Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung privater Versicherungen auf Beihilfeanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Beihilfeberechtigte Arbeitnehmer, die sich bei einer privaten Krankenversicherung zusätzlich gegen Krankheit versichern und hierfür vom Arbeitgeber keinen Zuschuß erhalten, brauchen sich die von der privaten Krankenversicherung währten Versicherungsleistungen nicht auf den Beihilfeanspruch anrechnen zu lassen. Die "Kappungsvorschrift" des § 12 Abs 2a der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BVO) NW vom 27. März 1975 (GV NW S 332) findet insoweit keine Anwendung.

 

Normenkette

BAT § 40; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5; BhV NW 1975 § 12 Abs. 2a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 27.09.1985; Aktenzeichen 16 (11) Sa 666/84)

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 06.03.1984; Aktenzeichen 1 Ca 2213/83)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Leistungen einer privaten Krankheitskostenzusatzversicherung den Beihilfeanspruch des Klägers schmälern.

Der Kläger ist seit dem 16. April 1969 bei der Beklagten unter Eingruppierung in die VergGr. V b BAT als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Nach dem am 17. April 1969 geschlossenen Arbeitsvertrag sind auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961, der Bezirkszusatztarifvertrag (BZT-A/NRW) und die diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anwendbar.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der gemäß § 40 BAT anwendbaren Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter, Lehrlinge und Anlernlinge (BVO Ang NW) vom 9. April 1965 (GV NW S. 108), geändert durch Verordnung vom 21. Februar 1975 (GV NW S. 219), haben Angestellte und Arbeiter im Dienst des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Anspruch auf Beihilfen in entsprechender Anwendung der für Beamte geltenden Bestimmungen.

Die für Beamte geltende Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BVO NW) vom 27. März 1975 (GV NW S. 332), geändert durch Verordnung vom 15. Oktober 1982 (GV NW S. 686), hat, soweit es hier interessiert, folgenden Wortlaut:

"§ 4 Beihilfefähige Aufwendungen in Krankheits-

fällen

Die beihilfefähigen Aufwendungen umfassen die Kosten

für:

1. ...

2. Stationäre oder halbstationäre Behandlung

...

§ 12 Bemessung der Beihilfen

(1) ...

(2) Bei stationärer Krankenhausbehandlung (§ 4

Nr. 2, § 6, § 8, § 10), stationärer Entbin-

dung und bei dauernder Anstaltsunterbringung

(§ 5) erhöht sich der nach Absatz 1 zustehende

Satz für Aufwendungen, die während der sta-

tionären Unterbringung in den Anstalten ent-

standen sind, sowie für die Beförderungs-

kosten, die Kosten des amts- oder vertrauens-

ärztlichen Gutachtens nach § 6 Abs. 1 Satz 1

Nr. 1 und die Kurtaxe auf achtzig vom Hundert.

(2a) In den Fällen des Absatzes 2, bei zahnärzt-

lichen Leistungen (einschließlich der in § 5

Abs. 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte vom

18. März 1965 - BGBl. I S. 123 - aufgeführten

Kosten) und in Krankheitsfällen mit außerge-

wöhnlich hohen Aufwendungen (z. B. bei Bluter-

krankheit, Dialysebehandlung) darf die Beihilfe

zusammen mit den aus dem jeweiligen Anlaß er-

brachten Leistungen einer Kranken- oder Unfall-

versicherung sowie den Leistungen auf Grund

von Rechtsvorschriften oder arbeitsvertraglichen

Vereinbarungen die dem Grunde nach beihilfe-

fähigen Aufwendungen nicht übersteigen. Unbe-

rücksichtigt bleiben Leistungen aus Kranken-

haustagegeldversicherungen, soweit sie fünfzig

Deutsche Mark täglich nicht überschreiten,

sowie Krankentagegeldversicherungen.

..."

Der Kläger ist bei der Barmer Ersatzkasse gegen Krankheit freiwillig versichert. Er unterhält außerdem als Zusatzversicherung eine Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung bei dem Berliner Verein. Nach § 13 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen kann das Versicherungsverhältnis zum Ende eines jeden Versicherungsjahres, frühestens aber zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

In der Zeit vom 23. Februar 1983 bis zum 7. März 1983 befand sich der Kläger in stationärer Krankenhausbehandlung im J-Hospital in H. Von den entstanden Krankenhauskosten von 14.509,51 DM erstattete die Barmer Ersatzkasse dem Kläger insgesamt 5.896,15 DM. Der Berliner Verein zahlte an den Kläger mindestens 7.510,57 DM. Die Beklagte gewährte dem Kläger unter Hinweis auf § 12 Abs. 2 a BVO NW nur eine Beihilfe in Höhe von 70,-- DM.

