Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte Lehrerin. Übliche Vergütung. Ausschlußfrist

 

Normenkette

BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst. Q; TVG § 1 Auslegung

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 18.01.1991; Aktenzeichen 6 Sa 873/90)

ArbG Kassel (Urteil vom 19.06.1990; Aktenzeichen 4 Ca 257/90)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 1991 – 6 Sa 873/90 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1988 die in Arbeitsverhältnissen nach dem BAT üblichen Nebenleistungen zeitanteilig unter Zugrundelegung der VergGr. IV b BAT zu gewähren.

Die am 1. Mai 1937 geborene Klägerin ist seit dem 1. August 1978 – anfangs befristet, seit Mai 1983 unbefristet – bei der Beklagten als Teilzeitlehrkraft für Hauswirtschaft und Ernährung an der Berufsschule in H. mit 12 Unterrichtsstunden wöchentlich beschäftigt. Das Lehrdeputat einer vollzeitbeschäftigten Angestellten im Aufgabenbereich der Klägerin beträgt 27 Unterrichtsstunden. Die Vergütung der Klägerin wurde früher nach Jahreswochenstunden berechnet. Seit dem 1. Februar 1989 gewährte die Beklagte der Klägerin jedoch 12/27 der Bezüge nach der VergGr. IV b BAT. Aufgrund rechtskräftig gewordener Verurteilung durch das Landesarbeitsgericht zahlt das Land der Klägerin die genannte Vergütung bereits seit dem 1. Januar 1988.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Land schulde ihr gemäß § 612 Abs. 2 BGB auch 12/27 der tarifvertraglichen Nebenleistungen, wie insbesondere Urlaubsgeld, Sonderzuwendung und vermögenswirksame Leistungen.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung – zuletzt beantragt

festzustellen, daß sie ab dem 1. Januar 1988 unter Zugrundelegung der VergGr. IV b BAT und einer Pflichtstundenzahl von 12/27 gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf Zahlung aller tariflichen Nebenleistungen nach Maßgabe des BAT – insbesondere Urlaubsgeld, Zuwendungen und vermögenswirksame Leistungen – hat.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, die tariflichen Nebenleistungen in Geld seien nicht Bestandteil der „üblichen Vergütung”. Die Klägerin könne daher als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft anteilige Nebenleistungen der genannten Art nicht beanspruchen. Jedenfalls aber seien Forderungen der Klägerin für die Vergangenheit gemäß § 70 BAT verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf den Streitfall – auch soweit dieser rechtskräftig entschieden worden ist – die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Von diesen Erwägungen ausgehend erweisen sich auch die weiteren Ausführungen des angefochtenen Urteils als zutreffend, wie sich insbesondere aus Entscheidungen des Achten und Sechsten Senats ergibt.

II.1. Der Klägerin steht das verlangte Urlaubsgeld zu. Daß auch teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte einen anteiligen Anspruch auf Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16. März 1977 (mit späteren Änderungen) haben, hat der Achte Senat im Schlußurteil vom 15. November 1990 (– 8 AZR 283/89 –) mit näherer Begründung ausgeführt (zu II der Gründe; zur Veröffentlichung bestimmt). Dieser vom Achten Senat vertretenen Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

2. Zu der ortsüblichen Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB gehört auch die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte im öffentlichen Dienst vom 12. Oktober 1973 (mit späteren Änderungen). Das hat der Sechste Senat im Urteil vom 6. Dezember 1990 (– 6 AZR 159/89 –, zur Veröffentlichung bestimmt) mit ausführlicher Begründung entschieden (vgl. II 1 der Gründe). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

3. In gleicher Weise gehören die vermögenswirksamen Leistungen nach dem Tarifvertrag vom 17. Dezember 1970 zu den für den öffentlichen Dienst üblichen Vergütungsbestandteilen. Das geht auch aus den Vereinbarungen hervor, die die Tarifvertragsparteien bei der Neufassung des genannten Tarifvertrages getroffen haben. So heißt es in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Tarifvertrages über vermögenswirksame Leistungen an Angestellte (in der Fassung vom 24. April 1991), der nicht vollbeschäftigte Angestellte erhalte von dem Betrag der vermögenswirksamen Leistung, den er als Vollbeschäftigter zu beanspruchen hätte, den Teil, der dem Maß der mit ihm vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entspricht.

Die Tarifvertragsparteien haben hier die Konsequenzen aus der Rechtsprechung, insbesondere des Dritten Senats, gezogen, der im Beschluß vom 29. August 1989 (BAGE 62, 334 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985) klargestellt hat, daß auch tarifliche Regelungen nicht gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 verstoßen dürfen.

III. Die Ansprüche der Klägerin sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).

1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung. Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – etwa rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt).

Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.

2. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß, hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden.

3. Die Klägerin braucht sich nicht entgegenhalten zu lassen, sie wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für die Klägerin nicht getroffen worden ist, kann nicht zu ihrem Nachteil ausschlagen.

4. Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Anspruch der Klägerin sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen.

 

Unterschriften

Dr. Gehring, Dr. Reinecke, Dr. Müller-Glöge, Zugleich für den durch Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung verhinderten ehrenamtlichen Richter Blank-Abel, Dr. Gehring, Dr. Florack

 

Fundstellen

Haufe-Index 1065180

JR 1992, 440

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