Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdachtskündigung. Ordentliche Kündigung wegen Verdachts strafbarer Handlung zu Lasten des Arbeitgebers. Voraussetzungen der Verdachtskündigung. tarifliche ordentliche Unkündbarkeit: Ausscheiden aus familiären Gründen als vom Arbeitnehmer zu “vertretendes” Ausscheiden im tariflichen Sinne. tariflich vorgesehener Antrag auf Anrechnung von Vordienstzeiten. Anrechnung erst nach Ausspruch der Kündigung?. Kündigung

 

Orientierungssatz

Die Arbeitnehmerin einer Fluggesellschaft, die in Verletzung ihrer dienstlichen Obliegenheiten für ihren Ehemann unberechtigt Meilengutscheine bucht (Miles and More) begeht – abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz eines solchen Verhaltens – ganz erhebliche Vertragspflichtverletzungen.

Auch der sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründende Verdacht eines solchen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens ist an sich geeignet, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin in einem Maße zu zerstören, daß eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

Wird die Kündigung zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts (beispielsweise auf Grund einer Beweisaufnahme) die Pflichtwidrigkeit fest, so läßt dies die Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt; das Gericht ist nicht gehindert, die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund anzuerkennen.

Hat der Arbeitgeber lediglich eine Verdachtskündigung ausgesprochen und auch im Kündigungsschutzprozeß eine Tatkündigung nicht nachgeschoben, so kann das Gericht trotzdem sein Urteil darauf stützen, daß sich der Verdacht als Kündigungsgrund in seiner schärfsten Form erwiesen hat, daß nämlich das Gericht von der Tatbegehung überzeugt ist.

 

Normenkette

KSchG § 1; Manteltarifvertrag für das Bodenpersonal der Deutschen Lufthansa (MTV Nr. 14) § 41

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 19.04.2002; Aktenzeichen a9 Sa 865/01)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.03.2001; Aktenzeichen 15 Ca 8361/00)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. April 2002 – 9 Sa 865/01 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2000, dabei insbesondere über die Frage, ob die Klägerin tariflich ordentlich unkündbar war, und einen Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin.

Die 1952 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war seit 1. Mai 1978 bei der Beklagten in K… beschäftigt und schied dort zum 31. Oktober 1981 auf eigenen Wunsch aus familiären Gründen aus. Am 8. September 1986 wurde sie von der Beklagten neu eingestellt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 2. September 1986, der auf die jeweils gültigen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der D… Bezug nahm, war geregelt, für die Berechnung der Krankenbezüge werde eine Dienstzeit von drei Jahren und sechs Monaten angerechnet. Mit Schreiben vom 9. Januar 1987 bestätigte die Beklagte der Klägerin in Ergänzung zu dem Arbeitsvertrag, die für die Krankenbezüge angerechnete Dienstzeit von drei Jahren und sechs Monaten werde gleichfalls berücksichtigt für

die Sicherung der Vergütung bei Leistungsminderung im Sinne des § 31, Abs. 1 und 2 MTV

sowie die Inanspruchnahme von ermäßigten Flügen, einschl. des Status R 1/1.

Als technisches Eintrittsdatum gelte der 8. März 1983; im übrigen blieben die Bedingungen des Arbeitsvertrages unverändert weiter gültig. § 41 des Manteltarifvertrages für das Bodenpersonal der Beklagten (MTV Nr. 14) lautet auszugsweise:

“(3) Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung durch D… ausgeschlossen.

(4) Beschäftigungszeit im Sinne des Absatzes (2) und (3) ist die Beschäftigung im Dienste der D… und ihrer Tochtergesellschaften. Vor dem 08. Mai 1945 liegende Beschäftigungszeiten werden jedoch nur angerechnet, wenn die Beschäftigung bei der jetzigen D… oder ihrer Tochtergesellschaften wenigstens 3 Jahre gedauert hat. Vor einem früheren Ausscheiden aus der jetzigen D… oder der früheren L… oder deren Tochtergesellschaften liegende Beschäftigungszeiten können auch dann angerechnet werden, wenn der Mitarbeiter den Grund seines Ausscheidens zu vertreten hatte. Nach einer erneuten Beschäftigung von 3 Jahren ist auf Antrag des Mitarbeiters zu entscheiden, ob diese Beschäftigungszeiten angerechnet werden.