Mit der Klage vom 10. November 1983 hat der Kläger die Zahlung von weiteren 5.483,24 DM als Beihilfe von der Beklagten verlangt. Er hat diesen Betrag auf der Grundlage eines Bemessungssatzes von 65 % der beihilfefähigen Aufwendungen in Höhe von 8.543,45 DM errechnet und die von der Beklagten bereits gezahlten 70,-- DM abgezogen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch nach §§ 4, 12 BVO NW i.Verb.m. § 1 Abs. 1 BVO Ang NW zu. Die Begrenzungsvorschrift in § 12 Abs. 2 a BVO NW, die es ausschließe, die aufgrund eigener Aufwendungen erworbenen Versicherungsleistungen aus der Krankenversicherung bei der Ermittlung und Berechnung der Höhe der zu gewährenden Beihilfe zu berücksichtigen, verstoße gegen die Fürsorgepflicht und sei rechtswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

5.483,24 DM nebst 4 % Zinsen aus

4.811,87 DM seit dem 30. November

1983 und 4 % Zinsen aus 671,37 DM

seit dem 16. Februar 1984 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, § 12 Abs. 2 a BVO NW beschränke den an sich bestehenden Beihilfeanspruch des Klägers rechtswirksam auf einen Betrag von 70,-- DM. Denn nach § 88 Abs. 1 Satz 3 LBG NW könnten bei der Beihilfebemessung Versicherungsleistungen berücksichtigt werden. Hierdurch trage der Gesetzgeber dem allgemeinen Grundsatz des Bereicherungsverbotes in der Schadensversicherung Rechnung. Die Kappungsvorschrift mache eine Gleichstellung aller Beihilfeberechtigten möglich.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe in Höhe von weiteren 5.483,24 DM.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe nach § 12 Abs. 2 a BVO ein über 70,-- DM hinausgehender Beihilfeanspruch nicht zu. Die in § 12 Abs. 2 a BVO getroffene Regelung verstoße weder gegen Verfassungsrecht noch gegen höherrangiges Recht, sondern halte sich im Rahmen der durch § 88 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 LBG gegebenen Ermächtigung. Der Gesetzgeber habe durch den mit Anpassungsgesetz vom 13. Dezember 1977 eingefügten Zusatz dem Verordnungsgeber nämlich ohne Alternative die Möglichkeit gegeben, "eine über die tatsächlichen Aufwendungen des Beihilfeberechtigten hinausgehende Gesamterstattung auszuschließen". Darin liege kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, da der Einführung der 100%igen Kappungsgrenze sachgerechte Erwägungen zugrundelägen. Der Leitgedanke der Neuregelung sei, die Gesamterstattung aus Beihilfe und anderen Leistungen Dritter auf den Gesamtbetrag der dem Beihilfeberechtigten durch die Krankheit tatsächlich entstehenden Aufwendungen zu beschränken. Darin liege ein Vergleichsgesichtspunkt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG, dem alle Beihilfeberechtigten in gleichem Maße unterworfen seien. Der Verordnungsgeber sei berechtigt, Übererstattungen zur Vermeidung finanzieller Belastung der öffentlichen Hand entgegenzutreten. Auch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes sei durch § 12 Abs. 2 a BVO nicht verletzt, insbesondere auch nicht durch das Fehlen einer Übergangsregelung. Wegen des nur ergänzenden Charakters der Beihilfe habe beim Überversicherten kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen können, auch weiterhin höhere Leistungen zu erhalten, als Aufwendungen entstanden seien. Schließlich sei auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht verletzt. Die Regelung lasse das Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und seiner Versicherung unberührt. Es bleibe dem Versicherungsnehmer unbenommen, die Leistungen der Zusatzversicherung an die Änderung der BVO anzupassen. Ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Sicherstellung des Anspruchs auf den Erstattungsüberschuß bestehe nicht.

