Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag. Wartezeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Der enge sachliche Zusammenhang für die Berechnung der Wartefrist des § 1 Abs. KSchG ist nicht schon dann zu verneinen, wenn die Unterbrechung drei Wochen gedauert hat (Bestätigung des Senatsurteils vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).

 

Normenkette

BGB §§ 620, 162

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 19.11.1987; Aktenzeichen 4 Sa 829/87)

ArbG Passau (Urteil vom 15.05.1987; Aktenzeichen 3 Ca 1500/86)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 19. November 1987 – 4 Sa 829/87 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Befristung ihres letzten Arbeitsvertrages unwirksam ist.

Der 1956 geborene Kläger war – mit Unterbrechungen – aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge in der Zeit vom 3. Dezember 1979 bis 24. Mai 1986 vertretungsweise als Arbeiter beim Postamt P. der Beklagten im Betriebsdienst tätig. Je nach dem Vertretungsbedarf schwankte die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit zwischen 16 und 40 Stunden. Der Kläger erhielt anfänglich Lohn nach Lohngruppe V, später nach Lohngruppe IV. In der Zeit vom 3. Dezember 1979 bis 19. Juli 1985 war der Kläger neunzehnmal derart befristet beschäftigt, wobei die einzelnen Beschäftigungszeiträume die Dauer von einer Woche bis zu vier Monaten und sechs Tagen umfaßten und teilweise auf mehreren Arbeitsverträgen beruhten. Die vorletzte nicht unterbrochene Beschäftigung des Klägers dauerte vom 25. März 1985 bis 19. Juli 1985. Sie begann aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 26. März 1985, wonach der Kläger für den 25. und 26. März 1985 als vollbeschäftigter Arbeiter beim Postamt P. eingestellt worden ist. Sodann wurde das Arbeitsverhältnis bei einer geänderten Wochenstundenzahl (20 Wochenstunden) bis zum 30. Juni 1985 befristet. In einem weiteren Vertrag vom Juli 1985 wurde die Wochenstundenzahl auf 40 heraufgesetzt und die Befristung bis zum 19. Juli 1985 vereinbart. Auch in diesen Zeiträumen war der Kläger wie zuvor als Vertreter für ausgefallene Stammarbeitskräfte im Betriebsdienst des Postamtes P. eingesetzt.

Mit seinen Schreiben vom 1. März und 9. Juni 1986 hatte sich der Kläger erfolglos um den nächsten frei werdenden Dienstposten C 7 – Teilkräfte mit 20 Wochenstunden Arbeitszeit – beworben. Am 26. November 1985 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger wieder als Vertreter im Betriebsdienst für die Zeit vom 25. November 1985 bis 23. Februar 1986 mit wechselnder Arbeitszeit – zur Zeit 40 Stunden – eingestellt und wiederum in die Lohngruppe IV eingruppiert. Mit dem Änderungsvertrag vom 18. Februar 1986 wurden die Befristung bis zum 24. Mai 1986 verlängert und die Arbeitszeit mit Wirkung vom 17. Februar 1986 auf 20 Wochenstunden herabgesetzt. Mit dem weiteren Änderungsvertrag vom 12. März 1986 wurde sodann die Wochenarbeitszeit ab 10. März 1986 wieder auf 40 Stunden erhöht. Während der gesamten sechs Monate war der Kläger vertretungsweise auf Dienstposten der Gruppe C 8 beschäftigt.

Nachdem sich der Kläger ab April 1986 vergeblich um eine Dauerstellung auf einem Dienstposten C 7 beim Postamt P. bemüht hatte, machte er mit seinem Schreiben vom 25. Juli 1986 an das Postamt P. sowie vom 14. August und 26. September 1986 an die Oberpostdirektion R. geltend, seine Arbeitsverträge seien unzulässig befristete Kettenarbeitsverträge gewesen, und bat um seine Weiterbeschäftigung. Nachdem dies vom Postamt P. – … mit dessen Schreiben vom 5. August 1986 und von der Oberpostdirektion R. endgültig mit deren Schreiben vom 28. November 1986 abgelehnt worden war, erhob der Kläger am 4. Dezember 1986 die vorliegende Klage.