Zur Zeit des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages angerechnete Beschäftigungszeiten bleiben unverändert.”

Gemäß § 41 Abs. 2 MTV beträgt die Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 12 Jahren 6 Monate zum Schluß des Kalendervierteljahres.

Seit der 36. Kalenderwoche des Jahres 2000 hegte die Beklagte den Verdacht, die Klägerin habe in unberechtigter Weise NCRD-Nachkreditierungen auf das Meilenkonto ihres Ehemannes vorgenommen. Die Beklagte leitete entsprechende Ermittlungen ein. Nach ihren Feststellungen wurden folgende unberechtigte Nachkreditierungen zugunsten des Meilenkontos des Ehemannes der Klägerin vorgenommen:

  • für den Flug 401 New York nach Frankfurt am 12.12.1999: 11.553 Meilen, kreditiert am 13.12.1999, 9.15 Uhr
  • für den Flug 457 Los Angeles nach Frankfurt am 06.02.2000: 17.358 Meilen, kreditiert am 07.02.2000, 13.04 Uhr
  • für den Flug 14457 Los Angeles nach Frankfurt am 04.06.2000: 17.358 Meilen, kreditiert am 05.06.2000, 12.12 Uhr
  • für den Flug 591 Kairo nach Frankfurt am 20.06.2000: 3.630 Meilen, kreditiert am 21.06.2000, 8.02 Uhr
  • für den Flug 457 Los Angeles nach Frankfurt am 29.08.2000: 17.358 Meilen, kreditiert am 30.08.2000, 10.46 Uhr.

Die Nachkreditierung für den Flug 457 Los Angeles/Frankfurt am 4. Juni 2000 wurde mit dem Sign-In der Klägerin vorgenommen, die übrigen Nachkreditierungen mit den Sign-Ins der Arbeitnehmer B, D, Cz und Co. Von diesen 5 Arbeitnehmern, deren Sign-Ins verwendet wurden, war nur die Klägerin zu allen Zeiten, in denen die Nachkreditierungen erfolgten, dienstplanmäßig eingeteilt. Neben diesen 5 Personen sind allerdings erheblich mehr Arbeitnehmer je Schicht im Check-In-Bereich eingesetzt.

Am 21. September 2000 und am 2. November 2000 hörte die Beklagte die Klägerin zum Vorwurf unberechtigter Nachkreditierungen zugunsten des Meilenkontos ihres Ehemannes an. Eine Befragung der anderen Arbeitnehmer, deren Sign-Ins für die Nachkreditierungen verwendet wurden, sowie weiterer im Check-In-Bereich eingesetzter Arbeitnehmer erfolgte nicht. In einem letzten Gespräch am 21. November 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Ermittlungen seien abgeschlossen und es bestehe der Verdacht, sie habe unrechtmäßige Nachkreditierungen zugunsten ihres Ehemannes vorgenommen. Die Klägerin blieb im Verlauf dieses Gespräches bei ihrer Aussage, sie habe die Nachkreditierungen nicht vorgenommen. Sie könne sich das nur so erklären, daß ihr jemand schaden wolle; wer das sei, wisse sie nicht.

Mit Schreiben vom 28. November 2000 kündigte die Beklagte der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats, der gegen die Kündigung Bedenken erhob, fristlos, hilfsweise fristgerecht. Es steht inzwischen rechtskräftig fest, daß diese außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat, weil die außerordentliche Kündigung gegen § 626 Abs. 2 BGB verstieß, die ordentliche Kündigung hingegen nach § 174 BGB unwirksam war. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2000 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine weitere ordentliche Kündigung aus, die Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist.