II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Kläger hat grundsätzlich Anspruch auf Beihilfe nach der zwischenzeitlich mehrfach geänderten Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter, Lehrlinge und Anlernlinge (BVO Ang NW) vom 9. April 1965 (GV NW S. 108). Das folgt aus § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien in Verbindung mit § 40 BAT, der auf "die bei dem Arbeitgeber jeweils geltenden Bestimmungen" für die Gewährung von Beihilfen verweist (vgl. dazu BAG Urteil vom 18. Oktober 1972 - 4 AZR 466/71 - AP Nr. 1 zu § 40 BAT). Durch diese Verweisung in § 40 BAT, die keine unzulässige Delegation der Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien enthält (BAGE 39, 138, 143 f. = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Durchführungspflicht; BAGE 36, 218 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten), ist dem Land Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit eröffnet worden, seine nicht beamteten und nicht versorgungsberechtigten Arbeitnehmer beihilferechtlich den Beamten gleichzustellen. Davon hat das Land durch die BVO Ang NW auch Gebrauch gemacht. Aufgrund dieser "Gleichstellung" stehen dem Kläger Ansprüche auf Gewährung einer Beihilfe in gleicher Höhe zu, wie sie einem Beamten zustehen würden.

2. Als Angestellter der Stadt I gehört der Kläger zu dem nach § 1 Abs. 1 BVO Ang NW beihilfeberechtigten Personenkreis. Allerdings engt § 1 Abs. 2 BVO Ang NW den Kreis der Beihilfeberechtigten insoweit ein, als Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich auf die ihnen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (oder Unfallversicherung) zustehenden Sachleistungen angewiesen sind. In der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherte Arbeitnehmer, zu denen auch der Kläger gehört, unterfallen dagegen uneingeschränkt dem persönlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 BVO Ang NW.

3. Die Kürzung der Beihilfe aufgrund der als "100 % Kappungsgrenze" bezeichneten Regelung in § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW vom 27. März 1975 i.d.F. vom 15. Oktober 1982 verstößt gegen höherrangiges Recht. Die Anrechnung der in § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW vorgesehenen, allein mit zusätzlichen eigenen Mitteln über die zumutbare Eigenbelastung hinaus finanzierten Leistungen einer privaten Krankenversicherung auf die einem Beamten zustehende Beihilfe widerspricht dem Sinn und Zweck der durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geprägten Beihilfe und dem Gleichheitssatz (BVerwG Urteil vom 25. Juni 1987 - 2 C 57.85 - NJW 1987, 2387). Zur Feststellung der Unwirksamkeit der "Kappungsvorschrift" bedarf es nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es sich bei der BVO nicht um ein Gesetz im Sinne des Grundgesetzes handelt. Das Beihilferecht in Nordrhein-Westfalen ist durch Rechtsverordnung geregelt (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1976 - 4 AZR 413/75 - AP Nr. 1 zu § 1 BeihilfeVO NRW).

Im einzelnen gilt folgendes:

a) Nach dem sich aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationsprinzip ist der Dienstherr verpflichtet, seinen Beamten und deren Familien einen angemessenen Unterhalt zu gewähren und damit grundsätzlich den gesamten Lebensunterhalt sicherzustellen. Aus diesem Grunde ist der Beamte kraft Gesetzes von der Versicherungspflicht auch in der gesetzlichen Krankenversicherung freigestellt (BVerwGE 20, 44, 46). Diesen Alimentationspflichten kommt der Dienstherr in aller Regel und in erster Linie durch die laufende Zahlung der Dienstbezüge nach. Daneben besteht ein Anspruch auf Beihilfe zu den nicht vorhersehbaren Aufwendungen aus Anlaß von Erkrankungen, da diese nicht in ihrer jeweiligen konkreten Höhe in die Regelung der Dienstbezüge einbezogen werden können. Der Gesetzgeber stellt den Beamten vielmehr im Rahmen der Dienstbezüge nur Mittel zur Verfügung, mit denen sie als Eigenvorsorge auch eine die voraussichtlichen Krankheitskosten teilweise abdeckende angemessene Krankenversicherung abschließen können (BVerfGE 44, 249, 265 ff.; 58, 68, 77 ff.; ähnlich BVerwGE 20, 44, 46; 71, 342, 346 ff.) und die den durchschnittlich zu erwartenden Aufwendungen im Krankheitsfall entsprechen. Wenn aber der Gesetzgeber einerseits mit der Besoldung nur einen Durchschnittssatz der zu erwartenden Aufwendungen im Krankheitsfall zur Verfügung stellt, dann ist er andererseits zu einer ergänzenden Hilfeleistung neben der eigentlichen Alimentation verpflichtet. Diese gewährt er gegenwärtig durch Beihilfen. Zwar ist dieses System der Beihilfen nicht Teil der den Beamten zustehenden Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG). Vielmehr ist es eine nach anderen Grundsätzen bemessene Hilfeleistung des jeweiligen Dienstherrn in Krankheitsfällen (BVerwGE 51, 193, 199; 60, 88, 91; 60, 212, 218; 64, 333, 336). Sie dient dazu, in Ergänzung der amtsangemessenen Alimentation Beeinträchtigungen durch Aufwendungen aus Anlaß von konkreten Erkrankungen zu verhindern (BVerwGE 71, 342, 352). Beihilfen werden somit gewährt, um den Bediensteten in angemessenem, seine Lebensführung nicht beeinträchtigenden Umfang in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen von den dadurch bedingten Aufwendungen freizustellen, welche die Besoldung und die mit ihr in zumutbarer Höhe abgeschlossene Krankenversicherung nicht abdeckt. Zumutbare Krankenversicherungen, die der Bedienstete aus seinen Dienstbezügen finanzieren kann, bilden demnach den Maßstab für die abstrakt-generelle Bemessung der Beihilfe. Sie können daher notwendigerweise nicht darüber hinaus auf die zustehende Beihilfe angerechnet werden. Nichts anderes gilt für die allein mit zusätzlichen eigenen Mitteln des Bediensteten unterhaltene private Zusatzversicherung und den daraus bezogenen Leistungen. Rechnet der Dienstherr diese mit zusätzlichen eigenen Leistungen des Bediensteten erworbenen Versicherungsleistungen auf dessen Beihilfeanspruch an, so macht er sich einen Teil der Besoldung unter Verstoß gegen seine Verpflichtung zur Alimentation wieder zunutze. Er kürzt damit mittelbar die durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützte amtsangemessene Alimentation zumindest um die vom Bediensteten erbrachten Versicherungsprämien (BVerwG Urteil vom 25. Juni 1987 - 2 C 57.85 - aaO).