Der Kläger hat behauptet, er habe am 22./23. Juli, 3./4. August, 21./22. September und am 19./20. Oktober 1985 Nacht- bzw. Wochenenddienste anstelle von nach Dienstplan eingeteilten Arbeitskräften beim Postamt P. geleistet. Er glaube, am 19./20. Oktober 1985 für Frau B., die wie er selbst studiere, gearbeitet zu haben. Diese Tätigkeiten seien im Gegensatz zu allen übrigen Beschäftigungszeiten auf seiner Versicherungskarte für die Bundespost-Betriebskrankenkasse zwar nicht vermerkt. Er habe jedoch mit Wissen und Willen des Leiters der Betriebsstelle 150 beim Postamt P. diese Dienste geleistet, so daß ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustandegekommen sei.

Die Befristung seines letzten Arbeitsverhältnisses sei mangels eines sie sachlich rechtfertigenden Grundes unwirksam. Rechtlich sei unbeachtlich, daß seine letzte Beschäftigungszeit nicht länger als sechs Monate angedauert habe und insoweit die sechsmonatige Wartefrist nach § 1 Abs. 1 KSchG nicht überschritten sei. Denn die Zeiten seiner vorheriger Arbeitsverhältnisse seien hinzuzurechnen. Insbesondere seien die von ihm verrichteten Nacht- und Wochenenddienste in den Monaten August, September und Oktober 1985 mit zu berücksichtigen, wie auch die vorherigen Zeiten seiner Tätigkeit bei der Beklagten bis 19. Juli 1985. Die Beklagte habe zielgerichtet die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Befristungskontrolle umgangen. Sie habe entsprechend § 162 BGB treuwidrig verhindert, daß die sechsmonatige Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt werden konnte. Diese Frist sei nur um einen einzigen TAG unterschritten. Insgesamt habe es für die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages eines sachlichen Grundes bedurft. Ein solcher habe nicht vorgelegen. Er, der Kläger, sei stets vertretungsweise als „Daueraushilfe” auf freien Dienstposten eingesetzt worden und nicht zur Vertretung bestimmter Personen.

Mit seinem Hilfsantrag wolle er der Möglichkeit Rechnung tragen, daß im Hinblick auf die Unterbrechungen seiner Beschäftigung ein Dauerarbeitsverhältnis nur in der Weise zustandegekommen sei, daß er immer wieder nur befristet mit Unterbrechungen beschäftigt werden müsse.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 24. Mai 1986 hinaus ein ungekündigtes Dauerarbeitsverhältnis auf einem Dienstposten der Dienstgruppe C 8 beim Postamt P. besteht,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger im bisherigen Umfang weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für verwirkt und überdies für unbegründet und hat erwidert: Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien habe keines sie sachlich rechtfertigenden Grundes bedurft. Das letzte Arbeitsverhältnis habe nicht länger als sechs Monate gedauert. Beschäftigungszeiten vor dem 25. November 1985 seien auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht anzurechnen, da die vorherigen Tätigkeiten des Klägers sei ihr nicht in einem engen, sachlichen Zusammenhang zum letzten Arbeitsverhältnis stünden. Zuletzt hatten die Parteien am 19. Juli 1985 in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Diese und die davor liegenden befristeten Arbeitsverträge seien auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG keineswegs anzurechnen, weil es an einem engen, sachlichen Zusammenhang zwischen ihnen fehle. In den Monaten August, September und Oktober 1985 sei es auch nicht zum Abschluß von Arbeitsverträgen zwischen dem Kläger und ihr gekommen. Soweit der Kläger in dieser Zeit überhaupt tätig geworden sei, habe er andere Aushilfskräfte auf deren Bitte vertreten und sei auch von diesen selbst entlohnt worden. Überdies habe für die Befristung des letzten Arbeitsvertrages ein sachlich rechtfertigender Grund bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Der Kläger ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verwirkung nicht gehindert, gegenüber der Beklagten die Unwirksamkeit der Befristung seines letzten Arbeitsvertrages für die Zeit bis zum 24. Mai 1986 geltend zu machen.