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie hat geltend gemacht, die ordentliche Kündigung sei nach dem einschlägigen Tarifvertrag ausgeschlossen, da ihre frühere Beschäftigungszeit von drei Jahren und sechs Monaten anzurechnen und sie deshalb länger als 15 Jahre bei der Beklagten beschäftigt sei. Sie sei seinerzeit nicht aus eigenem Verschulden, sondern deshalb ausgeschieden, weil ihr Ehemann nach Bahrain versetzt worden sei und dort keine Niederlassung der Beklagten bestanden habe. Jedenfalls müsse die Beklagte auf ihren nunmehr gestellten Antrag hin die in K… zurückgelegte Zeit als Beschäftigungszeit nachträglich anrechnen. Die Kündigungsvorwürfe seien unberechtigt. Sie habe weder die dargestellten Nachkreditierungen vorgenommen noch bestehe ein entsprechender dringender Verdacht. Für eine Tatbeteiligung ihrerseits lägen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Falschbuchungen könnten durch andere Mitarbeiter versehentlich oder, um ihr zu schaden, vorgenommen worden sein. Die Nummer der Miles & More-Karte ihres Ehemanns könne beim Einchecken notiert worden sein. Daß die Falschbuchung nicht von ihr stamme, ergebe sich schon daraus, daß ihrem Ehemann am 13. August 2001, als sie nicht mehr im Dienst gewesen sei, eine weitere Gutschrift erteilt worden sei. Ihr Ehemann sei an diesem Tag nicht geflogen. Jedenfalls habe die Beklagte den Sachverhalt weder ausreichend noch zügig aufgeklärt. Die Beklagte hätte zumindest die vier anderen Mitarbeiter befragen müssen, deren Sign-In verwendet worden sei. Schließlich sei dem Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben nicht mitgeteilt worden, welche Schlüsse die Beklagte aus den behaupteten Verdachtsmomenten ziehe.

Die Klägerin hat – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2000 nicht beendet worden ist und

die Beklagte zu verurteilen, sie als Angestellte im Check-In-Bereich weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Klägerin sei dringend verdächtig, die unberechtigten Nachkreditierungen zugunsten des Meilenkontos ihres Ehemannes vorgenommen zu haben. Es sei lebensfremd, daß einzelne ihrer Mitarbeiter den Ehemann der Klägerin in den Genuß von Meilengutschriften hätten bringen und der Klägerin damit schaden wollen. Eine Befragung der weiteren, in zwei Schichten täglich eingesetzten etwa 360 bis 400 Mitarbeiter sei ihr nicht zumutbar gewesen. Den Mitarbeitern sei seinerzeit auch nicht bekannt gewesen, daß eine entsprechende Software zur Aufdeckung von Mißbrauch bei den Meilengutschriften im Einsatz gewesen sei, so daß ein anderer Mitarbeiter nicht davon habe ausgehen können, daß eine unberechtigte Nachkreditierung bemerkt würde. Außerdem müsse man hierzu eine 15-stellige Nummer der Miles & More-Karte eingeben. Eine Anrechnung der früheren Beschäftigungszeit der Klägerin in K… komme nach den arbeitsvertraglichen und tariflichen Regelungen nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den oben wiedergegebenen Anträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2000 hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Die Beklagte ist deshalb auch nicht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet.

  • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die ordentliche Kündigung vom 27. Dezember 2000 sei wegen des dringenden Verdachtes betrügerischer Manipulationen bei der Nachkreditierung auf dem Meilenkonto des Ehemanns der Klägerin sozial gerechtfertigt. Die Klägerin sei ordentlich kündbar gewesen. Die Dienstzeit vom 1. Mai 1978 bis zum 31. Oktober 1981 sei nicht anzurechnen. Die Klägerin habe den Grund ihres Ausscheidens im Sinne der Tarifbestimmungen zu vertreten, wenn sie aus familiären Gründen auf eigenen Wunsch ausgeschieden sei. Eine nachträgliche Anrechnung auf Grund eines von der Klägerin nach Zugang der Kündigung gestellten Antrages sei der Beklagten nicht zumutbar. Der gegen die Klägerin gerichtete Verdacht sei schwerwiegend, dringend und ergebe sich aus handfesten Indizien. Die Beklagte sei angesichts des Verdachts gegen die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, noch weitere Arbeitnehmer nach deren möglicher Täterschaft zu befragen, ohne ein Verdachtsmoment gegen diese Mitarbeiter zu haben. Die nachkreditierten rund 67.000 Meilen entsprächen dem Wert mehrerer innereuropäischer Flüge. Das Vertrauen der Beklagten zur Klägerin sei durch deren kriminelles Vorgehen zerstört und es sei auch nicht ersichtlich, wie dieses etwa durch den Ausspruch einer Abmahnung wieder hergestellt werden könnte. Das Interesse der Beklagten, ihren Mitarbeitern in einem schwer überprüfbaren Bereich vertrauen zu können, sei gegenüber den sozialen Interessen der Klägerin schwerwiegend. Die Klägerin habe auch nach Aufdeckung der unberechtigten Nachkreditierungen, derer sie angesichts handfester Indizien dringend verdächtig sei, ihre Täterschaft weiterhin geleugnet und damit gezeigt, daß bei ihr auch weiterhin das unabweisbare Vertrauen in eine ehrliche Arbeitsleistung fehle.
  • Dem folgt der Senat im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung.