Diese für die Beamten geltenden Grundsätze gelten aufgrund der "Gleichstellung" (BVO Ang NW i.V.m. § 40 BAT) sinngemäß auch für die Angestellten des öffentlichen Dienstes.

TEXTb) Die Regelung des § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW verstößt auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber ist an diesen allgemeinen Gleichheitssatz in dem gleichen Umfang gebunden, wie der Gesetzgeber. Zwar ist den Gerichten verwehrt, die Regelungen des Verordnungsgebers auf ihre Zweckmäßigkeit und ihren Gerechtigkeitsgehalt zu überprüfen. Gerichtlich überprüfbar hingegen ist, ob gewichtige tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten hinreichend beachtet worden sind (BVerfGE 72, 141, 150). Dem wird die unterschiedliche Behandlung der privat Versicherten und der nicht versicherten Beihilfeberechtigten in § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW nicht gerecht. Weder Beamte noch Angestellte, deren Vergütung über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sind verpflichtet, private Krankenversicherungen abzuschließen. Der Dienstherr überläßt es vielmehr den Betroffenen, eine Krankenversicherung abzuschließen oder in sonstiger Weise Absicherungen für den Krankheitsfall zu treffen. Das umfaßt die Freiheit zu entscheiden, welche Versicherung in Anspruch genommen werden soll, ob von dieser Möglichkeit überhaupt Gebrauch gemacht werden soll oder ob auf andere Weise, etwa durch Rückstellungen und Anlage der betreffenden Besoldungs- oder Vergütungsteile, Rücklagen gebildet werden, auf die im Krankheitsfall zurückgegriffen werden kann. Diese Arbeitnehmer können, wenn sie jedes Risiko vermeiden wollen, hohe Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung leisten. Sie können sich aber auch mit niedrigen Beitragsleistungen begnügen und dadurch eine höhere Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten in Kauf nehmen. Die Beihilfen werden dagegen in aller Regel unabhängig von der Bedürftigkeit und der Vermögenslage des Berechtigten abstrakt berechnet und gewährt. Diesem tragenden Grundsatz des Beihilferechts läuft es zuwider, wenn der Beihilfeanspruch infolge der Anrechnung von Leistungen aus allein mit eigenen Mitteln unterhaltenen Versicherungen geschmälert wird, während solche Bedienstete, die keine entsprechenden Aufwendungen für private Zusatzversicherungen erbracht haben, ungekürzte Beihilfen in Anspruch nehmen können. Der Anspruch auf Leistungen privater und zusätzlicher Versicherungen kann daher kein taugliches Differenzierungsmerkmal sein. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den gesetzlichen Wertungen der §§ 55, 58, 59 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Danach ist der Versicherer, ggf. mehrere Versicherer als Gesamtschuldner, nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer mehr als den Betrag des Schadens zu ersetzen. Dieser Grundsatz ist auf das Recht der Beihilfe nicht anwendbar. Vom Arbeitgeber gewährte Beihilfen sind mit Versicherungsleistungen Dritter nicht vergleichbar. Denn Beihilfen können nicht mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbart werden. Als Gegenleistung schuldet der Beihilfeberechtigte auch keine aufgrund von Verträgen erbrachten Prämien. Auch die Gefahr, durch in Aussicht stehende "Übererstattung" Anreize für eine erhöhte, heilfürsorgerisch nicht notwendige und nicht gebotene beihilfewirksame Inanspruchnahme zu schaffen, stellt keinen sachlichen Grund für die Wirksamkeit der Begrenzung dar. Abgesehen davon, daß Hinweise auf einen solchen Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers nicht zu finden sind, kann eine solche Erwägung auch der Neuregelung nicht zugrundegelegen haben. Denn dann wäre es nicht nachvollziehbar, aus welchem Grunde dem erkrankten Bediensteten gemäß § 12 Abs. 2 a Satz 2 BVO NW die Leistungen aus Krankenhaustagegeldversicherungen und aus Krankentagegeldversicherungen verbleiben, wenn sie nur einen Rahmen von 50,-- DM täglich nicht überschreiten.

