Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Auswahl; vertikale Vergleichbarkeit

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Ausreichende Revisionsbegründung trotz Fehlens ausdrücklicher Anträge; nur begrenzte Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses; Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer - keine vertikale Vergleichbarkeit (Fortführung von BAG Urteil vom 29.3.1990, 2 AZR 369/89 = BAGE 65, 61, 76 ff = AP Nr 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 3 der Gründe); Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der sozialen Auswahl."

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Entscheidung vom 03.03.1992; Aktenzeichen 1 Sa 184/91)

KreisG Rostock-Stadt (Entscheidung vom 29.08.1991; Aktenzeichen 6 Ca 50/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der im Jahre 1948 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 6. April 1970 bei der Beklagten und deren Rechtsnachfolgerin beschäftigt, und zwar zunächst als Grünanlagenbauer, seit 1975 als Mitarbeiter in der Werkstatt, seit 1979 als Werkstattleiter und seit 1. Januar 1991 als "Meister in der Abteilung Handel und Service" gegen eine monatliche Bruttovergütung von 2.477,68 DM.

In der früher vom Kläger geleiteten Werkstatt war der Arbeiter S tätig, den die Beklagte auch als Gabelstaplerfahrer einsetzte. Der Kläger ist in der Lage, diese Tätigkeit zu verrichten. Der Arbeitnehmer L arbeitete zeitweilig in der Werkstatt als Schlosser, im übrigen als Kraftfahrer. Im Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte im Bereich Handel und Service außerdem den Arbeitnehmer B , der Seidenblumen verkaufte, und in Stralsund die Eheleute K , die u. a. Leitern verkauften.

Mit Schreiben vom 6. Februar 1991, dem Kläger zugegangen am 8. Februar 1991, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum 30. Juni 1991. Die Kündigungsschutzklage des Klägers ist am 28. Februar 1991 beim Kreisgericht eingegangen.

Der Kläger hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, daß wegen wirtschaftlicher Verluste eine betriebsbedingte Kündigung notwendig gewesen sei. Ein derart starker Umsatzrückgang habe nicht stattgefunden, obwohl die Beklagte, wie wohl die meisten Betriebe der neuen Bundesländer in dieser Zeit, Umsatzrückgänge zu verzeichnen gehabt habe. Die von der Beklagten angegebenen betrieblichen Gründe seien nur vorgeschoben. Der wahre Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei die von der Betriebsleitung mißbilligte gewerkschaftliche Tätigkeit des Klägers gewesen. Die Beklagte habe seinen, zusammen mit einem Arbeitskollegen beim Geschäftsführer gestellten Antrag auf Einberufung einer Betriebsversammlung zur Gründung eines Betriebsrats zum Anlaß für die Kündigung genommen. Im übrigen habe die Beklagte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Sie habe dem Kläger ohne weiteres einen anderen Aufgabenbereich zuordnen können. Die Werkstatt werde weitergeführt. Der dort arbeitende Arbeitnehmer sei sozial weniger schutzwürdig. Auch im Bereich Handel und Service seien weniger schutzwürdige Arbeitnehmer tätig.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Par-

teien nicht durch die schriftliche Kündigung vom

6. Februar 1991, zugestellt am 8. Februar 1991,

aufgelöst worden ist, sondern über diesen Zeit-

punkt hinaus unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält die von ihr ausgesprochene Kündigung für sozial gerechtfertigt. Da die Beklagte allein im Januar 1991 als Betriebsergebnis einen Verlust von über 109.000,00 DM erzielt habe, sei sie zu einem wesentlichen Personalabbau gezwungen gewesen. Sie habe nicht länger verantworten können, die Werkstatt für die Wartung und Pflege der technischen Anlagen in der bisherigen Form weiterbestehen zu lassen. Der Arbeitsplatz des Werkstattleiters, den es nur einmal gegeben habe, sei nicht mehr vorhanden. Auch im Bereich des Handels fehle es an einem Bedarf für die Beschäftigung des Klägers. Für die soziale Auswahl gelte das Prinzip der arbeitsplatzbezogenen Merkmale und der Austauschbarkeit der einzubeziehenden Arbeitnehmer. Danach habe es in ihrem Betrieb keinen mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer gegeben, der sozial stärker und auf die Erhaltung des Arbeitsplatzes weniger angewiesen sei. Die betrieblichen Gründe seien auch nicht vorgeschoben. Zwischen der Kündigung des Klägers, seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit und den Vorbereitungsarbeiten zur Wahl des Betriebsrats bestehe kein Zusammenhang.

Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Bezirksgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und lediglich den in der Berufungsinstanz zusätzlich gestellten Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

A. Obwohl weder die Revisionsschrift noch die Revisionsbegründungsschrift ausdrückliche Anträge enthalten, ist die Revision form- und fristgerecht begründet worden. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG in Verbindung mit § 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO muß die Revisionsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und deshalb Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge). Eine ausdrückliche Formulierung und textliche Absonderung ist zwar empfehlenswert, aber nicht erforderlich. Es genügt, daß sich Umfang und Ziel der Revision zweifelsfrei der Revisionsbegründungsschrift entnehmen lassen (vgl. BAG Urteil vom 11. März 1992 - 7 AZR 189/91 -, n.v., zu I der Gründe; BGH Urteil vom 29. Januar 1987 - IX ZR 36/86 - NJW 1987, 1335; BGH Beschluß vom 13. Juli 1982 - VI ZB 5/82 - VersR 1982, 974). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Revisionsbegründung mit der erforderlichen Deutlichkeit, daß die Beklagte das Berufungsurteil ohne jede Beschränkung angreifen will und ihren Antrag weiterverfolgt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Revisionsbegründung setzt sich eingehend mit den Erwägungen des Berufungsurteils zur sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG auseinander und führt aus, weshalb die Kündigung der Beklagten entgegen der Ansicht des Bezirksgerichts sozial gerechtfertigt sei. Damit hat der Beklagtenvertreter unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte mit ihrer Revision die Abweisung der Kündigungsschutzklage und damit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

B. Die Revision der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen. Das Kreisgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

I. Der Kläger hat trotz der mißverständlichen Fassung seines Klageantrags seine Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG nicht mit einem allgemeinen Feststellungsantrag (§ 256 Abs. 1 ZPO) verbunden. Bei der Auslegung des Klageantrags ist die Klagebegründung mit zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Klagevorbringen ergibt, wollte sich der Kläger lediglich gegen die mit Schreiben vom 6. Februar 1991 ausgesprochene Kündigung der Beklagten wenden. Das Feststellungsinteresse für den Kündigungsschutzantrag ergibt sich bereits daraus, daß der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage nach § 4 Satz 1 KSchG erheben muß, weil ansonsten die Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 7 KSchG geheilt wird (vgl. u. a. BAG Urteil vom 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969, zu B II 2 der Gründe; KR-Friedrich, 3. Aufl., § 4 KSchG Rz 26; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 4 Rz 14; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 3. Aufl., 11. Kapitel Rz 3; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, § 4 KSchG Rz 60; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 1058; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 716; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 136 I 2).

II. Das Bezirksgericht hat die Kündigungsschutzklage auch für begründet angesehen und seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar hätten dringende betriebliche Erfordernisse für die streitgegenständliche Kündigung vorgelegen. Die Beklagte habe jedoch die erforderliche soziale Auswahl nicht vorgenommen. In die soziale Auswahl seien auch Arbeitskollegen auf schlechter bezahlten Arbeitsplätzen einzubeziehen, wenn der zur Kündigung anstehende Arbeitnehmer bereit sei, eine solche Tätigkeit zu übernehmen, er für die Arbeit geeignet sei und auch nicht zu befürchten sei, daß er alsbald wegen der Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen die Stellung wechsle. Da die Beklagte überhaupt keine Auswahl getroffen und auch nicht vorgetragen habe, daß sie auf die vom Kläger benannten Mitarbeiter wegen ihrer deutlich höheren Qualifikation nicht verzichten könne, sei die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sozialwidrig und schon aus diesem Grunde rechtsunwirksam. Auf die Behauptung des Klägers, ihm sei wegen seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit gekündigt worden, komme es deshalb nicht an. Insoweit vermöge das Bezirksgericht auch nicht zu erkennen, daß im erstinstanzlichen Urteil die Behauptungen der Parteien und das Ergebnis der Beweisaufnahme unrichtig bewertet worden seien.