    1. Die noch streitige Kündigung der Beklagten vom 27. Dezember 2000 ist, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend angenommen haben, nicht bereits wegen ordentlicher Unkündbarkeit der Klägerin nach § 41 Abs. 3 MTV Nr. 14 rechtsunwirksam. Die Zeit vom 1. Mai 1978 bis zum 31. Oktober 1981 ist auf die Beschäftigungszeit der Klägerin iSd. § 41 Abs. 3 MTV Nr. 14 nicht anzurechnen.

    a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht, ohne dies näher zu problematisieren, davon aus, daß der MTV Nr. 14 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur auf Grund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet. Deshalb ist bei der Prüfung, ob vor einem früheren Ausscheiden liegende Beschäftigungszeiten anrechenbar sind, zu fragen, ob kraft der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge der § 41 MTV Nr. 14 uneingeschränkt gilt oder ob die Parteien eine arbeitsvertragliche Sonderregelung hinsichtlich der Kündigungsfristen, der ordentlichen Unkündbarkeit und der anrechenbaren Beschäftigungszeiten getroffen haben.

    b) Schon der Arbeitsvertrag vom 2. September 1986 spricht nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, dafür, daß der Klägerin die Zeit vom 1. Mai 1978 bis zum 31. Oktober 1981 nach § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 als Beschäftigungszeit angerechnet werden sollte.

    Der Vertrag unterliegt jedenfalls der Überprüfung durch das Revisionsgericht, ob die Rechtsvorschriften über die Auslegung, §§ 133, 157 BGB, richtig angewandt worden sind, ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet oder dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder eine gebotene Auslegung unterlassen worden ist (st. Rspr. BAG 18. Februar 1992 – 9 AZR 611/90 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 115 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 98). Auch diesem eingeschränkten Überprüfungsmaßstab wird die Auslegung des Arbeitsvertrages vom 2. September 1986 nicht gerecht.

    Wenn das Landesarbeitsgericht ohne nähere Prüfung davon ausgeht, hinsichtlich der Anrechnung der Beschäftigungszeit gelte kraft der Bezugnahme im Arbeitsvertrag § 41 MTV Nr. 14, so berücksichtigt dies nicht hinreichend, daß es sich insoweit nur um eine allgemeine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge handelt. Diese soll nach dem erkennbaren Parteiwillen nicht gelten, soweit eine arbeitsvertragliche Regelung einzelner Fragen getroffen worden ist. Wenn die Parteien bei der Neueinstellung der Klägerin die Anrechnung der früheren Dienstzeit für die Berechnung der Krankenbezüge ausdrücklich geregelt haben, so zeigt dies, daß sie die Frage der Anrechnung früherer Dienstzeiten für regelungsbedürftig hielten und deshalb regeln wollten. Da die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber für die Vertragspartner erkennbar in zahlreichen gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften eine Rolle spielte, war damit bereits bei den Vertragsverhandlungen allgemein die Frage der Anrechnung der früheren Dienstzeit nicht nur hinsichtlich der Berechnung der Krankenbezüge, sondern auch etwa bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG, der Berechnung der verlängerten Kündigungsfristen und der tariflichen Unkündbarkeit angesprochen. Vereinbaren die Vertragspartner unter solchen Umständen die Anrechnung der früheren Dienstzeit nur in einem eng umgrenzten Teilbereich, so spricht dies eher dafür, daß eine Anrechnung nur in diesem Teilbereich, nicht jedoch im übrigen erfolgen sollte.