1. Aus der allgemeinen Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB ist auch der Grundsatz der Verwirkung materieller Rechte wie auch deren prozessualer Geltendmachung herzuleiten. Materiell-rechtliche Verwirkung liegt vor, wenn mehrere Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes erfüllt sind: Einmal muß der Gläubiger mit der Geltendmachung des Anspruchs gezögert haben. Er muß weiterhin durch das Zuwarten beim Schuldner die Ansicht hervorgerufen haben, seinen Anspruch nicht mehr geltend zu machen, so daß sich der Schuldner darauf einstellen durfte und eingestellt hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Schließlich muß dem Schuldner gegenwärtig die Erfüllung des Anspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sein (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 27. November 1987 – 7 AZR 314/87 – RzK I 9 a Nr. 29, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 20. Mai 1988 – 2 AZR 711/87 – AP Nr. 5 zu § 242 BGB Prozessverwirkung, zu II 1 der Gründe).

2. Diese Voraussetzungen liefen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht vor. Zwar ist die Klage erst am 4. Dezember 1986 erhoben worden. Die Beklagte konnte und durfte jedoch nicht darauf vertrauen, der Kläger werde die Unwirksamkeit der Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien zum 24. Mai 1986 nicht mehr geltend machen. Bis zur Einreichung der Klage hat sich der Kläger gegenüber der Beklagten, zunächst gegenüber dem Postamt P., sodann gegenüber der Oberpostdirektion R., mehrfach auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen und vergleichsweise angeboten, ihn unbefristet einzustellen. Zudem hat er ebenso mehrfach die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung angedroht.

II. Die Klage ist indessen nicht begründet, denn die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien zum 24. Mai 1986 ist wirksam. Sie bedurfte keines sie sachlich rechtfertigenden Grundes, weil mit ihr zwingende kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen nicht umgangen werden konnten. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, weil die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt ist. Nach dieser Vorschrift greift der Schutz des Kündigungsschutzgesetzes erst ein, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Das aber ist hier nicht der Fall.

1. Durch die Dauer der Befristung des letzten ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses der Parteien für sich allein ist die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt worden, denn die Befristung umfaßt keinen über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum.

2. Die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist aber auch nicht dadurch erfüllt, daß auf sie die Dauer eines früheren Arbeitsverhältnisses der Parteien anzurechnen wäre. Zwar ist für die Frage, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses objektiv zur Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes führt, nicht nur auf die Dauer der Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses für sich abzustellen, sondern auch zu prüfen, ob Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen sind (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu II c der Gründe). Nach dem bloßen Wortlaut des Gesetzes, wonach die Wartezeit nur erfüllt ist, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen „ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden” hat, wäre für die Wahrung der Frist jede rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses schädlich. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes sind indessen auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1989, a.a.O., unter II c, aa der Gründe; BAGE 28, 252, 258 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu 4 b der Gründe). Für die Frage des engen sachlichen Zusammenhanges kommt es insbesondere auf Anlaß und Dauer der Unterbrechung sowie auch auf die Art der Weiterbeschäftigung an. Die Dauer der Unterbrechung für sich allein ist zwar ein wichtiger, aber nicht allein ausschlaggebender Umstand; von Bedeutung ist weiter, von welcher Partei und aus welchem Anlaß das frühere Arbeitsverhältnis beendet worden ist, wie es zur Eingehung des neuen Arbeitsverhältnisses gekommen ist und ob die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers seiner früheren Stellung entspricht. Ein enger sachlicher Zusammenhang ist zu verneinen, wenn die Zeit der Unterbrechung verhältnismäßig lang ist. Dabei ist stets eine einzelfallbezogene Würdigung der Umstände erforderlich (vgl. BAG Urteil vom 10. Mai 1989, a.a.O., m.w.N.).