Dieser Würdigung des Bezirksgerichts kann im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung nicht gefolgt werden.

III. Zu Recht hat allerdings das Bezirksgericht dringende betriebliche Erfordernisse für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung bejaht.

1. Die Beklagte hat nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 561 ZPO) ihren Betrieb so organisiert, daß die vom Kläger innegehabten Arbeitsplätze als Werkstattleiter und als Meister im Handel und Service entfielen. Soweit der Kläger im Revisionsverfahren behauptet, die Bezeichnung "Meister" im Arbeitsvertrag vom Januar 1991 habe lediglich für seine Entlohnung aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Betrieb der Beklagten Bedeutung gehabt, handelt es sich um einen revisionsrechtlich unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsverhandlung wohl unstreitig gestellt worden ist. Im Berufungsverfahren hat der Kläger nicht geltend gemacht, sein Arbeitsplatz bestehe noch, sondern sich darauf berufen, es habe keine "betriebliche Notwendigkeit für den Wegfall des Arbeitsplatzes" bestanden (S. 1 der Berufungsbegründung). Die Unternehmerentscheidung sei "einer beschränkten justiziellen Kontrolle zu unterwerfen". Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche wirtschaftlichen Vorteile sie durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers habe.

Über die organisatorische und technische Ausgestaltung des Betriebs kann jedoch der Arbeitgeber frei entscheiden, vor allem alle organisatorischen Maßnahmen treffen, die er zur Anpassung an das Marktgeschehen und zur Verbesserung der Ertragslage für geboten erachtet. Die Arbeitsgerichte haben im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses nicht die wirtschaftliche, technische und organisatorische Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit unternehmerischer Entscheidungen zu kontrollieren, sondern nur sicherzustellen, daß der Arbeitgeber sein unternehmerisches Ermessen nicht mißbraucht. Die unternehmerischen Entscheidungen sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich sind (vgl. u. a. BAGE 31, 157, 162 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 b der Gründe; BAGE 65, 61, 68 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe). Das Bezirksgericht hat einen derartigen Tatbestand zutreffend verneint. Ein einleuchtender Grund für die Umorganisation ergibt sich bereits daraus, daß die Beklagte ihre Personalkosten verringern, dadurch ihre Ertragslage verbessern und dem auch vom Kläger eingeräumten Umsatzrückgang Rechnung tragen wollte.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers läßt sich das Fehlen dringender betrieblicher Erfordernisse auch nicht damit begründen, der wirkliche Grund für die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung seien die Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers und seine Bemühungen um die Wahl eines Betriebsrats gewesen. Auf den subjektiven "Eindruck", den der Kläger gewann und auf den er abstellt, kommt es nicht an. Er hat nicht schlüssig vorgetragen, daß die betrieblichen Gründe lediglich vorgeschoben wurden. Entfällt der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers durch eine ernsthaft durchgeführte, auf sachlichen Gründen beruhende Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers, so kommt es auf dessen weitere Motive nicht an.

IV. Soweit das Bezirksgericht die angegriffene Kündigung wegen fehlender sozialer Auswahl als sozial ungerechtfertigt angesehen hat, rügt die Beklagte mit Erfolg die Verletzung materiellen Rechts. Das Berufungsgericht hat § 1 Abs. 3 Satz 1 und 3 KSchG unrichtig angewandt. Es hat den Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer zu weit gezogen und insoweit der gesetzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht Rechnung getragen.

1. Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gekündigt worden, so ist die Kündigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die soziale Auswahl erstreckt sich innerhalb des Betriebs nur auf die Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbar sind nach allgemeiner Meinung solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Dabei kommt es in erster Linie auf arbeitsplatzbezogene Merkmale an. Entscheidend für die Vergleichbarkeit sind vor allem die Aufgabenbereiche der Arbeitnehmer, ihre Stellung in der Betriebshierarchie und die arbeitsvertraglichen Grenzen für eine anderweitige Beschäftigung des zu kündigenden Arbeitnehmers. Der auswahlrelevante Personenkreis umfaßt nicht Arbeitnehmer, die auf verschiedenen Ebenen der Betriebshierarchie tätig sind (keine sog. vertikale Vergleichbarkeit, BAGE 65, 61, 76 ff. = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 3 der Gründe).

a) Das Bezirksgericht hat angenommen, in die soziale Auswahl seien auch Arbeitnehmer auf schlechter bezahlten Arbeitsplätzen einzubeziehen, wenn der zur Kündigung anstehende Arbeitnehmer bereit sei, unter derartigen Arbeitsbedingungen weiterzuarbeiten. Diese Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht nicht einmal konsequent angewandt. Es hat weder tatsächliche Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Kläger mit einer Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen einverstanden gewesen wäre, noch hat es berücksichtigt, daß der Arbeitgeber nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls nicht von sich aus an den Arbeitnehmer herantreten mußte (vgl. BAG Urteil vom 7. Februar 1985 - 2 AZR 91/84 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu IV 3 und 4 der Gründe).

b) Die sog. vertikale Vergleichbarkeit ist zwar von einem Großteil des Schrifttums, dem sich das Bezirksgericht ohne nähere Begründung angeschlossen hat, für zulässig gehalten worden (vgl. Meisel, BB 1963, 1058, 1060 f.; Müller, DB 1975, 2130, 2134; Rost, ZIP 1982, 1396, 1402; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 132 I 2 c; ders. NZA 1987, 217, 221; Berkowsky, Die Betriebsbedingte Kündigung, 2. Aufl., Rz 190 ff.; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 2. Aufl., S. 329; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 1 Rz 125). Mit dieser Auffassung hat sich der Senat im Urteil vom 29. März 1990 (- 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61, 76 ff. = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 3 der Gründe) eingehend auseinandergesetzt und die vertikale Vergleichbarkeit uneingeschränkt abgelehnt (ebenso Boewer, NZA 1988, 1, 3; Färber, NZA 1985, 175, 176; ders. SAE 1988, 149, 150; Jobs, DB 1986, 538, 539; U. Preis, HAS § 19 F Rz 145; Schulin, Anm. zu BAG Urteil vom 7. Februar 1985 - 2 AZR 91/84 - EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 20; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 348 a; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 220; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., Vor § 620 Rz 534, sowie unter Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen Auffassung Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Kündigungsrecht, 3. Aufl., 10. Kapitel Rz 190; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 446 f.). Weder das Bezirksgericht noch die Parteien haben neue rechtliche Gesichtspunkte aufgezeigt, die zu einer nochmaligen, eingehenden Begründung dieser Rechtsprechung Anlaß geben. Der Senat hält daran fest, daß der Arbeitnehmer den für die soziale Auswahl maßgeblichen Personenkreis nicht durch die vor oder unmittelbar nach der Kündigung erklärte Bereitschaft zu einer Weiterbeschäftigung unter verschlechterten Arbeitsbedingungen erweitern kann. Dies wäre eine unzulässige Umfunktionierung der sozialen Auswahl gegenüber den nicht betroffenen Arbeitnehmergruppen und könnte zu dem im Ergebnis zu einem fortgesetzten Verdrängungswettbewerb von Stufe zu Stufe nach unten führen (vgl. BAG Urteil vom 29. März 1990, aaO).

2. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, daß er der gleichen betrieblichen Ebene wie die seiner Ansicht nach in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer B , K , S und L zuzuordnen ist.

a) Herr B hatte Seidenblumen zu verkaufen. Zu den Aufgaben der Eheleute K gehörte u. a. der Verkauf von Leitern. Herr S der auch als Gabelstaplerfahrer eingesetzt wurde, und Herr L , der auch als Kraftfahrer arbeitete, wurden in der Werkstatt beschäftigt. Dagegen war der Kläger zunächst als Werkstattleiter und anschließend nach § 1 Nr. 2 des Arbeitsvertrages von Januar 1991 als "Meister in der Abteilung Handel und Service" tätig. Seinem Vorbringen in den Tatsacheninstanzen läßt sich nicht entnehmen, worin sein arbeitsvertraglicher Aufgabenbereich als Meister im einzelnen bestand. Der Kläger hatte weder die Stellenbeschreibung, auf die in § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages von Januar 1991 Bezug genommen wird, vorgelegt noch vorgetragen, weshalb sie fehlt und welche mündlichen Vereinbarungen getroffen wurden. Für seine Stellung in der Betriebshierarchie spielt es keine Rolle, wenn er lediglich vorübergehend mit untergeordneten Tätigkeiten betraut wurde. Er räumt selbst ein, daß Arbeitnehmer sogar mit null Stunden kurzarbeiteten. Danach ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte ihm lediglich wegen einer Krisensituation in ihrem Betrieb zeitweilig Arbeiten übertrug, die nicht seiner arbeitsvertraglichen Stellung entsprachen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß nach § 1 Nr. 2.1. des Arbeitsvertrages von Januar 1991 "in dringenden Fällen ... auch eine Beschäftigung mit anderen Arbeiten einschließlich Neben- und Hilfsarbeiten sowohl auf den Baustellen als auch in anderen Bereichen und Abteilungen des Betriebes erfolgen" konnte. Ein derartiger Arbeitseinsatz verändert jedoch die Position des Klägers und seine Einordnung in die Betriebshierarchie nicht.

b) Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG hat der Arbeitnehmer die Tatsachen zu beweisen, aus denen sich ergibt, daß der Arbeitgeber keine ausreichende soziale Auswahl getroffen hat. Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG geregelte Mitteilungspflicht führt allerdings zu einer abgestuften Verteilung der Darlegungslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat im Umfange seiner materiell-rechtlichen Mitteilungspflicht auch im Prozeß die Gründe darzulegen, die ihn zu der sozialen Auswahl veranlaßt haben; im übrigen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungslast (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 24. März 1983 - 2 AZR 21/82 - BAGE 42, 151, 160 f. = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 2 c der Gründe).

c) Im vorliegenden Fall ist die Beklagte ihrer Mitteilungspflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG nachgekommen. Sie hat sich darauf berufen, daß es keine weiteren Arbeitnehmer auf der betrieblichen Ebene des Klägers gab. Der Kläger hätte daraufhin im einzelnen darlegen müssen, welche Aufgaben für seinen arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbereich charakteristisch waren, welche betriebliche Stellung er dementsprechend innehatte und auf welcher betrieblichen Ebene die seiner Ansicht nach vergleichbaren Arbeitnehmer nach den für ihre Arbeitsplätze typischen Aufgaben tätig waren. Ein entsprechender Tatsachenvortrag ist unterblieben, obwohl bereits das Kreisgericht darauf hingewiesen hatte, daß die soziale Auswahl nur Arbeitnehmer umfaßt, die auf der gleichen betrieblichen Ebene beschäftigt werden, der Kläger für die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer die Darlegungslast trägt und sein Sachvortrag nicht ausreichend gewesen ist.

Hillebrecht Bitter Kremhelmer

Wisskirchen Frehse

 

Fundstellen

Dokument-Index HI437950

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