    c) Selbst wenn man in der vertraglichen Regelung, die Vordienstzeit von drei Jahren und sechs Monaten werde – so wörtlich das angefochtene Urteil – “lediglich” für die Berechnung der Krankenbezüge angerechnet, noch keinen eindeutigen Ausschluß der Anrechnung dieser Vordienstzeiten im Rahmen von § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 ansieht, werden mögliche Zweifel jedenfalls durch das Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 9. Januar 1987 beseitigt. Dessen Inhalt entspricht nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts einer Zusatzvereinbarung der Parteien zum Arbeitsvertrag. Wenn danach der Klägerin die Anrechnung der Vordienstzeit in zwei weiteren Punkten (§ 31 MTV und Inanspruchnahme von ermäßigten Flügen) zugestanden wird, so kann dies vom Empfängerhorizont der Klägerin aus sinnvoll nur bedeuten, daß die Vordienstzeit in anderen Teilbereichen vertraglich ausgeschlossen bleiben sollte.

    Zudem ist bei der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des Schreibens vom 9. Januar 1987 wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben: Das Schreiben enthält nicht nur die Bestätigung, daß bei § 31 MTV Nr. 14 und der Inanspruchnahme von ermäßigten Flügen die Vordienstzeit angerechnet wird. Der in dem Schreiben vorgesehene Passus über die Kündigungsfristen gem. § 41 Abs. 2 MTV Nr. 14 ist in dem Schreiben vielmehr ausdrücklich durchgestrichen. Dies spricht zusätzlich dafür, daß bei der nach § 41 MTV Nr. 14 maßgeblichen Beschäftigungszeit die Vordienstzeit der Klägerin in K… nicht bzw. jedenfalls nicht ohne Antrag nach § 41 Abs. 4 Satz 4 MTV Nr. 14 berücksichtigt werden sollte. Dem steht nicht entgegen, daß das Schreiben seinem – durchgestrichenen – Wortlaut nach nur auf § 41 Abs. 2 MTV Nr. 14 Bezug nimmt. Die Frage der Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten ist einheitlich für die verlängerten Kündigungsfristen und den Ausschluß der ordentlichen Kündigung in § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 geregelt. Die Vereinbarung des Ausschlusses der Anrechnung früherer Dienstzeiten hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen erstreckt sich deshalb nach ihrem Sinn und Zweck ebenfalls auf die in § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 mit geregelte Frage der noch später als die verlängerten Kündigungsfristen eintretenden ordentlichen Unkündbarkeit.

    d) Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß die Parteien die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der tariflichen Kündigungsfristen und der ordentlichen Unkündbarkeit nach § 41 Abs. 2 und 3 MTV Nr. 14 einzelvertraglich gesondert geregelt haben. Zwar sollte die einzelvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge grundsätzlich eine Gleichstellung der Arbeitsbedingungen der Klägerin mit denen der tarifgebundenen Arbeitnehmer bewirken. Es bestand aber ein Sachgrund, die komplizierte allgemeine Regelung des § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 einzelvertraglich durch eine konkrete Anrechnungsbestimmung zu ersetzen. Wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt, konnte es durchaus unterschiedlich bewertet werden, ob das frühere Ausscheiden der Klägerin wegen Umzugs an einen Ort, an dem keine Vertretung der Beklagten bestand, als Vertretenmüssen im Tarifsinne auszulegen war. Dies rechtfertigte es, in diesem Punkt von vornherein zwischen den Parteien einzelvertraglich klare Verhältnisse zu schaffen.