a) Diese Rechtsgrundsätze hat das Landesarbeitsgericht insoweit verkannt, als es gemeint hat, drei Wochen Dauer der Unterbrechung seien die Grenze, über die hinaus bei einer rechtlichen Unterbrechung Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht mehr angerechnet werden dürften; eine weitere Auslegung dieser Vorschrift lasse deren Wortlaut, Sinn und Zweck nicht zu.

b) Der Senat vermag sich der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht anzuschließen. Für die Frage des engen sachlichen Zusammenhanges im Rahmen der Prüfung der Erfüllung der Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG kommt es nicht allein auf die Dauer der Unterbrechung an. Vielmehr bedarf es stets einer einzelfallbezogenen Würdigung aller Umstände. Die Einführung einer starren zeitlichen Grenze ist nicht sachgerecht. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen zwei Arbeitsverhältnisse trotz einer rechtlichen Unterbrechung von mehr als drei Wochen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen können. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls kann ein enger sachlicher Zusammenhang vorliegen, z.B. wenn Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitnehmer lediglich für die Dauer der Sommerschulferien (sechs Wochen) oder durch einen mehr als dreiwöchigen Betriebsurlaub unterbrochen und anschließend ohne erneuten Anlaß wieder begründet worden sind. Mit Rücksicht auf solche Möglichkeiten hat das Bundesarbeitsgericht offengelassen, ob allein die Unterbrechung für die Dauer von zwei Monaten ausgereicht hat, um einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen einem früheren unbefristeten und einem nachfolgenden befristeten Arbeitsverhältnis zu verneinen (Urteil vom 10. Mai 1989 – 7 AZR 450/88 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu II c, cc der Gründe).

c) Trotz dieses Rechtsfehlers erweist sich das angefochtene Urteil im Ergebnis als richtig. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen, an die der Senat mangels Verfahrensrügen gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden ist, steht das letzte Arbeitsverhältnis der Parteien, das auf insgesamt drei Verträgen beruht und vom 25. November 1985 bis 24. Mai 1986 angedauert hat, in keinem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu den früheren Arbeitsverhältnissen.

Dabei unterstellt der Senat entsprechend dem Berufungsurteil, daß der Kläger am 19./20. Oktober 1985 rechtlich in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden hat, obwohl durchaus zweifelhaft ist, ob insoweit ein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustandegekommen ist. Zwischen dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses am 19./20. Oktober und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses am 25. November 1985 liegt ein Zeitraum von fünf Wochen. Dieser Zeitraum ist für sich allein schon recht erheblich. Es fehlt aber auch an sonstigen Umständen, die trotz dieses recht erheblichen zeitlichen Zwischenraumes die Annahme eines engen sachlichen Zusammenhanges rechtfertigen könnten. Der Kläger hatte ab 25. November 1985 kontinuierlich zur Vertretung erkrankter oder beurlaubter Mitarbeiter des Postamtes P. gearbeitet. Dementsprechend war er auch in seinen früheren, unstreitig auf Arbeitsverträgen beruhenden Arbeitsverhältnissen bis zum 19. Juli 1985 beim Postamt P. tätig. In allen diesen Fällen handelte es sich um vorhergesehene, längerfristige Vertretungsfälle für planmäßig im Postamt P. tätige Mitarbeiter. Dagegen hat der Kläger nach seiner eigenen Darstellung am 19./20. Oktober 1985 lediglich im Rahmen eines „Diensttausches” den Wochenenddienst einer anderen vertretungsweise eingesetzten studentischen Arbeiterin übernommen. Er will an diesem Wochenende „für Frau B.” gearbeitet haben. Grundlage hierfür war aber eine Absprache mit der eigentlich für den Einsatz vorgesehenen, aber verhinderten Frau B., wie der Kläger selbst vorgetragen hat. Die Anlässe für die jeweiligen Einstellungen des Klägers waren also durchaus verschieden. Die bloße Tatsache, daß es sich in beiden Fällen um – äußerlich betrachtet – Vertretungstätigkeit gehandelt hat, genügt nicht, um einen engen sachlichen Zusammenhang zu bejahen. Während sich in den übrigen Fällen das Postamt selbst um eine Vertretung für – längerfristig – ausfallende Mitarbeiter bemüht und hierzu den Kläger eingestellt hat, ist dieser Tatbestand für die Wochenendvertretung vom 19./20. Oktober 1985 gerade nicht gegeben. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat auch nicht dargetan, daß ein enger sachlicher Zusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis bis zum 11. Juli 1985 besteht.