4. Die wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nichtige Bestimmung des § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW läßt die Wirksamkeit der BVO NW im übrigen unberührt. Das bedeutet, daß der Verordnungsgeber - weil er für die Vergangenheit nur so dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung tragen kann - den zusätzlich privat krankenversicherten Bediensteten hinsichtlich der zu gewährenden Beihilfen ebenso stellen muß, wie denjenigen, der keine zusätzliche private Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann. Dieser Personenkreis hat einen ungeschmälerten Beihilfeanspruch, den die der Beihilfeverordnung unterworfenen Arbeitgeber zu Recht ungekürzt erfüllt haben (vgl. hierzu auch BAG Urteil vom 11. September 1974 - 5 AZR 567/73 - AP Nr. 39 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 50, 137, 142 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG). Für die Vergangenheit läßt sich die verfassungsrechtlich gebotene Gleichstellung nur herstellen, wenn auch der zu Unrecht ausgenommene Personenkreis entsprechende Ansprüche erhält. Anderenfalls müßte der Verordnungsgeber der Beihilfeberechtigten ohne zusätzliche, private Krankenversicherungen antasten.

5. Aufgrund der mit Ausnahme der unwirksamen Kappungsvorschrift des § 12 Abs. 2 a Satz 1 BVO NW fortgeltenden Beihilfeverordnung kann der Kläger daher die von ihm geltend gemachte Beihilfe in Höhe von 5.483,24 DM verlangen. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Aufwendungen in Höhe von 8.543,45 DM beihilfefähig. Davon verlangt der Kläger 65 %, wobei er einen Betrag von 70,-- DM, den die Beklagte als Beihilfe bereits gezahlt hat, vorab in Abzug bringt, also 5.483,24 DM. Gemäß § 12 Abs. 2 in Verb. m. Abs. 1 Satz 1 BVO NW beträgt bei stationärer Krankenhausbehandlung die Beihilfe zwar 80 v.H. der beihilfefähigen Aufwendungen. Der Kläger hat seinen Anspruch jedoch auf der Grundlage eines Bemessungssatzes von nur 65 % beziffert. Daran ist der Senat gebunden (§ 308 Abs. 1 ZPO), so daß dem Kläger nicht mehr zugesprochen werden konnte.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dörner Schneider

Ostkamp Dr. Hoffmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 440605

BAGE 59, 188-197 (LT1)

BAGE, 188

NJW 1989, 2970

NJW 1989, 2970 (L1)

DOK 1990, 160 (KT)

JR 1990, 88

JR 1990, 88 (L1)

NZA 1989, 509-510 (LT1)

RdA 1989, 128

SKrV 1989, Nr 6, 25 (K)

USK, 88126 (ST1)

WzS 1990, 29 (LT1)

ZAP, EN-Nr 166/89 (S)

AP § 40 BAT (LT1), Nr 3

AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 352 (LT1)

EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht, Nr 52 (LT1)

EzBAT § 40 BAT, Nr 2 (LT1)

MDR 1989, 670-671 (LT1)

PersR 1989, 169-172 (LT1)

SVFAng Nr 57, 19 (1989) (K)

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