    e) Selbst wenn man – wie die Revision geltend macht – die vertraglichen Vereinbarungen dahin auslegen würde, die Parteien hätten das Recht der Klägerin nicht ausschließen wollen, nach einer erneuten Beschäftigung von drei Jahren einen Antrag auf Anrechnung der früheren Beschäftigungszeit zu stellen (§ 41 Abs. 4 Satz 4 MTV Nr. 14), würde dies nicht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen. Geht man davon aus, die Klägerin hätte nach Ablauf von drei Jahren seit ihrer Neueinstellung bei der Beklagten nach § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 das tarifvertragliche Recht gehabt, eine Anrechnung ihrer früheren Beschäftigungszeit zu verlangen, so hätte sie dieses Recht nicht rechtzeitig ausgeübt. Die Wirksamkeit einer Kündigung beurteilt sich nach der ständigen Senatsrechtsprechung, an der festzuhalten ist, nach dem Zeitpunkt ihres Ausspruchs. Bei Ausspruch der Kündigung hatte die Klägerin aber noch keinen Antrag auf Anrechnung ihrer früheren Dienstzeit in K… gestellt. Ein später gestellter Antrag konnte jedoch nicht rückwirkend das bereits ausgeübte Recht der Beklagten zur Kündigung entfallen lassen. Die Beklagte handelte auch unter den gegebenen Umständen nicht treuwidrig, wenn sie einem nachträglichen Antrag der Klägerin nach § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 nicht mit Rückwirkung stattgab. Es bestand aus Sicht der Beklagten kein Sachgrund, die Klägerin, die viele Jahre lang einen Antrag nach § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 nicht gestellt hatte, gleich zu behandeln mit einer Arbeitnehmerin, die sich durch rechtzeitige Antragstellung ihre Rechte aus § 41 Abs. 4 MTV Nr. 14 gesichert hatte.

    f) Der Senat brauchte nach alledem nicht abschließend zu entscheiden, ob dem Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis darin zu folgen ist, daß ein Arbeitnehmer, der vorsätzlich an einen Ort umzieht, in dessen Nähe sich keine Niederlassung der Beklagten befindet, sein freiwilliges Ausscheiden aus diesem Grund im Tarifsinn zu vertreten hat.

    2. Die danach zulässige ordentliche Kündigung der Beklagten ist nicht sozialwidrig (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG).

    a) Bei der Frage, ob die Kündigung aus Gründen in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. etwa BAG 12. April 2002 – 2 AZR 148/01 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 49). Dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil stand.

    b) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Arbeitnehmerin einer Fluggesellschaft, die in Verletzung ihrer dienstlichen Obliegenheiten für ihren Ehemann unberechtigt Meilengutschriften bucht, abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz eines solchen Verhaltens, ganz erhebliche Vertragspflichtverletzungen begeht. Dies sieht auch die Revision nicht anders.

    c) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, wenn es im Einklang mit der ständigen Senatsrechtsprechung ausreichen läßt, daß der sich auf objektive Tatsachen und Verdachtsmomente gründende Verdacht eines entsprechenden strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen in einem Maße zerstören kann, daß eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Auch in diesem Punkt greift die Revision das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht an.

    d) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Verdacht, daß die Klägerin auf dem Meilenkonto ihres Ehemannes Nachkreditierungen vorgenommen habe, sei schwerwiegend, dringend und ergebe sich aus handfesten Indizien, ist ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

    aa) Das Landesarbeitsgericht hat den schwerwiegenden Verdacht gegen die Klägerin aus folgenden, im wesentlichen unstreitigen Indizien hergeleitet:

    Bei sämtlichen Nachkreditierungen habe hierzu keine berechtigte Veranlassung bestanden, weil der Ehemann der Klägerin entweder nicht First Class geflogen sei oder ein Prämienticket gehabt habe oder gar nicht geflogen sei. Der Verdacht gegen die Klägerin sei dringend, weil die Nachkreditierung am 4. Juni von der Klägerin selbst vorgenommen worden sei und soweit dies mit dem Sign-In anderer Mitarbeiter geschehen sei, dies – wie die Klägerin selbst vortrage – im Betrieb problemlos möglich sei. Die Klägerin, die infolge ihrer Teilzeitbeschäftigung an zwei Tagen in der Woche Dienst habe, sei an allen Buchungstagen im Dienst gewesen. Die Klägerin habe auch ein Motiv gehabt. Daß andere Mitarbeiter ihr durch die Kreditierungen hätten schaden wollen, sei zwar nicht auszuschließen. Es sei hierfür jedoch kein konkreter Anhaltspunkt ersichtlich. Eine Eingabe durch andere Mitarbeiter sei schon deshalb eher auszuschließen, weil diese einen genauen Einblick in die Fluggewohnheiten des Ehemanns der Klägerin hätten haben müssen. Die Nachkreditierung sei nämlich nur zwei Tage rückwirkend möglich. Man benötige hierzu die 15-stellige Kartennummer des Kunden. Es sei nicht ersichtlich, woher ein Mitarbeiter diese gekannt haben solle. Da es zudem seinerzeit mangels Überprüfung unwahrscheinlich gewesen sei, daß solche Nachkreditierungen von der Beklagten bemerkt worden seien, hätte ein Mitarbeiter nicht davon ausgehen können, die Klägerin damit wirklich schädigen zu können. Daß schließlich am 13. August 2001 eine weitere Eingabe erfolgt sei, entlaste die Klägerin nicht. Die Klägerin habe dargelegt, daß zunächst eine Kundennummer 9999 für “E…” eingegeben worden sei und dann in K… die Kundennummer 401 E…,. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, ob E… zu ihrer Familie gehöre und auch diese am 13. August 2001 nicht geflogen sei, so daß offen bleibe, ob diese Umbuchung durch ein Familienmitglied veranlaßt worden sei.

    Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht aus diesen zahlreichen Indizien den schwerwiegenden Verdacht hergeleitet hat, die Klägerin habe auf dem Meilenkonto ihres Ehemannes Nachkreditierungen vorgenommen. Entscheidend gegen die Klägerin spricht dabei, daß sie allein an allen fraglichen Tagen im Dienst war und an einem dieser Tage ihr Sign-In verwandt worden ist, ohne daß sie dies schlüssig erklären konnte.

    bb) Zu Unrecht rügt die Revision, die Beklagte habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, indem sie nicht alle im Schalterdienst beschäftigten 300 – 400 Mitarbeiter oder zumindest alle an den fraglichen Tagen anwesenden Mitarbeiter zu dem Sachverhalt vernommen habe. Gegen diese Mitarbeiter konnte aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers nicht einmal ein gewisser Anfangsverdacht bestehen, selbst wenn man berücksichtigt, daß es möglich ist, fremde Terminals zu benutzen. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht die festgestellten, für einen erheblichen Verdacht gegen die Klägerin sprechenden Indizien als so schwergewichtig angesehen hat, daß es in der Vernehmung der übrigen Mitarbeiter keine hinreichende Chance gesehen hat, daß sich Entlastungsmomente zugunsten der Klägerin ergeben konnten. Die Vermutung der Klägerin, jemand habe ihr schaden wollen, ist zu fernliegend, als daß die Beklagte ihr durch Vernehmung zahlreicher Zeugen hätte nachgehen müssen. Andere Erklärungsmöglichkeiten hat die Klägerin selbst nicht vorgebracht.

    cc) Auch soweit die Klägerin in den Vorinstanzen gerügt hat, die Beklagte hätte zumindest die Mitarbeiter vernehmen müssen, deren Sign-In jeweils für die Gutschriften verwandt worden seien, so greift dies im Ergebnis nicht durch. Wenn es auch nach dem Vorbringen der Klägerin möglich war, fremde Terminals mit dem entsprechenden Sign-In zu benutzen, so war die Klägerin die einzige Arbeitnehmerin, die an allen fraglichen Tagen anwesend war, also diese Möglichkeit hatte. Irgendwelche konkreteren Anhaltspunkte dafür, daß sich mehrere Arbeitnehmer gegen die Klägerin verschworen haben könnten, um dem Ehemann der Klägerin fragwürdige Vermögensvorteile zu verschaffen, lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Einem lediglich pauschalen Entlastungsvorbringen, das auf den ersten Blick den Eindruck einer Schutzbehauptung erweckte, brauchten weder die Beklagte noch das Gericht nachzugehen.

    e) Auch die Interessenabwägung, bei der dem Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanz ein erheblicher Beurteilungsspielraum zukommt, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist insbesondere zugunsten der Klägerin deren beträchtliche Beschäftigungsdauer und die Tatsache berücksichtigt worden, daß das Arbeitsverhältnis bisher beanstandungsfrei verlaufen ist. Wenn das Landesarbeitsgericht dennoch angesichts des eingetretenen Vertrauensverlustes die Interessen der Beklagten an der Beendigung der erheblich gestörten Zusammenarbeit zwischen den Parteien hat überwiegen lassen, so hält sich dies im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz.

    aa) Die Revision rügt zu Unrecht, daß das Landesarbeitsgericht einerseits lediglich die von der Beklagten ausgesprochene Verdachtskündigung geprüft, andererseits aber bei der Beurteilung der Verdachtsmomente auf das “wiederholte strafrechtlich relevante Verhalten der Klägerin”, auf “ihr kriminelles Vorgehen” und das “fortgesetzt strafbare Verhalten der Klägerin” abgestellt hat. Auch wenn man darin den Hinweis sieht, daß das Landesarbeitsgericht nicht nur von einem schwerwiegenden Verdacht unberechtigter Meilengutschriften durch die Klägerin, sondern von deren Tatbegehung überzeugt war, stellt der Hinweis hierauf keinen Rechtsfehler der Interessenabwägung dar. Zwar hat sich die Beklagte im Prozeß lediglich auf eine Verdachtskündigung berufen, obwohl sie materiell-rechtlich nicht gehindert gewesen wäre, noch während des Kündigungsschutzprozesses geltend zu machen, die den Verdacht begründenden Pflichtwidrigkeiten rechtfertigten eine Tatkündigung (Senat 6. Dezember 2001 – 2 AZR 496/00 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11). Dies stellt jedoch für das Gericht kein zwingendes Erfordernis dar, bei der Interessenabwägung unberücksichtigt zu lassen und gewissermaßen zu “vergessen”, daß sich im Verlauf des Prozesses die Verdachtsmomente gegen die betroffene Arbeitnehmerin derart verdichtet haben, daß das Gericht zu der Überzeugung gekommen ist, die Arbeitnehmerin habe die ihr vorgeworfene Tat begangen. Die beiden Kündigungsgründe des Verdachts und des Vorwurfs einer Pflichtwidrigkeit stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung zunächst nur mit dem Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns begründet, steht jedoch nach der Überzeugung des Gerichts (beispielsweise auf Grund einer Beweisaufnahme) die Pflichtwidrigkeit fest, so läßt dies die Wirksamkeit der Kündigung aus materiell-rechtlichen Gründen unberührt. Das Gericht ist nicht gehindert, die nachgewiesene Pflichtwidrigkeit als Kündigungsgrund anzuerkennen (BAG 6. Dezember 2001 aaO; KR-Fischermeier 6. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Hat der Arbeitgeber lediglich eine Verdachtskündigung ausgesprochen und auch im Kündigungsschutzprozeß keine Tatkündigung nachgeschoben, so kann das Gericht trotzdem sein Urteil darauf stützen, daß sich der Verdacht als Kündigungsgrund in seiner schärfsten Form erwiesen hat, daß nämlich das Gericht von der Tatbegehung überzeugt ist.

    bb) Folgt man dem, so ist auch die Rüge der Revision unberechtigt, das Landesarbeitsgericht hätte im Rahmen der Interessenabwägung nicht darauf abstellen dürfen, die Klägerin habe ihre Täterschaft “auch nach Aufdeckung der unberechtigten Nachkreditierungen weiterhin geleugnet”. Steht die Täterschaft zur Überzeugung des Gerichts fest, so macht es im Rahmen der Interessenabwägung sehr wohl einen Unterschied, ob eine langjährig beschäftigte Arbeitnehmerin geständig ist oder ihre fortgesetzten Pflichtverletzungen beharrlich leugnet. Selbst wenn man aber nur auf den schwerwiegenden Verdacht strafbarer Handlungen abstellt, so wird der durch den Verdacht eingetretene Vertrauensverlust beim Arbeitgeber nicht dadurch geringer, daß dem in Verdacht geratenen Arbeitnehmer sinnvoll nichts anderes übrig bleibt, als bis zum Nachweis der Tatbegehung sein Fehlverhalten zu leugnen.

    3. Da nach alledem die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat, war die Beklagte auch nicht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet.

 

Unterschriften

Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Bensinger, Nielebock

 

Fundstellen

Haufe-Index 1115754

FA 2004, 251

NZA 2004, 307

AP, 0

EzA-SD 2004, 11

EzA

ArbRB 2004, 99

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