3. Die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses der Parteien bis zum 24. Mai 1986 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt unwirksam, daß die Beklagte den Eintritt des Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 KSchG entsprechend § 162 BGB treuwidrig vereitelt habe. Die insoweit erhobenen Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

Der Begriff der Treuewidrigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Anwendung ist revisionsrechtlich nur dahingehend überprüfbar, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen hat. Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor. Es sind keine Tatsachen festgestellt worden, aus denen sich schließen ließe, daß der Tatbestand der Treuewidrigkeit erfüllt sei.

Vielmehr ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß im Rahmen des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes die bloße Nutzung rechtlicher Möglichkeiten für sich allein noch kein treuwidriges Verhalten darstellt. Kündigt der Arbeitgeber kurz vor Ablauf der Wartefrist, um z.B. einen Rechtsstreit über die etwaige Sozialwidrigkeit der Kündigung zu vermeiden, so liegt darin noch kein Verstoß gegen Treu und Glauben, denn der Arbeitgeber übt lediglich die ihm gemäß § 1 Abs. 1 KSchG eingeräumte Kündigungsfreiheit aus (BAGE 40, 42, 49 f. = AP Nr. 24 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe; BAGE 31, 83, 86 f. = AP Nr. 19 zu § 102 BertVG 1972, zu I 1 der Gründe). Dementsprechend stellt auch die Befristung eines Arbeitsverhältnisses auf genau sechs Monate für sich allein kein treuwidriges Verhalten dar. Mit ihr nutzt der Arbeitgeber lediglich die ihm VOM Gesetz eröffnete Möglichkeit, eine Befristung zu vereinbaren, ohne daß für sie mit Rücksicht auf § 1 Abs. 1 KSchG ein sachlich rechtfertigender Grund vorliegen müßte. Eine analoge Anwendung des § 162 BGB kommt in diesem Zusammenhang erst in Betracht, wenn der Arbeitgeber mit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses auf genau sechs Monate nicht nur die ihm objektiv zustehende Möglichkeit der Befristung ohne Vorliegen eines sie sachlich rechtfertigenden Grundes nutzt, sondern wenn dieses Vorgehen unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände gegen Treu und Glauben verstieße. Derartige Umstände liegen aber, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, nicht vor. Die rechtliche Würdigung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Prüfung im dargestellten Umfang stand. Denn es ist nicht zu erkennen, daß das Landesarbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff der Treuewidrigkeit verkannt, hierbei Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Würdigung übersehen hat.

III. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch den Hilfsantrag des Klägers abgewiesen. Mit ihm begehrt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn entsprechend der Gestaltung der früheren arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien auf unbestimmte Zeit weiterzubeschäftigen, nämlich in der Weise, daß er immer wieder längere Zeit befristet eingesetzt wird und zwischen den einzelnen Befristungen Zeiten der Nichtbeschäftigung liegen. Dementsprechend würde der Hilfsantrag voraussetzen, daß die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 24. Mai 1986 unwirksam wäre und infolgedessen ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit bestünde, in welchem der Kläger immer wieder mit Unterbrechungen jeweils befristet einzusetzen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn die Befristung des letzten Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 24. Mai 1986 ist wirksam.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Richter Dr. Steckhan befindet sich im Urlaub., Schliemann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076646

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