 285 BGB); ein solches Verschulden kann aber nicht entsprechend § 285 BGB gegen den Beklagten vermutet werden; § 285 BGB gilt für Normalfälle, nicht für einen Fall der vorliegenden streitigen Art, in dem ein entschuldbarer Rechtsirrtum des Beklagten naheliegt und sein Verschulden ausschließen könnte.

9. Demnach kann die Klägerin die von ihr verlangte Versorgung vom Beklagten erst ab 1. September 1965 verlangen. Soweit das Landesarbeitsgericht ihr die Versorgung schon für die Zeit ab 1. März 1963 zuerkannt hat, war unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils und teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Soweit die Vorinstanzen die Höhe der Pension der Klägerin mit 804,– DM pro Monat berechnet haben, erscheint wegen der damit vorgenommenen Fixierung der Bezüge der Klägerin auf den Stand von 1945 die Pension der Klägerin bereits derart gekürzt, daß eine weitere Kürzung dem Senat unbillig erscheint.

10. Es ergibt sich somit insgesamt, daß die Klageforderung für die Zeit vom 1. Januar 1963 bis zum 30. August 1965 in Höhe von 25.728, – DM unbegründet und insoweit die Klage abzuweisen ist. Für die Zeit vom 1. September 1965 bis 31. Dezember 1966 (= 16 Monate) ergibt sich zugunsten der Klägerin der Betrag von 16 × 804,– DM = 12.864,– DM mit mittlerem Zinstermin vom 1. April 1966. Für die Zeit ab 1. Januar 1967 verbleibt es bei der bisherigen Verurteilung des Beklagten zur monatlichen Zahlung von 804,– DM bis zum 5. eines Monats.

11. Es entspricht dem ersichtlichen Willen beider Parteien, daß im Falle der Verurteilung des Beklagten die Klägerin auf die von der Bundesschuldenverwaltung zugeteilten Ablösungswerte zugreifen kann. Die Klägerin hat sich damit einverstanden erklärt, daß, soweit die Vermögenswerte für die Befriedigung ihrer Forderung nicht dazu ausreichen, um neben dem Witwengeld der Klägerin solche Versorgungsansprüche zu erfüllen, die anderen Vereinsmitglieder zustehen, die Vermögenswerte nur, wie in einem Konkurs, zu einer quotalen Befriedigung der Klägerin und der übrigen Versorgungsempfänger verwendet werden dürfen. Damit die Bank, die diese Vermögenswerte verwaltet, keine formalen Schwierigkeiten zu haben braucht und damit die Klägerin erleichtert im Bereich der Bundesrepublik gegen den Beklagten vollstrecken kann, hat der Senat die ausdrückliche Verurteilung des Beklagten zur Freigabe der Ablösungswerte der Bundesschuldenverwaltung nach näherer Maßgabe der Nr. III 2 des Urteilstenors für erforderlich gehalten.

 

Unterschriften

gez. Dr. Stumpf, Dr. Hilger, Dr. Gröninger, Dr. Dr. Schlick, Lichtenstein

 

Fundstellen

Haufe-Index 1492473

BAGE, 411

NJW 1973, 963

MDR 1973, 529

IPRspr. 1972, 142

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge